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„Mann, hab ich Gehirnsausen“, sagte der Profos. „Jedes einzelne Haar tut mir weh.“ Er sagte das etwas krächzend und mit leicht versoffener Stimme und schien sich dabei selbst zu bedauern.

„Demnach bist du also Gehirnbesitzer“, sagte der Kutscher mit einem süffisanten Grinsen und geheuchelter Anteilnahme. „Oder etwa nicht?“

Carberry starrte aus trüben Augen zu ihm hoch.

„Das will ich meinen, aber ganz sicher. Oder hegst du etwa Zweifel daran?“ Das letztere klang schon etwas aggressiv.

„Nicht den geringsten, Ed. Ich wollte lediglich klarstellen, daß es Gehirnbesitzer und Gehirnbenutzer gibt. Ein kleiner, aber doch sehr feiner Unterschied.“

Carberry brauchte eine ganze Weile, um das zu kapieren. So richtig schien es mit der Benutzung noch nicht zu funktionieren.

„Wie meinst du das?“ fragte er, um Zeit zu gewinnen und sich die passende Antwort einfallen zu lassen.

„Na ja, Klugheit fällt nun mal nicht wie Manna vom Himmel“, erwiderte der Kutscher grinsend. „Ein erfahrener Gehirnbenutzer weiß natürlich, daß ihm die Sauferei im Übermaß nicht guttut. Daher hört er rechtzeitig auf, um die unangenehmen Nachwirkungen zu vermeiden. Aber ein Gehirnbesitzer denkt nicht lange, sondern schluckt alles in sich hinein, was er kriegen kann. Er hat nichts dazugelernt, verstehst du?“

„Kutschersprüche“, sagte der Profos, mit der Hand verächtlich abwinkend. „Moralapostelgewäsch, Neid, weil man selber nichts verträgt. Du warst auch schon mal so voll, daß du die Pardunen kalfatern wolltest.“

„Muß lange her sein“, murmelte der Kutscher etwas verlegen. „Kann mich nicht mehr daran erinnern.“

Es stimmte auch gar nicht, aber Carberry stellte das einfach als Behauptung auf und nickte noch ernst dazu.

Mac Pellew latschte heran und stellte einen Kübel mit Brühe auf die Planken. Auch er litt noch unter gewissen Nachwirkungen. Sein Gesicht war verbiestert, die Augen etwas rötlich gefärbt und trübe.

„Fleischbrühe“, sagte er heiser. „Das bringt euch Suffköppe wieder auf die Beine.“

„Bei dir scheint es noch nicht gewirkt zu haben“, meinte der rothaarige Ire Higgy. „Wer soll das heiße Zeug denn bei dieser Bullenhitze schlucken?“

„Ihr natürlich, wer sonst? Ist scharf gewürzt und gesalzen.“

„Ein saurer Hering wäre mir lieber“, jammerte Luke Morgan, der ständig die linke Hand am Kopf hatte, als sei da was geplatzt.

„Dann fang dir einen. Die Angeln sind im Stauraum.“

Mac warf den Kerlen ein paar Mucks zu, schnappte sich die hölzerne Kelle und füllte für sich ebenfalls eine voll. In kleinen und vorsichtigen Schlucken nippte er an der Fleischbrühe.

Anfangs waren die Arwenacks absolut nicht begeistert von dem Angebot, doch als Paddy sich als erster auf den Kübel stürzte, taten es ihm auch die anderen nach.

„Hmm“, äußerte sich Ferris Tucker anerkennend. „Das hat schon was für sich und vertreibt den Kater.“

Paddy Rogers hatte schon die zweite Muck am Hals. Er trank und starrte über das Hafenviertel von Madras, bis sich sein Blick weit draußen auf See verlor, wo der Wind sein brausendes Lied sang.

Offenbar hatte er heute seinen philosophischen Tag. Sein Blick kehrte wieder zurück und wurde grüblerisch.

„Warum gibt es eigentlich derart viel Wasser auf der Erde?“ fragte er nachdenklich. „Land ist doch nur wenig da, wenn man die gewaltigen Meere sieht.“

Der Kutscher zog die Augenbrauen hoch, als Paddy ihn ansah.

„Da muß ich leider passen. Außerdem ist das eine merkwürdige und wohl kaum zu beantwortende Frage.“

„Weil Gott das so gewollt hat“, sagte Old Donegal, und damit war das Thema auch schon für ihn erledigt.

Die meisten anderen zuckten nur mit den Schultern, weil sie die Antwort auch nicht kannten. Sie sahen daher erstaunt auf, als der Profos krächzend sagte: „Das hat zwei Gründe. Sehr viel Wasser ist aus dem Grund vorhanden, damit man besser die vielen Inseln erreicht.“

Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Kutscher hart schluckte und an einem unsichtbaren Kloß würgte.

„Und der zweite Grund?“ fragte Paddy interessiert.

„Na, liegt doch auf der Hand“, erwiderte Carberry. „Damit es nicht so staubt, wenn die Schiffe bremsen.“

Daraufhin begann Mac Pellew so schrecklich zu lachen, daß sie ihm auf den Rücken klopfen mußten, damit er nicht erstickte. Das Grinsen ging reihum, bis auf Paddy, der sehr nachdenklich war und über die Antwort des Profosen nachgrübelte.

Das war der Zeitpunkt, als der Seewolf an Deck erschien. Er war frisch und ausgeschlafen. Auf seinem sonnengebräunten Gesicht mit den blitzenden weißen Zähnen lag ein nachsichtiges Lächeln. Er hatte Carberrys Weisheiten gerade noch mitgekriegt.

Von den Nachwehen einer Feier war ihm allerdings nicht das geringste anzumerken.

Er nahm zwischen den Arwenacks Platz und schien guter Laune zu sein, die sich noch steigerte, als ihm die Fleischbrühe gereicht wurde.

Mit einem kurzen Rundblick stellte er fest, daß sich noch nichts getan hatte. Der Sultan würde wohl erst gegen Mittag eintreffen. Im Hafen von Madras herrschte ebenfalls noch Ruhe. Nur ein paar Fischerboote waren zum Fang ausgelaufen, und an den hölzernen Piers hockten ein paar unermüdliche Angler, die vor sich hindösten.

Er ließ sich das Frühstück schmecken, das Mac eilig an Deck brachte, trank dazu Fleischbrühe und blickte die Männer einen nach dem anderen an.

Unter seinen Arwenacks war eine gewisse Unruhe zu spüren, jene untrüglichen Zeichen, wie sie auch vor einem Sturm meist aufzutreten pflegten.

Klar, die Kerle wollten wieder Seeluft schnuppern, wo ihnen tosender Wind um die Ohren pfiff, wo es keine Enge mehr gab, sondern nur noch die unermeßliche Weite der See. Sie hatten Madras jetzt satt bis Unterkante Oberlippe, obwohl sie eine angenehme Zeit verbracht hatten.

Er verstand das nur allzugut. Auch ihm erging es so, aber er hatte noch eine Kleinigkeit auf dem Herzen, und daher übte er sich in Geduld.

Er merkte auch, daß die Blicke gespannt auf ihm lagen, doch außer Old O’Flynn unterbrach ihn niemand beim Essen.

Der Alte rümpfte die Nase, räusperte sich die Kehle frei und rieb mit der linken Hand über seine Bartstoppeln.

„Schmeckt’s, Sir?“ fragte er.

„Ausgezeichnet“, lobte Hasard. „Statt hier gallig herumzuhocken, solltet ihr auch kräftig reinhauen und euch langsam mit dem Gedanken anfreunden, von Madras Abschied zu nehmen.“

„Gerade das wollte ich ansprechen“, sagte Old Donegal eifrig. „Wir haben das Thema ja schon mal ganz kurz angeschnitten. Äh – wohin segeln wir denn jetzt eigentlich genau? Wollen wir noch diesem reichen Widdibum einen Besuch abstatten, oder geht’s gleich zurück nach Bombay, oder was?“

Die merkwürdige Bezeichnung traf auf den Nawab von Bandar ganz und gar nicht zu, der ein Verwandter des Sultans von Golkonda war. Er beherrschte die weiter nördlich gelegene Küsten- und Landesregion und war außerdem einer der reichsten Männer Indiens. Der Sultan hatte den Seewölfen dort einen Besuch empfohlen.

„Nein, ich glaube nicht, daß wir nach Bandar segeln“, erwiderte Hasard. „Es würde zu lange aufhalten, und wir müßten uns noch Ewigkeiten lang in Indien herumtreiben.“

Er sah das erleichterte Aufatmen von Old Donegal, dem anscheinend ein ganzer Felsen von der Seele rutschte.

Der alte Zausel hatte nämlich seit einer Weile seine sogenannten Wahrträume, in denen er Dinge sah, die der übrigen Welt verborgen blieben. In letzter Zeit träumte er von schrecklichen Ereignissen in der Karibik, die sich ausschließlich auf Great Abaco, dem Stützpunkt der Arwenacks, abspielten.

„Aber“, nuschelte Old Donegal leise, „wir müssen noch einmal nach Bombay zurück, nicht wahr?“

Neben Hasard nickte der Spanier Don Juan, den Old Donegal ebenfalls mit seinen schrecklichen Träumen genervt hatte.

„Das werden wir wohl. Schließlich haben wir Ischwar Singh gegenüber gewisse Verpflichtungen. Eine ganze Schiffsladung Gewürze und anderer Kostbarkeiten wartet dort noch auf uns.“

Er sah in ziemlich mißmutige und betretene Gesichter. Keiner schien so richtig Lust zu haben, den indischen Kontinent noch einmal bis hoch nach Norden zu segeln. Es war eine lange und mühsame Strecke.

„Wer möchte denn gern nach Bombay?“ fragte der Seewolf nach einer Weile des Schweigens.

Genausogut hätte er das eichene Schott fragen können.

„Na, hebt doch mal die kraftlosen Ärmchen!“ spottete er. „Im Bund der Korsaren haben wir beschlossen, über Grundsätzliches gemeinsam abzustimmen.“

Im Geiste stellte sich jeder den endlos langen Törn an einer Küste vor, die sie schon auswendig kannten. Kein Arm hob sich. Ein paar Männer blickten lustlos auf die Planken. Hin und wieder streifte Hasard ein flüchtiger Blick.

„Also keiner“, stellte der Seewolf lakonisch fest. „Das habe ich auch nicht anders erwartet. Anfangs gab es da noch eine gewisse Begeisterung, doch die scheint sich restlos gelegt zu haben.“

„Du hast etwas anderes vor, Sir, nicht wahr?“ fragte Dan O’Flynn. „Etwas, das wir einmal kurz in Erwägung gezogen haben.“

Hasard trieb die Spannung dadurch auf die Spitze, daß er sich mit der Antwort etwas Zeit ließ. Die Blicke aller hingen jetzt gespannt an seinen Lippen.

Nach einem kräftigen Schluck setzte er die Muck ab und wischte sich über den Mund.

„Ja, wir haben darüber einmal gesprochen, aber noch nichts Genaues festgelegt. Deshalb hängt alles weitere auch zum größten Teil von unserem Freund, dem Sultan ab. Wir müßten eigentlich nach Bombay zurückkehren, um Ischwar Singh Bericht über die elf Tonnen Gold und Silber zu erstatten. Hört er nichts mehr von uns, dann könnte das später sehr unangenehme Auswirkungen auf die angeknüpften Handelsbeziehungen zu England haben.“

„Was hat das mit dem Sultan zu tun?“ fragte Don Juan.

„Eine ganze Menge. Wir haben ihm die Prunkgaleere zurückerobert, die sein ganzer Stolz ist. Ich nehme an, er wird früher oder später mit der Galeere nach Bombay segeln. Das ist üblich, daß sich die Verwandten per Schiff gegenseitig besuchen. Sollte das der Fall sein, kann der Sultan vielleicht mit Ischwar Singh reden und ihm unsere Gründe darlegen. Er hätte damit einen Bericht aus erster Hand, an dem es nicht den geringsten Zweifel gibt. Dadurch ersparen wir uns eine riesige Strecke.“

„Und die kostbare Ladung, die in Bombay auf uns wartet?“ fragte Ben.

„Daran habe ich natürlich auch gedacht. Aber Ischwar Singh könnte sie möglicherweise einem vertrauenswürdigen englischen Kaufmann in unserem Namen mitgeben. Unsere Königin würde staunen, davon bin ich überzeugt, wenn die Güter und Begleitschreiben bei ihr in London eintreffen.“

In den Augen der Arwenacks begann es zu funkeln, und ein paar von ihnen klatschten spontan Beifall.

„Langsam“, sagte Hasard, den Eifer dämpfend, „noch ist es nicht soweit. Der Rest liegt beim Sultan. Sollte er auf sehr lange Zeit verhindert sein, müssen wir wohl oder übel nach Bombay zurück, schon um die englischen Interessen nicht zu gefährden. Bis jetzt ist das alles nur Theorie.“

„Die man gleich ein bißchen weiterspinnen könnte“, schlug Dan O’Flynn eifrig vor. „Angenommen, wir haben das Glück, nicht mehr nach Bombay segeln zu müssen. Was dann? Rückkehr zur Karibik?“

„Ja, dann kehren wir in die Karibik zurück. Donegal ist ja schon ganz versessen darauf.“

Allgemeines Aufatmen ging durch die Reihen der Arwenacks, und so manch einer grinste verstohlen vor sich hin.

Don Juans Blick verlor sich in der Ferne und ging auf Reisen in die Karibik, wo auf Great Abaco seine Frau Taina auf ihn wartete. Aber auch Smoky kriegte seinen sehnsüchtigen Blick, und Old O’Flynn war schon ganz weg, wenn er nur an die Rückkehr dachte.

„Welchen Weg wollen wir segeln?“ fragte Dan sofort. „Schließlich haben wir ja zwei Möglichkeiten, um zurückzukehren. Ich setze natürlich voraus, daß uns der Sultan die kleine Mühe abnimmt.“

„Kleine Mühe ist gut“, seufzte Hasard. „Ich habe keine Ahnung, wie er darüber denkt. Vielleicht hält er uns für undankbar. Wer kennt sich schon genau bei ihm aus?“

„Wir setzen das Einverständnis nur theoretisch voraus, Sir.“

„Gut, dann stimmen wir darüber ab. Die eine Route führt uns durch den Golf von Bengalen zum Indischen Ozean, wo wir das Kap der Guten Hoffnung runden und von dort weiter in den Atlantik segeln, bis wir die Karibik erreichen. Die andere Route würde uns über den Pazifik führen. Wie es dann weitergeht, weiß ja jeder aus eigener Erfahrung.“

Don Juan nickte. „Wir müßten die Schebecke aufgeben oder verkaufen, wenn wir den Isthmus von Panama überqueren wollen.“

„Das ist richtig, was aber weiter kein Problem darstellt. In Panama treiben wir schon einen Kahn auf, der uns in die Karibik bringt. Und dort wartet auf uns ja noch unsere gute alte ‚Isabella‘, die man sicher prächtig in Schuß gehalten hat.“

Plötzlich kriegten die Kerle alle verklärte Blicke. Selbst der Blick des Schiffszimmermanns Ferris Tucker wurde träumerisch.

O ja, die gute alte „Isabella“, dachte er. Sie ist doch ein vertrautes Schiffchen, womit allerdings nichts gegen die schnellsegelnde Schebecke gesagt sein sollte, denn diese war ein Schiff mit noch besseren Segeleigenschaften als die Galeone.

„Pazifik!“ hörte er ein paar Männer begeistert ausrufen. „Die andere Route haben wir ja gerade abgeklappert!“

Rein theoretisch wurde anschließend abgestimmt. Das Ergebnis stand gleich darauf fest.

Zwei Arwenacks war es ziemlich egal, welche Route sie segeln würden, die anderen entschieden sich für den langen Törn über den Stillen Ozean.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 704

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