Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 695 - Fred McMason - Страница 6

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Das ist keine Sonne mehr, dachte Philip Hasard Killigrew, das ist der Backofen des Satans, in den sie erbarmungslos hineingeschoben wurden.

Am Ufer, das langsam vorüberglitt, waren die Palmen wie mit einer Puderschicht überzogen. Was vormals grüne Vegetation gewesen war, hatte jetzt einen grauen Schleier, den erst wieder der Regen wegwaschen würde.

Dicht unter der Küste segelte die osmanische Galeere dahin. Zusätzlich wurde sie gerudert, und bei jedem „Tam-Tam“ des indischen Schlagmannes mußten sie die schweren Langriemen durchs Wasser ziehen.

Das Dröhnen der großen Trommel peinigte ihre Ohren. Im unteren Deck der Galeere hallte es dumpf und mit Echo zurück. Der Klang erfüllte den Schiffskörper wie eine Vibration, die sich immer wieder verstärkte.

Aber noch schlimmer war der Durst in dieser Hölle. Hinzu kam die Ungewißheit, welches Schicksal ihnen bevorstand, und was Drawida Shastri, der falsche Sultan, ihnen zugedacht hatte.

Das alles zerrte und riß an den Nerven und ließ diese Reise ins Ungewisse zu einer einzigen Tortur werden.

Der Seewolf war im Oberdeck der Galeere auf einer der durchgewetzten Bänke angekettet. Von seiner Position aus sah er teilweise die gebeugten und gespannten Rücken seiner Männer, die im Takt der Trommel die Riemen durchzogen. Die Körper waren naß von Schweiß, und die Haut juckte erbärmlich, wenn der Bhoot sie mit Staub und feinem Sand überzog.

Auch die drei Tage alten Bartstoppeln in den Gesichtern begannen unerträglich zu jucken.

„Tam-Tam!“

Der Seewolf zuckte zusammen, als er hinter sich das Klatschen der Peitsche hörte. Big Old Shane stöhnte verhalten, als der Schlag seinen breiten Rücken traf.

„Verfluchter Bastard“, knirschte der Seewolf und sah den krummgewachsenen Inder an, der durch die Mittelreihe ging und seine sadistische Wut an den wehrlosen Arwenacks ausließ. „Einmal sind wir wieder frei, und dann breche ich dir persönlich das Genick.“

Der Inder verstand ihn nicht, aber er schien den Sinn der Worte herauszuhören. Dicht vor dem Seewolf blieb er stehen und sah ihn tückisch aus seinen hinterhältigen Augen an.

Mit der jetzt wieder zusammengerollten Peitsche fuchtelte er Hasard vor der Nase herum und sagte etwas, das wiederum der Seewolf nicht verstand. Den Worten folgte ein dreckiges Grinsen.

Hasard prägte sich diese Visage ganz besonders ein. Mit dem Halunken würde er abrechnen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab. Das konnte noch lange dauern oder nie der Fall sein, aber der Haß staute sich nur noch mehr in ihm auf.

Dieser Kerl piesackte und schikanierte die Arwenacks bereits seit drei Tagen, indem er mit seiner Peitsche wahllos auf sie einhieb. Er schlich sich immer von hinten an, und dann traf ein harter Schlag die Männer, die darauf nicht vorbereitet waren.

Das führte schließlich dazu, daß sich die Männer verkrampften und insgeheim die Schläge erwarteten. Stundenlang waren ihre Körper angespannt, aber der Bastard sah das und schlug erst zu, wenn keiner mehr damit rechnete.

Wenn sie dann zusammenzuckten und aufstöhnten, grinste er wie ein bösartiger Satan.

Der Kerl war klein, krumm und verwachsen, und er ähnelte einem dämonischen Gnom, wenn er durch die Reihen schlich. Seine linke Hand war verkrüppelt, in seinen kohlschwarzen Augen brannte ein Feuer wie heißes Dschungelfieber.

Hasard warf dem Kerl einen Blick zu, der so eisig war, daß der Krüppel für einen Augenblick erschreckt die Zähne entblößte. In diesen eisblauen Augen lag eine Kälte, die den Kerl trotz der Hitze frieren ließ. Er hatte vor diesem schwarzhaarigen Riesen mit den silbergrauen Schläfen hündische Angst und überprüfte daher immer wieder seine Ketten persönlich.

Diesmal tippte er Hasard mit dem Stiel der Peitsche nur an und hob sein Kinn etwas an. Wieder sagte er etwas. Es klang haßerfüllt, aber auch ängstlich-zurückhaltend. Der Inder wurde das Gefühl nicht los, als könne dieser Riese ganz plötzlich seine Ketten mit einem gewaltigen Ruck sprengen. War er dann erst mal frei, würde er wie ein reißender Wolf über alle herfallen.

Schnell ging er weiter, und weil er vor dem sechs Fuß großen Riesen erbärmliche Angst hatte, zog er dem Schweden Stenmark noch schnell eins über, der wild das Kreuz durchbog. Hasard nahm das verbissen zur Kenntnis, hilflos und voller ohnmächtiger Wut.

Der Kerl enterte jetzt über den Niedergang nach unten, ging dort durch die Mittelreihen und zwiebelte die anderen Arwenacks. Von dort aus schlich er den achteren Niedergang hoch, und damit wiederholte sich das alte Spiel.

Seine Landsleute, die ebenfalls angekettet auf der Galeere schufteten, verschonte er keineswegs. Aber auf die Arwenacks hatte er es ganz besonders abgesehen.

„Diese dreckige Ratte hat hündische Angst vor dir, Sir“, sagte Ferris Tucker, der links vom Seewolf in der anderen Reihe auf der Ruderbank saß. „Dem flattert jedesmal der Dhoti, sobald er an dir vorbeigeht.“

„Ich habe es schon bemerkt“, erwiderte der Seewolf mit zusammengepreßten Lippen. „Er wird sich auch denken können, was passiert, wenn ich ihn erwische. Er wird es nicht überleben.“

Das war keine nur so dahingesagte Drohung. Hasard hatte wirklich vor, diesem Bastard das Genick zu brechen, sobald sich dazu eine Gelegenheit bot. Ein ganz besonderer Anlaß war der Umstand, daß der Inder seinem Sohn Philip hart eins übergezogen hatte. Und er tobte sich auch an dem schmalbrüstigen Kutscher und Mac Pellew aus, von denen er nichts befürchtete.

„Das verspreche ich ebenfalls“, sagte Ferris. „Und falls er Ed in die Finger fällt, ist er aller Sorgen ledig. Der wird ihn zu Hackfleisch verarbeiten.“

Von weiter achtern erklang die Stimme des graubärtigen Exschmiedes von Arwenack, Big Old Shane, dem noch das Kreuz brannte und auf dessen breiten Rücken ein blumiges Muster zu sehen war.

„Falls ihr noch etwas übriglaßt, werde ich den Rest besorgen“, versprach er.

Der Takt der Trommel veränderte sich vorerst nicht. Es blieb immer das gleiche „Tam-Tam“, nervtötend, in den Ohren dröhnend.

Hasard warf einen Blick über das Meer und konzentrierte sich dabei auf die Kimm tief im Süden. Dort glaubte er, eine winzige Nußschale auf dem Wasser zu sehen. Aber der staubige Wind verwischte das Bild immer wieder und verwandelte es in schlierige Staubschleier.

Der Seewolf nahm jedoch an, daß ihnen ein kleines Fischerboot folgte, und in dem Boot konnten sich nur sein Sohn Hasard mit Dan O’Flynn befinden, die sich beim Landgang verspätet hatten. Sicher hatten sie inzwischen herausgefunden, daß die Galeere des Sultans überfallen und die Schebecke von anderen besetzt worden war. Schließlich konnten sie zwei und zwei zusammenzählen.

Zwei Mann von den Arwenacks waren also noch in Freiheit, und die würden sicher versuchen, bei einer günstigen Gelegenheit etwas zu unternehmen.

Der dritte, der fehlte, war der Moses Clint Wingfield, das gerissene Bürschchen mit dem blonden Haarschopf.

Er schien sich irgendwo an Bord der Schebecke versteckt zu halten, wo ihn die Portugiesen offenbar noch nicht entdeckt hatten.

Sobald Hasard an die Schebecke dachte, stieg ihm wieder die Galle hoch. Drawida Shastri hatte sie nach dem Überfall den Portugiesen von der versenkten Karavelle versprochen, allerdings unter der Bedingung, daß sie die osmanische Galeere noch bis zu ihrem endgültigen Ziel begleiteten. Wo dieses Ziel lag, darüber hatte sich Shastri allerdings nicht ausgesprochen.

Jetzt segelten die Portugiesen mit der Schebecke etwa eine halbe Meile vor der Galeere in Küstennähe her.

Wenn Hasard den Kopf wandte und die Schebecke sah, dann gab es ihm jedesmal einen Stich ins Herz, und er schluckte seinen Ärger nur sehr mühsam herunter.

Alles war zum Schluß so gut gelaufen, dachte er. Sie hatten die Gold- und Silberladung abgeliefert und zusammen mit dem Sultan von Golkonda nach Kanchipuram gebracht. Nach einer wilden Tigerjagd und einer Abschiedsfeier waren sie nach Madras zurückgekehrt.

Dort hatte der Vetter und Todfeind des Sultans die Galeere in einem Überraschungsangriff gekapert und die Seewölfe mit List und Tücke an Bord gelockt. Bevor sie richtig merkten, was hier lief, befanden sie sich schon angekettet auf der Galeere und dem wilden Haß des falschen Sultans ausgesetzt. Dessen Haß war grenzenlos, seit ihm die Arwenacks elf Tonnen Gold und Silber wieder abgenommen hatten.

Seitdem grübelte Hasard darüber nach, was der Kerl wohl mit ihnen vorhaben mochte.

Über das Ziel dieser Reise war nichts zu vernehmen gewesen, kein Sterbenswörtchen. Es blieb, geheim, selbst die meisten von der Besatzung schienen es nicht zu wissen. Es ging nur immer nach Norden, wo die Gegend einsam und leer wurde.

Hinter sich hörte Hasard, wie sich jemand leise räusperte. Es war der kleine Inder Gupta, einer der wenigen, die emotionslos waren und keinen Haß auf die Arwenacks hatten. Der Kleine war schon älter und tat nur das, was ihm von Shastri befohlen wurde. Er schikanierte auch keinen, konnte aber auch nicht helfen.

Hasard spie aus, weil er den Mund voller Sand und Staub hatte.

Der verfluchte Bhoot!

Gestern noch schien das Meer zu kochen und der Weltuntergang bevorzustehen. Da hatte es geregnet und geblitzt, doch jetzt war wieder alles anders, knochentrocken, heiß und staubig. Auch das war die indische Koromandelküste.

Gupta stand jetzt neben ihm und blickte den Mittelgang entlang, aber von dem krummen Gnom war nichts zu sehen. Offenbar schlich er durch das untere Ruderdeck, wo er die Leute schikanierte.

„Was willst du?“ fragte Hasard den zahnlosen Burschen.

Der Kleine grinste freudlos. Hasard sah wieder seine beiden letzten Zähne, die weder zum Kauen noch zum Beißen taugten.

„In einer Stunde gibt es Wasser“, sagte Gupta. „Aber ich habe dir schon etwas mitgebracht.“ Er hielt Hasard die Muck an die Lippen, doch der Seewolf zog den Kopf zurück.

„Gib es ihm“, sagte er heiser und deutete mit dem Kinn zu der völlig ausgemergelten Gestalt neben sich.

Dort hockte ein alter Inder mit glanzlosen Augen und so unglaublich dürr, daß jeder seiner Rippen in dem mageren Brustkorb zu sehen war. Der Alte war dem Tod näher als dem Leben, und er tat Hasard leid.

„Du hast doch selbst Durst“, flüsterte Gupta.

„Gib’s ihm, er ist noch durstiger.“

Gupta beugte sich vor und setzte dem ausgemergelten Burschen die Muck an die trockenen Lippen. Der halbblinde Mann schlürfte durstig und dankbar und keuchte ein paar unverständliche Worte.

„Das würde keiner an deiner Stelle tun“, sagte Gupta.

Hasard ging nicht darauf ein. Statt dessen fragte er: „Hast du erfahren, wo es hingeht?“

„Nein. Niemand sagt etwas.“

„Wie heißt der nächste Ort?“

„Kavali, glaube ich.“

„Kavali“, wiederholte der Seewolf. „Klingt hübsch. Ist das eine Hafenstadt?“

„Nein, sie liegt wie Gudur und Nellore ein Stück im Landesinneren.“

„Und der Ort danach?“

Gupta mußte eine Weile überlegen. Dabei blickte er immer wieder zum Niedergang. Aber der Schläger war nicht in Sicht.

„Das müßte Bandar sein.“

„Dort lebt der Nawab von Bandar“, sagte Hasard. „Ein Verwandter des Sultans von Golkonda.“

„Ja, ich glaube schon.“

„Dann segeln wir vermutlich nach Bandar. Aber dort kann sich Shastri doch nicht sehen lassen.“

„Ich weiß es nicht.“

„Na schön. Greif in meine linke Tasche und nimm dir ein paar Münzen heraus, Gupta.“

Der Inder tat, wie ihm geheißen. Über sein zahnloses Gesicht glitt ein flüchtiges Grinsen. Er war nicht unverschämt und nahm sich nur ein paar Rupies. Den Rest steckte er wieder zurück.

„Uns folgt seit zwei Tagen ein kleines Boot“, flüsterte Hasard. „Es scheint ein Fischerboot zu sein. Könntest du herausfinden, wie viele Leute dort an Bord sind?“

„Ich werde es versuchen, Sahib.“

Wie ein Schatten verschwand der Inder.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 695

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