Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 453 - Fred McMason - Страница 7

2.

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Als die kurze Dämmerung hereinbrach, hatte sich an der Situation immer noch nichts geändert. Harmlos segelten die Dschunken ihren Kurs weiter. Auch der Abstand veränderte sich kaum, weil Zweimaster und Dschunken annähernd gleiche Fahrt liefen.

Hasard war dennoch von tiefem Mißtrauen erfüllt. Er traute den gelben Piraten nicht über den Weg, denn die änderten oft sehr schnell ihre Absichten oder gaben sich betont harmlos.

„Keine Lichter an Bord entzünden, sobald es dunkel ist“, sagte er. „Kein Feuer, nichts.“

„Was hast du vor, Sir?“

„Ich traue ihnen nicht. Die Kerle sind nicht nur hinterhältig, sie sind auch trickreich, und wir müssen auf einen schlagartigen Überfall gefaßt sein, falls sie näher aufsegeln. Wir werden später, wenn die Nacht hereingebrochen ist, sozusagen einen Seitenwechsel vornehmen. Ich versetze mich nur in die Lage der Piraten. Es kann ja sein, daß sie bei Dunkelheit auf Nordkurs gehen, um uns ein wenig zu beschnüffeln. Das ist unauffälliger, und wir würden es vielleicht erst merken, wenn es bereits zu spät ist. Dann erschrecken sie uns mit ihren Brandsätzen und fallen über uns her. Daß sie bisher kein Interesse an uns zeigten, besagt überhaupt nichts.“

„Demnach gehen wir dann auf Ostkurs“, sagte Dan.

„Ja, und das bringt uns zwangsläufig hinter die Dschunken.“

„Sie werden es merken, Sir.“

Hasard schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich nicht. Wir segeln noch in Sichtweite. Der Himmel bewölkt, und so haben wir auch keinen Mondschein. Die Nacht wird wie geschaffen dafür sein.“

Der Himmel hatte sich mittlerweile bewölkt, und jetzt trieben hoch droben ganze Wolkenformationen in Richtung Festland. Schon am Nachmittag hatte Hasard damit gerechnet. Für sie konnte das nur von Vorteil sein.

Der chinesische Oberschnapphahn würde nicht damit rechnen, daß sie sich während der Dunkelheit heimlich absetzten oder die Seiten wechselten, überlegte Hasard. Es würde ein Versteckspiel werden, bei dem jeder jeden auszutricksen versuchte. Jeder mußte versuchen, dabei die Rolle des anderen zu durchdenken. Das würden die Zopfmänner vermutlich ebenfalls tun, wenn sie die Absicht hatten, den Zweimaster unter die Lupe zu nehmen.

Hasard lächelte bei dem Gedanken grimmig.

Als dann die Nacht hereinbrach, dünte die See immer noch langgezogen und hin und wieder wurden die Schiffe in den Wellen so klein, daß man sie kaum noch sah.

Etwas später waren sie nicht mehr zu erkennen. Die Dunkelheit verschluckte alles.

„Ich kann sie nicht mehr erkennen“, sagte Dan, „selbst durch das Spektiv nicht. Aber sie haben ebenfalls keine Laternen entzündet. Auf den Schiffen ist alles dunkel.“

„Vermutlich werden sie nur ein Schiff auf unseren Kurs setzen“, sagte Hasard. „Was wird der chinesische Kapitän denken?“

„Daß wir auf Kurs bleiben“, erwiderte Dan, „weil wir nicht damit rechnen, von den Kerlen behelligt zu werden. Sie haben ja auch tagsüber kein Interesse an uns gezeigt.“

„Das ist wahrscheinlich, immer vorausgesetzt, sie haben das Interesse an uns. Wir müssen damit rechnen. Gut, dann gehen wir jetzt auf Ostkurs“, sagte er zu Pete Ballie, der die Pinne übernommen hatte.

„Auf Ostkurs“, wiederholte Pete. „Kurs Ost liegt an, Sir“, sagte er, als das Manöver vollzogen war.

„Recht so.“

Sie hatten jetzt von der Lee- zur Luvposition gewechselt. Das war ein weiterer Vorteil, denn auf der Luvposition konnten sie jederzeit die Überlegenheit des Zweimasters auf Kreuzkursen ausspielen. Der Zweimaster lief hoch am Wind etwas schneller als die chinesischen Kampfdschunken.

„Wenn es jetzt erforderlich wird“, sagte Hasard, „dann können wir ausreißen, und die Dschunken haben das Nachsehen. Auf ein Gefecht mit ihnen können wir uns nicht einlassen, denn wir haben gegen fünf stark armierte und mit Brandsätzen bestückte Dschunken nicht die geringste Chance. Sie würden uns so zusammenschießen, wie sie es mit der ‚Estrella‘ getan haben.“

Meile um Meile legten sie bei absoluter Finsternis zurück. Obwohl sie nichts mehr sahen, waren die Ausgucks weiterhin besetzt, die jetzt vor allem den Backbordsektor scharf kontrollierten. Es konnte ja sein, daß auf einer der Dschunken ein Licht entzündet wurde.

Es blieb jedoch weiterhin dunkel. Scheinbar waren die Dschunken verschwunden.

Im Verlauf der Nacht, so schätzte der Seewolf, mußten sie auf dem Ostkurs bereits hinter den Dschunken sein. Noch später suchte er selbst die See ab, aber er sah nichts, auch Dan O’Flynn konnte nichts bemerken, trotz seiner scharfen Augen.

„Wir müssen uns jetzt auf einer Position etwa Steuerbord achteraus der Dschunken befinden, wenn sie ihren bisherigen Kurs beibehalten haben. Beide Kurse laufen jetzt auseinander. Ich nehme an, daß wir ihnen entwischt sind.“

„Vielleicht bewegen den Schnapphahn ähnliche Gedanken“, meinte Ben. „Wir kneifen heimlich aus, und er setzt sich auf einen Kurs, von dem er annimmt, daß er uns erwischen wird. Das ist so eine Art Katz-und-Maus-Spiel bei totaler Finsternis.“

„So ähnlich“, sagte Hasard. „Wir sind die Maus, die trickreich zu entwischen versucht, und drüben lauert die Katze, die sich überlegt, was die Maus unternehmen wird, und wie man sie erwischen kann.“

Immer wieder versuchte Hasard, sich in die Rolle der chinesischen Piraten hineinzudenken. Ob ihm das allerdings gelang, konnte er nicht genau beurteilen, denn da spielten Voraussetzungen mit, die nicht immer kalkulierbar waren.

Aber auch wenn er voraussetzte – um das Denkspiel zu vervollständigen –, daß die Chinesen keinerlei Interesse an ihnen hatten, dann hatten sie trotzdem nicht falsch gehandelt.

Der Zweimaster jagte weiter durch die Nacht. Er segelte mit Halb- bis Backstagswind über Backbordbug ostwärts, und entfernte sich dabei zwangsläufig immer weiter von den Kampfdschunken, die ihn noch vor sich glaubten.

Hasard wüßte nur noch nicht genau, ob dieser Ostkurs auch richtig war. Es gab noch Unwägbarkeiten in dem nächtlichen Verfolgungsspiel. Er mußte nochmals alles das durchdenken, was mit „wenn“ oder „aber“ zusammenhing, und das war eine ganze Menge.

Auf der vordersten Kampfdschunke stellte der schlitzäugige Kapitän ebenfalls Überlegungen an. Sie hatten absichtlich kein Interesse an dem weit voraus segelnden Zweimaster gezeigt, um die weißen Teufel in Sicherheit zu wiegen. Um so überraschter würden sie sein.

Der Dschunkenkapitän war klein und gedrungen, ein mongolischer Typ mit stark vortretenden Wangenknochen, die von lederartiger Haut umspannt wurden. Seine Augen waren wie die einer Ratte, die alles blitzschnell und mißtrauisch musterten.

Er trug als Zeichen seiner Würde einen langen Zopf, der ihm bis weit über den Rücken hing. Eine schwarze Kappe verbarg den Rest seiner spärlichen Haare. Die anderen trugen nur halb so lange Zöpfe.

Es war jetzt kurz vor Mitternacht und stockdunkel. Der voraus in Sichtweite segelnde Zweimaster war verschwunden. Die Finsternis hatte ihn geschluckt. Aber er war da, auch wenn er jetzt unsichtbar blieb.

Li-Loyang, so hieß der Dschunkenkapitän, verzog sein Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. Die weißen Teufel würden sich wundern, wenn er überraschend auftauchte und über sie herfiel.

In Gedanken beschäftigte er sich mit den Kursen, die gesegelt werden mußten, um den Zweimaster einzukreisen. Dabei stellte er ähnliche Überlegungen an wie Hasard, nur in entgegengesetzter Richtung. Er mußte trickreich versuchen, das Wild zu erwischen und in die Enge zu treiben.

Er beriet sich mit Ni Kua, seinem engsten Vertrauten, gleichzeitig Sterndeuter, Berater, Feuerwerker und Stellvertreter.

Ni Kua war ein kleiner, vertrocknet wirkender Kerl mit völlig unbewegtem Gesicht. Er hatte eine stark ausgeprägte Mongolenfalte, eine Falte am Auge, die den freien Lidrand überdeckte und sich über den inneren Augenwinkel zog, der dadurch verdeckt wurde. Dabei entstand eine halbmondförmige Rundfalte, und dadurch sah Ni Kua immer wie ein grinsender Zwerg aus, dessen Augen ewig geschlossen schienen.

Ni Kua genoß jedoch die Hochachtung des Kapitäns und den Respekt, den man ihm allgemein entgegenbrachte, denn er war einer jener Abkömmlinge, die den Großen Kanal zwischen Hongchou im Süden und Changan im Norden gebaut hatten. Das lag zwar schon etwa siebenhundert Jahre zurück, aber das tat nichts zur Sache.

Li-Loyang griff in jeder Situation auf die umfangreichen Kenntnisse des Ni Kua zurück. Er verließ sich fast blindlings auf ihn, denn Ni Kua besaß das weise Buch mit dem Titel I Ching, das Buch der Wandlungen, das eine Mischung aus alter Bauernweisheit und den Orakelsprüchen der Wahrsager war. Dieses Buch enthielt eine Aufstellung aller Dinge, die dem „yin“ oder „yang“ zugeordnet waren. Weiter enthielt es acht Trigramme, die aus verschiedenen Kombinationen mit nur zwei Symbolen zusammengesetzt waren, eben dem „yin“ oder „yang“.

Der gallig grinsende Zwerg mit den ausgeprägten Schlitzaugen zitierte ständig Auszüge aus diesem Buch. Es diente ihm zur Interpretation aller denkbaren, möglichen und unmöglichen Situationen.

So konnte er damit ein Seebeben erklären, einen mißlungenen Überfall oder eine Krankheit. Er konnte aber – nach Meinung des Kapitäns – voraussagen, wie eine Sache verlaufen würde. Die Mißerfolge übersah man dabei großzügig, dafür wurde dann eine Erklärung gefunden, aber die Erfolge blieben im Gedächtnis haften.

So war Ni Kua zu Ansehen, Ruhm und Ehren gelangt. Jetzt fehlte nur noch der Reichtum, und den gedachte man sich an den Küsten der Neuen Welt zu holen, wo es unglaubliche Schätze geben sollte. Auf dem Weg dahin waren sie jetzt, nur störte sie der Zweimaster.

„Ich stelle Überlegungen an“, sagte der Kapitän. „Die vier anderen Dschunken sollen auf Nordnordostkurs gehen, um näher an die weißen Teufel heranzustaffeln. Sie stören mich, sie sind lästig, denn sie könnten den Anmarsch unserer Dschunken im Land der weißen Teufel bekannt geben, so daß man vorbereitet ist. Wir selbst gehen auf Nordkurs, und nehmen uns den Zweimaster vor. Wir werden ihm von achtern aufsegeln und mit dem Buggeschütz die Ruderanlage zertrümmern. Dann haben wir ihn, und er kann den Küstenort nicht mehr warnen.“

Unter ihnen, auf dem Achterdeck der Dschunke, glomm in einem kesselähnlichen Behälter ein grünes kaltes Licht wie das feurige Auge eines Dämons. Dieses Licht war von außen nicht zu sehen, aber es beleuchtete einen großen Kompaß mit Drachensymbolen, ein exakt arbeitendes nautisches Gerät, um das sie jeder beneidet hätte.

Gespeist wurde das Dämonenauge tagsüber vom Sonnenlicht, so hatte Ni Kua es erklärt. Es sog sich damit voll und gab das Licht während der Nacht wieder ab. Tagsüber verlor das Dämonenauge seine magische Strahlung, es glühte nur bei Dunkelheit.

Der Zwerg mit den Schlitzaugen starrte wortlos eine ganze Weile auf den Kompaß. Dabei beugte er sich tief hinunter. Sein Gesicht glich einer Teufelsfratze, als es grünlich angestrahlt wurde.

„Was sagen deine Berechnungen, Ni Kua?“

„Ich werde die neun Häuser und I Ching befragen. Der Dualismus des yin yang wird die Antwort wissen. Durch die magischen Quadrate werden wir ebenfalls erfahren, was die langnasigen Dämonen vorhaben.“

Zunächst holte Ni Kua das Lo-Dokument, den mystischen Plan, der auf dem Panzer einer Schildkröte aufgezeichnet war. Die Tuschezeichnung bestand aus einem in neun Felder unterteilten Quadrat. Jedes dieser Felder trug eine Zahl. Das erste Feld begann mit vier, neun und zwei, das zweite mit drei, fünf und sieben und das dritte mit acht, eins und sechs. Waagerecht, senkrecht oder diagonal ergab es immer die Zahl fünfzehn, eine magische Ziffer.

Dieses Diagramm war das universale Modell, und seine neun Zellen waren die neun Häuser. Das alles bezog sich auf uralte Begriffe der Astrologie und längst vergessene Rituale der schamanistischen Könige aus grauer Vorzeit. Trotzdem war es immer noch wirksam, denn der Himmel hatte eins seiner letzten Geheimnisse offenbart. Jeder Schnapphahn an Bord vertraute darauf und verließ sich auf Ni Kua und seine Gruppe von Trigrammen.

Mit yin und yang wollten sie jetzt den weißen Teufeln zu Leibe rücken – oder den langnasigen Dämonen, wie Ni Kua sie nannte.

Daß ihr Raubzug zu den Küsten der Neuen Welt ein Erfolg werden würde, hatten die neun Häuser eindeutig kundgetan. Nur der störende Zweimaster war zwischen den Zahlen nicht erschienen, aber danach hatte ja auch niemand extra gefragt.

Der gallig blickende Zwerg betrieb keinen aufwendigen Hokuspokus mit magischen Beschwörungen, und er entzündete auch kein magisches Feuer mit Blitzpulver. Er verglich die neun Häuser, starrte auf den Kompaß, zitierte Auszüge aus dem I Ching und stand eine ganze Weile in gebückter, fast lauernder Haltung da. Dabei schuf er ein Denkmodell anhand der Fakten, die er von Li-Loyang hatte, und überprüfte alles, wobei er sich auf die zwei fundamentalen Energien konzentrierte, die negative und die positive, yin und yang.

Als er den Schädel hob, war sein Gesicht völlig ausdruckslos. Nur seine Lippen bewegten sich ein wenig, als er sprach.

„Vier Dschunken gehen auf Nordnordostkurs“, sagte er. „Wir dagegen schwenken auf Nordkurs. Wir gehen nach Absegeln der geschätzten Distanz, die bei viertausend Wu liegt, bis zum bisherigen Kurs der langnasigen Dämonen wieder auf den alten Nordostkurs zurück.“

„Und dann?“

„Die neun Häuser sagen, daß wir dann im Kielwasser der langnasigen Dämonen liegen. Wir müssen zusätzliche Segel aufziehen, um schneller zu sein.“

„Dann können wir ihnen die Ruderanlage zerschießen?“

„Ja, das können wir dann.“

„Sehr gut“, lobte der Kapitän. „Was ist, wenn die weißen Teufel den Kurs geändert haben? Was sagen die Trigramme darüber?“

„Sie werden den Kurs nicht ändern, es sei denn, irgendwelche Geister bewegen sie dazu.“

Damit hatte sich der Zwerg wieder eine goldene Brücke gebaut, denn „irgendwelche Geister“ waren ja sehr oft unberechenbar und mußten erst neu erfaßt werden. Aber er glaubte trotzdem an den Erfolg.

„Weshalb sollten sie auch den Kurs wechseln“, sagte der Kapitän mehr zu sich selbst. „Wir erscheinen ja harmlos. Viertausend Wu müssen wir segeln?“

„So steht es in den neun Häusern.“

„Wann ist die günstigste Zeit?“

„Um Mitternacht.“

Der Kapitän grinste in freudiger Erwartung.

„Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren, denn gleich ist es soweit. Wir segeln zu den anderen auf.“

Etwas später waren sie auf Rufweite heran, und Li-Loyang gab den anderen Dschunkenkapitänen den Befehl, auf Kurs Nordnordost zu gehen, um näher an die weißen Teufel heranzustallen.

Die vier Dschunken schwenkten gleich darauf ab und gingen auf den neuen Kurs.

Li-Loyang ließ Nordkurs anlegen und zusätzliche Segel aufziehen, um die viertausend Wu lange Distanz abzusegeln.

Inzwischen wurden die Abschußgestelle für die Brandsätze geladen, um den weißen Teufeln Furcht einzujagen. Das Buggeschütz wurde ebenfalls feuerbereit gemeldet.

Zu sehen war nichts. Ringsum herrschte absolute Dunkelheit, kein Stern zeigte sich am Himmel.

Stunden später ging die Kampfdschunke wieder auf den alten Kurs zurück und legte Nordost an. Noch ein weiteres Segel wurde gesetzt, um schneller aufzurücken.

„Jetzt segeln wir direkt im Kielwasser der weißen Teufel“, sagte der Kapitän, „ohne daß sie auch nur die geringste Ahnung haben.“

Er freute sich, daß sie die Weißen überlistet hatten. Sobald es hell war, würde die Überraschung perfekt sein. Dann war man den lästigen Begleiter endgültig los und konnte ungehindert und ohne Vorwarnung in den großen Golf einlaufen.

Immer wieder wurden die Ausgucks befragt, ob der Zweimaster schon in Sichtweite sei, aber die Antworten waren jedesmal negativ. Man wußte ihn zwar direkt vor sich, man spürte es fast, aber es war noch zu dunkel, um ihn erkennen zu können.

Unmerklich begann der Morgen zu grauen. Überall standen Ausgucks und starrten sich die Augen wund. Als sie die See einigermaßen überblicken konnten, wurde das Gesicht des chinesischen Kapitäns immer länger und enttäuschter, denn der Zweimaster wollte und wollte nicht auftauchen.

Die See blieb eine graue langdünende Fläche, auf der sich nur die fünf Dschunken befanden. Steuerbord achteraus segelten die vier anderen Dschunken, wie das geplant war. Nur der Zweimaster fehlte.

Li-Loyang ließ die eigene Dschunke zurückfallen. Sein Gesicht verriet maßlose Enttäuschung.

„Das verstehe ich nicht, Ni Kua!“ rief er. „Die Häuser haben uns doch den richtigen Kurs gezeigt! Es hatte auch alles geklappt, aber wo ist das Schiff der weißen Teufel jetzt? Weshalb hat es den Kurs geändert? Sie konnten von unseren Absichten doch nichts wissen.“

„Die neun Häuser und die Trigramme hatten recht“, sagte der Zwerg mit unerschütterlicher Ruhe. „Die langnasigen Dämonen sind verschwunden, und nur das allein ist wichtig. Sie werden unsere Ankunft nicht vorzeitig melden.“

„Und weshalb nicht?“

„Sie wollten nicht zum großen Golf“, behauptete Ni Kua. „Und weil sie da nicht hinwollten, änderten sie den Kurs. Sie segelten nur zufällig in die Richtung und hatten gar nicht die Absicht, das Land anzulaufen, dem wir uns nähern.“

Das war eine Begründung, die absolut logisch klang. Klar, die weißen Teufel wollten ganz woanders hin. Der Kapitän war jedenfalls zufrieden, daß der Zweimaster verschwunden war. Der Rest der Reise zum fremden Festland würde ruhig verlaufen.

Er sah Ni Kua an und verneigte sich vor ihm. Wie weise doch dieser Mann war, und wie recht er immer hatte!

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 453

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