Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 539 - Fred McMason - Страница 7

2.

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Old O’Flynn war inzwischen längst in seine Traumwelt abgeentert. Allerdings sah die ganz anders aus, als er sich das vorgestellt hatte, und lieblich war diese Traumwelt keinesfalls.

Da war zwar seine liebe Snugglemouse, doch sie schien heute ausgesprochen üble Laune zu haben.

Old O’Flynn sah zu seinem Entsetzen, daß sie eine Bratpfanne nach der anderen ergriff und sie ihm mit aller Kraft und recht boshaft über den Schädel schlug. Aus ihrer lieblichen Reibeisen-Stimme war ein Resonanzeffekt geworden, der schrill und bösartig klang. Dazwischen erklang der wummernde Ton der eisernen Bratpfannen. Unaufhörlich landete eine nach der anderen auf seinem bedauernswerten Schädel.

Das schlimmste aber war die Tatsache, daß diese Bratpfannen immer größer wurden. Es waren jetzt Riesenbratpfannen, die nach ihm hieben und auch jedesmal ihr Ziel trafen. Ihre Dimensionen wuchsen beständig.

So langsam wurde Old O’Flynn grantig und übellaunig. Jetzt hatte er den langen Törn über die Weltmeere hinter sich, und das war der liebevolle Empfang durch seine Mary. Vielleicht war sie ja verärgert darüber, daß er so lange weggeblieben war. Dennoch war das kein Grund, ihm sämtliche Küchenutensilien über den Schädel zu donnern.

Wieder traf ihn eins dieser höllischen Dinger mit solcher Urgewalt, daß er einen brüllenden Schrei ausstieß. Mit einem Fluch auf den Lippen verließ er panikartig seine Traumwelt und kehrte in die nüchterne Wirklichkeit zurück.

Die war noch schlimmer. Er konnte im ersten Augenblick zwar noch nicht genau zwischen Traum und Realität unterscheiden, aber so langsam dämmerte ihm doch, daß etwas nicht stimmte.

Allerdings war da immer noch die Bratpfanne. Mary O’Flynn war ihm offenbar aus seiner Traumwelt gefolgt und kujonierte ihn weiter.

„Hölle und Teufel!“ brüllte er wild. Dann setzte er sich mit einem Ruck auf – und stieß sich erneut den Schädel.

Er flog in der Koje hin und her, als spiele ein Riese Ball mit ihm.

Fluchend suchte er nach einem Halt, um sich in der Koje zu verkeilen. Ein Roller ließ ihn an die Wand krachen.

Erst jetzt dämmerte ihm, was es mit der Snugglemouse und den verdammten Bratpfannen auf sich hatte. Niemand hatte ihm eine Bratpfanne über den Schädel gezogen. Er hatte sich durch die wilden Roller nur immer wieder den Kopf am Holz gestoßen.

Er hörte einen berstenden Schlag, der die Galeone von vorn bis achtern hart durchschüttelte und erzittern ließ. Im nächsten Augenblick wäre er fast aus der Koje geflogen.

„Heute spielt wohl alles verrückt“, knurrte er erbost. Er tastete nach seinen Klamotten und hatte die allergrößten Schwierigkeiten, überhaupt hineinzufinden, so sehr schlingerte die Lady.

Sehr umständlich zog er sich in der Koje an. Auf den Dielen der Kammer wäre es unmöglich gewesen.

„Wird wohl am Absaufen sein, der Kahn“, grummelte er vor sich hin. „Hört sich ganz danach an.“

Das beunruhigte ihn jedoch nicht sonderlich, denn Old O’Flynn war aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt. Seegang war wenigstens eine handfeste Sache, ganz im Gegensatz zu Geistern und Dämonen, denen man nicht beikommen konnte. Gegen dicke See war seiner Meinung nach jedoch immer noch ein Kraut gewachsen. Notfalls behalf man sich mit Schwimmen, oder man fand ein Trümmerstück, an das man sich klammern konnte.

Beunruhigend war lediglich das Heulen, Jaulen und Klagen, als stießen sämtliche Geister der Tiefe ihren Atem aus. Und ärgerlich war natürlich dieses wahnsinnige Schaukeln, weil man da keinen Halt mehr fand.

Old Donegal lauschte dem Krachen und Bersten und dachte über den entsetzlich lauten Krach nach, das Getöse, mit dem etwas zu Bruch gegangen war.

Wieder wurde er von einer Seite zur anderen geworfen. Dann stellte sich die Galeone urplötzlich auf den Kopf und raste in die Tiefe. Donegal schrumpfte immer mehr zusammen. Er wurde regelrecht zusammengepreßt und konnte sich nicht dagegen wehren.

Als sich die Lady noch dazu auf die Seite legte, war es vorbei. Er konnte sich nicht mehr in der Koje halten und wurde hinauskatapultiert.

Mit dem Kopf voran landete er an einem Schapp, dessen Tür im Rhythmus der wilden See hin und her pendelte.

Rrummms! Das Schapp flog donnernd zu. Der Alte rappelte sich halbbenommen auf, hielt sich fest und trat mit dem Holzbein nach dem Kammerschott.

Dann wankte er hinaus, die Haare zerzaust, Grimm im Gesicht, daß „man“ ihn in seinen Träumen gestört hatte.

Blieb noch das Schott zu öffnen, das jetzt an Deck führte. Dann würde er endlich wissen, was passiert war – dachte er.

Als er auch dieses Schott öffnete – die See ballerte es sofort wieder zu –, stand er sekundenlang wie vom Donner gerührt da.

Sie schienen mitten in die Hölle zu reiten! Da war alles pechschwarz, so finster, daß er nicht einmal die Planken sah.

Das Heulen, Jaulen und Tosen hatte sich unglaublich verstärkt. Aus mehr als tausend wilden Schlünden fauchte es heran und nahm ihm die Luft.

Und dann diese unvorstellbar riesigen Brecher! Er konnte sie zwar nicht sehen, aber er spürte die Bewegungen und fühlte, wie es wieder brausend herantoste und sich brüllend über die Decks ergoß.

Fraglos lenzten sie vor Topp und Takel, denn die Galeone ließ sich nicht mehr steuern. Es knatterte auch kein Segel.

Er rief etwas zum Achterdeck hoch, doch der Sturm zerfetzte und zerfaserte die Worte. Niemand hörte ihn.

„Ja, da soll doch gleich der Satan persönlich dreinfahren!“ brüllte er wild.

Dann schlug er um sich und grapschte verzweifelt nach einem Halt, als eine donnernde Woge das Schiff tief in die See drückte.

Er gurgelte, schnappte nach Luft, erhielt einen mächtigen Schlag auf den Schädel und verlor endgültig den Halt.

Wasser, nur noch Wasser war um ihn her. Das Wasser hob ihn hoch, trug ihn in schwindelnde Höhen, hob ihn bis in den Himmel, und dann glaubte er für einen verrückten Augenblick, tief unter sich das Schiff zu sehen. Es war nur ein Schatten, ein Phantom, in einem pechschwarzen, aufgewühlten und brüllenden Meer.

Er fühlte sich wie ein Dämon, der auf einer riesigen Woge in die Nacht ritt wie seinerzeit der unselige Jonas, den auch die See auf Nimmerwiedersehen geschluckt hatte. Der war ebenfalls hohnlachend auf einer gewaltigen Welle davongeritten.

Dem grantigen Alten wurde jetzt mulmig zumute. Einmal hatte er das Gefühl, alles sei nur ein ganz böser Traum, dann wieder merkte er, daß das hier alles verdammt echte Wirklichkeit war.

Gewaltige Wassermassen wirbelten ihn durcheinander, bis er nicht mehr wußte, wo oben und unten war.

Sein Körper tauchte tief in das schwarze Wasser, erhob sich daraus wieder und setzte die unglückselige Reise fort.

Dann sah er deutlich einen wilden schaumigen Streifen vor sich, spürte ein rasend schnell vorbeigleitendes Ungeheuer, das mit einer mächtigen Schwanzflosse die See peitschte, ihn hart streifte und in der Finsternis verschwand.

Das Ungeheuer, das so rasend schnell mit quirliger Flosse vorbeigestrampelt war, zeigte nur noch ein wild auf und ab tanzendes, verwaschenes Licht. Danach verschwand es in einem düsteren Abgrund. Das Licht erlosch.

So ganz allmählich dämmerte Old O’Flynn die Erkenntnis, daß er soeben abgekantet war. Er konnte es zwar noch nicht glauben, aber es war eine Tatsache: Die gewaltige Woge hatte ihn aufgehoben und weit achteraus außenbords wieder abgesetzt.

Jetzt konnte er sich vor Verblüffung nicht einmal den Schädel kratzen, denn schon drückte ihn ein Riesenberg erneut unter Wasser.

Auf der „Santa Barbara“ war sein Verschwinden völlig unbemerkt geblieben. Fast alle waren unter Deck, und niemand wäre auf die Idee verfallen, daß ausgerechnet Old O’Flynn jetzt eine nächtliche Exkursion unternehmen würde. Ausnahmslos alle wähnten ihn in der Koje.

Gibt es einen einsameren und verlasseneren Menschen als den, der mutterseelenallein, dazu noch nachts, in einer wildbewegten See treibt, die keinen Anfang und kein Ende hat?

No, Sir! Das ist nur schlecht vorstellbar.

Seltsamerweise hatte Old O’Flynn, als er jetzt langsam in die Tiefe sank und dann wieder aufwärtstrieb, das Empfinden, es habe sich auf der Galeone eine gewaltige Explosion zugetragen, ein Riesenknall, der das Schiff zerfetzt hätte.

Er glaubte immer noch, dieses entsetzliche Krachen zu hören.

Dann überfiel ihn die Erkenntnis wie ein wildes reißendes Tier. Kaum hatte er seinen Schädel wieder über Wasser gebracht, da begann er aus Leibeskräften zu brüllen. Er brüllte keine zusammenhängenden Worte, er brüllte nur aus Verzweiflung. Er schrie aus Angst darüber, daß mit dem Schiff auch andere Männer nach der Explosion untergegangen sein könnten und jetzt ebenfalls im Wasser trieben. Er brüllte ganz einfach nach Leidensgefährten.

Niemand antwortete ihm. Nur der Sturm toste und heulte fürchterlich.

Old O’Flynn wurde wieder emporgehoben. Da sah er – meilenweit entfernt – erneut ein schwaches Licht auf der See tanzen.

Es war die Hecklaterne der „Santa Barbara“, die ihm in wildem Auf und Ab ihren verschwindenden Strahlenkranz zeigte, als wollte sie ihm ein letztes Mal in der Finsternis heimleuchten und den Weg weisen.

Da wußte er, daß es keine Explosion gegeben hatte, die anderen alle wohlauf an Bord waren und nur er allein hier in der See trieb.

Sie hatten nicht einmal gemerkt, daß er achtern abgekantet war – wie sollten sie auch! Es war ja finster und kaum ein Mann an Deck.

Old O’Flynn war ein altes Rauhbein, ein granitharter Bursche, den nicht so leicht etwas aus der Fassung brachte. Er war auch stur und bockig, aber er hing am Leben wie alle anderen.

Jetzt jedoch dämmerte ihm die Ausweglosigkeit der Situation, und in dieser beklemmenden Todesangst überfiel ihn eine erstaunliche Scharfsichtigkeit.

Die Arwenacks konnten nicht umkehren, selbst wenn sie sein Verschwinden bemerkt hätten. Das war ausgeschlossen. Sie würden ihn erst dann vermissen, wenn es für ihn zu spät war. Eine lange Zeit würde er sich im Wasser halten können, etliche Stunden, selbst bei dieser kochenden See, in diesem brodelnden Hexenkessel. Aber dann würden seine Kräfte nach und nach erlahmen. Die See würde ihn in sich aufsaugen. Gierig, mit schmeichelnden Armen und lockenden Wellen, würde sie ihn aufnehmen in ihr nasses Grab. Ein lyrischer Tod …

Als er daran dachte, bäumte er sich wild auf.

„Scheißlyrik!“ brüllte er in die schwarzen Wogen. „Ich werde ersaufen wie ein alter müder Hund. Oder die Haie fressen mich vorher.“

Einen Augenblick dachte er an Matt Davies, der auch einmal über Bord gegangen war. Als sie ihn schließlich doch noch retten konnten, da hatte er auf einer Gräting gesessen, und seine Haare waren grau geworden.

Er aber hatte keine Gräting, und seine Haare waren ohnehin schon grau und silbrig. Also würde ihn auch niemand retten, das jedenfalls war seine augenblickliche Logik.

Er schluckte Wasser, als die wilden Wogen über ihm zusammenschlugen. Sein Holzbein schwamm auf, und so überlegte er einen Augenblick, ob er das Hindernis nicht lieber abschnallen sollte. Und da er oft mit sich allein sprach, verkündete er seine Gedanken auch jetzt wieder lauthals.

„Lieber ersaufe ich mit dem Holzbein als ohne. Kommt gar nicht in Frage, vielleicht brauche ich es noch.“

Das Licht der Hecklaterne war jetzt nicht mehr zu sehen. Es tauchte auch nicht mehr auf. Es war irgendwo in einem Wellental verschwunden und entfernte sich immer weiter.

Old Donegal packte der Lebenshunger. Er hatte zwar nicht die geringste Vorstellung, wie er jemals Land erreichen sollte, aber er gab nicht auf. Gleichzeitig hatte er auch auf alles in der Welt eine Stinkwut, die er sich nicht erklären konnte.

Dann war da wieder der Gedanke an Haie, die sich unter ihm tummelten und vielleicht Appetit auf ihn verspürten. Doch auch den Gedanken verwarf er wieder. Die Freßmaschinen taten ihm jetzt nichts, die waren auf Tiefe gegangen. Hier oben wurden sie garantiert seekrank.

Er schwamm nicht, sondern ließ sich von den Wogen hochheben und wieder in die bodenlose Tiefe schleudern. Er hielt nur im richtigen Augenblick immer den Atem an und ließ sich treiben, damit er so wenig Kraft wie nur möglich verbrauchte.

Sein Zeitgefühl verschwand. Er wußte nicht, wie lange er schon in der brüllenden Hölle trieb. Er spie einen Strahl Seewasser nach dem anderen aus. Zwischendurch beschwor er alle Heiligen, die er kannte, rief die Patrone und Nothelfer an und hielt Ausschau, obwohl er nichts sah. Insgeheim hoffte er immer noch, eine Gräting oder etwas anderes würde vorbeitreiben.

„Mit euch lahmen Säcken ist auch nichts mehr los!“ beschimpfte er dann die Nothelfer. „Braucht man euch einmal, dann habt ihr euch in die Kojen verholt und pennt. Aber bei mir könnt ihr lange warten, bis ihr euch an der nächsten Kerze erwärmt. Donegal wird nicht mal mehr einen lausigen Docht spenden, höchstens eine Lunte mit einem Pulverfaß dran, damit es euch Arschlöcher in die Hölle bläst!“

Nach und nach fühlte er sich immer unbehaglicher. Das Wasser war zwar angenehm warm, aber dennoch kühlte es seinen Körper allmählich aus. Jetzt folgte die Phase der Gleichgültigkeit. Etwas Ähnliches hatte er schon einmal erlebt.

Er war des ewigen Auf und Abs, des Hin und Hers müde geworden, zumal er einsah, daß es keine Hoffnung mehr gab. Es kostete ihn nur Kraft, und die nahm langsam ab.

Das Land war irrsinnig fern. Er wußte nicht einmal, ob er auf eine Küste zutrieb oder immer weiter auf See geriet.

Kein Anhaltspunkt, nichts, was er hätte greifen können, kein Mensch, kein lausiger Kahn weit und breit, nicht einmal der Mond oder die Sterne waren zu sehen.

Stundenlang trieb er jetzt im Wasser und fühlte eine nie gekannte Mattigkeit in sich. Immerhin glaubte er noch zu wissen, daß ihn das Wasser des Jungbrunnens so lange hatte überleben lassen.

Nach einer Ewigkeit überlegte er es sich doch mit seinem Holzbein. Wenn er das Ding abschnallte, hatte er etwas in der Hand, an das er sich klammern konnte. Immerhin einen Holzprügel, überlegte er. Das ist besser als gar nichts. Außerdem brachte es ihn dauernd in Schräglage, denn das Holz trieb mächtig auf.

Er brauchte lange Zeit, bis er es endlich geschafft hatte. Dann grinste er grimmig und hielt sich mit beiden Händen an dem Ding fest.

Es ging erstaunlich gut.

Wieder trieb er Ewigkeiten dahin. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, daß sich die See ein wenig beruhigt hatte. Sie ging zwar immer noch hoch, doch der Wind raste nicht mehr mit Orkanstärke.

Dann spürte er einen widerwärtigen Schmerz in seinen Händen. Er ließ das Holzbein los und ballte die Hände zu Fäusten. Aber viel half es nicht.

Jetzt, glaubte er, kam das Ende, als der Krampf immer stärker wurde.

Es begann meist in den Fingern. Sie wurden taub und gefühllos, oder sie verkrampften sich. Auch im Bein spürte er diese Taubheit.

Old O’Flynn erwog ernsthaft den Gedanken, sich einfach sinken zu lassen, damit alle Qualen ein Ende hatten. Man starb schnell, man würde versinken und bis auf den Meeresgrund schweben.

Plötzlich fiel ihm ein, daß die See unter ihm womöglich sehr tief war, ein nimmer endender Abgrund, in den er stundenlang sinken würde. Unten würden bärtige und mit Seetang behangene Seegespenster auf ihn lauern, Meermänner, die ihm ebenfalls Tang auf den Schädel kleben und ihn in ihr nasses Reich entführen würden. Schon bei dem Gedanken wurde ihm angst und bange.

Dann dachte er an seine Snugglemouse und an sein Söhnchen. Die dachten sicher nicht im Traum daran, daß er jetzt gerade irgendwo in dem lausigen Arabischen Meer still und heimlich ersoff, unter sich einen pechschwarzen Abgrund, der kein Ende hatte.

Und was würden die anderen ihnen später sagen?

„Tut uns leid, Mary, aber dein Alter ist irgendwann einmal über Stag gegangen und irgendwo ersoffen. Wo? Keine Ahnung, irgendwo im Meer. Tja, darauf sollten wir einen trinken, wenn es auch verdammt traurig ist. Aber schließlich war er nicht mehr der Jüngste, und eines Tages müssen wir ja alle mal …“

„Von wegen, da sauf ich mit!“ knurrte er wild. Trotz des Krampfes in den Fingern griff er wieder nach seinem Holzbein.

Wer ihn jetzt gesehen hätte, der wäre erschrocken zusammengefahren. Old O’Flynn hatte sein grimmigstes Gesicht drauf. Seine Augen funkelten mörderisch, seine Haut war vom Wasser noch faltiger geworden, und seine Bartstoppeln waren aufgeweicht. Ein wildentschlossener Ausdruck beherrschte sein Gesicht.

Wie ein rachsüchtiger Dämon trieb er in der See. Wie ein nach oben gestiegener Meergott, der nach Opfern Ausschau hielt. An das Holzbein klammerte er sich wie der Meergott an seinen Dreizack, und genauso wild und grimmig blickte er über das Meer.

„Ich ersauf nicht!“ brüllte er trotzig. „Schon gar nicht bei diesen Teppichhändlern und Kameltreibern, diesen Olivenkauern und Dattelfressern. Lieber schwimm ich bis ans Ende der Welt.“

Und Old O’Flynn schwamm weiter wie ein Korken, auf und ab, rauf und runter, von einem Wellental zum anderen.

Der Wellengang nahm ab. Auch der Sturm stellte sein wildes Fauchen ein, und nach einer weiteren Ewigkeit konnte O’Flynn bereits über das Wasser blicken. Wolkenformationen zogen über ihn weg. Sie wechselten ständig die Farbe, waren aber längst nicht mehr so schwarz. Da waren violette und rötliche Töne drin. Der Chamsin, der sich in einen Orkan verwandelt hatte, flaute immer mehr ab.

Aber weit und breit war kein Schiff zu sehen. Die „Santa Barbara“ war auf und davon.

Das war eine sehr schmerzliche Entdeckung, und sie betrübte ihn zutiefst. Dennoch ließ er den Mut nicht sinken und schwamm weiter.

Als die Wolken noch mehr aufrissen und violette und schwarze Tupfer über der See standen, sah er keinen Horizont, sondern nur eine Formation von Wolken, die übergangslos im Meer verschwand.

Dann erkannte er jedoch etwas, das ihn in helle Aufregung versetzte. Noch sehr weit voraus schaukelte etwas in der hochgehenden Dünung.

Es war ein winziges Segel, und es gehörte zu einem Fischerboot, das Old O’Flynn an eine Tartane aus dem Mittelmeer erinnerte.

Sein Herz hüpfte vor Freude. Mit neuen Kräften schwamm er auf die kleine einmastige Tartane zu.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 539

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