Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 289 - Fred McMason - Страница 4
1.
ОглавлениеAuf dem hellen Strand der Felseninsel Mordelles standen sich der Seewolf Philip Hasard Killigrew und der französische Pirat Yves Grammont mit gezückten Degen gegenüber.
Als Hasard den ersten Schlag abblockte, schien jedermann auf der Insel plötzlich den Atem anzuhalten. Die Seewölfe, die so überraschend in eine Falle gelaufen waren, ließen die Waffen sinken. Das Kampfgetümmel zwischen den beiden Gruppen erstarb, und viele Augen sahen zu den beiden ungleichen Männern hinüber.
Da stand der Seewolf, hochgewachsen, mit sonnenverbranntem Gesicht, aus dem eisblaue Augen blitzten. Ein Kerl wie ein Schrank, der den Degen locker und geschmeidig in der rechten Hand hielt. Der Wind, der von der Bucht über den Strand wehte, spielte mit seinen schwarzen Haaren.
Ihm gegenüber stand ein Mann wie aus dem Bilderbuch. Grammont, ein dunkelblonder athletischer Seeräuber. Der untere Teil seines Gesichtes wurde von einem Vollbart bedeckt. Er trug eine Augenbinde und darüber ein Kopftuch. Aus seinem bis zum Nabel offenen weißen Hemd quollen dichte Haarbüschel hervor.
Der erste Hieb, den Grammont geführt hatte, war sauber pariert worden. Jetzt starrten sich die beiden ungleichen Männer an, gegenseitig darauf lauernd, daß einer einen plötzlichen Ausfall unternahm.
Aus den Augenwinkeln sah der Seewolf, daß die beiden kämpfenden Gruppen immer noch wie erstarrt waren. Grammonts Leute waren in der Überzahl, während sie selbst nur acht Männer waren, die in den Hinterhalt der Felseninsel geraten waren.
Verdammt, dachte Hasard, die Sache sah übel für sie aus. Sie hatten zwei Schiffe in der Bucht liegen, die „Hornet“ und die „Fidelity“, aber weder Ben Brighton, der das Kommando zur Zeit über die „Hornet“ hatte, noch Jerry Reeves, der seit Easton Terrys Verrat die „Fidelity“ befehligte, konnten von Bord aus in den Kampf eingreifen.
Die Falle war zugeschnappt, und jetzt steckten sie mittendrin. Außerdem wimmelte es auf dem felsigen Eiland von immer mehr Piraten, die wie Schatten aus dem Nichts auftauchten.
Trotz dieser nagenden Sorge ließ sich Hasard keinen einzigen Augenblick ablenken, denn Grammont lauerte nur auf den kleinsten Fehler, um den Seewolf zur Strecke zu bringen.
Grammonts Degen flog in einer spielerisch anmutenden Bewegung hoch und wollte die Klinge des Seewolfs zur Seite fegen. Hasard parierte erneut und schlug zweimal hintereinander schnell und hart zu.
Diesmal parierte Grammont mit einem bösartigen Lächeln. Wieder blitzten die Klingen grell im Sonnenlicht auf. Ein leises Pfeifen war zu hören, dann das Klirren der Waffen.
Grammont griff nun ungestüm an. Seine Hiebe wurden immer wilder, immer schneller. Hart prallten die Klingen aufeinander. Der Sand spritzte unter den raschen Bewegungen nach allen Seiten. Als Hasard zurücksprang, bückte sich der Franzose blitzschnell. Seine linke Hand fuhr durch den warmen Sand und riß eine Fontäne hoch, die er dem Seewolf in die Augen schleudern wollte.
„Der Trick ist schon zu alt, Pirat!“ sagte Hasard verächtlich.
„Du bist so und so erledigt“, knurrte Grammont. „Und wenn du …“
Aber er konnte Hasard auch mit Worten nicht ablenken, denn noch während er sprach, stieß er vor, duckte sich und hieb von unten nach dem Seewolf Der Hieb ging nur ganz knapp vorbei, und für Sekunden leuchtete es fast triumphierend in Grammonts Augen auf.
Sofort darauf folgte tänzelnd und elegant der nächste Ausfall, den Hasard kühl und berechnend parierte.
Grammont war schnell, geschmeidig und ein furchtloser Kämpfer, der mit dem Degen umzugehen verstand. Er führte ihn fast so sicher wie Jean Ribault oder die Rote Korsarin, aber er konnte nicht kühl bleiben und seine Chancen abwägen. Mitunter wurde er wild und rasend, und dann schlug er mit aller Kraft.
Hasard dagegen blieb kalt wie Gletschereis. Seine Augen waren jetzt schmale Schlitze. Er sah die schnellen Bewegungen seines Feindes schon im Ansatz und durchschaute auch die Tücken des Franzosen, der immer wieder fintete und dann erbarmungslos zuhieb.
Ein paar Klingenschläge lang ließ er Grammont in dem Glauben, der Überlegene zu sein, bis sich der Franzose in einen regelrechten Rausch hineinsteigerte. Die Klinge stach so schnell durch die Luft, als würden tausend helle Sterne blinken.
Keiner der eben noch kämpfenden Männer sprach. Selbst die Piraten nutzten augenblicklich ihre Überlegenheit nicht, sondern sahen fasziniert ihrem Anführer zu, der den Seewolf mit schnellen Paraden über den Strand bis dicht ans Wasser trieb.
Dicht vor Grammonts Stiefeln flog mit einem sirrenden Geräusch ein langes Messer in den Sand und blieb stecken. Einer seiner Kumpane hatte es geworfen, um dem Anführer eine zusätzliche Waffe zu geben. Grammont hieb weiter um sich, grinste bösartig, bis er in der Reichweite des Messers war, und riß es dann mit einem Ruck aus dem Sand. Jetzt kämpfte er leicht geduckt, in der linken Hand das Messer zum Zustoßen haltend, in der rechten den Degen, der dicht vor Hasard seine blitzenden Hiebe beschrieb.
Als der Seewolf dicht am Wasser war, begannen ein paar Kerle laut zu johlen. Grammont sprang vor, hieb zu, wich zurück, schlug von oben, zog den Degen wieder von unten hoch und versuchte verbissen, Hasard weiter zurückzutreiben.
Ein schneller Ausfall des Piraten folgte. Er wirbelte herum und schlug mit dem Messer zu. Dabei wehrte er gleichzeitig den Degen ab, trieb das Messer noch weiter vor und traf mit dem Degen. In seiner niederträchtigen Freude merkte er nicht, daß der Degen dem Seewolf unter der Achsel durch das Hemd gedrungen war und keinerlei Schaden angerichtet hatte. Ein Freudenschrei brach über seine Lippen. Während er den Degen aus der vermeintlichen Wunde zog, stach er von links erneut mit dem Messer zu.
Hasards Klinge pfiff scharf durch die Luft. Sie traf das Messer, das dem Piraten mit unglaublicher Wucht aus der Hand gerissen wurde. Die Klinge wirbelte hoch, pfiff an Grammonts Schädel vorbei und zerfetzte das weiße Hemd an der Brust.
„Du verdammter Hund!“ keuchte Grammont.
Zwischen den Haaren auf seiner Brust quollen ein paar Blutstropfen hervor, die Grammont in unberechenbare Wut versetzten. Er schlug mit dem Degen wie mit einer Handspake zu, die Klingen prallten zusammen, Grammont wurde hart zurückgeschleudert, taumelte über den Sand und fand gerade noch Halt, ehe Hasard heran war.
Wieder ein pfeifender Hieb. Grammont sah nur noch eine auf und nieder zuckende, hin und her schwingende Degenspitze, die ihn immer weiter zurücktrieb. Zweimal hintereinander strauchelte er, und zweimal traf ihn Hasards Degen und fetzte einen kleinen Streifen aus dem Hemd.
Das bösartige Grinsen verschwand aus dem Gesicht des Piraten. Jetzt lagen Haß und Wut darin, und seine Augen schossen Blitze. Vor und zurück springend versuchte er einen Hieb anzubringen. Dann nahm er den Degen in beide Hände und hieb wie mit einem Dreschflegel um sich, alles zerstörend, was sich vor ihm befand. Doch der Seewolf wankte nicht. Er parierte blitzschnell jeden Hieb, blockte ab, wich zur Seite aus und schlug zurück.
Grammont keuchte. Seine Wut, den Seewolf nicht zu treffen, wurde immer größer. Immer wieder schlug er ins Leere, weil sein Gegner blitzschnell die Position wechselte. Gleich darauf bezog Grammont eine Lehre, die er nie vergaß. Er sah, wie der Seewolf mit dem linken Stiefelabsatz auf die Klinge des Messers trat, das im Sand lag, wie sein Bein leicht zur Seite rutschte und wie er festeren Halt suchte. Grammonts Degen zuckte vor, das war die Chance, die sich ihm bot, die einmalige Chance, seinen Gegner endgültig zu erledigen. Die Klinge zielte nach Hasards Gesicht und wurde dann vorgestoßen.
Doch der Seewolf war nicht mehr da. Aus dem Stand heraus schlug er eine genau berechnete Rolle nach vorn. Er überschlug sich, und während er noch auf den Knien im Sand saß, drückte sein hochgehaltener Degen schon an den Kehlkopf des Piraten.
Grammont erstarrte. Die Degenspitze berührte genau die Grube unter seinem Kehlkopf. Die kleinste Bewegung konnte ihn jetzt das Leben kosten, und so blieb er reglos stehen. Die Klinge zitterte nicht, eine sehr ruhige Hand hielt sie unerschütterlich fest.
Für jeden Ausfall war es zu spät. Grammont konnte auch seinen Degen nicht mehr einsetzen, denn dazu hätte er sich weiter vorbeugen müssen. Dabei aber wäre er aufgespießt worden.
Zwei Lidschläge lang herrschte eine unheimliche Ruhe am Strand, als hielte die Welt den Atem an.
Dann brach übergangslos die Hölle auf, und aus rauhen Piratenkehlen ertönte wildes Gebrüll. Jetzt zeigten sie, was sie von Fairneß hielten, nämlich gar nichts.
Eine Pistole wurde auf Hasard abgefeuert. Er sah das Aufblitzen und duckte sich instinktiv. Gleichzeitig hörte er auch das ekelhafte Sirren, mit dem das Bleistück dicht an seinem Schädel vorbeipfiff. Neben ihm stieg eine kleine Fontäne aus Sand auf.
Zwei weitere Schüsse krachten, Kerle mit zerschlagenen Visagen tauchten vor Hasard auf. Fünf oder sechs Männer fielen gleichzeitig über ihn her, entrissen ihm den Degen und prügelten von allen Seiten auf ihn ein. Sand flog ihm in die Augen, er taumelte, schlug zurück, und ein Kerl in seiner Nähe spie schreiend zwei Zähne aus.
Am Strand, hinter den Felsen und Schroffen entflammte der Kampf augenblicklich weiter. Immer noch stürmten Piraten aus sicherer Dekkung hervor, und erst jetzt ließ sich ermessen, wie raffiniert die Falle aufgebaut war, in die man sie hineingelockt hatte.
Ferris Tucker, der sich wieder seiner überschweren Axt als Waffe bediente und damit gerade einen zerlumpten Kerl niedergestreckt hatte, sah sich hastig um.
Das ist die Hölle, in die wir hier geraten sind, dachte er. Er erkannte den Verräter Easton Terry, neben ihm die blonde Hafenhure Lucille und die anderen Abtrünnigen der „Fidelity“, die sie in diese üble Lage gebracht hatten.
Überall krachte es jetzt. Männer stürzten sich wutentbrannt mit dem Degen auf die Seewölfe, Piraten brüllten auf und hieben mit Enterbeilen und Messern um sich. Dazwischen wurden immer wieder Pistolen abgefeuert.
„Paß auf, Ferris!“ brüllte eine Stimme. Es war Dan O’Flynn, der diesen Warnruf ausgestoßen hatte.
Der rothaarige Schiffszimmermann wirbelte auf dem Absatz herum. Gerade noch rechtzeitig, denn ein Mann rannte mit dem Messer auf ihn zu. Sein Gesicht war von Haß verzerrt, sein Mund nur ein verkniffener dünner Strich. Auf seiner linken Gesichtshälfte zeichneten sich noch deutlich die Striemen ab, die die Peitsche dort hinterlassen hatte. Halibut war einer der übelsten Kerle an Bord der „Fidelity“, ein hinterhältiger und skrupelloser Mann, plattnasig und grausam. Ferris Tucker war oft mit ihm aneinandergeraten, und so hatten beide Männer noch eine Rechnung miteinander offen.
Dicht vor dem Schiffszimmermann stieß Halibut einen gellenden Schrei aus und setzte zum Sprung an.
„Du Bastard!“ kreischte er voller Wut. „Diesmal bist du an der Reihe!“
Halibut sprang, das Messer erhoben, und noch während er sprang, schleuderte er das Messer kraftvoll nach Ferris Tucker. Ferris sah es aufblitzen, ließ sich fallen, hörte etwas dicht an seinem Ohr vorbeisirren und sah, daß Halibut noch im Sprung nach seinem zweiten Messer im Gürtel griff.
Der Plattnasige war schlimmer als der Teufel. Er schrie und brüllte seinen Haß hinaus und stach blitzschnell zu. Mit dem letzten Schwung warf er sich auf Ferris. Seine Axt konnte der Zimmermann nicht mehr einsetzen, dazu war die Distanz zu groß.
Als die Klinge vor seinem Gesicht aufblitzte, gelang es ihm gerade noch, das behaarte Handgelenk zu packen und festzuhalten. Halibut versuchte, ihm das Knie in den Leib zu rennen, aber das hatte Ferris miteinkalkuliert, und so stieß er ihm den Ellenbogen in die haßverzerrte Fratze. Dann entwand er ihm das Messer, drückte das Handgelenk noch weiter von sich weg und zwang den brüllenden Halibut in den Sand.
Gerade als er zuschlagen wollte, sah er zweierlei: Gustave le Testu, der Hugenotte aus Marseille mit dem dünnen Bärtchen auf der Oberlippe, sank, von einer Kugel getroffen, zusammen und fiel mit dem Gesicht voran in den warmen Sand.
Das zweite, was Ferris sah, war ein kurzer gedrungener Schatten, der einen langen Gegenstand in der Hand hielt. Dieser Gegenstand, Ferris konnte ihn nicht mehr identifizieren, wurde ihm mit entsetzlicher Kraft über den Schädel geschlagen. Die Welt zerbarst für den Schiffszimmermann in einem Regen aus Funken und davonfliegenden Trümmern. Danach wurde es übergangslos finster.
Inzwischen waren auch einige Piraten zu Boden gegangen. Roger Brighton, Bens Bruder, nahm Hasards zweiten Radschloßdrehling auf und feuerte auf einen bärtigen Kerl mit blutrotem Kopftuch, der brüllend seinen Säbel schwang und auf Blacky zurennen wollte. Kurz bevor er ihn erreichte, krachte es zweimal hintereinander. Der Pirat warf die Arme hoch, stieß einen Schrei aus und fiel nach einer weiteren Drehung kraftlos in den Sand.
Damit war aber auch gleichzeitig Rogers Schicksal besiegelt, denn nun drangen gleich vier, fünf Kerle auf ihn ein und schlugen ihn zusammen.
Dicht neben dem getöteten Piraten ging er zu Boden.
Jetzt kämpften noch der Profos Edwin Carberry, Dan O’Flynn, Big Old Shane, der wie ein Berserker dazwischenschlug, Hasard und Blacky.
Doch so verbissen und hart sie sich auch zur Wehr setzen, ihre Zeit war abgelaufen. Zwischen den Felsen tauchten immer mehr Piraten auf, erst waren es ein gutes Dutzend, die da kämpften, jetzt hatte sich ihre Zahl schon mehr als verdoppelt, und immer noch stürmten Kerle hinter den Felsen hervor, wo sie gelauert hatten.
Der nächste, der aus dem Kampfgetümmel ausschied, war der riesige graubärtige Exschmied von Arwenack, Big Old Shane. Etwas später ging auch Carberry zu Boden, und Dan O’Flynn wurde von einer brüllenden Horde wilder Gestalten einfach überrannt.
Das Blättchen wendete sich überraschend schnell zuungunsten der Seewölfe.
Am Strand lagen Tote und Verletzte herum. In der Bucht befanden sich die beiden Schiffe, von denen aus keiner eingreifen konnte, ohne die eigenen Leute zu gefährden. Aber sie fierten Boote ab und bemannten sie, wie Hasard sehen konnte. In den Booten befanden sich Leute der „Fidelity“, in den anderen Seewölfe, die gar nicht schnell genug ablegen konnten. Auch Blacky sah so vertraute Gestalten wie Jeff Bowie, Matt Davies, den Schweden Stenmark, Smoky, Pete Ballie und den alten Segelmacher Will Thorne.
Wie es jetzt aussah, würden sie zu spät eingreifen und sich nur noch blutige Köpfe holen.
Da wischte auch Blacky ein gewaltiger Hieb von den Beinen, und zwei weitere Kerle sprangen ihm ins Kreuz. Blacky ging mit wirbelnden Fäusten unter. Nur den Seewolf hatten sie noch nicht. Hasard kämpfte immer noch, doch es war ein Kampt gegen eine Hydra, der immer wieder neue Köpfe nachwuchsen. So viele ließen sich einfach nicht mehr abschlagen. Er hoffte jetzt nur noch auf den Nachschub von den Galeonen. Doch er hatte die Rechnung ohne Grammonts Kerle gemacht.