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2.

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Jede Nacht waren die Nordmänner erschienen, um die kleine Gruppe um Visser und Vermeulen auszulöschen.

Zum größten Teil war ihnen das auch gelungen, aber bei den Nordmännern hatte es bereits sieben Tote gegeben.

Die Holländer hatten sich wie rasende Teufel zur Wehr gesetzt.

Das Boot hatten sie nicht mehr, damit waren wahrscheinlich de Jong und te Poel verschwunden, wie sie vermuteten. Also konnten sie die Insel auch nicht verlassen.

Am vorletzten Tag waren sie nur noch zu dritt gewesen. Vermeulen, Visser und der schwerverletzte Breukel. Die anderen waren tot, erschlagen oder erstochen.

In dieser Nacht starb ihnen auch Breukel unter den Händen. Sie konnten ihm nicht mehr helfen, sie konnten nicht einmal seine Schmerzen lindern. Sie hatten nichts mehr, außer dem bißchen Zeug, das sie auf dem Leib trugen, ein paar nasse Dekken und etwas Proviant.

Trinkwasser spendete ihnen der Himmel, wenn es schneite oder regnete. Außerdem konnte man das Eis von den Steinen und Felsen brechen und vorsichtig lutschen. Das hatten sie längst herausgefunden.

Nun hockten sie in der primitiven Hütte, die sie aus zusammengetragenen Steinen erbaut hatten, und starrten mit ausdruckslosen Gesichtern auf ihren toten Kameraden.

Vermeulen hob kleine Steine vom Boden auf, warf sie in die Höhe und fing sie wieder auf. Das tat er seit mehr als einer Stunde. Ab und zu blickte er nach oben, wo das zerfetzte Segelleinen, das ihnen als Dach diente, im Wind flatterte.

„Wir können hier nicht länger bleiben, Cap“, sagte Visser. „Die Kerle tauchen heute nacht bestimmt wieder auf, und dann erwischen sie auch uns. Es ist ein Wunder, daß wir überhaupt noch leben. Die Kälte, die Nässe, wir müßten längst tot sein.“

„Ja“, murmelte der Kapitän. „Wir müßten nach menschlichem Ermessen längst tot sein, erfroren nämlich oder eingegangen an einer Lungenentzündung, aber wir sind es nicht. Wenn uns das Land nicht holt, dann holen uns diese hinterhältigen Teufel. Wie aber willst du von hier weg? Schwimmen?“ fragte der Cap höhnisch.

„Wir waren noch nicht auf der anderen Seite, Cap. Je weiter der Weg für diese Kerle ist, desto eher werden sie es aufgeben. Ich habe keine Lust, mich einfach abschlachten zu lassen.“

„Warum trachten sie uns überhaupt nach dem Leben?“ fragte Vermeulen. „Sie haben doch nichts davon und wissen ganz, genau, daß wir früher oder später von allein krepieren.“

„Vielleicht belastet es ihr Gewissen, wenn wir noch leben.“

„Gewissen? Die haben doch kein Gewissen, diese Schlächter.“

Vermeulen erhob sich aus seiner kauernden Stellung und stand auf. Er reckte seine übermüdeten, halberfrorenen und mitunter gefühllos gewordenen Glieder. Wenn diese entsetzliche Kälte nur nicht wäre, dachte er. Alles andere ließ sich ja noch ertragen, aber die Kälte würde sie bald schaffen, noch schneller als der Hunger.

Er trat hinaus und blickte zu der Nachbarinsel hinüber, wo die Nordmänner hausten. Aber dort war niemand zu sehen, die Kerle hockten in ihren Höhlen, fraßen ihren Proviant auf und wärmten sich.

Ihre Toten lagen immer noch herum, niemand hatte sie mitgenommen, als der zweite oder dritte Angriff erfolgt war.

Visser war seinem Gefährten gefolgt. Er hatte sich eine Decke um den Körper gewickelt und eine andere über den Kopf gehängt. Die beiden Männer sahen wie Gespenster aus.

Meist redeten sie vom Essen oder von einem warmen Plätzchen, wo man sich ausziehen und trocknen konnte. Aber alle diese Gespräche führten zu nichts, sie waren bloßes Wunschdenken.

Heute nacht, dachte er, gleich bei Anbruch der Dunkelheit, da würden diese lausigen, hohlwangigen Kerle wieder lautlos erscheinen, um sie auch noch umzubringen.

Nein, sie konnten wegen der Kälte ohnehin kaum schlafen, und doch waren sie übermüdet und kaputt. Die Nordmänner würden diesmal leichtes Spiel mit ihnen haben.

Sie mußten hier weg, ans andere Ende der Insel, wo sie noch nicht gewesen waren.

„Wenn wir uns im Schutz der Hütte davonschleichen“, sagte der Cap, „dann sehen sie es nicht. Brechen wir gleich auf. Die restlichen Decken wickeln wir uns um den Körper. Das bißchen Zeug, was wir noch haben, das tragen wir leicht.“

Visser nickte. „Und Breukel?“ fragte er, auf die Hütte deutend, in der der Tote lag.

„Er ist tot. Wir lassen ihn da liegen. Verdammt, ich habe nicht mehr die Kraft, noch ein Grab zu schaufeln. Die Hütte wird sein Grab sein, ich kann nichts weiter für ihn tun.“

Sie waren abgestumpft und zum Teil auch gleichgültig geworden. Es hatte Tage gegeben, da waren sie auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt und sprachen von Selbstmord.

Aber dann, als einer nach dem anderen starb, reichte der Proviant etwas länger, und immer wieder hatten sie es hinausgeschoben, gezögert und gewartet, weil ein kleiner Funke Hoffnung sie aufrechterhielt.

Ihr Entschluß war jetzt gefaßt. Den Nordmännern wollten sie nichts überlassen, kein Stückchen Holz, keinen Fetzen Tuch, und so nahmen sie auch die zerrissene Plane vor dem Eingang und die andere mit, die die Hütte oben abdeckte.

Etwas später zogen sie los, zwei Elendsgestalten, die sich nur mühsam und schwerfällig fortbewegten und gebeugt dahinschlichen, als hätten sie längst den Tod in den Knochen.

Sie nahmen die Richtung, die sie schon einmal gegangen waren. Nur gab es noch ein kleines Stück, das sie nicht erkundet hatten.

Immer wieder drehten sie sich und blickten zu den Höhlen der Nordmänner. Alles blieb unheimlich still, keiner der Kerle steckte auch nur seinen Schädel ins Freie.

Sie erreichten die Felsengruppe und blieben stehen. Eiskalter Wind blies ihnen in die Gesichter. Sie zogen die klammen Decken fester um ihre Körper.

Visser setzte das kleine Bündel Holz, das sie noch hatten, auf den Boden und zog ein gequältes Gesicht.

Dann stieg er vorsichtig in die Felsgruppe auf, um einen Blick zur anderen Seite zu werfen. Als er etwa zwanzig Yards geschafft hatte, mußte er die Augen zusammenkneifen, denn der scharfe Wind brachte winzige Eiskristalle mit sich, die sein Gesicht taub werden ließen und ihm schmerzhaft in die Haut schnitten.

Er sah sich um, lange und bedächtig. Von hier aus dehnte sich ein schmaler Küstenstreifen in endlose Länge. Wie ein riesiger Zapfen sah die Insel aus, und ganz hinten, wo Nebel und Land verschmolzen, erkannte er eine schmale Furt wie eine Sandbank, die diese Insel mit einem großen Felsenmeer verband. Dahinter erhob sich vage ein riesiger, nebelverhangener Berg.

Das Gebiet war zerklüftet, und Visser hatte den Eindruck, als gäbe es dort natürlich gewachsene Höhlen in den Felsen.

Wenn sie da hinüberwollten, würden sie bei Ebbe nicht einmal nasse Füße kriegen, dachte er erleichtert.

Er stieg wieder nach unten und erzählte Vermeulen, was er entdeckt hatte. Der Cap grinste plötzlich.

„Da sind wir in Sicherheit“, sagte er. „Dann ist die Insel also durch eine Sandbank mit einer anderen verbunden. Ist sie sehr groß?“

„Läßt sich schwer abschätzen, Cap. Aber ich glaube schon. Wenn du den Hals reckst, siehst du den Berg. Er sieht aus wie ein Götterthron. Da gibt es Spalten und Verstecke.“

„Nur werden sie uns nicht mehr viel nützen“, sagte Vermeulen niedergeschlagen.

„Warum nicht?“

„Weil wir nicht mehr viel zu fressen haben. Darum! Und das bißchen Holz – na ja, wir gehen erst einmal weiter.“

Zwischen den Felsen, wo der Wind sich fing und nicht mehr so scharf blies, ruhten sie noch einmal aus, um Kräfte für den verhältnismäßig weiten Weg zu sammeln.

Unter normalen Umständen wäre das für sie ein Spaziergang gewesen, aber seit langem schon herrschten keine normalen Verhältnisse mehr. Jede Meile, die sie hinter sich brachten, bedeutete Qual und Erschöpfung und kostete Kraftreserven, die sie nicht mehr hatten.

Der Berg wuchs vor ihnen in die Höhe und wurde immer größer. Kein Zweifel, daß dieser Berg vor Jahrtausenden mal ein feuerspeiender Vulkan gewesen war. Seine Form ließ es erkennen, und der schneebedeckte Kraterrand verkündete es weithin.

„Wenn wir dort hinaufsteigen“, sagte der Cap, „dann haben wir einen Überblick über die ganzen Inseln oder über den größten Teil des Landstrichs. Außerdem sind wir da oben unangreifbar. Jedem, der sich uns nähert, können wir tonnenweise Steine auf den Kopf werfen.“

„Bloß wird es da verteufelt kalt sein, Cap!“

„Vielleicht finden wir eine kleine Höhle, die wir mit den Decken auskleiden können. So was wie ein Schlupfloch.“

„Hoffen wir es.“

„Dort vorn können wir hinüber“, sagte Vermeulen. Vor ihnen dehnte sich nun die fast trockene Sandbank. Alle beide erkannten, daß es da Wasserlöcher gab wie in der Heimat auf dem Watt.

Die Sandbank war steinig, der Untergrund sehr fest. Die Steine drückten sich nicht in den Sand ein.

Ein schmales Rinnsal floß dicht vor ihnen träge dahin und sammelte sich in einem größeren Wasserloch. Es war nicht tiefer als ein Yard.

Vermeulen wollte gerade daran vorbeigehen, als er eine schnelle Bewegung sah. Er blieb stehen und blickte auf den steinigen Grund hinunter.

„Sieh dir das an!“ schrie er verzückt und begann sich auf die Schenkel zu schlagen. „Sieh dir das an!“ wiederholte er.

Visser trat hinzu, und über sein Fuchsgesicht glitt ebenfalls ein Grinsen, als er den silbrigen Schatten sah.

„Ein Fisch“, sagte er andächtig. „Ein richtiger, gottverdammter Fisch. Ich habe schon ewig keinen mehr gesehen.“

„Und gegessen erst recht nicht“, sagte Vermeulen. „Den Freund, den holen wir da raus, und wenn ich das ganze Wasserloch leersaufen muß. Aber den kriegen wir. Wie nur?“ fragte er gleich darauf.

Große Lust, in das eisige Wasser zu steigen, hatte keiner von beiden. Die eiskalte Brühe ließ die Knochen absterben, und die Klamotten trockneten nie mehr so richtig.

Mit den Händen reichten sie auch nicht auf den Grund, da fehlte ein kleines Stück.

Aber diesen Fisch mußten sie haben, und wenn sie ihn auf der Stelle roh aßen, denn jetzt begannen ihre Mägen ernsthaft zu rebellieren. Dieses Hungergefühl hatte wahrscheinlich der Fisch ausgelöst. Er wog ganz sicher drei Pfund, wenn nicht noch etwas mehr. Jetzt verharrte er am Grund und rührte sich nicht.

„Wir fangen ihn mit der Plane, die wird gerade über das Loch von zwei Seiten reichen“, sagte Vermeulen.

In die ausgefranste Plane stieß er mit dem Messer noch ein paar kleine Löcher hinein, dann hielt er sie fest, Visser nahm das andere Ende und ging um das Wasserloch herum. Die Plane beschwerten sie mit ein paar kleinen Steinen, damit sie besser auf den Grund sank.

Als sie den Grund erreichte, stob der Fisch davon, flitzte von einer Wand zur anderen, stieg höher, ging wieder auf Tiefe und narrte sie lange Zeit.

Einmal stand er über der Plane, aber als sie die ruckartig anhoben, flitzte er dicht unter der Wasseroberfläche wieder auf den Grund.

Vermeulen begann laut zu fluchen. Weder er noch Visser merkten, daß sie bereits bis an die Knöchel im Wasser standen. Diesmal spürten sie die Kälte vor lauter Jagdeifer nicht.

„Wenn er wieder über der Plane steht“, sagte Vermeulen grimmig, „dann gebe ich dir ein Zeichen mit den Augen, und wir ziehen die Plane mit einem Ruck stramm. Mit aller Kraft.“

Vorsichtig jonglierten sie den Leinenfetzen so, daß der Fisch darüberschwamm. Dann traten sie einen Schritt zurück und sahen, daß ihre Beute genau auf der Plane schwebte und langsam höher stieg, um der Berührung auszuweichen.

Vermeulen gab Visser das Zeichen, und beide Männer zogen mit einem gewaltigen Ruck die Plane stramm.

Der Fisch sauste aus dem Wasser, sprang in die Höhe und landete hinter Vermeulen im Sand. Dort blieb er liegen, zappelte und versuchte, sich zum Wasser zu schlängeln.

Vermeulen stürzte sich in wilder Gier darauf, packte ihn und schlug ihm den Messergriff an den Kopf.

„Wir haben ihn!“ brüllte er laut.

Visser wollte gerade in das Freudengeschrei miteinstimmen, als er sah, daß die Sandbank längst keine Sandbank mehr war, sondern Wasser sie von allen Seiten bedeckte.

„Schnell, Cap!“ rief er angstvoll. „Los, zur anderen Seite ’rüber, das können wir gerade noch schaffen.“

Vermeulen fluchte, wickelte den Fisch in die Decke und zerrte die Plane zu einem Strick zusammen.

Jetzt, nachdem sie den Fisch hatten, spürten sie auch wieder die eisige Kälte, und sie begannen zu rennen, so schnell oder so langsam, wie ihre Kondition das zuließ.

Das Wasser stieg nur sehr langsam, aber es war auch noch ein ganzes Stück, das sie vor sich hatten. Dabei saß ihnen die Angst im Nacken, die andere Seite nicht mehr rechtzeitig zu erreichen.

Als sie es schließlich doch geschafft hatten, stand ihnen das eiskalte Wasser schon fast bis zu den Knien.

Beide zogen ihre Stiefel aus, rieben sich die erstarrten Knochen mit der Decke trocken und zogen die Sachen wieder an, nachdem sie die Hosenbeine ausgewrungen hatten.

Kalt und eklig fühlten sich die Hosen an, und wieder schnatterten beide Männer vor Kälte.

„Verdammt“, sagte Visser, „den Fisch haben wir, aber jetzt ist das Holz wieder naß geworden. Bis das trocknet, sind wir längst vergammelt.“

„Wir werden es schon schaffen. Da geht es in die Berge“, sagte der Cap. „Sieht wie ein Weg aus. Hoffentlich hausen da nicht auch noch ein paar Burschen.“

„Glaube ich nicht, das ist für die Kerle zu umständlich.“

Ein Geröllpfad führte in Windungen zwischen Hügeln, Felsen und großen Steinen auf den Berg. Das alles wurde immer kompakter und schmolz zusammen, bis sie ein Plateau erreichten, über das kalt und scharf der Wind hinwegfegte.

Der erloschene Vulkan ragte vor ihnen in seiner ganzen Größe auf, oben in dichte weiße Schleier gehüllt, die ihn umtanzten und umwoben wie ein dichter Ring aus wirbelnder Watte.

Nebelfetzen hüllten sie ein, der Wind vertrieb sie wieder, und neue entstanden wie hingezaubert aus dem Nichts.

Ab und zu verschnauften sie, lehnten sich an die kalten eisbedeckten Felsen und ruhten aus. Ihre Lungen keuchten, ihre Herzen klopften wie rasend, und in den Seiten begann es zu stechen.

Yard um Yard rangen sie dem Vulkan ab. Je höher sie emporstiegen, um so besser wurde die Aussicht. Schon bald sahen sie das Land tief unter sich liegen und erreichten jene Stelle, in der sie die Höhlen vermuteten.

„Da ist eine“, sagte Visser und deutete keuchend nach oben, wo sich ein klaffender Spalt im Berg abzeichnete.

Vermeulen kletterte weiter. Jetzt, da sie wieder eine Gruppe von Felsen erreichten, fühlte er sich etwas wohler, denn der Wind biß nicht mehr so schneidend scharf nach ihnen. Er verfing sich in den Felsen und heulte laut.

In ihrem Bemühen, die schützende Höhle zu erreichen, verausgabten sie ihre letzten Kräfte.

Als sie dann durch den Eingang krochen, blieben sie erschöpft liegen und mußten ihre klopfenden Herzen beruhigen.

Aber diese Höhle erwies sich als äußerst unwirtlich. Sie war zu groß und zu riesig in ihren Ausmaßen, von der hohen Decke troff pausenlos Wasser herunter, das sich auf dem Boden in kleinen Pfützen sammelte.

„Nur einen kleinen Unterschlupf, verdammt noch mal“, sagte Visser, „mehr wollen wir ja gar nicht. Nur ein trockenes Plätzchen.“

„Ja, wir werden immer bescheidener“, sagte der Cap ironisch und lachte ärgerlich auf, als ihm Wassertropfen ins Genick fielen.

Nachdem sie sich einigermaßen ausgeruht hatten, ging es weiter den Berg hinauf.

Der Nebel schlug sich an den Felsen nieder, die dem Wind zugewandte Seite gefror von dem Wasser und war glatt. Die andere Seite war feucht und verströmte Kälte.

An der Höhle, in der sie sich dann schließlich einrichteten, wären sie fast vorbeigegangen, so versteckt war sie zwischen den Felsen. Der Eingang war so schmal, daß man ihn übersah.

Visser ging hinein und fand sich in einer kleinen Grotte wieder, die einigermaßen trocken war. Sie war nicht länger als vier Yards und knapp drei Yards breit. Die Höhe war so, daß sie beide gerade noch aufrecht darin stehen konnten.

„Na, da haben wir ja das, was wir suchten“, sagte Vermeulen. „Hier sind wir sicher, und wir können alles überblicken.“

Ja, das konnten sie. Sie hatten einen Blick, der weit über das Meer hinausging, und von hier sahen sie auch die Felsensiedlung der Nordmänner, die sich tief unter ihnen befand. Wenn es den Kerlen jetzt einfiel, sie zu überfallen, dann würden sie ihr blaues Wunder erleben. Aber sie wußten nicht, daß sie sich ausgerechnet den Berg als Zuflucht erkoren hatten, und würden auch nicht auf die Idee verfallen, sie hier oben zu suchen.

Vermeulen warf die Steine hinaus, die den Boden bedeckten, schichtete das bißchen Holz auf die Decke und legte den Fisch daneben, den sie jetzt beide hungrig anstarrten.

Sie warfen sich einen Blick zu und grinsten. Ihre Bärte waren zottig und wild, und jeder fand den anderen zum Fürchten.

„Wir kriegen kein Feuer in Gang“, sagte Vermeulen, „das Holz ist noch zu naß. Fressen wir den Kameraden, wie er ist.“

Visser versuchte es trotzdem. Er hatte noch eine Handvoll dürres Zeug, das von dem kleinen Busch stammte, aber auch das war nicht mehr ganz trocken, und die paar Funken die übersprangen, waren nicht in der Lage, das Kraut zu entzünden.

Dabei stellten sie sich vor, wie der Fisch gebacken schmecken würde, und das Wasser lief ihnen im Mund zusammen.

„Was soll’s“, sagte der Cap und schnitt den Fisch der Länge nach auf. „Besser einen rohen als gar keinen Fisch.“

In seinem ganzen Leben hätte er nie geglaubt, einmal ein Stück Fisch roh herunterschlingen zu können, aber jetzt ging es.

Gierig fielen beide über ihre Beute her, bis nur noch die Gräten übrig waren.

Ihre Position war jetzt so gut wie unangreifbar. Sie verteilten die Dekken auf dem Boden und zerrten die nasse Plane vor den schmalen Spalt, die sie mit einem Stein beschwerten.

Hier war von dem eisigen Wind nichts zu spüren.

Bevor Vermeulen noch richtig auf dem Boden lag, war er schon eingeschlafen. Visser hielt sich auch nur noch ein paar Augenblicke, dann übermannte ihn der Schlaf.

Diesmal schliefen sie lange, tief und traumlos.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 180

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