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2.

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Noch am selben kühlen Dezembertag segelte ein Geschwader der britischen Navy unter dem Kommando des Marquess Henry of Battingham, in den Hafen von Plymouth.

Das Geschwader bestand aus vier spanischen Beutegaleonen, mehr Beutegalönchen, denn die Schiffe waren ziemlich klein, die man den Spaniern bei der Armada-Schlacht abgenommen hatte.

Dieser Verband hatte, von London kommend, die Aufgabe erhalten, im Kanal ein wenig spionierend herumzusegeln. Er sollte die Küste Frankreichs und auch die der Holländer im Auge behalten. Die weitere Order führte den Verband zwecks der gleichen Aufgabe bis nach Spanien.

Eine vaterländische Aufgabe also, bei der Plymouth lediglich als Zwischenstation diente, um hier vielleicht fehlendes Personal zu requirieren.

Der fast armselig anmutende Verband hatte nur einen kleinen Schönheitsfehler, und das war der Marquess Henry, eitler und übereifriger Sohn des alten Duke of Battingham. Marquess Henry, der sich diese Position als „Geschwaderführer“ durch Protektion und viel Gold erkauft hatte, fehlte nur noch ein letztes Quentchen zu seinem Glück. Den Titel eines Marquess führte er bereits, aber der Titel eines Duke war erblich, und so wartete Marquess Henry recht ungeduldig auf das Ableben seines alten Herrn, damit ihm als ältestem Sproß derer von Battingham endlich der machtverleihende Titel eines Duke zufiel.

Zu Henrys Leidwesen verblich der alte Herr jedoch nicht, im Gegenteil: Er erfreute sich allerbester Gesundheit und war auf seinen überehrgeizigen Ableger nicht sonderlich gut zu sprechen.

Jetzt stand dieser wichtigtuerische, eitle und aufgeblasene Schnösel auf dem Achterdeck der noch am besten herausgeputzten Galeone und sah recht übelwollend auf die Pieranlage, wo niemand zur Begrüßung erschienen war. Daß keiner von seinem stolzen Geschwader Kenntnis nahm, wurmte den Marquess mächtig.

„Ist dieses Kaff hier ausgestorben?“ fragte er ungnädig seinen Ersten Offizier. „Warum erscheint niemand, wenn ein Geschwader mit königlicher Order hier eintrifft?“

Darauf wußte auch der Erste keine Antwort, aber er konnte nicht einfach mit den Schultern zucken und es dabei bewenden lassen, denn wenn der Marquess etwas fragte, erwartete er auch eine Antwort.

„Es hat den Anschein, als findet hier ein städtisches Fest statt, ein Jahrmarkt vermutlich, denn man hört Musik.“

Marquess Henry fuhr mit der Hand über seine leicht nach oben gebogene Nase. In seinen wäßrigen Augen glomm es unmutig auf.

„Pöbel, Pack“, sagte er verächtlich. „Es sollte lieber arbeiten, dieses Gesindel, statt zu feiern.“

„Ganz recht, Marquess Henry“, sagte der Erste ergeben. Er sagte oft „ganz recht, Marquess Henry“, denn so kam er mit dem aufgeplusterten Junggockel noch am besten zurecht, der sich wer weiß was auf seine seemännischen Künste einbildete. Ohne die Hilfe seiner Offiziere hätte der Marquess jedoch noch nicht einmal den Weg über den Kanal von England bis nach Holland gefunden. Und bei schwerem Wetter wußte er bis heute noch nicht, welche Segel man zuerst wegnahm. Ebenso hielt er sich bei einer Wende oder Halse vornehm zurück, denn auch dabei brachte er alles durcheinander.

Verständlicherweise genoß der rechthaberische Marquess daher bei den Offizieren und erfahrenen Leuten kein rechtes Ansehen, zumal sie ihm noch insgeheim unterstellten, er könne Backbord von Steuerbord nicht unterscheiden.

Aber es war gut, zu allem Ja und Amen zu sagen, denn er übte nun einmal die Gewalt aus und ging auch sehr großzügig mit ihr um.

„Lassen Sie signalisieren, daß die drei anderen vor Anker gehen sollen!“ befahl er dem Ersten. „Wir selbst legen an der Pier an. Für die Mannschaften gibt es natürlich keinen Landgang.“

Diesmal sagte der Erste nur: „Aye, aye, Marquess Henry.“

„Überhaupt dieses Volksfest“, ereiferte sich der Marquess nach einer Weile wieder, „das ist ja eine direkte Mißachtung Ihrer Majestät. Da rennt der Pöbel herum und betrinkt sich gar noch, läßt sich von Musikanten aufspielen und ignoriert uns völlig. Ich glaube, es ist erforderlich, mit den Honoratioren dieser Stadt mal ein paar ernsthafte Worte zu wechseln.“

„Ganz recht, Marquess Henry“, sagte der Erste wieder. Er sah zwar keine Mißachtung Ihrer Majestät, aber Henry hatte da wohl andere Ansichten. Vielleicht war er auch nur gekränkt, daß niemand seine phantasievolle Uniform zur Kenntnis nahm und kein Hafenmeister oder Kommandant ehrfürchtig bei dem Anblick dieses glorreichen Geschwaders vor der Pier auf die Knie fiel.

Henrys leichenblasses Gesicht rötete sich um eine Schattierung, ein untrügliches Zeichen dafür, daß ihn etwas aufregte.

Als sein „Flaggschiff“ endlich an der Pier anlegte, standen da nur zwei kleine Rotznasen herum, die seine Uniform anstarrten, sich dann anstießen und laut kicherten.

„Lassen Sie diese Lümmel augenblicklich festnehmen und auf das Schiff bringen!“ befahl er ärgerlich. „Der Profos soll ihnen mit ein paar Kräftigen Maulschellen den erforderlichen Respekt beibringen.“

Der Erste gab den Befehl weiter an den Zweiten, der Zweite beauftragte, immer dem Rang nach, den Dritten, und der wiederum wandte sich an den Zuchtmeister und Profos, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als den Befehl an den Decksältesten weiterzugeben.

Bis die Order alle Instanzen durchlaufen hatte, rochen die beiden Grinser den Braten, drehten Marquess Henry eine lange Nase und nahmen die Beine in die Hand.

Damit war seine Laune für den heutigen Tag restlos verdorben. Doch es kam noch viel schlimmer.

Der Pöbel und das Pack feierten immer noch drüben über dem Sound. Hin und wieder klangen Musikfetzen und Gebrüll herüber, und jedesmal durchzuckte Marquess Henry der bittere Schmerz von kühler Mißachtung.

Am Nachmittag beschloß er, das Volksvergnügen zu beenden, und sich im Boot zur anderen Seite pullen zu lassen.

Da passierte das, was schon mal auf hölzernen Schiffen vorkam, wenn die Vorschriften nicht rigoros eingehalten wurden.

Auf der kleinsten der Galeonen hantierte ein jüngerer Mann an den Lampen, die aufgefüllt werden sollten. Er schnitt die Dochte zurück, säuberte sie und entzündete dann zwei der Lampen, obwohl das beim Auffüllen von Öl grundsätzlich verboten war.

Ein wenig von dem Öl war auf die Planken gelaufen, und als er sich nun bückte, um das Öl aufzuwischen, stieß er eine der brennenden Lampen um.

Weiteres Öl lief aus und entzündete sich augenblicklich an dem brennenden Docht. Den Mann überfiel ein panikartiges Gefühl. Erst stand er wie erstarrt da, dann, als sich blitzschnell ein Flammenteppich vor ihm ausbreitete, rannte er schreiend aus der Kammer an Deck.

„Feuer an Bord!“ schrie er gellend.

Zunächst stand jeder wie erstarrt da und glaubte sich verhört zu haben.

Dann folgten gebrüllte Befehle und Kommandos, und als sich die Meute der Seesoldaten und Decksleute in Bewegung setzte, schlugen aus dem offenen Schott bereits die ersten Flammen.

Bei dem böartig einfallenden Wind krängte die kleine Galeone immer wieder leicht über, und so verteilte sich der Teppich nach jedem Roller weiter, und das brennende Öl lief in den schmalen Gang, der zur Pulverkammer führte.

Damit war auch schon das Schicksal des kleinen Schiffes besiegelt.

Die Männer, die eben noch voller Angst und Eifer löschen wollten, hatten plötzlich die Hosen voll, als sich das Feuer weiter zur Pulverkammer und dem Magazin fraß. Sie blieben wieder stehen in der Ungewißheit, ob sich das Feuer überhaupt noch löschen ließ oder die Pulverfässer erreichte. Denn dann würden sie alle mit einem großen Knall in den Himmel fliegen.

Es war eine scheußliche Situation.

Master Thompson, der das Unglücksschiff befehligte, trieb die zaudernden Männer zur Eile an und ließ Ketten bilden. Er selbst griff auch mit zu, denn jetzt ging es wirklich nur noch um Augenblicke. Pützen wurden weitergereicht und ausgeleert, doch das Wasser trieb das brennende Öl nur noch weiter auseinander und drückte es in Ritzen und Ecken, wo es bald darauf überall zu knistern begann.

Auf den anderen Schiffen wurde das Malheur ebenfalls bemerkt. Auch Marquess Henry sah es und glaubte seinen Augen nicht zu trauen.

Zunächst zeigte sich eiskalte Wut in seinem Blick, dann befahl er, man solle unverzüglich mit dem Boot hinüberpullen und beim Löschen helfen.

Von den anderen Schiffen lösten sich ebenfalls Boote. Die anderen Kapitäne hatten den gleichen Befehl gegeben.

„Den Übeltäter bringen Sie anschließend sofort zu mir an Bord!“ befahl er mit hektisch zuckendem Mund. „Der Mann wird seiner Verurteilung nicht entgehen. Außerdem verlange ich einen genauen Bericht.“

An den Bericht und den Übeltäter dachte jedoch zunächst keiner der Offiziere. Zuerst mußte einmal gelöscht werden, das war wichtiger als Marquess Henrys lächerlicher Kleinkram.

Gleich darauf legte das Boot mit etlichen Männern ab.

Während sie noch hinüberpullten, breitete sich das Feuer weiter aus. Der Wind fachte es an und blies immer kräftiger hinein. Die angsterfüllten Männer wichen zurück, und die paar Pützen, die sie noch hineingossen, verdampften in der Glut.

Da gab es auch für die heranpullenden Männer nichts mehr zu helfen. Das Holz der Galeone war uralt und knochentrocken, und beim nächsten Windstoß begann es zu prasseln und zu knacken. Hilflos standen sie vor einer Flammenwand, die jetzt auf die Masten und Segel übergriff und die Galeone in eine rote Hölle verwandelte.

„Alle Mann von Bord!“ erklang Master Thompsons rauhe Stimme. „Sofort das Schiff verlassen.“

Selbst hundert Männer hätten hier nichts mehr ausgerichtet. Es war aussichtslos, gegen die Feuersbrunst anzukämpfen. Jetzt lösten sich aus den brennenden Segeln bereits große Fetzen und flatterten glühend davon.

Die ersten Männer sprangen über Bord, immer das Gefühl im Nacken, die Pulverkammer würde jetzt explodieren. Die Männer in den Booten warteten darauf, die anderen aufzunehmen, denn noch näher konnten sie an das brennende Schiff nicht heran.

Als erst ein paar von ihnen in das eiskalte Wasser gesprungen waren und auf die Boote zuschwammen, erreichte die Glut das Pulvermagazin und damit die Fässer.

Ein donnernder Schlag erklang, ein Rollen setzte sich wie harter Donner über dem Wasser fort, und eine riesige weißgelbe Stichflamme raste zum Himmel. Ihr folgte ein dunkler Rauchpilz, und danach regnete es nach allen Seiten glühende Trümmer.

Schreiende Männer wurden durch die Luft gewirbelt und landeten im eisigen Wasser oder gingen sofort unter.

Von der kleinen Galeone blieb nur ein schäbiger Rest. Das Heck versank zischend und aufgischtend im Wasser, einer der Masten raste wie ein Rammbock auf das Beiboot zu und hätte es fast getroffen. Gleich darauf ging auch der Rest der Galeone auf Tiefe. Ein paar Blasen stiegen hoch, Planken schossen nach oben, und dann war das ganze Spektakel auch schon vorbei.

Ein Dutzend Männer wurde gerettet, etliche andere waren ertrunken oder von der Explosion zerfetzt worden.

Mit den Überlebenden kehrten die Boote zurück, die auf die restlichen drei Galeonen verteilt wurden.

Auf dem Achterdeck des Flaggschiffs aber kriegte Marquess Henry einen Wutanfall, als das Boot zurückkehrte.

„Ich will den Schuldigen!“ brüllte er. „Der Kerl hat Sabotage begangen, er hat das Eigentum Ihrer Majestät geschädigt. Ein Verräter war das, ein Saboteur!“

Halsstarrig bestand er darauf, daß man ihm den Schuldigen vorführe. Doch die Schuldfrage konnte erst im Lauf des Nachmittages geklärt werden.

Da stand fest, daß Master Thompson wahrscheinlich ertrunken oder der Explosion zum Opfer gefallen war. Ebenso der Mann, der mit den Lampen hantiert hatte, der Mann, den die eigentliche Schuld traf.

Der Marquess grämte sich darüber. Er bedauerte nicht den Tod des Mannes, er bedauerte lediglich, daß es diesen Kerl mit in die Luft geblasen hatte und er daher keinem die Schuld aufbürden konnte, auch Master Thompson nicht, der spurlos verschwunden war. Aber einen Schuldigen mußte der Marquess haben, und es sprach daher für seinen Charakter, daß er auf seinem Flaggschiff eine Verhandlung ansetzen ließ, ein Bordgericht.

Dieses Bordgericht unter dem Vorsitz des Marquess gelangte dann auch zu einem recht seltsamen Schuldanspruch, auf dem der Marquess bestand.

Der Übeltäter namens John Blade wurde schuldig gesprochen in allen Punkten der Anklage. Und obwohl der Mann längst tot war, verurteilte ihn der zornerfüllte Marquess noch posthum zum Tode durch Erhängen an der Rah.

Damit glaubte er, sich Genugtuung verschafft zu haben.

„Morgen früh“, sagte er streng zu seinem Ersten, „werden Sie mich auf einer Inspektionsfahrt durch den Hafen begleiten. Wir brauchen ein weiteres Schiff. Der Verlust muß ausgeglichen werden. Und ich glaube, wir werden hier schon etwas Geeignetes finden. Wir haben eine nationale Aufgabe von größter Wichtigkeit zu erfüllen, und wir werden sie auch erfüllen, verlassen Sie sich darauf!“

„Aye, aye, Marquess Henry“, sagte der Erste, der etliche Schwierigkeiten auf sie zukommen sah. Die verschwieg er allerdings, damit mußte der Marquess selbst fertig werden.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 300

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