Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 77 - Fred McMason - Страница 5

2.

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Den Männern auf der „Isabella“ erging es nicht viel besser. Schon rechtzeitig hatte Hasard überall an Deck Strecktaue spannen lassen, noch bevor der Höllentanz losging.

Jetzt segelte die ranke Galeone nur mit einer Sturmfock gegen das Geheul und Gewimmer, Kreischen und Brausen an. Um sie her war die Hölle, ein kochendes, wild bewegtes Meer, aus dem quirlende Berge stiegen, die sich alle paar Sekunden verwandelten.

Hasard hatte drei Männer ans Ruder stellen lassen. Pete Ballie konnte das schwere Rad bei diesem Seegang längst nicht mehr allein halten. Sogar die drei Männer hatten Mühe, sobald sich das Heck des Schiffes aus der See hob, nicht durcheinanderzufallen, weil ganz plötzlich der Widerstand fehlte. Dann, wenn das Ruderblatt eintauchte, begann eine harte Plackerei. Aus dem Ruderhaus vernahm man ellenlange Flüche, und einer schien den anderen dabei immer überbieten zu wollen.

Hasard stand an der Schmuckbalustrade des Achterkastells. Die Gedanken, die ihn bewegten, galten nicht der „Isabella“. Sie war ein gutes Schiff, das man getrost durch jeden Wirbelsturm knüppeln konnte. Sie war stabil, widerstandsfähig und aus gutem Holz gebaut. Sie vertrug unheimlich viel, deshalb konzentrierte sich seine Sorge immer mehr auf die Karavelle.

Auch der Zweimaster war rank und schlank und ließ sich gut segeln, doch dieses Wetter war einfach zuviel für ihn. Immer wieder blickte Hasard achteraus, wo die Karavelle gegen die dicke See ankämpfte. Mal jagte sie wie ein gehetztes Wild übers Wasser, dann wieder schien sie stillzustehen.

Jetzt war sie in eine riesige Wolke Gischt gehüllt, ein schwerer Brecher überschwemmte sie und ließ sie für eine ganze Weile verschwinden.

Aus dem Ruderhaus drang immer noch Stenmarks, Pete Ballies und Dans wüstes Fluchen. Damit reagierten sie nur ihre Hilflosigkeit ab. Ed Carberry hangelte sich an den Tauen zum Achterkastell. Auch er warf immer wieder einen Blick auf die Karavelle. Er war durchnäßt und schüttelte das Wasser aus seinen Haaren.

„Mist, verfluchter!“ schrie er, um das Brausen zu übertönen, was ihm auch mühelos gelang. „Sieht so aus, als würde die Karavelle gleich absaufen, Hasard. Der Besan ist über Bord gegangen. Ich glaube, sie schaffen es nicht.“

„Und wir können ihnen nicht einmal helfen“, sagte Hasard mit unterdrücktem Ärger in der Stimme. „Wir können uns selbst nur halten, indem wir auf dem Kurs bleiben.“

Ja, natürlich, das wußten sie alle. Irgendwann einmal war der Punkt erreicht, an dem ein Schiff dem anderen nicht mehr helfen konnte, ohne selbst zu kentern. Genausowenig war an ein Abschleppen zu denken, denn die See würde jede Leine, jede Trosse kurz und klein schlagen und nicht einmal die Verbindung zwischen zwei Schiffen zulassen.

In der brodelnden Gischt sahen sie nur undeutlich und verzerrt, wie die Männer der Roten Korsarin daran gingen, den Mast endgültig von dem stehenden Gut zu befreien. Als ihnen das endlich gelungen war, atmete Hasard erleichtert auf.

Doch gleich darauf ereignete sich das neue Unglück, als die beiden Kanonen das Schanzkleid durchschlugen.

„Denen bleibt heute auch nichts erspart“, murmelte Ben Brighton. „Wenn wir diesen Sturm abgeritten haben, dürfte die Karavelle nur noch ein halbes Wrack sein. Dann können wir die Fahrt nach Tortuga abschreiben.“

„Das wäre nicht weiter schlimm“, erwiderte Hasard, „Tortuga läuft uns schließlich nicht davon. Aber …“ er zuckte mit den Schultern, „ob sie wenigstens noch bis zur ersten Caicos-Insel durchhalten?“

Niemand wußte eine Antwort darauf. Ein himmelhoher Brecher verwehrte ihnen außerdem das Sprechen, denn gerade walzte er heran und schob sich brüllend und schäumend über das Schiff. Das Wasser stieg blitzartig, ein riesiger Schwall dröhnte über Deck und füllte die Kuhl bis in Höhe der Nagelbänke. An den Masten stieg es wild brüllend empor, bis die „Isabella“ sich dem gewaltigen Druck beugte und gehorsam hart nach Backbord überholte. Der Kränkungswinkel war so groß, daß manch anderes Schiff sich nicht mehr aufgerichtet hätte.

Die Welle, die die „Isabella“ in allen Verbänden erbeben ließ, raste weiter wie ein zornerfülltes Ungeheuer auf die Karavelle zu.

Die Seewölfe befürchteten das Schlimmste. Würde der Zweimaster dem ungeheuren Druck dieser gewaltig heranbrausenden Wassermasse widerstehen können? Bange Sekunden folgten.

Die Karavelle verschwand in der schäumenden See wie ein kleines Spielzeugschiff. Sofort danach ritt sie hoch oben auf dem Kamm der Woge und wurde in rasender Eile fortgetragen. Dann folgte der Aufprall in das nächste Wellental, und wieder entschwand sie ihren Blikken.

Hasard glaubte das Krachen und Bersten zu hören, aber das war ein Irrtum, denn noch immer tobte der Sturm so wild, daß er jedes andere Geräusch überlagerte.

Dennoch hatte die Karavelle bei diesem Höllenritt wieder etwas abgekriegt. Das Schanzkleid war noch weiter zersplittert und die eine Spiere des vorderen Mastes war geknickt.

„Himmel und Hölle!“ schrie Tukker, der sich ebenfalls auf dem Achterkastell befand. „Nimmt denn dieser wahnsinnige Ritt überhaupt kein Ende mehr? Verflucht, es geht nicht um uns, unsere Tante hält das aus, aber der nächste Brecher zertrümmert den Zweimaster doch endgültig.“

„Und dabei haben sie ebenfalls Trossen ausgelegt. Ohne sie wäre es wohl noch schlimmer geworden.“

Mehr als eine Stunde lang rannte die Karavelle gegen die See an, die sie immer mehr peinigte, die mit ihr spielte, Löcher in sie hineinschlug, sie tanzen ließ, bis das Schiff nur noch ein wild schlingerndes, völlig außer Kontrolle geratenes Etwas war, das sich nicht mehr steuern ließ. Zuletzt hatte eine Woge auch noch das Ruderblatt zerschmettert.

Hätte der Sturm in dieser Minute nicht nachgelassen, dann wäre es um den Zweimaster und die ganze Crew geschehen gewesen. Die See hätte sich das dwars treibende Schiff geholt.

So aber klarte es jetzt allmählich auf. Die schwarzen Wolken zogen weiter, hin und wieder drang einmal die Sonne durch, und dann beruhigte sich auch langsam das Meer, das zuvor noch so wild gebrüllt hatte.

Auf der „Isabella“, wurde in aller Eile aufgeklart. Es war nicht viel, der Sturm hatte keine sichtbaren Schäden hinterlassen.

Aber hinter ihnen trieb der Zweimaster vor Topp und Takel, und Hasard sah sich genötigt, das beschädigte Schiff in Schlepp zu nehmen, sonst soff es doch noch ab.

Auf der „Isabella“ stand noch die Sturmfock. Der Wind hatte jetzt gedreht. Die Galeone segelte mit Steuerbordhalsen am Wind, als Hasards Kommando erfolgte.

„Klar zum Halsen. Schlepptrossen bereit legen!“

Das Großsegel war noch aufgegeit und der Besan geborgen. Pete Ballie drehte das Ruder nach Backbord. An den Brassen standen die Männer, bereit die Rahen vierkant zu brassen.

Der Profos war wieder in seinem Element und sparte nicht mit gesalzenen Ausdrücken.

„Rum die Brassen, ihr Kakerlaken, willig, willig! Und glotzt nicht immer nach den paar Wellen, die über Deck gehen. Das erspart euch morgen die ganze Wäscherei. Vierkant brassen, habe ich gesagt, ihr Rübenschweine. Gut so!“

„Mann, wenn unser guter Ed nicht wäre“, sagte Dan O’Flynn grinsend, „dann wüßte kein Mensch an Bord, was er mit den Segeln anstellen soll.“

Matt Davies lachte, ein paar andere fielen ein, aber der Profos mußte ganz einfach weiterbrüllen. Schließlich war er Profos und Zuchtmeister, und wenn die Männer hundertmal ihr Handwerk im Schlaf beherrschten, einer mußte brüllen. Und das war er, der narbengesichtige Edwin Carberry mit dem gewaltigen Rammkinn.

Die „Isabella“ fiel jetzt ab und begann langsam vor den Wind zu gehen.

„Rüber mit dem Ding nach Steuerbord!“ schrie der Profos. „Und weiter angebraßt, ihr Säcke. Noch weiter! Himmel, das zieht ja jeder Hafenhure die Stiefel aus, was ihr da tut. Wie sollen wir da jemals auf den neuen Bug kommen, was, wie?“

Die „Isabella“ kam glänzend auf den neuen Bug, auch ohne daß der Profos gebrüllt hätte. Aber vermutlich würde dann jedem der Männer etwas fehlen, und bisher fehlte ihnen auch noch des Profos’ Lieblingsspruch.

Aber der erfolgte so schnell, daß sich keiner darüber wunderte. Ed mußte ihn glatt vergessen haben, und das holte er jetzt in aller Eile nach, als das Großsegel angebraßt wurde.

„Hoch mit dem Besan, oder muß ich euch erst die Haut in Streifen von euren verdammten Affenärschen ziehen, was, wie?“

Die paar Segel, die jetzt standen, wurden getrimmt, der Besan ging hoch, bis die „Isabella“ mit Backbordhalsen am Wind lag. Erst jetzt war der Profos zufrieden.

Etwas später flogen die Tampen zur Karavelle hinüber und der Seewolf hatte Zeit, sich den Zweimaster anzusehen. Auf der Back stand die Rote Korsarin und winkte den Männern zu. Alles glotzte mit Stielaugen auf ihre rote Bluse, die vom Wasser eng angeklatscht an ihren Körper lag. Genauso waren durch die blaue Schifferhose ihre Konturen glasklar zu erkennen.

Sam Roskill verdrehte die Augen und griff sich ans Herz.

„Mann“, stöhnte er zu irgendeinem imaginären Gesprächspartner. „Die schafft mich immer wieder. Kaum taucht das Weib auf, schon rennen auch die lausigsten Böcke mit verdrehten Hälsen herum. Man könnte bei diesem Anblick Lieder zur Harfe singen!“

„Was ist denn plötzlich in dich gefahren, du Windsack?“ schnauzte der Profos und riß Sam Roskill aus seinen lyrischen Sphären. „Harfe spielen, was? Dabei kannst du Rübenschwein nicht mal ’ne Harfe von ’ner Flöte unterscheiden. Die Harfe liegt dort vor dir, sie ist noch ein bißchen feucht, aber wirf sie trotzdem ruhig ’rüber und belege die Poller damit, klar?“

Sam Roskill war nach dieser kalten Dusche ernüchtert. Himmel, man durfte sich doch wohl mal ein hübsches Weib ansehen, aber nein, da mußte der Profos jedesmal seinen Rüssel reinhängen und einem den Spaß verderben.

„Weißt du, was du mich mal kannst, Ed?“ fragte Sam tückisch, in der Hoffnung, der Profos würde wild werden.

Doch der tat ihm den Gefallen nicht, er winkte nur ab.

„Tut mir leid, Sam, aber das habe ich schon einer anderen Sau versprochen. Das nächste Mal vielleicht!“

Roskill blieb wie vom Donner gerührt stehen, aber dann bequemte er sich doch, die Leinen festzumachen.

Hasard verstand nicht, was Siri-Tong sagte, der Wind riß ihr die Worte von den Lippen.

Er legte die Hände trichterförmig vor den Mund und rief hinüber: „Wir schleppen euch nach West-Caicos. Hängt noch ein paar Spieren achtern außenbords, damit ihr nicht aus dem Kurs lauft. Dort sehen wir uns erst einmal den Schaden an.“

„Wir machen Wasser!“ schrie der Bootsmann Juan zurück.

„Dagegen hilft am besten lenzen!“ brüllte Carberry hinüber. „Bis West-Caicos werdet ihr es schaffen!“

Hasard winkte ebenfalls der Roten Korsarin zu, die mit brennenden Augen herübersah.

Tucker und der Profos blieben achtern, um die Schleppleine nachzufieren, damit sie unter dem Ruck nicht plötzlich auseinanderflog, als das Großsegel gesetzt wurde.

Noch einmal drehte der Wind leicht, dann blies er konstant weiter. Die hohen Wellenberge waren verschwunden, sie kamen jetzt als lang anrollende Dünung. Mit der Karavelle im Schlepp war das Segeln nicht einfach, denn alle Augenblicke straffte sich die Leine, als wolle sie brechen.

Dan enterte wieder in den Großmars auf, gefolgt von seinem getreuen Freund, dem Schimpansen Arwenack, der das Unwetter beim Kutscher in der Kombüse abgewartet hatte. Den linken Arm hatte der Affe eng an den Körper gepreßt, doch als Dan nachsehen wollte, ob seinem Liebling etwas fehlte, erkannte er den Grund.

Arwenack hatte sich bei den Schlingerbewegungen keinesfalls verletzt. Er hatte nur den Kutscher beklaut und Dörrpflaumen gehamstert, so viel er erwischen konnte. Die würden sie sich jetzt in luftiger Höhe genüßlich teilen.

Inzwischen überprüfte Ben Brighton den Kurs, und bei der Standortbestimmung stellte sich heraus, daß die „Isabella“ bei dem Unwetter ein ganzes Stück abgedriftet war.

Hasard ließ den Kurs ändern, bis die Galeone in der ungefähren Richtung von Caicos auf Kurs lag.

Etwas später ertönte Dans Ruf aus dem Großmars: „Land Backbord voraus!“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 77

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