Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 206 - Fred McMason - Страница 4
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ОглавлениеVon der Java-See bis zur Straße von Malakka hatte es sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, was anfangs wie ein Gerücht geklungen hatte:
El Lobo del Mar, der Seewolf mit seiner „Isabella VIII.“, und seiner überaus gefürchteten Crew war unterwegs!
Die „Isabella“ war, von Java kommend, durch die Sunda-Straße gesegelt und lief an der Südwestküste Sumatras entlang mit Kurs Nordwest in Richtung Andamanensee.
Wer die Meldung verbreitet hatte, war nicht mehr festzustellen. Aber vorauseilende spanische Galeonen hatten die Meldung bestätigt, und jetzt gab es keinen Zweifel mehr daran.
Ein Pulk von achtundzwanzig schwerarmierten spanischen Galeonen lag auf der Lauer und wartete auf El Lobo del Mar.
Der Generalkapitän des spanischen Pulks, der sich auf der Fahrt nach Südamerika befand, ließ den Großteil der Kapitäne zu sich auf das Flaggschiff „San Raphaelo“ bitten. Da die große Kapitänskammer zu klein war, fand die Lagebesprechung auf dem sonnendurchglühten Achterdeck statt. Ein Sonnensegel war gespannt worden, das Schutz vor der sengenden Hitze bot.
Der Generalkapitän war ein großer hagerer Mann mit dunklen Augen, einer kühn gebogenen Nase und einem Knebelbart. Sein Haar war an den Schläfen leicht ergraut.
„Seine Allerkatholischste Majestät, der König von Spanien“, begann er mit leidenschaftsloser Stimme, „hat auf den Kopf dieses Engländers eine hohe Summe ausgesetzt. Das allein ist aber nicht der Grund, warum wir diese günstige Gelegenheit nutzen werden. Denken Sie an die vielen Niederlagen, meine Herren, die wir einstecken mußten, und denken Sie vor allem an die unbesiegliche Armada, an deren Untergang El Lobo del Mar einen nicht unbeträchtlichen Anteil hatte. Einige unter Ihnen wissen das aus eigener Erfahrung. Dieser Sir Killigrew hat uns erbarmungslos gejagt und zusammengeschossen. Er hat der spanischen Krone unermeßlichen Schaden zugefügt.“
Der Generalkapitän drehte den Kopf nach links und musterte Kapitän Manuel de Diaz, der mit ernstem Gesicht an der Schmuckbalustrade stand. Dessen abwesender Blick verriet eindeutig, daß er nicht ganz bei der Sache war.
Sein Blick war in weite Fernen gekehrt, und es schien ihm, als tauche das Gesicht des Seewolfs am Horizont aus dem Meer und lächelte spöttisch. Er sah die eisblauen Augen überdeutlich vor sich, die lächelnden schmalen Lippen des Mannes, und er glaubte auch seine Stimme zu hören. Kühl rann es ihm über den Rücken, wenn er an diesen gefürchteten Lobo del Mar dachte.
Die Stimme des Generalkapitäns riß ihn aus seiner Versunkenheit.
„Sie sollten jetzt nicht schlafen, Kapitän Diaz“, rügte ihn die harte Stimme. „Oder haben Sie nicht vernommen, um was es geht?“
„Entschuldigung, Senor Generalkapitän“, sagte Diaz. „Ich wollte keinesfalls die Regeln des Anstandes verletzen. Aber hat dieser Lobo del Mar den havarierten und zerschossenen Galeonen nicht auch geholfen und sich sogar gegen den Admiral Francis Drake erhoben?“
Sekundenlang hing diese Frage wie Blei in der Luft, bis der Generalkapitän rot anlief.
„Heißt das?“ fragte er süffisant, „daß Sie irgendwelche Sympathien gegen einen Feind der spanischen Krone hegen?“
„Ich betrachte lediglich das Verhältnis. Achtundzwanzig schwer armierte Galeonen gegen ein einziges Schiff. Wir sind mehr als dreitausend Mann, einschließlich aller Seesoldaten. Auf der ‚Isabella‘ dieses Killigrew befinden sich höchstens zwei Dutzend Leute, allerdings sehr gute und harte Männer, das muß ich fairerweise hinzufügen. Sie haben keine Chance, nicht die geringste.“
De Diaz schwieg und blickte auf die Planken.
„Auf den Galeonen seiner Majestät pflegt man Kollaborateure und Sympathisanten an den Rahen hochzuziehen, Senor de Diaz. Leute, die sich besonders schimpflich benehmen, werden durch die Garotte vom Leben zum Tod befördert. Einige setzt man auch auf kahlen, unwirtlichen Inseln aus. Das nur zur Erinnerung, Senor Diaz.“
Die meisten der Männer blickten de Diaz jetzt offen und abschätzend an, aber der Kapitän stand ganz ruhig und gelassen da und hielt den Blicken stand. Die harte Drohung schien ihn nicht im geringsten eingeschüchtert zu haben.
„Es sind übrigens, das nur nebenbei, hunderttausend Reales für seine Ergreifung ausgesetzt, tot oder lebendig.“
Ein Raunen ging durch die Gruppe, denn diese Summe war einfach unvorstellbar für die meisten.
„Bisher ist es uns nicht gelungen, ihn zu fassen“, fuhr der Generalkapitän fort. „Diesmal gibt es für ihn kein Entkommen. Wir sind es dem König von Spanien schuldig, daß wir diesen Mann zur Strecke bringen. Ich wünsche, ihn lebend bei Hofe vorführen zu können.“
„Das werden wir nicht schaffen“, prophezeite de Diaz unverfroren. „Einen Seewolf fängt man nicht mit der Hand, den kriegt man entweder tot oder gar nicht.“
Der Generalkapitän lächelte spöttisch.
„Ich habe Ihre Worte soeben überhört, Kapitän de Diaz“, sagte er. „Aber Ihnen wird die Hauptaufgabe zufallen. Ihre ‚San Angel‘ verfügt über sechzig Kanonen, und ich werde Sie so postieren, daß El Lobo del Mar genau vor Ihre Rohre läuft. Dann werden Sie seine Galeone Stück für Stück zusammenschießen. Wir verfahren diesmal nach seinem eigenen Muster. Bisher hat er uns immer überlistet, diesmal wird es umgekehrt sein. Zuerst werden Fühlungshalter ausgeschickt, die als Fischer getarnt werden. Die Boote besorgen wir uns von den Eingeborenen. Eine weitere Galeone wird als Köder präpariert.“
De Diaz lachte lautlos, wobei sich seine Lippen nur unmerklich verzogen. Komisch, daß der Generalkapitän das Fell des Bären schon verkaufte, dachte er. Dabei war der Bär noch nicht einmal zu sehen, man wußte nur, daß er sich in dieser Ecke herumtrieb.
„… Lobo del Mar öffentlich am Galgen enden und zur Abschreckung dort hängen bleiben wird, bis ihm auch das letzte Fleisch von den Knochen gefallen ist.“
Das alles plätscherte an Diaz Ohren vorbei, ohne daß er es wirklich wahrnahm. Er fühlte sich in seiner Rolle nicht mehr wohl. Am liebsten hätte er das Kommando über die „San Angel“ abgegeben, obwohl das natürlich ausgeschlossen war.
Der Generalkapitän erläuterte seinen Plan noch einmal in allen Einzelheiten und schätzte, daß die Vorbereitungen dafür etwa zwei Tage in Anspruch nehmen würden.
Anschließend kehrten die Kapitäne an Bord ihrer Galeonen zurück, um die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Manuel de Diaz saß auf der Ducht des Bootes, das ihn zurückbrachte, und blickte aus klaren Augen über das fast stille Wasser.
Vor seinem geistigen Auge tauchte ein Bild auf, ein Bild das schon lange zurücklag …
Die Armada war versenkt, zerschossen, verbrannt und in alle Winde verstreut worden, und der restliche angeschlagene Verband befand sich auf dem schmählichen Rückzug. Der Generalkapitän der Ozeanischen Meere, Don Alonso de Guzman el Bueno, Herzog von Medina Sidonia, hatte die gewaltige Schlacht verloren, seit die Nacht des achten August 1588 angebrochen war.
Die Engländer, unter Admiral Sir Francis Drake, verfolgten den traurigen Haufen, und der Admiral ließ auch die hilflosen Schiffe noch zusammenschießen, wenn nicht dieser Seewolf gewesen wäre.
Wieder sah de Diaz ihn vor sich, hart, braungebrannt, ein verwegener Mann, der die einzigartige Frechheit aufbrachte, sich gegen den Admiral zu stellen und den hilflosen Spanier zu helfen, wo er nur konnte.
Auch die Galeone „El Cid“ war dabei zusammengeschossen worden, die er vor knapp zwei Jahren befehligte. Sie trieb hilflos in der See, mit Verwundeten und Toten an Bord, ein halbes Wrack, dem der sichere Untergang und die totale Vernichtung durch Drake bevorstand.
Da erschienen Philip Hasard Killigrew und ein Franzose, an dessen Namen er sich ebenfalls noch erinnerte. Ribault hieß der Mann. Kurzentschlossen setzten sie die zerschossene ‚El Cid! wieder instand, verarzteten die Verwundeten, ließen Proviant, Wasser und Medikamente zurück und spannten ihre gesamte Crew zu den Arbeiten ein. Für den Seewolf zählte von da ab nicht mehr der Feind, sondern nur noch der hilflose Mensch als Kamerad zur See.
Und dieser Seewolf gab ihm noch einen guten Rat, eine Empfehlung, die er dankbar annahm.
De Diaz sollte in Richtung Norwegen weitersegeln, um den Engländern nicht erneut in die Hände zu fallen.
Ein letzter Händedruck. Engländer und Spanier trennten sich, und de Diaz war es mit einem weiteren kleinen Verband gelungen, unbeschadet die spanische Küste zu erreichen.
Immer noch sah er im Geist die harten Kerle vor sich, hörte ihre Stimmen und wunderte sich über die Lässigkeit, mit der das alles geschah. Ein derartiges Risiko wäre kein anderer eingegangen, überlegte de Diaz, es sei denn, er hätte Sehnsucht danach gehabt, an einer Rah zu baumeln. Aber danach sahen diese Seewölfe ganz und gar nicht aus.
Das Fazit dieser zwei Jahre zurückliegenden Geschichte war klar und eindeutig: Der Seewolf und seine Crew hatten einigen hundert Spaniern das Leben gerettet und dadurch ihre menschliche Größe bewiesen.
Jetzt hatte er ausdrücklichen Befehl, seinen Lebensretter gnadenlos zusammenzuschießen, sobald er ihn vor den Rohren seiner Kanonen hatte.
Capitan Manuel de Diaz fand die ganze Welt zum Kotzen. Weshalb, per Diablo, war er nicht auf der Finca seines Vaters ein kleiner Landarbeiter geblieben! Da hätte er nur zu entscheiden gehabt, ob heute Oliven oder Apfelsinen gepflückt werden mußten.
Sein Gesicht wirkte wie aus Stein gehauen, als er an Bord ging.