Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 470 - Fred McMason - Страница 6

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4. Mai 1595 – westsüdwestlich der Bermudas.

Es war eine teuflische Jagd, die sich westsüdwestlich der Bermudas zwischen der „Isabella“ und der spanischen Galeone „Santa Barbara“ abspielte.

Philip Hasard Killigrew und seine Männer hatten alle Mühe, dieser schnellsegelnden Galeone zu folgen, ganz zu schweigen von „Eiliger Drache über den Wassern“ und der „Chubasco“, die unter Ben Brightons Kommando stand. Beide hingen bei der Verfolgung weit achteraus.

Die „Santa Barbara“ war schnell, und sie hatte fast alles an Tuch gesetzt. Sie trug am Vormast Fock-, Vormars- und Vorbramsegel, das gleiche Tuch am Großmast, und der Besan trug über dem Lateinersegel noch Kreuzmars- und Kreuzbramsegel. Nur Blinde und Schiebblinde waren nicht gesetzt.

Diese Schnelligkeit war es aber nicht, die den Seewolf bei der Jagd so erbitterte. Mit der schnellen „Isabella“ hätte er sie jederzeit eingeholt.

Der Kapitän der Galeone bediente sich eines hundsgemeinen Tricks, um seinen Verfolger abzuhängen. Die „Santa Barbara“ hatte menschliche Fracht an Bord – etwa vierzig junge Indianerinnen vom Stamm der Arawaks, die von der Insel Puerto Rico stammten.

Jetzt hatte er sechs von ihnen an Deck zerren und brutal über Bord werfen lassen.

Juan Vargas hieß der Kapitän der Frachtgaleone, der jetzt teuflisch grinsend auf dem Achterdeck stand und zusah, wie die sechs jungen Frauen im Wasser trieben.

Er war ein hochgewachsener Mann mit vorstehenden Backenknochen, einem Schnauzbart, der ihm sichelförmig bis über das Kinn wuchs, einem ebenfalls schwarzen Kinnbart und langen schwarzen Haaren. Auf dem Kopf trug er einen breitkrempigen Hut mit einer rosafarbenen Büschelfeder. Direkt unter der Krempe befanden sich pechschwarze Augenbrauen. Sie wölbten sich über ebenfalls schwarzen Augen, die einen stechenden Blick hatten.

Der Kerl war abenteuerlich gekleidet, mit einem roten Wams und ausgelegtem weißem Spitzenkragen. Er trug blaue Hosen und weiche Stulpenstiefel. Ein breites Bandelier mit einer großkalibrigen Pistole zierte sein rotes Wams.

Er war das, was man einen Teufel in Menschengestalt nennt – brutal, rücksichtslos, über Leichen gehend, aber doch schlau und berechnend.

In den Verfolgern vermutete er Piraten, denn die waren seit geraumer Zeit dabei, den Geleitzug zu knacken. Elf Kriegsgaleonen hatten sie bereits zu den Fischen geschickt oder brennend auf See zurückgelassen.

Vargas’ Rechnung war ganz einfach und schien auch aufzugehen, wie er sich das vorgestellt hatte. Er spekulierte darauf, daß die Kerle beidrehen und die jungen Frauen aus dem Wasser fischen würden.

Na ja, Piraten waren ja meist frauenlos – also würden die Kerle die günstige Gelegenheit sogleich wahrnehmen, um sich erst ein bißchen zu vergnügen und auszutoben.

Das Beidrehen und Bergen der Indianerinnen aber kostete den Verfolgern Zeit, und ihm half es, sich weiterhin abzusetzen. Er konnte seine Distanz vergrößern, mehr wollte er vorerst auch gar nicht.

Sollten sie danach wieder aufholen, hatte er ja noch genug Weiber an Bord, um sich auf diese Weise die Kerle vom Hals zu halten. Ein paar der Indianerinnen würde er sicher noch über den Atlantik bringen, und wenn es nur noch zehn oder fünfzehn waren. Es waren alles junge, hübsche Dinger, „frische Ware“ zur Belustigung gewisser höfischer Kreise – später dann zur Weitergabe an Hurenhäuser oder zum Zeitvertreib lüsterner alter Böcke adliger Herkunft gedacht.

Er lachte laut auf und hieb sich auf die Oberschenkel, als er sah, daß die Galeone in den Wind schoß und vorerst die Verfolgung aufgab.

„Auf Nordostkurs bleiben!“ rief er dem Rudergänger zu.

Der Befehl wurde bestätigt, während Vargas achteraus ins Wasser blickte. Seine dünnen Lippen waren verächtlich herabgezogen.

„Ich hätte die Weiber bestimmt nicht aufgefischt“, murmelte er. „Gibt doch genug von ihnen, aber bitte, bitte, das hilft mir nur weiter, wenn ihr so denkt.“

Wieder folgte ein kurzes und jähes Auflachen.

Vargas griff zum Spektiv und blickte hindurch. Er schien die Szene sehr zu genießen, denn noch immer grinste er abfällig über die Kerle, die sich anschickten, eine Jolle auszusetzen.

Das verschaffte ihm Luft und brachte ihm Zeitgewinn. Wenn das so weiterging, konnte er sich in der Dunkelheit endgültig absetzen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Auf der „Isabella“ wurde die Jolle mit einer Schnelligkeit ausgesetzt, die fast schon an Zauberei grenzte.

Eigentlich fehlte jetzt noch der Profos Edwin Carberry, denn der hätte das Aussetzen der Jolle zwar nicht weiter beschleunigen, dafür aber mit wilden und wüsten Sprüchen würzen können.

Big Old Shane, der die Jolle führen sollte, warf der „Santa Barbara“, die ihnen jetzt das Heck zeigte, noch einen wilden und grimmigen Blick nach. Den saftigen Fluch zerbiß er zwischen den Zähnen. Er hätte diesen Kerl auf dem Achterdeck am liebsten eigenhändig umgebracht.

Wie der mit einem Menschenleben verfuhr, war mehr als bestialisch. Diesen Satan kümmerte es nicht im geringsten, was mit den sechs Frauen geschah. Ihn interessierte nur, daß er die Distanz vergrößern konnte, egal unter welchen Umständen. Dabei spielte ein Menschenleben keine Rolle.

Shane enterte in die Jolle und übernahm sofort die Pinne. Stenmark und Blacky hieben mit aller Kraft die Riemen ins Wasser und pullten auf die Stelle zu, wo die sechs jungen Frauen schwammen.

Sie wußten, daß sie Zeit herausschinden mußten, und deshalb flog die Jolle nur so über das Wasser.

Shane hielt genau auf sie zu. Die Indianerinnen befanden sich noch knapp hundert Yards entfernt und bildeten eine Traube im Wasser.

„Zum Glück können sie schwimmen“, stellte der graubärtige Riese erleichtert fest.

Er erhielt keine Antwort, denn Sten und Blacky pullten wie besessen und atmeten mit weitgeöffneten Mündern. Zusätzlich war auch noch das Segel gesetzt, und das brachte sie zusammen mit dem wilden Riemenschlag blitzschnell voran.

Auf der „Isabella“ killten die Segel, als sie in den Wind schoß. Es hörte sich an wie das Geknatter von Musketenfeuer.

Als Shane einen zweiten Blick auf das Heck der „Santa Barbara“ warf, da sah er zähneknirschend, daß der „gefiederte Bastard“, wie er den Kerl insgeheim nannte, auf der Kampanje stand, sich köstlich zu amüsieren schien und höhnisch mit der rechten Hand winkte.

Der Hundesohn hatte die erste Runde gewonnen, und er hatte noch mehr Trümpfe in der Hand.

Shane wollte brüllen: „Pullt doch schneller, verdammt!“ Aber das verkniff er sich, denn die beiden Männer pullten aus Leibeskräften.

Carberry hätte sich das nicht verkniffen, der hätte nach altbewährter Profosmanier die übelsten Flüche vom Stapel gelassen und jedem die sofortige Entmannung angedroht, mit dem Schmiedehammer selbstverständlich. Aber der Profos war weit vom Schuß.

Als sie näher heran waren, begann Shane zu winken, was soviel bedeuten sollte, die jungen Frauen brauchten keine Angst zu haben, denn man wolle ihnen helfen.

Sie schwammen wirklich sehr gut und waren auch nicht in Panik. Nur die Angst stand noch in ihren jungen Gesichtern, weil man sie so brutal über Bord gestoßen hatte.

Offenbar strahlte der graubärtige Gigant auch etwas aus, das vertrauensvoll und beruhigend auf sie wirkte. Sie schwammen der Jolle entgegen.

Das Bergen war nur noch ein Kinderspiel und verlief ohne jegliche Komplikationen, denn die Frauen hatten inzwischen bemerkt, daß man ihnen helfen wollte.

Eine nach der anderen wurde an Bord gezogen.

Zuerst waren die Blicke der jungen Ladys etwas kritisch, aber als sie Stenmark, Blacky und den graubärtigen Riesen freundlich grinsen sahen, tauten sie auf. Etwas scheu lächelten sie zurück.

Nein, hier waren sie offenbar nicht vom Regen in die Traufe geraten. Diese Männer grinsten nicht dreckig, gemein oder herausfordernd – sie grinsten ausgesprochen freundlich. Sie musterten die Ladys auch nicht unverschämt oder aufdringlich. Sie sahen sie nur an, während sie schon wieder wie wild zurückpullten.

Klar, daß die Arwenacks sich auch wie Gentlemen benehmen konnten. Das hinderte sie allerdings nicht daran, insgeheim festzustellen, daß diese jungen Ladys taufrischen herrlichen Perlen glichen, Kostbarkeiten, die sie aus dem Meer gefischt hatten. Mochte dieser Bastard voraus auch ein dreckiger und übler Hundesohn sein – Geschmack hatte er jedenfalls bewiesen, was die sehenswerte Auslese dieser Inselschönheiten betraf.

Hasard sah dem Boot entgegen. Er merkte nicht, daß er von der Seite von Mac O’Higgins gemustert wurde. Dieser O’Higgins befand sich erst seit zwei Tagen an Bord der „Isabella“ und fühlte sich offenbar sehr wohl.

Am zweiten Mai hatten sie ihn aus dem Wasser gefischt, als sie auf den spanischen Geleitzug gestoßen waren. Da war O’Higgins von der „Fahne gegangen“. Vor einem Jahr hatten ihn die Dons in Cádiz von einem englischen Handelsfahrer gepreßt, und jetzt hatte er die Gelegenheit genutzt, um abzuhauen.

Mac O’Higgins war ein rothaariger, grünäugiger Ire, ein ziemlich großer Brocken mit kantigem, wettergegerbtem Gesicht und stark ausgeprägtem Kinn. Sein Blick war offen und ehrlich. Higgy nannten sie ihn, wie er treuherzig erklärte, und dann hatte er bescheiden und etwas verlegen gefragt, ob er nicht bei dem „Sir“ anheuern könne. Ein Händedruck zwischen Hasard und „Higgy“ hatte diesen Heuervertrag dann besiegelt.

Jetzt bewies Higgy, der früher als Bootsmann gefahren war, daß er auch denken konnte. Er wandte sich an Hasard.

„Sir, auf der ‚Santa Barbara‘ befinden sich etwa vierzig dieser jungen Indianerfrauen.“

„Ich weiß, Higgy, du hast es schon berichtet.“

„Ich wollte damit etwas anderes sagen, Sir: Dieser dreckige Bastardkapitän Juan Vargas kann dieses teuflische Spiel mit den Frauen noch mindestens sechsmal betreiben und uns dadurch immer wieder zum Beidrehen zwingen, um für sich selbst Zeit herauszuschinden.“

„Auch das ist mir klar“, sagte Hasard zähneknirschend. „Es ist eine demoralisierende Situation, in der wir völlig hilflos sind, denn der Hundesohn spekuliert mit unserer Menschlichkeit.“

„Ganz richtig, Sir. Das nutzt er geschickt aus. Aber wahrscheinlich betreibt er das dreckige Spiel noch öfter als sechsmal. Es genügt ihm ja, wenn er jedesmal nur zwei oder drei Frauen ins Wasser stößt. Selbst wenn es nur eine ist, müssen wir immer wieder beidrehen. Der Satan kann so einen Trumpf nach dem anderen aus dem Ärmel ziehen, und er lacht sich halb tot dabei.“

Das ist ganz richtig, dachte Hasard, was der Ire da anführt. Der Hundesohn bestimmte Geschwindigkeit und Kurs und konnte sie eine ziemliche Zeit an der Nase herumführen.

„Ja, das ist mir klar“, sagte er wütend. „Dadurch hat er die besten Chancen, seine Flucht bis zum Abend hinzuziehen. In der Dunkelheit wird er dann versuchen, mit einer Kursänderung zu verschwinden. Der Satan soll ihn holen.“

„Aye, aye, Sir. Kerle wie den holt früher oder später ganz sicher der Teufel. Und der wird ihm vorher erst alle seine Federn ausrupfen, bevor er ihn zum Rösten auf den Spieß steckt, falls dieser Vergleich gestattet ist, Sir.“

„Er ist gestattet“, sagte Hasard. „Wenn du erst unseren Profos kennenlernst, wirst du noch ganz andere Vergleiche hören.“

Auf diesen Profos war Higgy schon sehr gespannt, denn von diesem Kerl wurde an Bord jeden Tag mindestens dreimal geredet. Da hieß es dann immer: „Ha, wenn Ed jetzt hier wäre!“ Oder: „Schade, daß Ed nicht da ist, der hätte es diesem quergestreiften Affenarsch schon gezeigt!“ Allerdings war aus diesem Lobgesang auch herauszuhören, daß dieser Profos ein recht harter Rabauke war, sozusagen der harte Kern der Arwenack-Mannschaft.

Hasard ahnte in etwa, welche Gedanken Higgy bewegten. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit aber jetzt voll und ganz auf die heranjagende Jolle mit den sechs Frauen an Bord. Sie durften keine weitere Zeit mehr verlieren, sonst gewann der gewissenlose Bastard einen immer größeren Vorsprung. Und das wollte Hasard, so gut es ging, unbedingt vermeiden. Diesem Teufel mußte das Handwerk gelegt werden.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 470

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