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2.

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Der Einfachheit halber fand das Palaver in der Bucht am Strand statt. Ein paar Fackeln waren entzündet worden. Das restliche Licht spendete der Mond, der groß und gewaltig über der Karibik hing und aus narbigem Gesicht auf die Versammlung blickte.

Mannschaften und Kapitäne waren erschienen, auch Arkana, Araua und Karl von Hutten.

Ribault ließ ein paar Barren und Münzen zur allgemeinen Besichtigung verteilen und erklärte dann genau, wo Potosi zu finden sei und was man darunter zu verstehen habe.

„Wir alle kämpfen gegen die Dons“, sagte er, „und wir haben auch viele und gute Erfolge errungen. Aber das ist noch lange nicht genug. Wir müssen die Dons immer dort packen, wo sie sich selbst am sichersten fühlen und keinen Angriff erwarten. In Potosi fühlen sie sich völlig sicher. Und dort in den Minen und Bergwerken schuften Sklaven und unschuldige Farbige für sie, weil die Dons den Hals nie voll genug kriegen. Diese Leute wurden zusammengetrieben und in die Bergwerke gesteckt, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen schlimmste Sklavenarbeit leisten – so lange, bis sie elend verrecken und krepieren. Wenn wir ihnen diese Quellen zuschütten, erleiden sie eine empfindliche Schlappe, und wir retten dadurch Tausenden von armen geknechteten Menschen das Leben.“

Ein paar Männer murmelten Worte der Zustimmung, doch Potosi war für die meisten noch ein ferner Begriff, unter dem sie sich nicht viel vorstellen konnten.

„Diese Menschen sind für mich der eigentliche Grund, warum ich diesen Plan für einen Überfall auf die Minen gefaßt habe. Der zweite ist die Schwächung der Dons, die dadurch wiederum weniger Kriegsgüter herstellen können, um andere Länder zu unterjochen und das ganze grausame Spiel von vorn zu beginnen. Wir haben selbst erlebt, wie die Dons mit unschuldigen Menschen verfahren. Sie sind für sie nur billige Arbeitskräfte, Material, das gnadenlos verheizt wird. Menschenleben spielen ja keine Rolle.“

Das Murmeln wurde lauter. Der Wikinger Thorfin Njal nickte eifrig. Auch die anderen Kapitäne – Oliver O’Brien und Jerry Reeves – gaben Ribault recht. Selbst die Rote Korsarin nickte zustimmend.

„Wie hast du dir das vorgestellt, Jean?“ fragte der Wikinger mit seiner Donnerstimme dazwischen.

„Ich habe gründlich darüber nachgedacht“, erwiderte Jean, „und auch alles reiflich überlegt. Der Plan ist durchaus durchführbar, wenn er ernsthaft in Angriff genommen wird. Wir bilden zwei Mannschaften, die von einem unserer Schiffe auf der Ostseite des Isthmus von Panama abgesetzt werden, die Landbrücke überqueren und nach Panama einsickern. Dort müßten wir uns zwei gute Schiffe besorgen, entweder unter der Hand kaufen oder notfalls kapern; aber das Kaufen zweier Schiffe ziehe ich vor, weil man sie ja auch noch ausrüsten muß.“

„Bravo!“ brüllte Old O’Flynn begeistert. „Das nenne ich ein Wort, Jean! Das wird ein Feldzug ganz nach meinem Geschmack. Wir laufen Potosi an und kloppen den Dons kräftig eins auf die Finger.“

„Wie willst du denn Potosi anlaufen, wenn das über viertausend Yards hoch in den Bergen liegt?“ fragte Hasard den kampflustigen Alten.

Daraufhin schwieg Old O’Flynn erst einmal verdattert und hörte eine ganze Weile gespannt zu.

„Wir müßten dann südwärts bis in die Nähe von Arica segeln“, führte Ribault weiter aus. „Dort werden beide Schiffe gut versteckt. Für den Weg zu den Potosi-Minen brauchen wir dann allerdings einen Indio, den aufzutreiben kein Problem sein dürfte.“

„Und wie hast du dir das Vorgehen bei den Minen und die anschließende Rückkehr vorgestellt?“ fragte Hasard.

„Das muß die jeweilige Situation ergeben, das läßt sich vorerst noch nicht planen, weil wir nicht wissen, welche Verhältnisse wir dort vorfinden. Den Rückweg stelle ich mir so wie damals vor. Erinnere dich bitte an die Geschehnisse vor fünfzehn Jahren, Sir. Da sind wir von Baudo aus auf dem Landweg zum Rio Atrato marschiert und von dort flußabwärts mit Booten zum Golf von Uraba, der südlichsten Spitze des Golfes von Darién, vorgestoßen. Dort haben wir dann ein Schiff geentert. Das müßte jedem noch gut in Erinnerung sein.“

Es war ihnen auch noch in Erinnerung, besonders einem war es verflucht gut in Erinnerung und würde das auch bis an sein Lebensende bleiben.

Dieser Mann war Jeff Bowie, der jetzt gedankenvoll seinen linken Arm hob und den spitzen Eisenhaken betrachtete, der ihm Hand und Faust ersetzte.

Er sah die Szene wieder vor sich, überdeutlich, die sich ihm für alle Zeiten unauslöschlich eingebrannt hatte. Er war vom Floß gefallen und in den Fluß gestürzt, der von gefräßigen Piranhas verseucht war.

Smoky, Stenmark und Karl von Hutten hatten ihn zwar schnell wieder herausgezogen, doch es war schon zu spät. An seiner Hand zappelte noch einer der Raubfische, aber die Hand war zerrissen, Sehnen und Knochen lagen frei, und das Blut spritzte heraus.

Amputation, da half nichts anderes mehr. Sie flößten ihm scharfen Schnaps ein, bis er zu singen begann. Der Kutscher nahm die Axt, schlug zu und trennte ihm die Hand vom Unterarm. Dann schütteten sie ihm Schießpulver über die Wunde und zündeten es an.

Zum Glück hatte er nicht mehr viel davon verspürt, denn er war bewußtlos geworden. Drei Tage und drei Nächte hatte er danach im Fieber gelegen, aber die Wunde hatte nicht geeitert und war dank des Kutschers Kunst wieder verheilt. Seitdem trug Jeff Bowie diese Hakenprothese.

Wie zufällig wanderten die Blicke der Arwenacks zu Jeff Bowie, aber der grinste nur und hob stolz seinen Haken hoch.

Auch Ribault warf dem Hakenmann einen lächelnden Blick zu.

„Wir können auch bis in die Nähe von Panama segeln“, schlug er weiter vor, „und denselben Weg nehmen, auf dem wir nach Panama gelangt sind, also über den Isthmus nach Nombre de Dios oder Porto Bello, das können wir immer noch entscheiden. Wer nicht mitwill, der läßt es eben bleiben, aber von einem Mann weiß ich mit Sicherheit, daß er an dem Unternehmen teilhaben wird, nämlich Karl von Hutten. Und Karl ist bei einem derartigen Unternehmen von unschätzbarem Vorteil, weil er sich mit den Indios verständigen kann.“

Von Hutten nickte Ribault lächelnd zu.

„Ich bin dabei, Jean“, sagte er, „darauf kannst du dich verlassen.“

Hasard musterte die beiden grinsenden Kerle gespannt. Ein feiner Schachzug von Ribault, dachte er.

„Habt ihr das vorher untereinander abgesprochen?“ fragte er scharf.

„Nein“, sagte Karl von Hutten, „ganz sicher nicht. Ich hatte von dem Plan keine Ahnung und höre jetzt zum ersten Male davon.“

„Und du bist gleich hellauf begeistert?“

„Allerdings, die Sache gefällt mir, sie riecht nach Abenteuer und Abwechslung, und sie dürfte den Dons bei Gelingen eine gehörige Schlappe bescheren.“

Hasard beobachtete die Reaktion der anderen. Die waren alle ziemlich durcheinander, und einige hatten schon das begehrliche Funkeln in den Augen. Er nahm Thorfin Njal genauer aufs Korn. Der Wikinger war ganz kribbelig und befummelte schon wieder ständig seinen verdammten Kupferhelm, an dem er kratzte und rieb, als würde es ihn mächtig darunter jucken. Die meisten tuschelten erregt untereinander. Ribaults Äußerung, die Spanier dort zu packen, wo sie es am wenigsten erwarteten, war auf fruchtbaren Boden gefallen. Das war also einer der Trümpfe, die Ribault noch im Ärmel hatte.

Siri-Tong sah die beiden Männer an.

„Zwei Helden sind also wieder einmal zum Aufbruch ins Ungewisse bereit“, sagte sie spitz. „Wer außer euch sollte bei dem Unternehmen denn noch dabeisein?“

Die Männer hielten den Atem an und blickten zu Ribault, der gelassen die Arme über der Brust gekreuzt hielt und in die Runde sah.

„Ich dachte eigentlich an Hasard und seine Arwenacks – und dann natürlich an meine eigene Mannschaft.“

Mit der Ruhe war es schlagartig vorbei, denn nun setzte genau das Palaver ein, das Hasard vorausgesehen hatte. Alle brüllten lautstark durcheinander, und fast alle waren plötzlich Feuer und Flamme für den abenteuerlichen Plan. Das reizte die Kerle jetzt ganz gewaltig. Ihnen juckte wieder das Fell.

Der Seewolf schüttelte den Kopf und sah einen nach dem anderen an.

Der Profos war ständig am Grinsen und rieb sich die Pranken in der Vorfreude auf künftige Abenteuer. Pete Ballie und Stenmark nickten sich begeistert zu, während Matt Davies und Jeff Bowie ihre Eisenhaken hart zusammenknallten. Smoky hatte einen merkwürdigen Glanz in den Augen, und der alte O’Flynn reckte mal wieder den Hals vor, als entgehe ihm etwas.

Na schön, er verstand die Begeisterung ja auch, aber das war eine Reise von dreitausend Meilen, hin und zurück das Doppelte, und das würde Monate dauern, Monate voller Unwägbarkeiten, Entbehrungen und Strapazen, doch daran schien keiner der Kerle zu denken. Sie sahen sich nur unterwegs, alles andere störte sie vorerst nicht.

Er drehte etwas den Kopf nach links und blickte zu seinen beiden Söhnen hinüber.

„Auch das noch“, murmelte er betroffen.

Die Blicke der beiden Kerle hingen wie Kletten an ihm, ihre Augen leuchteten noch heller als die von Smoky, und ihre Gesichter waren so erwartungsvoll, wie er es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Die Burschen barsten vor Tatendrang. Denen juckte das Fell noch mehr als den anderen. Aber noch war gar nichts entschieden.

„Ich bitte um Ruhe“, sagte Hasard, während er sich erhob.

Das Palaver verstummte sofort. Alle Blicke richteten sich auf Hasard. Sie wußten, daß er jetzt etwas vorbringen würde, was das geplante Unternehmen in einem anderen Licht zeigte, daß es auch Schattenseiten hatte und nicht nur strahlender Sonnenschein war. Hasard wog das Für und Wider immer sorgfältig ab und ließ sich auf keine Spekulationen ein.

„Noch haben wir Jeans Plan nicht in Erwägung gezogen“, sagte er, „es war nur ein Vorschlag von ihm. Aber bevor wir den Plan überhaupt erwägen, haben wir noch ein anderes Problem zu lösen. Jean hat von zwei Schiffsmannschaften gesprochen, die das Unternehmen durchführen sollen. Zwei Schiffsmannschaften sind aber immerhin fünf Dutzend bewährte Kämpfer, also etwa sechzig Mann. Die fallen zum ersten schon bei den ständigen Patrouillenfahrten um die Insel und nach Coral Island aus. Das ist das eine Problem. Das andere ist, daß diese Männer auch fehlen würden, falls die Spanier einen erneuten Versuch unternehmen, die Schlangen-Insel anzugreifen.“

„Das halte ich für ziemlich ausgeschlossen“, sagte der Wikinger.

„Das ist überhaupt nicht auszuschließen, Thorfin. Denn einem Mann ist die Position der Schlangen-Insel immerhin sehr genau bekannt, und das ist der Gouverneur von Kuba, der feiste Don Antonio de Quintanilla. Der Kerl ist nach wie vor gefährlich und wird bald wieder etwas unternehmen. Hast du das Problem schon erwogen, Jean, oder weißt du eine Lösung dafür?“

Ribault hustete unterdrückt. Nein, verdammt, er hatte keine Lösung, er hatte gar nicht daran gedacht. Er wollte gerade den Mund auftun, um das verlegen zuzugeben, als die Schlangen-Priesterin Arkana einen Schritt vortrat und Hasard gelassen ansah.

„Bereite dir darum keine Sorgen“, sagte sie mit ihrer samtig klingenden Stimme. „Auch in Abwesenheit von sechzig Kämpfern ist die Insel zu verteidigen, sollte es den Spaniern nochmals einfallen, anzugreifen. Die Schwachpunkte der Insel sind uns nach dem letzten Kampf bekannt. Wir werden die Insel entsprechend ausbauen und zusätzlich sichern und verstärken.“

Ihre Blicke brannten sich in Hasards Gesicht fest, rätselhaft und dunkel waren ihre Augen, geheimnisvoll wie die einer Sphinx. Sie sah ihn an wie damals auf der Insel Mocha, als sie sich zum ersten Male begegnet waren. Sechzehn Jahre war das schon her, und knapp ein Jahr jünger war Araua, ihre gemeinsame Tochter, die nur ein paar Schritte weg von ihrer Mutter stand.

Hasard wollte sich räuspern und etwas sagen, doch Arkana schüttelte energisch den Kopf.

„Es wird keinen Angriff auf die Insel geben, nicht in den nächsten Monden, ich weiß es, denn ich habe den Schlangen-Gott befragt. Laß Ribault und von Hutten segeln, Seewolf. Araua wird die beiden Männer begleiten.“

Ihr rätselhafter Blick kühlte bei den letzten Worten etwas ab. Dann sah sie an ihm vorbei auf Araua, die längst zu einer bildhübschen jungen Frau mit allen weiblichen Attributen herangereift war. Sie ähnelte ihrer Mutter, bis auf die Augen, denn die waren so eisblau wie die des Seewolfs.

Hasard stand unbeweglich da. Seine Augen wurden schmal, auch die Lippen verkniffen sich unmerklich.

So ist das also, dachte er. Araua sollte die beiden begleiten, sie sollte an dem Unternehmen teilhaben. Prächtig hatte sie das hingekriegt, mit echt fraulicher Raffinesse. Er wußte auch, was Arkana damit bezweckte: Offenbar glaubte sie, ihn auf diese Weise zwingen zu können, mit seinen Arwenacks an dem Unternehmen teilzunehmen. Und er, Hasard, fand sich dann in der Rolle des väterlichen Aufpassers wieder, einer Rolle, die ihm absolut nicht gefiel, schon gar nicht bei einem derart höllischen und risikoreichen Unternehmen.

Arkanas Blick wurde noch kühler, als er keine Antwort gab.

Nein, das paßte ihm ganz und gar nicht. Seine Arwenacks waren zwar disziplinierte Kerle, aber eben auch nur Männer, und Araua war ein blutvolles, temperamentvolles Ding, das ohnehin die Blicke der Männer magisch auf sich zog. Und das sollten sich seine Kerle dann tagtäglich ansehen und dabei noch zahm und gleichgültig bleiben. Das war einfach unmöglich.

Seine Stimme klang schroffer, als er es eigentlich beabsichtigte.

„Noch steht überhaupt nicht fest, wer wann und mit wem segelt. Erst muß darüber abgestimmt werden, welche Mannschaft Jean begleiten wird. Es sieht ganz danach aus, als wollten alle mit. Das ist das eine. Sollte es meine Mannschaft sein, die mitzieht, dann weigere ich mich ganz entschieden, Araua mitzunehmen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

„So, du weigerst dich, Seewolf“, sagte sie kühl. „Aber du vergißt offenbar, daß Araua eine Schlangen-Kriegerin ist – und dort unten südlich von Arica geboren wurde. Für das geplante Unternehmen wäre das ein unschätzbarer Vorteil, denn sie spricht die Dialekte der indianischen Küstenstämme. Das solltest du bedenken.“

Hasard hatte nicht geglaubt, daß ihre Stimme noch kühler und unpersönlicher werden könnte, aber jetzt wurde sie es, beinahe verletzend sogar.

„Ich bedenke …“, sagte er, doch sie unterbrach ihn sofort.

„Keine Sorge, Seewolf. Ich unterstelle Araua dem persönlichen Schutz Karl von Huttens. Mehr habe ich dazu auch nicht zu sagen.“

Hasard preßte die Lippen noch fester zusammen. Sein Blick wurde ausgesprochen finster. Da hatte sie ihm prächtig eins ausgewischt und den Wind aus den Segeln genommen. Er wollte gerade zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, aber Arkana drehte sich um und ging zu der anderen Gruppe hinüber.

Zu allem Überfluß begann jetzt auch noch der Wikinger herumzubrüllen und aufgeregt seinen Helm zu befummeln.

„Hier braucht überhaupt nicht abgestimmt zu werden!“ schrie er. „Das ist doch völlig klar, daß ich mit meinen Kerlen Ribault und Karl von Hutten begleite! Da gibt’s nichts mehr abzustimmen, da ist alles schon im Lot.“

„Gar nichts ist im Lot!“ fauchte die Rote Korsarin den Nordmann an. „Ich protestiere dagegen. Du bestimmst nicht einfach, Thorfin.“

„Und ob ich bestimme!“ brüllte der Wikinger zurück. „Ich will nicht immer auf der Insel hocken und zurückbleiben. Ich und meine Männer gehen mit – und damit basta!“

„Dagegen erhebe ich Einspruch“, sagte Oliver O’Brien. „Das kannst du wirklich nicht allein bestimmen, Mister Njal.“

„Ganz recht“, pflichtete Jerry Reeves bei, „das sehe ich genauso. Ich protestiere ebenfalls dagegen, daß Thorfin das entscheidet.“

Der Wikinger war sauer. Er ließ sich zu etwas hinreißen, was er sonst nie tat. Er riß sich seinen Helm vom Schädel und knallte ihn wutentbrannt auf den Boden.

„He, du ermordest deine nordischen Riesenläuse!“ rief der Profos.

Thorfin gab eine unfeine Antwort, hob den Helm auf, stülpte ihn wieder auf den Schädel und brüllte lautstark herum, daß er von nun an ebenfalls gegen alles protestieren würde, egal was. Und seine nordischen Riesenläuse gingen den Profos einen Scheiß an, er solle lieber sein großes Maul halten, sonst würde ihm mal eine gewaltige Faust im Rachen steckenbleiben.

„Ha, das muß ich mir von diesem behelmten Nordpolaffen gerade noch sagen lassen, was, wie? Dem Weihnachtsmann stopfe ich seinen eigenen Bart zwischen die Zähne!“ rief Carberry ruppig.

Der Stör sprang auf und drohte dem Profos mit der Faust, weil der seinen verehrten Herrn und Meister beleidigt hatte. Es sah ganz nach einer wilden Prügelei aus.

Carberry schnappte nach Luft, als er die erhobene Faust sah. Er wollte schon losstürmen, doch da stand Hasard plötzlich vor ihm und sah ihn hart an.

„Seid ihr eigentlich alle verrückt geworden?“ fragte er sanft.

Carberry lächelte betont harmlos, aber sein narbiges Gesicht war immer noch zornig verzogen.

„Ich wollte nur nachsehen, was der Stör in der Faust versteckt hat, Sir. Vielleicht hat er ein Geschenk für mich.“

Danach kehrte etwas Ruhe ein, und weil Old O’Flynn die ganze Zeit nicht zu Wort gekommen war, meldete er sich jetzt mit etwas schriller, aufgeregter Stimme.

„Von mir redet keiner, was?“ zeterte er los. „Mein Schiff und meine Mannschaft zählen wohl nicht mehr? Aber ich hab’ auch noch ein Wörtchen mitzureden. Genausogut kann ich auch mit meiner Crew und Jean Ribault nach Potosi segeln.“

„Verdammt!“ brüllte der Profos. „Hasard hat dir schon einmal verklart, daß man mit einem Schiff nicht ins Gebirge segeln kann. Du hast wohl immer noch nicht begriffen, wo Potosi liegt, was, wie?“

„Ich will aber nach Potosi!“ brüllte Old O’Flynn.

„Aber doch nicht mit einem Schiff!“ schrie der Profos noch lauter.

„Dann eben mit einem Beiboot, verdammt! Weshalb kann man mit dem Schiff nicht nach Potosi?“

„Himmel, Arsch und Ziegenkäse! Ja, begreifst du das immer noch nicht, du alter Nachtwächter? Wir verklaren dir seit ein paar Stunden, daß Potosi keine Hafenstadt ist und hoch in den Bergen liegt. Aber du mit deiner verdammten Hartnäckigkeit und Sturheit wiederholst immer wieder, daß du nach Potosi segeln willst. Dann hau doch ab mit deinem verdammten ‚Empress‘-Sargdeckel! Du wirst schon sehen, wo du landest.“

„Hast du mein Schiff eben einen verdammten Sargdeckel genannt?“ schrie Old O’Flynn voller Empörung.

„Klar, weil du nicht mehr durchblickst. Aber vielleicht gelingt es dir ja, mit deinem Affenprahm durch die Lüfte zu segeln.“

Jetzt lagen sich die beiden wieder mal in den Haaren. Hasard sagte gar nichts, er schaute nur noch kopfschüttelnd zu. Da hatte Ribault ein Süppchen angerührt, an dem sich jetzt alle die Zungen verbrannten. Verrückt waren die Kerle, total bescheuert, und jetzt prügelten sie sich fast darum, wer mit nach Potosi durfte.

Es kam auch weiterhin keine Einigung zustande. Der einzige, der nicht unbedingt mitwollte, war der alte Hesekiel Ramsgate. Der hockte im Sand und grinste sich eins in seinen silbergrauen Bart.

Schließlich war es Jean Ribault, der die Hand hob und mit lauter Stimme um Ruhe bat.

„So geht das nicht“, sagte er. „Die Diskussionen bringen nichts weiter ein als Ärger. Wir sitzen in den nächsten Tagen noch hier und streiten uns. Ich schlage daher vor, daß wir es so halten, wie wir es immer gehalten haben, wenn es keine Einigung gab. Wir lassen das Los entscheiden, das ist eine gerechte Sache. Seid ihr wenigstens damit einverstanden?“

Den Losentscheid empfanden sie als gerecht, und so drehte sich der Franzose grinsend um und zog sein Entermesser aus dem Gürtel.

„Dann schnitze ich jetzt ein paar Hölzchen zurecht“, sagte er.

Beifälliges Gemurmel erklang von allen Seiten. Das Los würde entscheiden, und dann hatten sich alle zu fügen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 424

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