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Der erste Kutter

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Lieber Leser, bist du schon in Plymouth gewesen? Wenn es der Fall ist, dann muß dein Auge mit Entzücken auf dem prachtvollen Besitztum des Grafen von Mount Edgecumbe geruht haben. Warst du aber noch nicht in dieser Stadt, so besuche sie, und je eher, desto besser.

Auf Mount Edgecumbe kannst du die schönsten Bäume, die es gibt, bewundern; sie schmücken die Hügel von ihren Spitzen bis hinunter zu dem flachen Geröll am Strand. Von diesem reizenden Fleckchen Erde aus bietet sich dir einer der herrlichsten Rundblicke der Welt. Du siehst – und ich weiß kaum etwas, was du nicht sehen wirst – Ram Head und die Bucht von Cawsand; die große Mole, Drake’s Island und tief unter dir Devil’s Bridge; die Stadt Plymouth mit ihren Befestigungen, den Hoe, Devil’s Point, um den der Gezeitenstrom verteufelt quirlt, das neue Proviantamt, wo Sir James Gordon alle Tage umherzustelzen und von jedem, der eine Schnupftabaksdose bei sich hatte, eine Prise zu nehmen pflegte (sie wurde gern gegeben und gern genommen, woraus man ersieht, welch großes Vergnügen auch nur eine Prise Schnupftabak bereiten kann). Dann siehst du Mount Wise und Mutton Cove, die Stadt Devonport mit ihrer prächtigen Werft und den Arsenalen, North Corner und die Straße, die nach Saltash führt. Du siehst Schiffe im Bau und Schiffe außer Dienst, Schiffe, die repariert, und Schiffe, die ausgerüstet werden, abgetakelte Schiffe, die Sträflingsschiffe und das Wachtschiff, segelfertige und unter Segel stehende Schiffe, daneben Leichter, Kriegsschiffboote, Werftboote, Proviantboote, Landungsboote, kurzum, in Plymouth gibt es, außer dem Meer selbst, eine Menge zu sehen.

Mein besonderer Wunsch ist jetzt aber, daß du auf der Batterie von Mount Edgecumbe stehen und nach Barn Pool unter dir blicken sollst; dort wirst du einen Kutter sehen, der ganz allein vor Anker liegt, und du wirst am Stander und an der Schiffsflagge erkennen, daß es eine Jacht ist.

Von allen Liebhabereien, die bei Adel und Bürgertum unserer Insel Eingang gefunden haben, ist keine so männlich, so aufregend, so patriotisch oder so national wie das Jachtsegeln. Es ist ein für England kennzeichnender Sport, nicht allein wegen unserer Insellage und der guten Häfen, sondern auch deshalb, weil er ein bestimmtes Maß an Tatkraft und eine bestimmte Höhe des Einkommens voraussetzt, die man selten woanders findet. Von unserer Regierung ist dieser Sport in weiser Voraussicht gefördert worden; sie erkannte, daß die Sicherheit des Königreiches stieg, wenn jeder mehr oder weniger ein Seemann oder doch mit dem Seemannsberuf eng verbunden war. Für unser Land ist dieser Sport von der größten Bedeutung; er hat den Bau und die Ausrüstung der Schiffe wesentlich verbessert und gibt Seeleuten und Schiffbauern Arbeit. Aber wenn ich das alles erzählen wollte, was ich zum Lobe des Jachtsegelns zu sagen wüßte, käme ich mit meiner Geschichte nie voran. Ich trinke daher einen vollen Humpen auf das Wohl des Admirals Lord Yarborough und des Jachtklubs und fahre in meiner Erzählung fort.

Du stellst fest, daß die Jacht wie ein Kutter getakelt ist und zierlich auf dem ruhigen Wasser liegt. Sie ist gerade dabei, den Anker zu lichten; das Vorsegel ist los, alles ist bereit – in wenigen Minuten wird sie Fahrt gewinnen. Du siehst auch, daß an der hinteren Reling einige Damen sitzen und daß fünf Rehkeulen über dem Heck hängen.

Wir müssen nun an Bord gehen. Das Deck besteht aus schmalen schneeweißen Planken, die Kanonen sind aus blankem Messing, Poller und Kompaßhäuschen aus Mahagoni. Das Schiff ist geschmackvoll gestrichen, seine Verzierungen sind alle vergoldet. Es fehlt nichts, und doch, wie frei und geräumig ist das Deck! Laß uns nun hinuntergehen! Hier liegt die Damenkabine. Kann etwas geschmackvoller oder eleganter sein? Ist sie nicht fast luxuriös? Und staunst du nicht, wenn du siehst, wieviel Bequemlichkeiten bei so beschränktem Raum praktisch und hübsch untergebracht sind? Dies hier ist der Speiseraum, wo sich auch die Herren aufhalten. Was könnte vollkommener, erlesener sein? Und jetzt wirf noch einen verstohlenen Blick in die Empfangskajüten und Schlafkabinen! Hier befinden sich die Kammer des Stewards und die Anrichte – der Steward drückt gerade Zitronen für den Punsch aus –, dort steht der Champagner in Eis, und neben dem Kübel stehen die Rotweinflaschen mit den langen Korken, alle fertig aufgereiht.

Nun laß uns weiter nach vorn gehen. Hier sind die Schlafkojen der Besatzung, aber sie sind nicht so eng wie auf einem Kriegsschiff. Nein! Der Luxus, der im Hinterschiff beginnt, verliert sich selbst ganz vorn nicht. Dies ist die Kombüse; ist sie nicht bewundernswert eingerichtet? Welch Vielerlei auf kleinstem Raum! Und wie lieblich duftet die Schildkrötensuppe! – Auf See begegnet man zuzeiten rauhen Stürmen; um sie abzuwettern, braucht man nur eine Jacht. Nun muß ich dir noch, nachdem ich dich durch das Schiff geführt habe, die Gesellschaft an Bord vorstellen.

Du siehst dort diesen blühenden, hübschen Mann in weißen Hosen und blauer Jacke, der, ein Fernglas in der einen Hand, gerade an einem Glas Kognak mit Wasser nippt, das er soeben vom Skylight genommen hat. Das ist der Besitzer des Schiffes, ein Mitglied des Jachtklubs. Es ist Lord B. Er sieht wie ein Seemann aus, und er straft sein Aussehen wohl auch kaum Lügen. Ich habe ihn schon bei der Eröffnung des Oberhauses in seiner Staatsrobe gesehen. Neben ihm steht Herr Stuart, ein Leutnant von der Marine. Er hält sich beständig mit der einen Hand an der Takelage, weil er, der sein ganzes Leben hindurch emsig beschäftigt war, nicht weiß, was er mit leeren Händen beginnen soll. Er ist ein Schützling von Lord B. und augenblicklich als Navigationsoffizier an Bord der Jacht.

Der hübsche, wohlgebaute Mann dort, der am Kompaßhäuschen steht, ist Herr Hautaine. Er diente sechs Jahre als Seekadett in der Kriegsmarine, fand aber keinen Geschmack daran. Dann diente er sechs Jahre in einem Kavallerieregiment, fand aber daran ebenfalls keinen Geschmack. Darauf heiratete er, entdeckte aber schon nach einer wesentlich kürzeren Probezeit, daß er auch daran keinen Geschmack finden würde. Er ist ein leidenschaftlicher Verehrer von Jachten und Frauen, und wo er aufkreuzt, ist er willkommen.

Jener junge Mann mit der gestickten seidenen Weste und den weißen Handschuhen, der sich gerade etwas hinunterbeugt, um mit einer der Damen zu sprechen, ist ein gewisser Herr Vaughan. Man sieht ihn viel in den Vergnügungsetablissements von Almack und Crockford und überall sonst. Jeder kennt ihn, und er kennt jeden. Er ist ein wenig verschuldet, und das Jachtsegeln kommt ihm gerade gelegen.

Der, welcher bei der Dame sitzt, ist ein Verwandter von Lord B. Du siehst sofort, was mit ihm los ist. Er spielt den Seebären: Er ist nicht rasiert, weil Seeleute keine Zeit haben, sich jeden Tag zu rasieren; seine Wäsche hat er aus eben diesem Grunde auch nicht gewechselt; er raucht eine Zigarre, was ihn selbst halb krank macht und die Gesellschaft obendrein belästigt; er spricht von dem Vergnügen, das ihm eine grobe See macht, von der die Damen unter Deck getrieben werden – dann bemerken sie nämlich nicht, daß er stärker unter der Seekrankheit leidet als sie. Er hat Pech, denn er ist für ein großes Besitztum geboren und dabei ein Narr. Sein Name ist Ossulton. Der letzte der Herren an Bord, den ich vorzustellen habe, ist Herr Seagrove. Er ist zart gebaut und hat auffallend intelligente Züge. Er hat es bis zum Advokaten gebracht, aber er besitzt jede andere Fähigkeit, nur nicht die Eignung zu diesem Beruf. Er hat noch nie einen Prozeß geführt und hat auch keine Aussicht, jemals einen zu führen. Er ist der Unterhalter der Gesellschaft. Seine Kanzlei hat er geschlossen und ist auf Einladung Seiner Lordschaft an Bord der Jacht gekommen, um seine „Vorstellungen“ zu geben.

Ich muß noch die Damen beschreiben. Ich hätte eigentlich mit ihnen beginnen sollen, kann mich aber mit dem Grundsatz entschuldigen, daß man sich das Beste immer bis zuletzt aufhebt. Alle Puppenspieler machen es so, und was ist dies anderes als der erste Auftritt in meinem Puppenspiel?

Wir wollen nun die Damen dem Alter und der Würde nach schildern. Jene lange, dünne, mürrisch dreinblickende Dame von fünfundvierzig Jahren ist eine alte Jungfer und die Schwester von Lord B. Sie ist sehr gegen ihren Willen überredet worden, an Bord zu gehen; aber ihre Begriffe von Anstand erlaubten nicht, daß ihre Nichte sich nur unter dem Schutz ihres Vaters auf der Jacht aufhielte. Sie erschrickt über alles. Wenn eine Trosse auf das Deck geworfen wird, fährt sie empor und schreit: „Oh!“ Ist sie oben, meint sie, unten rausche das Wasser hinein. Ist sie unten und es entsteht Lärm, ist sie überzeugt, daß oben Gefahr droht. Und wenn es völlig ruhig ist, dann steht es bei ihr fest, daß etwas nicht in Ordnung ist. Sie macht sich selbst und die andern nervös und fällt lästig mit ihrem Dünkel und ihrer Übellaunigkeit. Sie hat aber strenge Begriffe von Anstand und opfert sich für sie wie eine Märtyrerin. Es ist das ehrenwerte Fräulein Ossulton.

Die Dame, die beim Lächeln so viele Grübchen auf ihrem hübschen, länglichen Gesicht bekommt, ist eine junge Witwe namens Lascelles. Sie heiratete einen alten Mann, um Vater und Mutter gefällig zu sein, was wirklich sehr pflichttreu von ihr war. Sie wurde damit belohnt, daß sie als Witwe mit einem großen Vermögen zurückgelassen wurde. Da sie das erstemal ihren Eltern zuliebe geheiratet hat, will sie nun zu ihrem eigenen Vergnügen heiraten; aber sie ist noch sehr jung und hat gar keine Eile.

Die junge Dame dort mit den sanften Gesichtszügen ist das ehrenwerte Fräulein Cecilia Ossulton. Sie ist lebhaft und verständig und kennt ihrer Natur nach keine Furcht; aber sie ist doch noch sehr jung, nicht älter als siebzehn, niemand weiß so recht, was mit ihr los ist – sie selbst am allerwenigsten.

Dies ist also die Gesellschaft, die sich in der Kajüte der Jacht trifft.

Die Mannschaft besteht aus zehn tüchtigen Matrosen, dem Steward und dem Koch. Dazu kommen der Kammerdiener von Lord B., der Diener von Herrn Ossulton und die Zofe von Fräulein Ossulton. Da für die übrige Dienerschaft kein Raum mehr war, ist sie an Land geblieben.

Die Jacht macht jetzt Fahrt, alle ihre Segel sind gesetzt. Sie läuft zwischen Drake’s Island und dem Festland. Das Mittagessen ist angekündigt. Da der Leser einiges über die Vorbereitungen dazu erfahren hat, überlasse ich es ihm, zu entscheiden, ob es nicht sehr vergnüglich ist, sich auf einer Jacht zum Mittagessen niederzulassen. Die Luft hatte jeden hungrig gemacht, und erst nachdem abgedeckt war, wurde die Unterhaltung allgemein.

„Herr Seagrove“, sagte Seine Lordschaft“, „Sie wären fast um ihre Seereise gekommen. Ich wartete seit Donnerstag auf Sie.“

„Es tut mir leid, Mylord, daß Geschäfte mich daran hinderten, der freundlichen Aufforderung Eurer Lordschaft eher zu folgen.“

„Kommen Sie, Seagrove, reden Sie keinen Unsinn!“ sagte Hautaine. „Sie haben mir selbst neulich gestanden, daß Sie nie in Ihrem Leben einen Prozeß geführt hätten.“

„Was ein äußerst glücklicher Umstand ist“, erwiderte Seagrove, „denn wenn ich einen bekommen hätte, hätte ich nicht gewußt, was mit ihm anfangen. Es ist nicht meine Schuld, ich bin nur zum Vermittler geeignet. Aber ich hatte doch ein Geschäft, und obendrein ein sehr wichtiges: Ich wurde von Ponsonby aufgefordert, mit ihm zu Tattersall zu gehen, um meine Meinung über ein Pferd abzugeben, das er kaufen wollte, und ihn nach Forest Wild zu begleiten, um seine Sache vor seinem Onkel mit zu vertreten.“

„Es scheint also, daß Sie doch als Anwalt verpflichtet wurden“, meinte Lord B. „Darf ich fragen, ob Ihr Freund seine Sache gewonnen hat?“

„Nein, Mylord, die Sache ist verloren, aber er hat dafür einen Heiratsantrag gewonnen.“

„Erklären Sie dieses Rätsel, mein Herr“, sagte Cecilia Ossulton.

„Es ist so: Der alte Ponsonby ist sehr darauf bedacht, daß William Fräulein Percival heiratet, deren Gut an Forest Wild grenzt. Mein Freund William schätzt aber das Heiraten so sehr wie ich die Gesetze, und daher rührt der strittige Punkt.“

„Aber weshalb wurden Sie denn mit herangezogen?“ fragte Frau Lascelles.

„Weil Ponsonby, gnädige Frau, niemals ein Pferd kauft, ohne mich um Rat zu fragen ...“

„Ich verstehe nicht den Zusammenhang, mein Herr“, bemerkte das ältere Fräulein Ossulton und warf ihren Kopf zurück.

„Verzeihung, gnädiges Fräulein“, fuhr Seagrove fort, „es hat damit folgende Bewandtnis: Da ich sonst immer Ponsonbys Pferden ‚den Rücken zu decken‘ habe, hielt er es nur für recht und billig, daß ich es in diesem Fall auch mit ihm täte. Er forderte für sich einen besonderen Sachwalter, aber sein Onkel stellte ihn wegen eines Kapitalverbrechens vor Gericht und bewilligte ihm keinen Rechtsbeistand. Als wir angelangt waren und ich mich kaum in das Zimmer hineinkomplimentiert hatte, komplimentierte mich Herr Ponsonby auch schon wieder hinaus. Glücklicherweise war die Tür noch offen. – Aber nun möchte ich mir ein Glas Wein nehmen.“

„Tun Sie das“, sagte Seine Lordschaft, „aber vergessen Sie nicht, daß wir begierig auf Ihre Geschichte sind.“

„Ich kann Ihnen versichern, Mylord, es war wie auf dem Theater.“

Es muß hier angemerkt werden, daß Herr Seagrove eine große Begabung für das Komische hatte; er war ein ausgezeichneter Mimiker und konnte seine Stimme fast beliebig verändern. Er pflegte eine Szene so vorzutragen, wie sie sich bei den betreffenden Leuten abspielte, und das gelang ihm bemerkenswert gut. Wenn er bei einer Sache, die er erzählen wollte, sagte „wie auf dem Theater“, wurde das allgemein von seinen Bekannten so aufgefaßt, daß er nun gebeten werden wollte, diese Sache vorzuspielen. Deshalb bat Cecilia Ossulton auch sofort: „Bitte, spielen Sie es doch, Herr Seagrove!“ Worauf Herr Seagrove – nachdem er vorausgeschickt hatte, daß er alles Geschehene nicht nur gehört, sondern auch gesehen habe – seine Stimme wechselte und, seine Vortragsweise dem Inhalt anpassend, folgendermaßen begann:

„Das Stück könnte ‚7000 Morgen hinter einem Zaun‘ heißen.“

(Wir werden die mimischen Bewegungen Herrn Seagroves nicht beschreiben, sie müssen aus seinen Worten gefolgert werden.)

„Herr Ponsonby, der mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab gegangen war, seine Hände unter dem Rock, so daß die Schöße einen halben Meter hinter ihm senkrecht herunterhingen, hielt plötzlich an, wandte sich an seinen Neffen und sagte: ‚Es wird dann, ohne zu lügen, der schönste Besitz im ganzen Land sein – 7000 Morgen hinter einem Zaun.‘

‚Ich gebe es zu, Onkel‘, erwiderte William, der sich in einem Lehnstuhl aus grünem Marokkoleder rekelte und mit dem Fuß auf den Boden klopfte, ‚aber da du es dir in den Kopf gesetzt hast, die beiden Güter mit einem Zaun einzufrieden, willst du, daß auch ich in einem Zaun eingefriedet werden soll.‘

‚Ein herrlicher Besitz wird es sein‘, antwortete Herr Ponsonby.

‚Was, Onkel? Das Gut oder die Frau?‘

‚Beides, Neffe, beides. Und ich erwarte deine Zustimmung.‘

‚Onkel, ich bin nicht habsüchtig. Dein jetziger Besitz genügt mir völlig. Mit deiner Erlaubnis möchte ich, anstatt den Besitz und mich selbst zu verdoppeln, dein alleiniger Erbe und ledig bleiben.‘

‚Bedenke, William, daß sich eine solche Gelegenheit wahrscheinlich in Jahrhunderten nicht wieder bietet. Wir werden Forest Wild in seinem früheren Umfang wiederherstellen. Du weißt, es wurde vor fast zweihundert Jahren geteilt. Wir haben jetzt eine glänzende und glückliche Gelegenheit, die beiden Güter wieder zu vereinigen, und wenn das geschehen ist, wird der Besitz genau das sein, was er war, als er unseren Torfahren von Heinrich VIII. zur Zeit der Reformation verliehen wurde. Dieses Haus hier muß abgerissen werden, nur das Kloster bleibt. Dann ist alles wieder, wie es war, und der Besitz ohne Lasten.‘

‚Ohne Lasten, Onkel! Du vergißt, daß eine Frau dabei ist.‘

‚Und du vergißt, daß 7000 Morgen hinter einem Zaun dabei sind.‘

‚In der Tat, Onkel, du läutest es zu oft in meine Ohren, als daß ich es vergessen könnte. Aber so gern ich der glückliche Besitzer eines solchen Gutes wäre, so wenig fühle ich mich geneigt, der glückliche Besitzer Fräulein Percivals zu sein, um so mehr, als ich diesen Besitz noch gar nicht gesehen habe.‘

‚Wir werden morgen mal hinüberreiten, William.‘

‚Nun gut, ich will in den nächsten Tagen mit dir kommen, da ich den Besitz ebensowenig wie Fräulein Percival kenne.‘

‚Ich kann dir verraten, daß es ein sehr hübscher Besitz ist.‘

‚Wenn er nur nicht hinter einem Zaun wäre!‘

‚In gutem Zustand, William. Das heißt, ich meine, eine gute Gemütsart hat sie.‘

‚Das ist wertvoll in der Ehe.‘

‚Und wohlkultiviert – ich wollte sagen, wohlerzogen von ihren drei ledigen Tanten, wahren Musterbildern an Schicklichkeit und Anstand.‘

‚Teilt irgend jemand diesen Geschmack?‘

‚Im Zustand höchster Kultivierung – das heißt, ihr Geist ist höchst kultiviert, nach dem neuesten und modernsten Erziehungssystem – wie heißt es eigentlich?‘

‚Ein Vierfächerwechsel, vermute ich‘, erwiderte William lachend, ‚Tanzen, Gesang, Musik und Zeichnen.‘

‚Und erst sechzehn Jahre! Ausgezeichneter Boden, verspricht gute Ernten. Was willst du mehr?‘

‚Ein sehr hübsches Gut, Onkel, wenn es nicht das Gut der Ehe wäre. Es tut mir leid, aufrichtig leid, dich zu enttäusehen, aber ich muß ablehnen, es auf Lebenszeit zu pachten.‘

‚Dann, mein Lieber, gestatte mir die Andeutung, daß du in meinem Testament auch kein lebenslänglicher Pächter mehr sein wirst. Ich betrachte es als eine Pflicht, die ich der Familie schulde, daß der Besitz wieder vereinigt wird. Das ist aber nur möglich, wenn einer aus unserer Familie Fräulein Percival heiratet. Da du nicht willst, werde ich also nun an deinen Vetter James schreiben und ihn, falls er meinen Vorschlag annimmt, zum Erben einsetzen. Er wird wahrscheinlich die Vorteile von 7000 Morgen hinter einem Zaun besser zu schätzen wissen.‘ Herr Ponsonby wandte seine Schritte zur Tür.

‚Halt, lieber Onkel‘, rief William und erhob sich aus seinem Lehnstuhl, ‚wir verstehen uns nicht ganz. Ich zöge es zwar vor, mit der Hälfte des Besitztums ledig zu bleiben, anstatt mit beiden Gütern auch noch das Gut der Ehe zu übernehmen, aber ich sagte dir andererseits nicht, daß ich lieber ein Bettler sein als eine Frau und 7000 Morgen hinter einem Zaun haben möchte. Ich kenne dich als einen Mann von Wort – ich nehme deinen Vorschlag an, du brauchst meinen Vetter nicht in Portounkosten zu stürzen.‘

‚Sehr gut, William, mehr verlange ich nicht. Und da ich dich ebenfalls als einen Mann von Wort kenne, betrachte ich diese Sache als abgemacht. Ich will dir Bescheid geben, wenn alles soweit ist.‘

‚Am Montag muß ich zu Tattersall, Onkel, dort ist ein Pferd, das ich für die nächste Rennsaison haben muß. Bitte, Onkel, darf ich fragen, wann du mich etwa brauchst?‘

‚Laß sehen, jetzt ist Mai – im Juli etwa, denke ich.‘

‚Im Juli, Onkel? Verschone mich bitte, ich kann doch nicht in den Hundstagen heiraten. Nein, zum Henker, auf keinen Fall schon im Juli.‘

‚Gut, William, da du sowieso erst noch ein- oder zweimal zu uns herauskommen mußt, um deinen Besitz anzusehen – Fräulein Percival, wollte ich sagen –, so ist es vielleicht doch etwas zu früh. Ich glaube, wir verschieben es auf den Oktober.‘

‚Im Oktober – muß ich zur Jagd nach Melton.‘

‚Bitte, mein Lieber, darf ich dann fragen, welche Jahreszeit bei dir keine Hundstage sind?‘

‚Nun, Onkel, nächsten April dann. Ich denke, das paßt.‘

‚Nächsten April! Elf Monate, und ein Winter dazwischen. Ich fürchte, Fräulein Percival wird sich bis dahin erkälten und sterben!‘

Ich wäre ihr äußerst verbunden dafür, dachte William bei sich.

‚Nein! Nein!‘ fuhr Herr Ponsonby fort, ‚es ist nichts sicher auf dieser Welt, William.‘

‚Nun gut, Onkel, ich schlage dir vor, wir machen es, wenn der erste scharfe Frost eintritt.‘

‚Es ist schon lange her, daß wir scharfen Frost hatten, William. Das kann unter Umständen Jahre dauern. Je eher, desto besser! Fahr zurück in die Stadt, kauf dein Pferd und dann komm wieder heraus, deinem Onkel zu Gefallen, und kümmere dich nicht um die Hundstage.‘

‚Na gut, wenn ich schon ein Opfer bringen muß, soll es kein halbes sein. Aus Rücksicht auf dich will ich sogar im Juli heiraten, ohne das Thermometer zu beachten.‘

‚Du bist ein guter Junge, William. Brauchst du einen Scheck?‘

Ich habe heute schon einen bekommen, dachte William und wurde beinahe verlegen. Aber er sagte: ‚Ich wäre dir sehr dankbar, man verkauft heutzutage das Pferdefleisch nach dem Gramm.‘

‚Und du bezahlst es in Pfunden. Hier, William!‘

‚Danke! Ihr gehorsamster Diener. Ich werde mein Wort halten, selbst wenn ein Komet käme. Ich kaufe also jetzt das Pferd, und dann bin ich bereit, den Zaun zu nehmen, sobald du es wünschst.‘

‚Ja, und du wirst durchaus darüber hinwegkommen, daran zweifle ich nicht. 7000 Morgen, William, und – eine hübsche Frau obendrein!‘

‚Hast du noch weitere Wünsche, Onkel?‘ fragte William, den Scheck in seiner Brieftasche verwahrend.

‚Keinen mehr, mein lieber Junge. Willst du gehn?‘

‚Ja, ich esse im Clarendon.‘

‚Na schön, dann auf Wiedersehn! Grüße deinen Freund Seagrove und entschuldige mich bei ihm! Du wirst Dienstag oder Mittwoch wiederkommen.‘

So wurde die Heirat zwischen William Ponsonby und Emily Percival und die Vereinigung der beiden Güter beschlossen, die zusammen das so heiß Ersehnte bildeten: 7000 Morgen hinter einem einzigen Zaun.“

Herr Seagrove endete und blickte beifallheischend im Kreis umher.

„Sehr gut, wirklich, Seagrove“, sagte Seine Lordschaft, „Sie müssen ein Glas Wein danach nehmen.“

„Ich gebe nicht viel auf Fraulein Percivals Aussichten, glücklich zu werden“, bemerkte das ältere Fräulein Ossulton.

„Von zwei Übeln soll man das kleinere wählen, heißt es“, meinte Herr Hautaine. „Der arme Ponsonby konnte das auch nicht ändern.“

„Das ist ja eine sehr höfliche Bemerkung von Ihnen, Herr Hautaine – ich danke Ihnen dafür im Namen des weiblichen Geschlechts“, erwiderte Cecilia Ossulton.

„Aber nein, Fräulein Ossulton! Würden Sie denn gern jemanden heiraten, den Sie noch nie gesehen haben?“

„Gewiß nicht. Aber als Sie von den zwei Übeln sprachen, Herr Hautaine, ich appelliere an Ihre Ehre, hatten Sie da nicht die Heirat und die Armut im Auge?“

„Ich muß es zugeben, Fräulein Ossulton. Aber es ist nicht gerade fair von Ihnen, meine Ehre anzurufen, um mich in Verlegenheit zu bringen.“

„Ich wünschte nur, daß das Angebot mir gemacht worden wäre“, meinte Vaughan, „ich hätte nicht so gezögert wie Ponsonby.“

„Dann kommen Sie bitte nicht plötzlich auf die Idee, um mich anzuhalten“, sagte Frau Lascelles lachend. Herr Vaughan war nämlich äußerst aufmerksam gegen sie.

„Es scheint mir“, warf Seagrove ein, „daß Sie sich mit Ihrer Bemerkung doch ein wenig bloßgestellt haben.“

Vaughan, der dies auch bei sich dachte, erwiderte: „Frau Lascelles muß doch wissen, daß es nur ein Scherz von mir war.“

„Pfui, Herr Vaughan!“ rief Cecilia Ossulton, „Sie wissen recht wohl, es kam Ihnen von Herzen.“

„Meine liebe Cecilia“, sagte das ältere Fräulein Ossulton, „du vergissest dich. Was kannst du schon von Männerherzen wissen?“

„In der Bibel steht, daß sie listig und böse sind, Tante.“

„Könnten wir die Bibel nicht ebenso gegen das weibliche Geschlecht ins Feld führen?“ bemerkte Seagrove.

„Ja, vielleicht, das könnten Sie, wenn ihr Männer sie gelesen hättet“, gab Fräulein Ossulton unbekümmert zurück.

„Cecilchen, du wirfst ja den Männern den Fehdehandschuh hin“, sagte Lord B., „aber ich werde das Zeichen zur Einstellung des Streites geben und diesen Zweikampf nicht zulassen. Ich sehe, Sie trinken keinen Wein mehr, meine Herren. Wir wollen unseren Kaffee an Deck einnehmen.“

„Wir waren gerade im Begriff, uns zurückzuziehen, Mylord“, bemerkte das ältere Fräulein Ossulton mit großer Schroffheit, „ich versuche schon dauernd Frau Lascelles‘ Aufmerksamkeit zu erregen, aber –“

„– ich schaute woandershin, nicht wahr?“ unterbrach sie lächelnd Frau Lascelles.

„Es tut mir leid, daß ich der unglückliche Anlaß dazu bin“, entschuldigte sich Herr Seagrove, „ich erzählte Frau Lascelles gerade eine kleine Anekdote –“

„Die sich natürlich für die Ohren aller nicht ziemte, da sie geflüstert wurde“, erwiderte das ältere Fräulein Ossulton. „Aber wenn Frau Lascelles jetzt soweit ist ...“ Sie warf den Kopf zurück und erhob sich.

„Den Rest kann ich jedenfalls auch an Deck hören“, meinte Frau Lascelles.

Die Damen standen auf.

Cecilia und Frau Lascelles wechselten ein bedeutungsvolles Lächeln, als sie der pedantisch-steifen alten Jungfer folgten, die nicht zulassen wollte, daß Frau Lascelles vor ihr hinausginge, nur weil sie einmal das Glück gehabt hatte, verheiratet gewesen zu sein. Auch die Herren brachen auf und gingen nach oben.

„Eine feine Brise haben wir, Mylord“, sagte Herr Stuart, der an Deck geblieben war. „Wir halten direkten Kurs auf den Kanal.“

„Um so besser“, erwiderte Seine Lordschaft. „Wir hätten schon vor einer Woche in Cowes Anker werfen sollen. Sie werden alle vor uns dasein.“

„Sagen Sie Herrn Simpson, daß er mir Feuer für meine Zigarre bringt“, befahl Herr Ossulton einem der Männer.

Herr Stuart ging zu seinem Essen hinunter. Die Damen und der Kaffee erschienen auf Deck. Die Brise war günstig, das Wetter (es war April) beinahe warm, und die Jacht, die den Namen „Pfeil“ führte, ließ, mit dem Ebbstrom laufend, bald den Mewstone weit hinter sich.

Die drei Kutter

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