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Fahrt von Port Said nach Aden

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3. Februar. Nach abgestattetem Besuche beim Consul und dem Lloydagenten und nach eingenommenem Gabelfrühstück setzte sich unser Dampfer um 3 Uhr Nachmittags wieder in Bewegung und fuhr in den Suez-Canal ein. Dieser Canal wurde von Lesseps in der Zeit von 1859 bis 1869 erbaut. Er hat eine Länge von 162 km, die für jedes Schiff genügende Tiefe von 19 m und eine für ein grosses Schiff nöthige Breite; sowie nach je 10 km eine Ausweichstelle mit den dazu gehörigen Signalstationen. Die Kosten des Canalbaues beliefen sich auf 240 Millionen Gulden.

Unter dem Vorwande der Zinsendeckung für das aufgewandte Capital und der Bestreitung der immerhin sehr grossen Auslagen für die Schiffbarerhaltung des Canales werden von jedem passirenden Schiffe unverhältnissmässig hohe Gebühren eingehoben. Die Suez-Compagnie fordert nämlich von jedem Schiffe eine Durchfuhrsgebühr von 9½ Franken per Tonne Schiffsfracht und von 10 Franken per Person. Der Dampfer Maria Theresia mit 2400 t Fracht und etlichen Passagieren zahlte für die Durchfahrt die Summe von beinahe 24.000 Franken. Im Jahre 1898 passirten 3098 Dampfschiffe mit 7¼ Millionen Tonnen und mit ½ Million Personen den Canal. Man berechne nun die Höhe der jährlichen Gesammteinnahmen und wird es erklärlich finden, dass die Suez-Canal-Actien nun sehr hoch stehen.

Unser Consul in Port Said erzählte mir, dass die spanische Flotte für das zweifache Passiren des Canales während des letzten Krieges eine Million Franken zahlen musste.

Wenn der Suez-Canal nicht bestünde, und die Schiffe somit um die Südspitze von Afrika fahren müssten, so würde dies einen um mehr als 20.000 km längeren Weg und bei der Fahrtgeschwindigkeit des Dampfers Maria Theresia einen Mehrbetrag an Zeit von etwa 50 Tagen und ein Mehrerforderniss an Geld nur für Kohle ungefähr von 30.000 Franken beanspruchen. Der Dampfer benöthigt nämlich für die Fahrtschnelligkeit von 19 km oder 10 Seemeilen per Stunde mehr als eine Tonne Kohle zum Preise von über 23 Franken, das ist per Tag etwa 600 Franken.

Der Canal durchschneidet die arabische Wüste und wird in den ersten 20 km von dem sehr ausgedehnten Menzala-See flankirt. Während der Fahrt sieht man an den Ufern des Sees unzählige Wasservögel dicht aneinander stehen, die rosenrothen Flamingos, die schwerfälligen Pelikane und die verschiedenartigsten Enten und Taucher. Das Schiessen auf diese Vögel vom Schiffe aus ist untersagt. Nach dem Vorbeifahren an dem See erblickt man beiderseits, soweit das Auge reicht, die Wüste mit ihrem wellenförmig gelagerten gelben Sande.

4. Februar. Zeitlich Morgens fuhr das Schiff an den am Canale gelegenen Bitter-Seen vorbei, welche vielfach für jenen Theil des Rothen Meeres gehalten werden, durch welchen einst die Israeliten zogen.

Um 8 Uhr Früh fuhren wir bei Suez aus dem Canale in den gleichnamigen Golf, hielten etwa eine Stunde seitwärts von Suez an und setzten sonach die Fahrt fort.

Obgleich noch der Südwind blies und es sonnig war, zeigte das Thermometer, welches in Port Said die Höhe von 20° R. erreichte, eine Abnahme von zwei Graden. Oestlich des Golfes dehnt sich die Halbinsel Sinaï aus, westlich desselben befindet sich der südliche Theil von Unter-Aegypten. Beiderseits sieht man kahle, nur hie und da mit sehr wenig Gestrüpp bewachsene Berge, und weiter hinein erscheinen rechts und links viele, viele Meilen weit trostlose Wüsteneien.

In Port Said sind zwei Passagiere zugewachsen; ein protestantischer Missionär und seine grosse, sehr corpulente Frau, welche von Amerika nach Vorder-Indien reisen, um dort die christliche Religion zu verbreiten.

Während der Fahrt im Suez-Canal sah ich eine kleine Karawane, welche aus zwei Arabern auf zwei Kameelen und zwei zu Fuss daherschreitenden Arabern bestand, längs der Küste nach Port Said ziehen. Die Kameele mit dem langen, tief vorgestreckten Halse gehen gravitätisch im langsamen, aber sehr raumgreifenden Schritte, im sogenannten Pass, das heisst, stets die Füsse derselben Seite gleichzeitig vorsetzend, und verursachen dem Reiter dadurch eine schiebend schaukelnde Bewegung, welche demselben zu Beginn des Reitens von Kameelen im hohen Grade lästig werden soll.

Im Golfe von Suez wurden während der Fahrt in der Kohlenkammer zwei Leute angetroffen, welche sich in Port Said gelegentlich der Kohlenaufnahme dort eingeschlichen hatten, um auf diese Art kostenfrei weiterreisen zu können. Der eine der beiden Männer stand im 18. Lebensjahre, war von mittelgrosser, schwächlicher Statur und stammte aus der Gegend von München, der andere, ungefähr 26 Jahre alt, ziemlich gross und kräftig aussehend, gab die Umgebung von Köln am Rhein als seine Heimat an. Beide Burschen waren vernachlässigt und zerlumpt und hatten sich schon lange Zeit in der Welt herumgetrieben. Der Schiffscapitän beabsichtigt, diese Leute in Aden dem deutschen Consulate behufs ihrer Repatriirung zu übergeben.

Nachmittags trat der Scirocco heftig auf, doch ging das Schiff ziemlich ruhig vorwärts. Im Osten sah man den Berg Sinaï im Sonnenscheine erglänzen – jenen Berg, von welchem, der Ueberlieferung nach, Moses die Tafeln mit den zehn Geboten Gottes brachte. Im Westen war die ganze Küste durch eine riesige Sandwolke vollkommen verdüstert, ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Sturm den Sand der dortigen arabischen Wüste aufwirbelt und durch die Lüfte trägt.

Während der Nacht schlug der Wind in südwestliche Richtung um und trug den Wüstensand, einer dichten, trockenen Wolke gleichend, weit über das Schiff hinaus, wodurch die Leitung des Schiffes wegen behemmter Aussicht bedeutend erschwert wurde.

Sonntag, den 5. Februar, befanden wir uns im Rothen Meere, nachdem wir in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar an der Südspitze der Halbinsel Sinaï und bei Ras Mahumed vorbeigefahren waren.

Noch immer müssen wir die mit Wüstensand vermengte Luft einathmen; dieser Sand ist so fein, dass er in unmittelbarer Nähe mit freiem Auge nicht wahrgenommen werden kann, sondern erst in der Ferne als eine gelbe, nebelhafte Wolke sichtbar wird und sich erst mit der Zeit durch seine Ablagerungen unangenehm bemerkbar macht. Das ganze Schiff, Mobiliar, Kleider u. s. w., werden mit diesem feinen Sande bedeckt, derselbe dringt in alle Falten und in die Taschen der Kleider, ja selbst in das Innere der Uhren ein.

Bei 18° R. haben wir einen ziemlich starken Südostwind, der ein unausgesetztes Schaukeln des Schiffes verursacht. Die Strecke von Triest nach Port Said beträgt circa 2500 km, zu deren Zurücklegung wir sechs Tage benöthigten. Die Entfernung von Port Said nach Aden wird auf ungefähr 2700 km, und jene von Aden nach Bombay auf etwa 2900 km berechnet. Unser Schiff dürfte daher, wenn es seine Fahrt nicht etwas beschleunigt, mit Einschluss des eintägigen Aufenthaltes in Aden, bis zu seiner Ankunft in Bombay noch 15 Tage brauchen, und somit erst am 22. Februar dort anlangen.

Am 6. Februar passirten wir Vormittags den Wendekreis des Krebses, und mithin befinden wir uns in der tropischen Zone. Die Wärmegrade deuten dies aber noch nicht an, denn das Thermometer zeigt nicht mehr als 18° R., eine für das Rothe Meer verhältnissmässig geringe Temperatur, welche durch das Umschlagen des Windes in Nordost herbeigeführt wurde.

Da der Wendekreis des Krebses in den 23½ Grad nördlicher Breite, und Triest in den 45½ Grad nördlicher Breite fällt, so sind wir am 6. Februar Vormittags um 22 Grad, oder 330 österreichische Meilen, oder um 2500 km südlicher als Triest, eine Entfernung, welche der von Stockholm nach Messina gleicht. Da Wien um 280 km nördlicher als Triest liegt, so befinden wir uns 2780 km südlicher als unsere Kaiserstadt. Was den Unterschied an Breitegraden betrifft, so liegt Triest im 14. Grad östlicher Länge, während wir heute an Ort und Stelle den 37. Grad östlicher Länge zählen und somit um 23 Grad östlicher als Triest sind – eine Distanz, welche der von Strassburg bis nach Kiew gleichkommt. Bei dem Umstande, als die einmalige Drehung eines Breitekreises der Erde 24 Stunden währt, das sind 360 Grade in 24 Stunden, so ist der um 15 Grad östlicher gelegene Meridian um eine Stunde in der Tageszeit voraus. Es entspricht also ein Grad Breite gerade vier Minuten unserer Zeitrechnung, woraus es sich ergibt, dass wir am 6. Februar 23 × 4, das ist um 92 Minuten der Tageszeit von Triest voraus sind. Im Vergleiche zu Wien, welches ungefähr im 16. Grad östlicher Länge liegt, beträgt der Zeitunterschied nur 84 Minuten.

Auch am heutigen Tage verdeckt die ringsum gelagerte Wüstenstaubwolke die beiderseitigen Ufer. Die Schnelligkeit des Schiffes mag jetzt 10 Seemeilen oder 18 km in der Stunde betragen.

Am 7. Februar währt der Nordostwind noch fort, und zwar im erhöhten Masse, wodurch einerseits das Schaukeln des Schiffes zunimmt, anderseits aber durch Aufziehen der Segel die Fahrt beschleunigt wird. Das Wetter ist heiterer als in den beiden letzten Tagen, gestattet aber noch immer keine Aussicht auf die beiderseitigen Ufer, denn am Horizont lagern stets nebelhafte Gebilde. Die Temperatur ist auf 20° R. gestiegen, macht sich aber des heftigen Windes halber nicht stark fühlbar, dabei empfindet man es indess als grosse Wohlthat, auf dem Schiffe Bäder nehmen zu können. Die Temperatur des Meerwassers beträgt jetzt 19° R., sonst hat sie gewöhnlich den gleichen Wärmegrad wie die Luft, ja mitunter ist das Meerwasser sogar wärmer als die Temperatur der Luft.

Im Verlaufe der Fahrt vom 6. zum 7. Februar befanden sich ostwärts der arabischen Küste die den Muhamedanern heiligen Städte Medina, und etwas über 300 km südlich davon Mekka, die beiden Hauptpilgerorte aller Korangläubigen. Westlich vom Dampfer liegt das zu Aegypten gehörige Nubien, durchquert vom Nil, jenem Flusse, welcher in der Nähe des Aequators aus dem Victoria-See tritt und sich nach einem mehr als 4000 km langen Laufe in das Mittelländische Meer ergiesst, wobei er späterhin bei seinen jährlichen Ueberschwemmungen die mitgenommenen Erdbestandtheile absetzt und hierdurch die grosse Fruchtbarkeit von Unter-Aegypten herbeiführt. Der Nil ist der längste von allen Flüssen der Erde. An der Grenze von Nubien gegen Sudan hat die englisch-ägyptische Armee im verflossenen Jahre nach bewunderungswerther, umsichtiger Einleitung und Durchführung von militärischen Massregeln die schier unüberwindlich scheinenden Derwischtruppen vollständig geschlagen, und hierdurch ein, für diesen Theil von Afrika heilsames Werk vollbracht. Am Abende des 7. Februar trat die Nordspitze des grossen Reiches Abessinien hervor, jenes Reiches, welches die Italiener nach dem unglücklichen Feldzuge unter der Oberleitung des Generals Barattieri aufgegeben haben.

Am 8. Februar erblickten wir im Südwesten der Halbinsel Arabien das Land Jemen, von welchem Heinrich Heine in seinem Gedichte »Asra« behauptet, dass die Menschen dort sterben, wenn sie lieben. Die Temperatur stieg einstweilen auf 22° R., und bei etwas umdüstertem Himmel nahm der Wind allmälig ab.

Das Leben auf dem Schiffe richtete ich mir ganz angenehm ein. Nach meinem ersten Frühstück, also nach 8 Uhr Morgens, gehe ich auf das Deck und halte Umschau, wobei ich auf der Karte die Stelle aufsuche, wo sich das Schiff eben befindet, dann beurtheile ich die allgemeine Lage, und spaziere hierauf auf dem Deck herum oder nehme ein Bad. Um 10 Uhr Früh wird das zweite Frühstück eingenommen, während welchem ich hauptsächlich mit dem Schiffscapitän conversire. Von 11 bis 1 Uhr Mittag schreibe ich an diesen Blättern und mache mir sonstige Vormerkungen. Um 1 Uhr Mittags, zur Zeit des zweiten Gabelfrühstücks, promenire ich abermals auf dem Deck, welches mittlerweile mit Plachen überdeckt wurde. Hierauf beschäftige ich mich von 2 bis ½6 Uhr mit Lectüre, besonders mit der von Murray in englischer Sprache geschriebenen Zusammenstellung der Sehenswürdigkeiten von Indien und Japan, und gehe dann um 6 Uhr zum Diner. Nach dem Essen spielt der holländische Passagier lustige Weisen auf dem Clavier, später lese ich noch aus Baron Hübner's Werke »Autour du monde« jenen Theil, der von China handelt, nehme eine Schale Thee und gehe um 10 Uhr Abends zu Bette. Die Cabine glich in der Nacht vom 8. zum 9. Februar, trotz des nur mit Jalousien verschlossenen Fensters, einem Dampfbade.

Am 9. Februar war es leicht umwölkt, ziemlich windstill und die Luft hatte 23° R. Um 10 Uhr Vormittags fuhren wir bei der an Arabiens Küste gelegenen Stadt Mocca vorbei, nach welcher die rühmlich bekannte Kaffeesorte benannt ist, und um 6 Uhr Abends passirte das Dampfschiff die Meerenge von Bab el Mandeb, das Thor der Thränen, kam dabei an der, in der Mitte derselben gelegenen, den Engländern gehörigen Insel Perine vorbei und gelangte nun aus dem Rothen Meere in den Golf von Aden, respective in den Indischen Ocean. Hierauf wendete sich das Schiff von Afrika nach Osten ab, um nach Aden zu fahren. Der Name »Rothes Meer« soll daher rühren, dass in den Monaten Juli und August der von dem Winde hergebrachte Wüstenstaub durch die Sonnenstrahlen einen rothen Schimmer erhält. Zur Zeit meiner Durchfahrt hatte das Meer die gleich tiefblaue Färbung wie anderwärts.

Reise über Indien und China nach Japan.

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