Читать книгу Toni der Hüttenwirt Extra 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner - Страница 3

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Die Tierarztpraxis war noch geschlossen. Moni klingelte.

Beate öffnete die Tür.

»Grüß Gott, ich bin Moni! Ich wollte mich von dem wiedergefundenen Hund verabschieden.«

Beate lächelte. »Komm rein, Moni, und Grüß Gott! Da hast du Pech. Die Familie wollte sich nicht aufhalten. Sie haben ihn entgegengenommen, sich bedankt und sind gleich weitergefahren. Die Kinder drängelten. Sie sind auf dem Weg in den Urlaub zu Verwandten. Dort steht eine große Familienfeier bevor. Sie haben einen Tag verloren, weil sie den Hund gesucht hatten.«

»Das ist schade«, bedauerte Moni. »Katja hat mir Leckerli für ihn mitgegeben.«

»Dann nimmst sie wieder mit zurück. Du kannst sie Coco schenken, der jungen Boxerhündin der alten Walli. Sie wohnt im Altenteil bei Martin und Katja. Der Hof hat ihr früher gehört.«

»Das mache ich.«

»Willst du eine Tasse Kaffee mit uns trinken?«, fragte Beate.

»Ich möchte nicht stören.«

»Du störst nicht. Ich weiß, dass du einen Unfall hattest und der Hund dich gefunden hat. Geht es dir wieder gut?«

»Oh ja, danke. Ich habe nur eine kleine Schramme.«

Beate überredete Moni, doch hereinzukommen.«

Sie gingen in die Küche.

»Das ist mein Mann Carl. Er ist auch Tierarzt.«

»Grüß Gott, Herr Doktor Brand«, grüßte Moni.

»Nicht so förmlich bitte«, lachte Carl. »Wir sind hier in Waldkogel eine große Familie und nehmen jeden gern herzlich auf. Ich bin der Carl.«

»Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Beate«, sagte Beate und schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein.

Moni setzte sich zu ihnen an den Küchentisch. Für einen Augenblick entstand eine Pause.

»Da wir hier wie eine große Familie sind, wissen wir, dass es dir gestern nicht so gut ging, Wolfi hat es uns erzählt. Es steckt wohl mehr dahinter als nur ein kleiner Autounfall?«

Moni errötete. »Das kann man wohl sagen«, seufzte sie. »Aber im Leben gibt es immer wieder Brüche. Danach kommt etwas Neues. Mal sehen, wie es jetzt weitergeht!«

»Und es kommt immer etwas Besseres nach, sage ich immer«, bemerkte Carl.

»Möglich«, sagte Moni, »aber ohne eigenes Zutun geht es nicht. Ich muss sehen, wie ich aus dem Tal herauskomme.«

»Oh, das ist einfach. Du musst nur den Berg hochkraxeln«, sagte Beate.

»Das stimmt. Aber so einfach ist das nicht. Ich will es mal so sagen, ich hätte mich schon längst abseilen sollen, bevor es zum Absturz kommen konnte. Aber oft klebt man an einer Illusion fest. Ich habe mir jedenfalls lange etwas vorgemacht. Und jetzt stehe ich vor einem Scherbenhaufen.«

»Wir haben eine große Kehrschaufel und einen Besen. Wir können dir vielleicht bei der Beseitigung helfen«, bot ihr Beate an.

»Danke, das hast du lieb gesagt. Aber ich befürchte, eine Kehrschaufel und ein Besen reichen nicht. Es muss schon ein Räumteam her mit einem Schaufelbagger.«

»So schlimm?«, fragte Beate.

»Ja! Aber ich will mich nicht beschweren. Es wird schon werden. Nach der Nacht, die ich bei Martin in der Praxis verbrachte habe und einem guten Frühstück fühle ich mich schon besser. Martin hatte mir gestern ein Schlafmittel gespritzt. Und zum ersten Mal seit vielen Nächten, habe ich durchgeschlafen. Das tat mir gut.«

»So, und jetzt mal Klartext, können wir helfen?«, fragte Carl.

Moni schüttelte den Kopf. »Danke, das ist wirklich nett von euch, mir helfen zu wollen. Aber ich muss mir zuerst überlegen, wo ich anfange. Okay, den ersten Schritt habe ich getan. Es war wohl eine gute Entscheidung. Ich hätte mich schon vor längerer Zeit dazu durchringen sollen. Aber ich schob es hinaus, gab immer wieder nach. Bis der berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen brachte und ich planlos davon stürzte. Das war ungeschickt. Jetzt muss ich sehen, wie ich mein Leben neu ordne.«

»Mach einen Spaziergang an den Bergsee! Der See ist wunderschön, die Berge spiegeln sich darin. Du wirst sehen, wenn du dort eine Zeitlang die Ruhe auf dich wirken lässt, dann kommen dir lauter gute Gedanken.«

Moni schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: »Vielleicht mache ich das. Aber ich will euch nicht länger aufhalten. Sicher ist in einer Landarztpraxis viel zu tun. Ich habe davon ein bisserl Ahnung.«

»So, wie kommt's?«, fragte Beate.

Moni sah verlegen beiseite. »Ich habe mal Tiermedizin studiert. Zwei Semester vor der Abschlussprüfung habe ich aufgehört und gab mich mit dem Beruf der Tierarzthelferin zufrieden.«

»Das ist auch ein schöner Beruf. Aber warum hast du dein Studium hingeworfen?«

»Wegen einer Beziehung und wegen noch etwas, wie das oft so ist. Heute könnte ich mich dafür ohrfeigen.«

»Dann studiere zu Ende«, sagte Carl.

»Das würde ich gerne machen, aber so leicht ist das nicht. Daran will ich jetzt nicht denken. Ich habe zuerst andere Dinge zu regeln.« Moni trank ihren Kaffee aus und stand auf. »Danke für den Kaffee und das gute Gespräch!«

»Mei, das ist doch selbstverständlich. Leider konnten wir nicht mehr für dich tun. Solltest du noch länger in Waldkogel bleiben, kannst du uns gerne besuchen«, sagte Beate. Sie brachte Moni zur Tür.

»Carl, die Moni sieht schlecht aus. Das Madl ist fast nur noch Haut und Knochen«, sagte sie, als sie zurück in die Küche kam.

»Das stimmt. Sie scheint viel durchgemacht zu haben. Es gibt eben Sachen, die bleiben nicht in den Kleidern, Beate.«

»Das stimmt!«

»Martin wird sie schon aufpäppeln.«

»Davon gehe ich auch aus, Carl.«

Das Praxistelefon klingelte. Carl musste zu einem Aussiedler-Hof. Beate blieb in der Praxis. Bald würde die Sprechstunde beginnen.

Moni trat auf die Straße und sah sich um. Waldkogel gefiel ihr. Die Luft war sauber und es war ruhig.

Wie friedlich es hier ist, dachte sie. Vielleicht hat es einen Sinn, dass ich hierhergefahren bin, obwohl das nicht mein Plan war. Sie versuchte sich zu erinnern, wie sie nach Waldkogel gekommen war. Es war vergeblich. Die Straßen, die sie entlanggefahren sein musste, waren nicht in ihrem Gedächtnis gespeichert. Sie erinnerte sich nur an den Streit, den sie mit ihm hatte und wie sie wütend aus dem Haus gerannt war. Zu sich gekommen war sie erst, als sie auf dem Feldweg im Graben gelandet war.

Nun, wenn ich schon mal hier bin, werde ich mir diesen Flecken näher ansehen und die Leute hier sind sehr freundlich, dachte Moni.

Sie beschloss, auf Erkundungstour zu gehen.

*

Gewolf Irminger, der von allen nur Wolfi gerufen wurde, wurde unterwegs mehrmals aufgehalten und kam später an der Tierarztpraxis an.

»Du hast sie beide verfehlt«, schmunzelte Beate. »Die Hundebesitzer sind gleich weitergefahren. Und dein Schützling hat vor wenigen Minuten das Haus verlassen. Sie hat eine Tasse Kaffee mit uns getrunken. Nettes Madl, Wolfi!«

»Die Moni ist ein fesches Madl, auch wenn sie sehr mitgenommen aussieht«, fügte Carl hinzu.

Wolfi errötete.

»Gib es zu, sie gefällt dir«, lachte Beate.

»Mei, ich habe nie gesagt, dass sie hässlich ist«, brummte Wolfi.

»Zier dich nicht so, Wolfi. Seit du sie gesehen hast, geht sie dir nicht aus dem Kopf.«

»Wie kommst darauf, Carl?«

»Wolfi, dein Verhalten war schon erstaunlich. Du hast mit dem Polizeiauto den Hund hergebracht, dann wolltest du zu Fuß zu Martin in die Praxis. Erst unterwegs ist dir eingefallen, dass dein Dienstwagen hier steht. Da bist umgedreht. Es war zwar dunkel, aber ich konnte sehen, wie peinlich es dir war. Mei, ich bin auch ein Mann, ich kann mir einen Reim darauf machen.«

»Denke, was du willst, Carl! Aber rede nicht drüber. Ich will nicht, dass man mir etwas andichtet.«

»Herrschaftszeiten, was bist heute empfindlich! Gut, du hast unser Wort, dass wir es für uns behalten. Außerdem muss ich jetzt zu einem Notfall. Pfüat di!« Doktor Carl Brand stieg in den großen Geländewagen und fuhr davon.

»Magst du einen Kaffee?«, fragte Beate. »Ich habe noch einige Minuten, bis die Sprechstunde beginnt.«

»Naa, ich mache mich wieder auf den Weg. Danke, Beate, und pfüat di.« Wolfi drehte sich um, steckte die Hände in die Hosentaschen und ging davon.

Er fuhr zur Praxis von Doktor Martin Engler und erkundigte sich nach Moni.

»Am besten fragst du Katja«, antwortete Erna Schulz, Martins Sprechstundenhilfe. »Martin nimmt gerade eine große Untersuchung vor, da darf man ihn nicht stören.«

»Dann muss es der Moni doch nicht so gut gehen, wenn du mir keine Auskunft gibst, Erna«, bemerkte Wolfi.

»Doch, es geht ihr gut. Aber ich muss etwas fertigmachen. Der Brief muss heute noch raus«, sagte Erna und wandte sich wieder dem Computer zu.

Wolfi kannte sich im Haus aus. Er ging in die große Wohnküche und klopfte an den Türrahmen.

Katja drehte sich um. »Grüß Gott, Wolfi! Hast du ein bisserl geschlafen?«

»Grüß dich, Katja! Ja, ein paar Stunden schon. Beate und Carl riefen mich an, die Hundebesitzer wollten sich bei mir bedanken. Aber als ich in die Praxis kam, waren sie doch schon abgefahren. Die Kinder hätten gedrängelt.«

»Vielleicht melden sie sich auf dem Rückweg aus dem Urlaub bei dir.«

»Das ist möglich.«

»Hast du Moni getroffen? Sie wollte sich auch von dem Hund verabschieden.«

»Naa, die Moni war nicht mehr dort. Ich bin auf dem Weg dorthin aufgehalten worden und habe sie verfehlt. Du weißt doch, wie das ist in Waldkogel. Die Leute halten gern ein Schwätzchen, wenn sie mich sehen.

»Ja, das weiß ich. Schlimm ist das nicht, ganz im Gegenteil. Es ist irgendwie familiär, wie jeder hier mit jedem umgeht.«

»Das stimmt schon. Unhöflich wollte ich auch nicht sein. Es ärgert mich aber, dass ich deshalb die Moni verpasst habe. Wie geht es ihr?«

»Sie hat den Unfall gut überstanden. Sie hat mit großem Appetit gefrühstückt. Mei, sie hat wirklich zugelangt. Das ist auch gut, so schmal, wie sie ist.«

»Magersüchtig? Oder vielleicht leidet sie an Bulimie? Ich habe neulich in der Zeitung darüber einen Artikel gelesen.«

Katja schüttelte den Kopf. »Nein, sie leidet an keiner der beiden Krankheiten. Sie hat nur Kummer. Wenn ich mir das Wenige, was sie erzählt hat zusammenreime, dann hat sie sich von einem Mann getrennt, mit dem sie zusammen war, diesem Arnold Lehmann. Auf den das Auto zugelassen ist. Sie muss völlig planlos davongelaufen sein. Sie hat keine Sachen dabei und sie hat nach der falschen Handtasche gegriffen. Das heißt im Klartext, sie hat keine Papiere dabei.«

»Verstehe, deshalb habe ich weder Führerschein noch Ausweis gefunden. Die Tasche war leer.«

»Bis auf eine Kreditkarte, die sie wohl irgendwann mal darin vergessen hatte«, ergänzte Katja.

Er rieb sich das Kinn. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand seine Kreditkarte in einer Handtasche lässt und sie dann vergisst.« Wolfi dachte, dass Moni im Auto ihres Exfreundes davongebraust war. Er hatte doch wissen müssen, dass sie es war. Da meldet man doch nicht gleich den Wagen als gestohlen! Außerdem müssen ihn die Kollegen befragt haben. Hat er angegeben, dass seine Freundin den Wagen gestohlen hat oder hat er eine Anzeige gegen Unbekannt gemacht? War das Erstere der Fall, dann war er wirklich ein schlimmer Typ. Im Klartext hieße das, er lässt nach ihr fahnden. Womöglich lag eine Diebstahlanzeige gegen Moni Stegmüller vor.

»Du bist so still, Wolfi?«

»Entschuldige, Katja, ich war in Gedanken bei der Arbeit. Ich muss noch einmal in die Dienststelle, obwohl Wochenende ist. Kannst du mich anrufen, wenn Moni zurück ist?«

»Das mache ich.«

Wolfi verabschiedete sich und ging.

Walli begegnete ihm im Hof. Sie grüßte ihn laut, aber er winkte nur kurz und ging weiter.

»Katja, was ist mit Wolfi los? Der bekam eben nicht die Zähne auseinander für einen Gruß.«

»Dafür kann es nur einen Grund geben. Es ist klein, zierlich, blond, hat wunderschöne Augen und heißt Moni.«

»Wirklich? Es ist kaum zu glauben, dass es jemand geschafft hat, Wolfi den Kopf zu verdrehen«, lachte die alte Walli.

Katja grinste. »Doch, doch, so scheint es zu sein. Jedenfalls benimmt sich Wolfi sehr eigenartig, seit er sie aus ihrem Auto gerettet hat.«

»Dann hat es ihn erwischt. Burschen benehmen sich oft eigenartig, wenn sie hinter einem Madl her sind. Da tun sie Sachen, von denen man nie angenommen hatte, dass sie dazu fähig seien.«

»Walli, das stimmt. Das musste ich auch gerade feststellen.« Dabei dachte sie an Gewolf Irminger. Martin hatte ihr erzählt, was in der Nacht passiert war. Wolfi hatte ihn gebeten, den Wagen, den Moni gefahren hatte, zurück zum Bruchweg zu fahren, wo er sie gefunden hatte. Der Wagen war als gestohlen gemeldet worden. Dabei hatten sie den Wagen erst Stunden vorher geholt und unterm Carport abgestellt. Dass ein verliebter Bursche sein Madl in Schutz nimmt, konnte Katja verstehen. Aber noch war Moni nicht Wolfis Madl. Tatsache war nur, dass Wolfis Gedanken ständig um Moni kreisten. Dass er aber seine Verpflichtung als Polizist hintenanstellte, wunderte sie sehr. Katja kannte sich zwar in den Feinheiten der Gesetze nicht aus, doch ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass sich Wolfi unter Umständen strafbar gemacht hatte und Martin auch. Martin würde man vielleicht nicht nachweisen können, dass er wusste, dass das teure Auto als gestohlen gemeldet war. Aber für Wolfi konnte es gefährlich werden. Wenn es hart auf hart kam, konnte es ihn seine Karriere bei der Polizei kosten.

»Du bist so schweigsam, Katja?«, bemerkte Walli.

Katja lächelte verlegen. »Entschuldige, ich war in Gedanken. Ich habe darüber nachgedacht, wie sehr sich ein Mensch verändern kann.«

»Du meinst, wenn er sich verliebt?«

»Mm«, brummte Katja, sie wollte lieber nicht ins Detail gehen.

»Menschen verändern sich immer. Und bei einem Burschen, der so lange Zeit schon vergeblich der Liebe nachgejagt war, kann ich mir gut vorstellen, dass die Liebe ihn sehr verändert, wenn sie ihm dann endlich begegnet.«

»Im Guten oder im Schlechten?«, fragte Katja. Der Gedanke war ihr über die Lippen gerutscht, ohne dass sie ihn hatte aussprechen wollen.

Die alte Walli sah sie erstaunt an und runzelte die Stirn. »Katja, du sprichst in Rätseln. Willst du nicht offen mit mir reden?«

»Walli, sei mir nicht böse! Nimm es bitte nicht persönlich! Ich möchte es nicht.«

»Warum? Hast du plötzlich Geheimnisse vor mir?«

»Jetzt hast dich doch geärgert.«

»Das habe ich nicht, Katja. Ich weiß aber, was ich weiß. Ich bin eine alte Frau, aber denken kann ich immer noch ganz gut. Mein Oberstübchen funktioniert wie ein Uhrwerk. Also, jetzt sage ich dir, was ich mir denke. Du musst dazu nix sagen. Ich denke, du willst nicht, dass ich in etwas hineingezogen werde, was unrecht ist. Und du hast Angst, man könnte Martin daraus einen Strick drehen.«

»So?«, gab sich Katja erstaunt.

»Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen, Madl!«, zischte die alte Walli. Wenn sie Katja Madl nannte, dann war sie ärgerlich.

Katja atmete tief durch. Sie schwieg verlegen.

»Dann sage ich es dir,« fuhr Walli fort. »Also, zuerst haben Martin und Wolfi das Auto geholt. Sie haben es unterm Carport abgestellt und zusätzlich noch mit einer Plane abgedeckt. So weit so gut. Da war nichts daran auszusetzen. Dass sie es aber in den frühen Morgenstunden wieder fortgebracht haben, ist sehr seltsam. Als ich mit Coco Gassi war, bin ich mit ihr zum Bruchweg gegangen. Dort steht der Wagen wieder. Sie haben ihn sogar in den Graben rollen lassen. Also sage ich mir, dass da etwas nicht stimmen kann. Warum holten sie zuerst das Auto und dann ließen sie es wieder vom Hof verschwinden? Dafür kann es nur einen Grund geben: Mir geht der Gedanke nicht aus dem Sinn, dass das Auto gestohlen sein könnte. Und wenn es so ist, dann kann man Wolfi eine Schlinge daraus drehen, wenn es herauskommt. Und Martin hängt mit drin. Aber keine Angst, wenn mich jemand fragen sollte, ob ich hier so ein Auto gesehen habe, dann werde ich Stein und Bein schwören, dass ich nie und nimmer so einen Luxuskarren gesehen habe. Denn aufgefallen wäre es mir bestimmt. So ein Auto bekommt man in Waldkogel nicht oft zu Gesicht. Ich habe diese Automarke und das Modell nur im Fernsehen gesehen. Verstehst du?«

Katja umarmte die alte Frau. »Ach, Walli, du bist ein Schatz!«, flüsterte sie. Dann schloss Katja die Tür zum Flur, die meistens offenstand, so wie alle Fenster. Sie setzte sich neben Walli an den Tisch. Mit gesenkter Stimme sagte sie: »Das Auto gehört Monis Ex-Freund, einem Arnold Lehmann in München. Sie hat sich gestern von ihm getrennt. Sie ist aus dem Haus gestürzt, hat sich das Auto geschnappt und ist davongerast. Dabei hat sie die falsche Handtasche genommen. Wie sie nach Waldkogel kam, daran kann sich das Madl auch nicht erinnern. Sie hat keinerlei Erinnerung daran, dass sie durch Kirchwalden gefahren ist.«

»Menschen, die unter Schock stehen, die können oft keine Erinnerungen speichern. Das dürfte dir doch bekannt sein, Katja.«

Katja nickte. »Wolfi hat gestern Abend die Nummer überprüfen lassen, auf Umwegen. Er war auf der Suche nach Angehörigen von Moni. Das Auto wurde heute Nacht als gestohlen gemeldet. Monis Ex-Freund hat Anzeige erstattet.«

»Will er sein Auto zurück mit Moni oder ohne Moni?«, fragte Walli. Dabei versuchte sie, ein ernstes Gesicht zu machen.

Doch sie mussten beide laut lachen.

»Vielleicht ist das eine berechtigte Frage. Möglicherweise hat er nur eine Diebstahlsanzeige aufgegeben, damit nach seiner Freundin gefahndet wird«, schlussfolgerte Walli. »Ist doch mal eine spannende Art, einem Madl nachzustellen, meinst du nicht?«

»Mei Walli, das ist ein guter Scherz«, lachte Katja.

»Darin liegt Wahrheit, Katja. Es gibt Burschen, denen ist ihr Vehikel mehr Wert als ihre Liebste, egal ob Freundin oder Frau.«

»Ja, solche Mannsbilder soll es geben«, stimmte Katja ihr zu.

»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Walli.

Katja zuckte mit den Schultern. »Auf jeden Fall wird es kompliziert werden, denke ich. Moni hat keine Papiere dabei. Die sind in einer anderen Handtasche. Sie muss sie neu beantragen. Normalerweise könnte sie Personalausweis, Reisepass und Führerschein als verloren melden. Doch das wird jetzt kaum gehen, da nach ihr als Autodiebin gefahndet wird, verstehst du, Walli?«

Walli dachte nach. »Da magst du recht haben. In dem Fall kann Fellbacher schwerlich helfen. Sobald die Daten im Computer sind, schnappt die Falle zu. Leider ist heute alles elektronisch geregelt«, klagte Walli. »Hast du den Eindruck, dass die Moni zu dem Burschen zurück will?«

»Nach dem Nervenzusammenbruch kann ich mir das nicht vorstellen, Walli. Aber man soll nie Nie sagen. Jedenfalls sagte sie, dass sie ihre Papiere nicht bei ihm holen will. Sie will nächste Woche neue beantragen.«

»Das soll sie mal schön bleiben lassen«, platze Walli heraus. »Mei, sie hat sie einfach nicht vermisst.«

Katja lachte. »Du hast eine ganz schöne kriminelle Energie, Walli. Das habe ich gar nicht gewusst. Du schaust zu viele Krimis.«

»Das mache ich nicht«, wehrte sich Walli, »Die meisten Krimis sind langweilig. Meistens weiß man nach fünf Minuten schon, wer der Täter ist. Aber die Handlung wird auf Filmlänge gezogen wie Kaugummi. Na, das ist nix für mich. Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen. Aber jetzt zum Thema. Wie soll es jetzt mit Moni weitergehen?«

Katja zuckte mit den Schultern. »Nun, sie braucht eine Bleibe.«

»Ein Versteck, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Vielleicht zieht der Bursche die Anzeige zurück, wenn er seine Luxuskarosse wiederhat?«

»Dein Wort in Gottes Gehörgang, Walli. Ich kenne mich da nicht aus. Da muss sich Wolfi etwas einfallen lassen.«

»Da ihm offensichtlich etwas an dem Madl liegt«, sagte Walli. »Alles zusammengenommen, ist es keine einfache Situation.« Sie stand auf und nahm sich eine Tasse Kaffee. »Katja, ich könnte mit Coco noch mal Gassi gehen, zufällig am Bruchweg vorbei. Dort könnte mir der Wagen auffallen. Ich rufe dann die Polizei an und melde, dass ein Auto im Graben liegt. Wolfi kann tätig werden und der Bursche bekommt sein Vehikel zurück.«

»Mei, Walli, das ist eine gute Idee«, sagte Katja. »Und ich sage dir auch, warum. Wir haben Wochenende. Alle Anrufe werden automatisch nach Kirchwalden weitergeleitet. Somit ist Wolfi damit nicht befasst.«

»Siehst du, da haben wir schon eine Lösung«, verkündete Walli zufrieden. »So einfach ist das.«

»Walli, nur wenn Wolfi damit einverstanden ist. Und dann ist es nur ein Teil der Lösung.«

»Das stimmt. Aber zumindest lässt sich Zeit gewinnen«, stellte Walli fest.

»Du kannst aber nicht einfach losgehen. Wolfi sollte es wissen. Wir sind Laien in solchen Sachen. Am Ende wird alles vielleicht nur noch schlimmer«, wandte Katja ein.

Walli musste ihr zustimmen. »Dann musst mit ihm reden. Rufe ihn an! Er soll kommen, damit wir die Sache bereden können. Ich bin bereit.« Walli stand auf. »Ich gehe, du weißt, wo ich zu finden bin.«

Katja griff zum Telefon und rief Wolfi Irminger an. »Katja hier!«

»Ist Moni bei euch?«, fragte Wolfi sofort.

»Nein, aber sie wird noch kommen. Es geht um das Auto.«

»Welches Auto?«

»Mei, Wolfi, tu nicht so unschuldig! Martin hat mir alles erzählt. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dass der Mann sein Auto wiederbekommt, ohne dass du etwas damit zu tun hast.«

»Meinst? Wie?«

»Wolfi, komm her! Geh aber hinten herum. Nimm die hintere Gartentür und warte in der Laube. Ich komme mit Martin raus.«

»Du machst es ja spannend, Katja.«

Katja lachte. Sie verabschiedete sich und legte auf. Damit Erna nichts erfuhr, rief Katja ihren Mann über sein privates Handy an, obwohl er nur wenige Schritte von ihr entfernt im Behandlungszimmer saß. In kurzen Worten fasste sie das Gespräch mit Walli zusammen.

»Gut, dann komme ich dorthin«, antwortete Martin.

Er hatte es bewusst neutral formuliert, weil vor seinem Schreibtisch ein Patient saß.

Es war der letzte Patient an diesem Vormittag gewesen. Einmal im Monat hielt Martin am Samstagvormittag eine Sondersprechstunde ab, für Berufstätige, die während der Woche in München arbeiteten und nur zum Wochenende heim nach Waldkogel kamen. Seine Patienten waren ihm dafür sehr dankbar.

»So, Erna, das war es. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende«, sagte Martin.

»Danke, das wünsche ich dir und Katja auch. Was ist jetzt mit dem jungen Madl?«, fragte Erna.

»Ihr geht es wieder gut. Es war mehr seelisch. Ich habe ihr geraten, das Wochenende in Waldkogel zu verbringen und über alles nachzudenken. Dabei vertraue ich auf die Wunderkräfte der Natur.«

»Unsere schönen Berge haben schon vielen Menschen zu klaren Gedanken und Stärke und Zuversicht verholfen, Martin. Ach, da fällt mir ein, wie steht es mit der Abrechnung? Ich habe keine Krankenversicherungskarte von ihr gesehen und du hast nichts aufs Krankenblatt eingetragen.«

Martin reagierte blitzschnell. »Ach, das habe ich vergessen. Sie ist Privatpatientin. Sie hat mich schon bezahlt. Katja wird später die Rechnung schreiben und eine Quittung ausstellen.«

»Sie hat schon bezahlt? Ohne Rechnung?«

»Mei, was hätte ich machen sollen? Sie hat mir das Geld hingelegt und wollte nicht warten. Das geht schon in Ordnung. Wenn du nächste Woche kommst, kannst du die Rechnung in die Buchhaltung einsortieren.«

Erna nickte. Sie verabschiedete sich noch einmal und ging.

Martin atmete tief durch und ging zu Katja in die Küche. Er erzählte ihr von dem kleinen Gespräch mit Erna.

»Du hast gut reagiert. So machen wir es«, antwortete Katja.

Während sie etwas zu Trinken und Brezeln in einen Korb packte, berichtete sie ausführlich von Wallis Vorschlag.

Da hörten sie auch schon das hintere Gartentürchen quietschen.

*

Sie setzten sich in die Gartenlaube. Katja schenkte für alle Saft ein.

»Also, ich rede jetzt mal Klartext«, sagte Martin zu Wolfi, »Walli hat mitbekommen, dass wir heute Nacht das Auto wieder weggebracht haben. Sie hat heut Morgen mit Coco einen Spaziergang zum Bruchweg gemacht und das Auto dort gesehen. Sie hat sich Gedanken gemacht und sich etwas zusammengereimt.«

»Hoffentlich behält sie es für sich«, seufzte Wolfi. »Du weißt, wir können in Teufelsküche kommen.«

»Du mehr, als ich, Wolfi. Ich kann mich darauf berufen, dass ich nichts gewusst hätte.«

»Das wird dir niemand glauben, sage ich dir in meiner Eigenschaft als Polizist.«

»Du hattest frei und warst privat bei mir. Du bist ein Freund und gehörst zum engsten Freundeskreis«, konterte Martin.

»Hör auf! Freundschaft schützt vor Dummheit nicht. Ich mache mir Vorwürfe. Ich habe dich dazu angestiftet. Und ich habe mich da in etwas verstrickt.«

»Das stimmt, und ich weiß, in was. Die Liebe hat dich erwischt, Wolfi.«

Wolfi errötete und rieb sich verlegen das Ohrläppchen. »Das stimmt. Bei mir hat es alle Sicherungen durchgehauen, als ich das Madl sah. Ich habe es an jeglicher Professionalität mangeln lassen, habe gehandelt, als hätte ich keinen Funken Verstand. Jetzt sitze ich mittendrin im Schlamassel und muss sehen, wie ich da wieder herauskomme«, stöhnte Wolfi Irminger. Er trank einen Schluck Saft. »Also, ich will ehrlich sein, da ich mich auf eure Verschwiegenheit verlassen kann.«

»Das kannst du mit Sicherheit«, bekräftigte Martin.

Katja nickte.

»Nachdem mich der Kollege privat über die Diebstahlsanzeige des Fahrzeughalters informiert hat, ließ mir die Sache keine Ruhe. Ich war vorhin in der Dienststelle und habe im Computer die neusten Meldungen eingesehen. Ich denke, das wird nicht weiter auffallen, da ich an meinen freien Tagen schon oft im Büro war, um den Rest an Schreibkram zu erledigen, der liegengeblieben war. Damit es wirklich so aussieht, habe ich auch einige Kleinigkeiten zu Protokoll gebracht. So weit, so gut. Also, der Ex von Moni hat keine Diebstahlsanzeige gegen Unbekannt aufgegeben, sondern Moni Stegmüller direkt wegen Diebstahl des Autos angezeigt.«

»So ein Dreckskerl!«, schimpfte Martin.

»Du sagst es. Ich hoffe, dass er letzten Endes damit nicht durchkommt. Wird Moni gefasst – durch mich nicht, dass schwöre ich und wenn es mich den Posten kostet! Und das sage ich nicht nur so daher. Ich habe gründlich nachgedacht. Zurück zum Thema, sollte es soweit kommen, dass Moni vor Gericht landet, dann gibt es immer noch das Recht der Gewohnheit. Ich nehme an, das muss begründet werden und notfalls mit Zeugen belegt werden, ob Moni das Auto immer zur Verfügung gestanden hatte und sie damit fahren konnte, wann sie wollte.«

»Also eine Art Gewohnheitsrecht?«, fragte Katja.

»Genau, wir wissen, Moni hat mit dem Typen zusammengelebt. Das nennt man eine eheähnliche Gemeinschaft. Wenn zwei Menschen zusammenleben, die nicht verheiratet sind, sieht der Staat dies trotzdem fast wie eine Ehe an, nämlich als Bedarfsgemeinschaft. Dabei wird vorausgesetzt, dass jeder auch die Sachen des anderen nutzen kann.«

»Das ist mir bekannt«, bemerkte Martin.

»Aber erst einmal würde Moni als Autodiebin verhaftet werden. Sie würde erkennungsdienstlich behandelt, Fingerabdrücke, Fotos und so weiter. Du verstehst? Ich gehe davon aus, dass sie nicht in Haft kommen würde. Aber bis zum Prozess, im ungünstigsten Fall, hätte sie erhebliche Nachteile. Natürlich könnte ein Richter oder ein Staatsanwalt die Sache einfach vom Tisch wischen. Aber ihr Ex-Freund ist in München eine große Nummer. Deshalb habe ich so meine Bedenken. Hinzu kommt wahrscheinlich eine Anzeige, weil sie Auto gefahren ist, ohne den Führerschein dabei zu haben. So wie ich den Burschen einschätze, wird er aus gekränkter Eitelkeit alle Register ziehen, um ihr Schwierigkeiten zu machen. Es gibt Männer, die werden bösartig, wenn ihnen eine Frau den Laufpass gibt.«

Martin Engler seufzte. »Das hört sich alles nicht gut an, Wolfi. Was machen wir also?«

»Nun, es wäre wirklich gut, wenn das Auto gefunden würde, noch dieses Wochenende«, sagte Wolfi. »Ich finde Wallis Angebot interessant. Jeder wird einer alten Frau, die mit einem kleinen Welpen Gassi geht, glauben, dass sie nichts mit der Sache zu tun hat. Sie kann einfach melden, da steht ein Auto im Graben. Und da ich dieses Wochenende freihabe, müssen die Kollegen in Kirchwalden die Angelegenheit regeln. Dann wäre der Wagen schon mal wieder bei seinem Eigentümer. Bleibt die Fahndung nach Moni Stegmüller. Die macht mir Kopfzerbrechen, Martin. Das arme Madl. Du weißt, wie aufgelöst sie war. Hat sie etwas erzählt?«

»Nur in vagen Andeutungen. Sie will nicht mehr zu ihm zurück, nicht einmal mehr ihre Sachen holen, nicht einmal ihre Papiere.«

»Davon würde ich ihr auch dringend abraten, unter den gegebenen Umständen.«

»Das musst du uns nicht weiter erläutern, Wolfi. Wir verstehen es.«

Wolfi trank einen Schluck Saft. »Damit ist die Angelegenheit aber nicht vom Tisch. Da das Auto hier gefunden wird, wird unsere Dienststelle ersucht, Nachforschung anzustellen, ob Moni Stegmüller hier gesehen wurde. Ob sie vielleicht in einem Hotel untergekommen ist und so weiter.«

»Sie kann kein Hotel genommen haben, da sie keinen Personalausweis oder Reisepass vorlegen konnte«, bemerkte Katja.

»Stimmt, du bist gut, Katja! Also werde ich, oder noch besser, der Kollege, der ab Montag als Urlaubsvertretung von Chris für einige Tage Dienst macht, den Fall bearbeiten.«

»Dann bist du außen vor«, stellte Martin fest.

»Noch besser wäre, wenn Wolfi gar nicht in Waldkogel gewesen wäre«, sagte Katja. Sie blinzelte Wolfi zu. »Eigentlich bist du in den Bergen. Du machst eine Wanderung und übernachtest auf der Berghütte. Toni gehört zum Freundeskreis.«

»Katja, du bist genial«, sagte Martin.

»Klar, deshalb hast du mich geheiratet«, schmunzelte Katja.

Wolfi Irminger lachte nicht.

»Was ist?«, fragte Martin.

»Erna weiß, dass Moni hier war. Ich habe angerufen, damit du mit dem Saniwagen zur Unfallstelle kommst. Ich habe mich auch bei Erna nach Moni erkundigt.«

»Na und? Das hast du, basta! Du bist eben ein fürsorglicher Bulle«, grinste Martin. »Und danach bist du wandern gegangen. Das kann und werde ich sagen, falls ich befragt werde. Ich habe die Patientin für eine Nacht aufgenommen. Dann hat sie die Arztrechnung bar bezahlt und ist abgereist.«

»Rechnung? Und Rechnungsanschrift?«, murmelte Wolfi.

»Mei, weiß der Geier! Da wird uns schon noch etwas einfallen. Ich bin als Arzt nicht verpflichtet, die Angaben von Privatpatienten zu überprüfen.«

»Im Prinzip nicht«, stimmte ihm Wolfi zu.

»Du kannst die Adresse vom Kloster draufschreiben, mit dem Zusatz – zur Zeit«, schlug Katja spontan vor. »Oberin Justina führt immer wieder sogenannte stille Wochenende durch, damit sich gestresste Menschen erholen können.«

»Willst du die Oberin auch noch mit hineinziehen?«, fragte Martin überrascht.

»Ich werde mit ihr sprechen. Oberin Justina hat Jura studiert und als Juristin gearbeitet, bevor sie ins Kloster eintrat. Sie wird Verständnis haben und Moni beistehen. Überhaupt könnte Moni dort unterkommen, bis sie alles geregelt hat.«

Wolfi Irminger wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. Es war ihm anzusehen, dass ihm der Vorschlag nicht gefiel. »Die ganze Sache kann dauern. Aber mir wäre es lieber, sie käme irgendwo unter, wo sie sicher ist und wo sie in Ruhe die weitere Entwicklung abwarten und sich erholen könnte«, sagte er. »Aber sie muss doch nicht gleich hinter Klostermauern verschwinden.«

Martin lachte laut. »Mei, Wolfi, Moni wird sich doch nicht entschließen, Nonne zu werden! Es soll ja vorgekommen sein, dass Frauen aus enttäuschter Liebe ins Kloster gingen. Aber du übertreibst mit deiner Angst.«

Wolfi stand die Verlegenheit im Gesicht. »Mir wäre es lieber, wenn sie irgendwo wäre, wo es unverfänglicher für mich ist, sie zu sehen, ohne dass ich mich an einer Pforte anmelden muss.«

Martin und Katja sahen ein, dass es ungünstig wäre, Moni im Kloster unterzubringen.

»Mei, wir stehen alle auf der Leitung!«, rief Martin plötzlich aus. »Aber das ist oft so, dass man vor lauter Wald keine Bäume mehr sieht. Du gehst doch jetzt gleich wandern, Wolfi. Du kannst Sachen von mir haben. Am besten nimmst du den Weg durch die Felder, die Klamm hinauf, den Pilgerweg entlang und biegst dann ein, am Erkerchen vorbei zur Berghütte. Du sprichst mit Toni. Erzähle ihm alles! Toni und Anna nehmen Moni bestimmt auf. Sie kann sich meinetwegen einen Fantasienamen zulegen, ein Pseudonym, etwas Unverfängliches, jedenfalls nicht Moni. Sie ist dann ein Madl von irgendwoher, das Urlaub auf der Berghütte macht oder Anna besucht oder dort arbeitet oder sonst etwas.«

Katja war begeistert von Martins Idee.

Wolfi schwieg. »Meinst du, Moni lässt sich darauf ein? Ich müsste erst einmal mit ihr sprechen, wegen der Fahndung«, sagte er schließlich.

»Nix da, Wolfi! Du machst dich sofort vom Acker. Ich hole dir meinen gepackten Wanderrucksack und packe dir Proviant ein. Dann ziehst du los. Moni überlässt du mir und Katja. Außerdem kann es noch dauern, bis sie wiederkommt.«

»Und wenn sie nicht mehr vorbeikommt?«

»Wolfi, wenn, wenn, wenn, jetzt hör aber auf!«, schimpfte Martin ungehalten und stöhnte. »Ein bisserl Menschenkenntnis habe ich auch. Sie wird sich von uns verabschieden, falls sie irgendwohin will, vielleicht zu einer Freundin. Da bin ich mir sicher. Du redest mit Toni und Anna, und wir sehen zu, dass Moni einem Erholungsurlaub auf der Berghütte zustimmt. Sie hat eine Auszeit auch dringend nötig. Und sie wird zustimmen, Wolfi, das verspreche ich dir. Wenn es sein muss, male ich ein düsteres Bild von ihrer Gesundheit. So viel muss ich dabei gar nicht übertreiben. Das Madl hat Untergewicht und außerdem einen Nervenzusammenbruch hinter sich.«

Wolfi dachte nach. »Gut, ich bin einverstanden.«

»Endlich mal ein vernünftiges Wort. Ich hole dir jetzt meine Wandersachen«, sagte Martin erleichtert.

Es dauerte nicht lange, dann kam Martin mit dem gepackten Rucksack.

Wolfi bedankte sich. Er wusste Martins Geste zu schätzen, weil er nicht mehr in seine Wohnung zurück musste. Es hätte sein können, dass er gesehen würde. »Ihr könnt Walli sagen, sie kann ihren Spaziergang mit Coco machen. Und dankt ihr bitte in meinem Namen!«

»Das mache ich gleich, Wolfi«, versprach Katja.

Wolfi schüttelte den beiden die Hand. »Gut, wenn man solche Freunde hat«, sagte er.

»Das musst du nicht extra betonen, Wolfi. Du würdest im umgekehrten Fall uns doch auch zur Seite stehen, wenn wir Beistand bräuchten«, antwortete Martin Engler.

Wolfi lächelte. »Erinnerst du dich, wie wir damals immer gesagt haben: einer für alle und alle für einen? Wie bei den drei Musketieren?«

Martin lächelte. »Natürlich erinnere ich mich. Nur wir waren mehr als drei Musketiere. Es gehörten Toni, Lorenz, Leonhard, du und ich dazu. Fünf waren wir, zumindest der harte Kern. Und diese Freundschaft hält bis heute. Das ist schön. Oft verflüchtigen sich Freundschaften, wenn die Ehe dazu kommt. Lorenz hat zuerst geheiratet, danach Toni, dann Leonhard und ich. Nur du bist noch Junggeselle.«

»Wenn es nach mir geht, muss das nicht so bleiben«, grinste Wolfi.

Katja und Martin versicherten ihm, dass sie ihm die Daumen drückten. Sie brachten ihn zum hinteren Gartentürchen.

»So, Katja, jetzt hoffe ich, dass Moni bald kommt und sie inzwischen keine Dummheiten gemacht hat«, sagte Martin.

»Warten wir es ab! Wir gehen jetzt rein. Ich habe Hunger. Kannst du schon mal den Eintopf auf den Herd stellen? Ich gebe schnell Walli Nachricht, dass sie mit Coco jetzt den Spaziergang machen kann.«

Die alte Walli saß auf der Bank vor dem Altenteil. Sie hatte Besuch von Pfarrer Zandler.

Katja begrüßte ihn.

»Stell dir vor Katja, Oberin Justina hat den Herrn Pfarrer zu mir geschickt! Die Oberin möchte, dass einige der Nonnen im Kloster klöppeln lernen. Die alten geklöppelten Spitzen werden langsam brüchig und niemand im Kloster beherrscht die alte Handarbeit mehr.«

»Oh, Walli, das ist doch eine Ehre und eine schöne Aufgabe für dich«, sagte Katja begeistert.

»Ja, schon«, zögerte Walli.

»Walli, sei doch nicht verärgert«, mischte sich Pfarrer Zandler ein.

Katja sah die beiden abwechselnd an. Sie war erstaunt.

Heiner Zandler zuckte mit den Schultern. »Ja, Walli ist verärgert, dass ich sie so selten besuche und dass ich nicht zu ihr zum Kaffee komme. Ich habe es ihr erklärt. Es gibt viele alte Gemeindemitglieder, die schlecht gehen können und es nicht mehr in die Kirche schaffen. Denen muss ich mich in erster Linie widmen«, erklärte er und sah Walli dann ernst an. »Du bist noch fit und dafür musst dankbar sein.«

»Das bin ich auch. Aber über einen Besuch würde ich mich auch freuen. Ich unterhalte mich gern.«

Pfarrer Zandler seufzte. »Walli, ich verspreche dir nicht, dass ich komme, denn ich kann das Versprechen vielleicht nicht einhalten. Ich kann dir nur sagen, falls es möglich ist, dann mache ich es.«

»Das ist mir zu vage. Es ist immer ein Geben und Nehmen, Herr Pfarrer.«

Katja hatte eine Idee. »Wie wäre es, begleiten Sie Walli auf ihrem Spaziergang mit Coco? Du wolltest doch jetzt mit Coco Gassi gehen, richtig? Du gehst doch jeden Mittag mit Coco den Bruchweg entlang.«

Walli begriff sofort. »Das ist eine gute Idee. Dabei können wir uns ein bisserl unterhalten, Herr Pfarrer. Ich gehe nicht weit. Ich gehe mit Coco meistens ein Stück den Bruchweg entlang bis zur Waldgrenze. Dort ist mir etwas aufgefallen. Wo der Weg in den Wald übergeht, steht ein Marterl. Das sollte mal hergerichtet werden. Ich denke, irgendein Holztransporter ist vorbeigeschrammt. Es steht schief. Es sieht schlimm aus. Das müssen Sie sich ansehen, Herr Pfarrer.«

Jetzt konnte Pfarrer Zandler nicht mehr ablehnen, gleich mitzukommen. »Wirklich, davon wurde mir nicht berichtet«, staunte er. »Lass uns gehen! Viel Zeit habe ich aber nicht. Anschließend muss ich ins Kloster. Kann ich der Oberin sagen, dass du es machst? Wirst du einigen jüngeren Ordensschwestern die Geheimnisse der Kunst des Klöppelns beibringen?«

Toni der Hüttenwirt Extra 3 – Heimatroman

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