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I

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In Venezia, die weit und breit berühmte welsche Handelsstadt, zog eines schönen Abends ein junger deutscher Kaufmann ein, Reichard geheißen, gar ein fröhlicher und kecker Gesell.

Es gab eben zu der Zeit in deutschen Landen mannigfache Unruhe, um des Dreißigjährigen Krieges willen; deshalben war der junge Handelsmann, der sich gern einen lustigen Tag machte, ganz besonders damit zufrieden, dass ihn seine Geschäfte auf einige Zeit nach Welschland riefen, wo es nicht so gar kriegerisch zuging, und wo man, wie er gehört hatte, ganz köstlichen Wein und viele der besten und wohlschmeckendsten Früchte antreffen sollte, noch der vielen wunderschönen Frauen zu geschweigen, von welchen er ein absonderlicher Liebhaber war.

Er fuhr, wie sie es dort zu tun pflegen, in einem kleinen Schifflein, Gondel geheißen, auf den Kanälen umher, die es in Venezia statt der ordentlichen gepflasterten Straßen gibt, und hatte seine große Lust an den schönen Häusern und den noch viel schöneren Weibsgestalten, die er oftmals daraus hervorblicken sah.

Als er endlich gegen ein höchst prächtiges Gebäude herankam, in dessen Fenstern wohl zwölf der alleranmutigsten Frauenzimmer lagen, sprach der gute junge Gesell zu einem der Gondoliere, die sein Schifflein ruderten: »Dass Gott! wenn es mir doch einmal so wohl werden sollte, dass ich nur ein Wörtlein zu einer von jenen wunderschönen Fräulein sprechen dürfte!« – »Ei«, sagte der Gondoliere, »ist es weiter nichts als das, so steigt nur aus und geht kecklich hinauf. Die Zeit wird Euch droben gewisslich nicht lang werden.«

Der junge Reichard aber sprach: »Du hast wohl deine Lust daran, fremde Leute zu necken und meinest, in mir so einen groben Gesellen zu treffen, der nach deinen törichten Worten täte und droben im Schloss dann ausgelacht würde, oder wohl ausgewamst obendrein?« – »Herr, lehrt mich die Sitten des Landes nicht kennen«, sagte der Gondoliere. »Tut nur nach meinem Rat, sofern Ihr’s Euch gerne wohl sein lässt, und nehmen sie Euch nicht mit offnen, schönen Armen auf, so will ich meines Fährlohnes quitt und verlustig gehen.« Das schien dem jungen Burschen des Versuchens schon wert, auch hatte der Gondoliere nicht eben gelogen.

Die Schar der liebreizenden Fräulein nahm den Fremden nicht allein holdselig auf, sondern es führte ihn auch die, welche er für die Schönste aus ihnen hielt, in ihr eignes Gemach, wo sie ihn mit den auserlesensten Trink- und Esswaren bewirtete, und auch mit manchem Kuss, ja, ihm endlich ganz und gar zu Willen ward. Er musste mehrmalen bei sich denken: »Ich bin doch fürwahr in das alleranmutigste und wunderbarste Land gekommen, so es auf dem Erdboden gibt: zugleich aber kann ich auch dem Himmel nicht genugsamlich danken für die Anmutigkeiten meiner Person und meines Geistes, vermittelst deren ich den fremden Damen so sehr gefalle.«

Als er nun aber wieder von hinnen wollte, forderte ihm das Fräulein fünfzig Dukaten ab, und weil er sich darüber verwunderte, sagte sie: »Ei, junger Fant, wie vermeint Ihr doch, Euch der schönsten Kurtisane aus ganz Venedig so gar umsonst erfreut zu haben?

Zahlt nur immer frisch, denn wer nicht vorher bedungen hat, muss sich den Preis gefallen lassen, den man von ihm begehrt. Wollt Ihr aber künftig wiederkommen, so gehabt Euch klüger, und Ihr könnt für eine Summe, wie es Euch heute gekostet hat, eine ganze Woche lang in allen Freuden leben.«

Ach, wie verdrießlich es doch sein mag für einen, der dachte, er habe eine Prinzessin erobert, wenn er nun merkt, dass es eine gar gemeine Buhlschaft war, und ihm noch eine so erkleckliche Summe dabei aus dem Geldbeutel gelockt wird! Der junge Gesell aber bewies sich nicht so ergrimmt, als wohl ein andrer meinen sollte. Es war ihm mehr um eine gute Pflege seines Leibes zu tun als um viele Preislichkeiten in seiner Historie, deshalben er sich denn nach geleisteter Zahlung in ein Weinhaus fahren ließ, um dorten wegzutrinken, was ihm noch etwa von Ärger im Kopfe herumzog.

Da nun der fröhliche Bursch auf solchen Wegen war, mochte es ihm auch nicht an gar zahlreicher und vergnügter Gesellschaft fehlen. Es ging manchen Tag fort in Saus und Braus und zwischen lauter lustigen Gesichtern; ein einziges ausgenommen, das einem hispanischen Hauptmann zugehörte, der zwar allen den Späßen der wilden Bande, in die der junge Reichard sich begeben hatte, beiwohnte, aber meist ohne ein Wort zu verlieren und mit einer recht gewaltsamen Unruhe auf allen Zügen seines finstern Antlitzes. Man litt ihn dabei gern, denn er war ein Mann von Ansehen und Vermögen, der sich nichts daraus machte, die ganze Gesellschaft oft mehrere Abende hintereinander freizuhalten.

Demungeachtet, und ob sich der junge Reichard gleich nicht mehr so arg beschatzen ließ wie am Tage seiner Ankunft in Venezia, begann ihm doch endlich das Geld auszugehen, und er musste mit großer Betrübnis daran denken, dass ein so unerhört vergnügliches Leben nun bald für ihn ans Ende kommen müsse, sofern er nicht mit seinem vielen Verlustieren zuletzt all seines Geldes verlustig gehn wolle. Die andern wurden seiner Trübseligkeit inne, zugleich auch der Ursache dazu – wie sie denn dergleichen Fälle sehr häufig in ihrem Kreise erlebten – und hatten ihren Spaß mit dem ausgebeutelten Kopfhänger, der es doch immer noch nicht lassen konnte, durch die Reste seines Säckels von dem anmutigen Fliegengifte zu naschen.

Da nahm ihn eines Abends der Hispanier beiseite und führte ihn mit unerwarteter Freundlichkeit in eine ziemlich öde Gegend der Stadt. Dem guten jungen Gesellen wollte schier angst dabei werden, aber er dachte zuletzt: »Dass nicht mehr viel bei mir zu holen ist, weiß der Kumpan, und an meine Haut, sofern ihm drum zu tun wäre, müsste er doch immer erst die seinige setzen, welches er wohl für einen zu hohen Spielpreis halten wird.«

Der hispanische Hauptmann aber, sich auf die Grundmauer eines alten, verfallenen Gebäudes setzend, nötigte den jungen Kaufherrn neben sich und hub folgendermaßen zu sprechen an: »Es will mich fast bedenken, mein lieber, höchst jugendlicher Freund, als fehle es Euch an eben derselben Fähigkeit, welche mir über alle Maßen zur Last wird – an der Kraft nämlich, in jeder Stunde eine beliebige Summe Geldes herbeizuschaffen und so fortfahren zu können nach Belieben. Das und noch viele andre Gaben in den Kauf lasse ich Euch für ein billiges Geld ab.«

»Was kann Euch denn noch am Gelde liegen, indem Ihr die Gabe, es Euch zu verschaffen, loswerden wollt?« fragte Reichard.

»Damit hat es folgende Bewandtnis«, entgegnete der Hauptmann.

»Ich weiß nicht, ob Ihr gewisse kleine Kreaturen kennet, die man Galgenmännlein heißt. Es sind schwarze Teufelchen in Gläslein eingeschlossen. Wer ein solches besitzt, vermag von ihm zu erhalten, was er sich nur Ergötzliches im Leben wünschen mag, vorzüglich aber unermesslich vieles Geld. Dagegen bedingt sich das Galgenmännlein die Seele seines Besitzers für seinen Herrn Luzifer aus, sofern der Besitzer stirbt, ohne sein Galgenmännlein in andre Hände überliefert zu haben. Dies darf aber nur durch Kauf geschehn, und zwar, indem man eine geringere Summe dafür empfängt, als man dafür bezahlt hat. Meines kostet mir zehn Dukaten; wollt Ihr nun neun dafür geben, so ist es Euer.«

Während der junge Reichard sich noch besann, sprach der Hispanier weiter: »Ich könnte jemanden damit anführen und es ihm für irgendein andres Gläslein und Spielwerk in die Hände schaffen, wie mich denn selbsten ein gewissenloser Handelsmann auf gleiche Weise in dessen Besitz brachte. Aber ich denke darauf, mein Gewissen nicht noch mehr zu beschweren und trage Euch den Kauf ehrlich und offenbar an. Ihr seid noch jung und lebenslustig und gewinnt wohl mannigfache Gelegenheit, Euch des Dinges zu entledigen, sofern es Euch zur Last werden sollte, wie es mir heute solches ist.«

»Lieber Herr«, sagte Reichard dagegen, »wolltet Ihr mir’s nicht für ungut nehmen, so möchte ich Euch klagen, wie oft ich in dieser Stadt Venezia bereits angeführt worden bin.«

»Ei, du junger, törichter Gesell!« rief der Hispanier zornig, »du darfst nur an mein Fest von gestern Abend zurückdenken, um zu wissen, ob ich um deiner lausigen neun Dukaten willen betrügen werde oder nicht.«

»Wer viel gastiert, verbraucht auch viel«, versetzte der junge Kaufmann sittig, »und nur ein Handwerk, nicht aber ein Geldsäckel hat einen goldnen Boden. Wenn Ihr nun Eueren letzten Dukaten gestern ausgegeben hättet, könnten Euch heute meine vorletzten neune dennoch lieb sein.«

»Entschuldige es, dass ich dich nicht totsteche«, sagte der Hispanier.

»Es geschieht, weil ich hoffe, du werdest mir noch von meinem Galgenmännlein loshelfen, und dann auch, dieweil ich gesonnen bin, Pönitenz zu tun, welche auf solche Weise nur erschwert und vergrößert würde.«

»Möchten mir wohl einige Proben mit dem Dinge vergönnt sein?« fragte der junge Kaufherr auf das vorsichtigste.

»Wie ginge das an?« versetzte der Hauptmann. »Es bleibt ja bei keinem und hilft auch keinem, als der es vorher richtig und bar erstanden hat.«

Dem jungen Reichard ward bange; denn es sah unheimlich aus auf dem öden Platz, wo sie in der Nacht beisammen saßen, ob ihn gleich der Hauptmann versicherte, er zwinge ihn zu nichts, wegen der bevorstehenden Buße. Jedoch schwebten ihm zugleich alle Freuden vor, die ihn nach dem Besitz des Galgenmännleins umgeben würden. Er beschloss also, die Hälfte seiner letzten Barschaft daran zu wagen, vorher jedoch versuchend, ob er nicht etwas von dem hohen Preise herunterhandeln könne.

»Du Narr!« lachte der Hauptmann. »Zu deinem Besten heischte ich die höchste Summe, und zum Besten derer, die es nach dir kaufen, damit es nicht einer so frühe für die allerniedrigste Münze der Welt erstehe und unwiederbringlich des Teufels sei, weil er es ja dann nicht mehr wohlfeiler verkaufen kann.«

»Ach lasst nur«, sagte Reichard freundlich. »Ich verkaufe das wunderliche Ding wohl so bald nicht wieder. Wenn ich’s also für fünf Dukaten haben könnte« –

»Meinetwegen«, erwiderte der Hispanier. »Du arbeitest dem schwarzen Teuflein seine Dienstzeit um die letzte, verlorne Menschenseele recht kurz.«

Damit händigte er dem jungen Gesellen gegen Bezahlung des Kaufschillings ein dünnes gläsernes Fläschchen ein, worin Reichard beim Sternenlichte etwas Schwarzes wild auf und nieder gaukeln sah. Er forderte gleich zur Probe in Gedanken seine gemachte Auslage verdoppelt in seine rechte Hand und fühlte die zehn Dukaten alsbald darin. Da ging er froh nach dem Wirtshause zurück, wo die andern Gesellen noch zechten, sich alle höchlich verwundernd, wie die beiden, welche erst eben so trübsinnig von ihnen geschieden waren, nun mit sehr heitern Angesichtern wieder hereintraten. Der Hispanier aber nahm kurzen Abschied, ohne bei dem kostbaren Freudenmahle zu bleiben, welches Reichard, ob es gleich schon spät in der Nacht war, anzurichten befahl, es dem misstrauischen Wirte vorausbezahlend, während durch die Kraft des Galgenmännleins ihm beide Taschen von immer neu herbeigewünschten Dukaten klingelten.

Diejenigen, welche sich selbst ein solches Galgenmännlein wünschen möchten, werden am besten beurteilen können, welch ein Leben der lustige junge Gesell von diesem Tage an führte, es sei denn, dass sie sich dem Geize allzu unmäßig ergeben hätten. Aber auch ein vorsichtiges und frömmeres Gemüt mag leichtlich ermessen, dass es gar wild und verschwenderisch herging. Sein erstes war, dass er die schöne Lukrezia – denn also nannte sich, frechen Spottes, seine frühere und kostbare Buhlschaft – durch unerhörte Summen für sich ganz allein gewann, worauf er dann ein Schloss und zwei Villen erkaufte und sich mit allen möglichen Herrlichkeiten der Welt umgab.

Es geschah, dass er eines Tages mit der gottlosen Lukrezia im Garten eines seiner Landhäuser am Rande eines schnellen, tiefen Bächleins saß. Viel ward geneckt und gelacht unter den zwei törichten jungen Leuten, bis endlich Lukrezia unversehens das Galgenmännlein erwischte, das Reichard an einem goldnen Kettlein unter seinen Kleidern an der Brust trug. Bevor er es noch verhindern konnte, hatte sie ihm das Kettchen losgenestelt und hielt nun die kleine Flasche spielend gegen das Licht. Erst lachte sie über die wunderlichen Kapriolen des kleinen Schwarzen darinnen, dann aber schrie sie plötzlich voll Entsetzen: »Pfui doch! das ist ja gar eine Kröte!« und schleuderte Kette und Flasche und Galgenmännlein in den Bach, der alles zusammen mit seinen reißenden Wirbeln sogleich dem Auge entzog.

Der arme junge Gesell suchte seinen Schrecken zu verbergen, damit ihn seine Buhlin nicht weiter befrage und ihn noch endlich gar wegen Zauberei vor Gericht ziehe. Er gab das ganze Ding für ein wunderliches Spielwerk aus und machte sich nur, sobald es gehn wollte, von der Lukrezia los, um im stillen zu überlegen, was nun am besten zu tun sei. Das Schloss hatte er noch, die Landhäuser desgleichen, und eine schöne Menge Dukaten musste in seinen Taschen stecken.

Gar freudig aber ward er überrascht, als er, nach dem Gelde fassend, die Flasche mit dem Galgenmännlein in die Hand bekam. Die Kette mochte wohl auf dem Grunde des Bächleins liegen, Flasche aber und Galgenmännlein waren richtig an ihren Herrn zurückgekommen. –

»Ei«, rief er jubelnd aus, »so besitze ich ja einen Schatz, den mir keine Macht der Erden rauben kann!« und hätte das Fläschlein beinahe geküsst, nur dass ihm der kleine gaukelnde Schwarze darin etwas allzu grässlich vorkam.

War es jedoch bisher wild und lustig zugegangen, so trieb es Reichard nun noch zehnmal ärger. Auf alle Potentaten und Regenten des Erdreichs blickte er mit Bedauern und Verachtung herab, überzeugt, dass keiner von ihnen ein nur halb so vergnügtes Leben führen möge als er.

Man konnte in der reichen Handelsstadt Venezia fast nicht mehr so viele Seltenheiten an Speise und Trank zusammenbringen, als wie zu seinen schwelgerischen Banketten erfordert wurden. Wenn ihn irgendein wohlmeinender Mensch darüber schelten oder ermahnen wollte, pflegte er zu sagen: »Reichard ist mein Name, und mein Reichtum ist so hart, dass ihm keine Ausgabe den Kopf einzustoßen vermag.« Gar unmäßig pflegte er auch oftmals über den hispanischen Hauptmann zu lachen, dass er einen so köstlichen Schatz von sich gegeben habe und noch dazu, wie man höre, ins Kloster gegangen sei.

Die Geschichte vom Galgenmännlein

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