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Honolulu und die Sandwichinseln
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Zwischen den Korallenriffen, über denen sich die schäumende Flut brach, und den schon im Hafen liegenden Walfischfängern, schoss unser gutes Boot, von vier Matrosen gerudert, hin, und bald lagen wir an dem aus weißen rauen Korallenblöcken behauenen Werft, wo eine bunte Schaar in die lebendigsten Farben gekleideter Eingeborner gleich über uns herfiel, und meine im Boot liegenden Habseligkeiten vor allen Dingen als gute Beute nach Gott weiß wie viel verschiedenen Hotels und Restaurants abschleppen wollte. Natürlich jagte ich sie gleich wieder an Land, und beschloss mich erst selber einmal nach einem Orte umzusehen, wo ich „mein Haupt hinlegen könnte“ (lieber Gott, in der Nähe der vielen Missionare fange ich schon selber an, Bibelstellen zu zitieren), ehe ich mich den ungewissen Händen und der noch viel ungewisseren Ehrlichkeit dieser „christlichen Naturmenschen“ überließ. Ich war übrigens erstaunt, hier schon so viel „Kultur“ zu finden, denn in New-York oder Berlin hätten es die vereidigten und unvereidigten Kofferträger nicht um ein Haar breit schlimmer machen können. Die Kultur sollte ich aber noch viel weiter vorgerückt finden, denn wie mich zuerst das dem Anscheine nach unfruchtbare Aussehen der Insel bei der Annäherung überrascht hatte, so setzte mich jetzt wieder die, wirklich nicht geahnte Zivilisation in Erstaunen, die ich überall fand.
Ich war in dem Glauben nach Honolulu gekommen, eine noch ziemlich wilde Insel der Südsee zu finden, und ungestört in den Kokoswäldern mit den wilden Eingeborenen umherstreifen zu können, und fand an dessen Statt, an der Stelle, wo ich eben diese üppige tropische Vegetation vermutet hatte, nichts weniger als tropische Kegelbahnen, Billard- und Schenkzimmer, und so nüchterne Gesichter, wie ich sie mir nur in irgendeiner großen Stadt Europas oder Amerikas hätte wünschen können.
Doch nein, alles Eigentümliche hatte der christliche Einfluss der Missionare den Eingeborenen doch nicht geraubt; die gelbbraune Haut, das schwarze lockige Haar, das funkelnde lebendige Auge, die raschen kräftigen Bewegungen und Gestikulationen hatten sie noch, und die wunderlichsten Gruppen begegneten meinem froh umherschweifenden Blick schon am Strand, wo eine ziemliche Anzahl teils an den Häusern herumkauerte, teils müßig stand, teils Früchte und Gemüse feilhielt, Kisten und Pakete schleppte, Handkarren zog, Ochsen trieb, Straßen reinigte und sich jedem weiteren Segen der Zivilisation, allem Anscheine nach willig, unterzog.
Aber mir blieb nicht lange Zeit solche Betrachtungen anzustellen, denn vor allen Dingen musste ich mich nach einem Aufenthalt für mich selber umsehen, zu welchem Zweck mir von einem deutschen Handelshaus dort das Hôtel de France, ein französisches Gasthaus, empfohlen wurde, und wenige Stunden später war ich auch dort schon vollkommen häuslich eingerichtet. Meine Sachen hinauf zu transportieren, erlaubte mir Herr Hackfeldt, ein früherer Schiffskapitän und jetziger sehr angesehener Kaufmann in Honolulu, seinen Güterkarren, und einige Kanakas, wie die dortigen Eingeborenen sich selber nennen, zu nehmen, und mich vorher nach dem Preis erkundigend, den ich ihnen etwa zu zahlen hatte, machte ich mich mit ihnen auf den Weg – hätte aber auf dem Marsch dorthin beinahe noch ganz unschuldiger weise einen Volksauflauf verursacht.
Ich trug nämlich eine Flasche mit in Spiritus aufbewahrten kalifornischen Schlangen, Eidechsen, Käfern, Raupen, Spinnen u. s. w., damit sie auf dem Wagen nicht zu sehr geschüttelt werden sollten, in der Hand, und einer der „Kanakas“ bekam die Witterung davon. Neugierig, wie sie alle sind, trat er rasch näher, die wunderlichen Dinge zu beschauen, andere, an denen wir vorbeikamen, mussten ebenfalls wissen um was es sich handle, und ehe zwei Minuten vergingen, hatte ich einen Schwarm von wenigstens fünfzig Menschen um mich herum, der jetzt wie eine Lawine anwuchs. Ich musste die Flasche auf den Karren und zwischen das übrige Gepäck tun, und nur froh sein, dass sich die Polizeidiener (deren es in Honolulu fast so viel gibt wie in irgendeiner deutschen Stadt) der Sache schon tätig angenommen hatten.
Aber auch noch ein junger Weißer schien sich für die Gegenstände, wenigstens für einen Teil derselben, lebhaft zu interessieren. Es war dies ein junger Bursche von etwa vierzehn oder fünfzehn Jahren, der, wie es schien, unter jeder Bedingung einen von meinen kalifornischen Bogen und Köchern mit Pfeilen kaufen wollte, und sich nun unbeschreiblich erstaunt bezeigte, dass es jemanden auf der Welt geben konnte, dem eine solche Sache nicht feil sei, noch dazu da ich zwei davon hatte. Endlich rückte er mit der Ursache heraus, weshalb er die Gegenstände nicht allein zu haben wünschte, sondern haben müsste, er gehöre nämlich zu der Gesellschaft Kunstreiter – war ich denn auf den Sandwichsinseln? – die eben von San Francisco herüber gekommen wäre, und hier ihre Vorstellungen gäbe, und da er selber gerade beabsichtige, am nächsten Abend einen nordamerikanischen Wilden vorzustellen, so würde ich wohl einsehen, dass er das nicht gut ohne Bogen und Pfeile tun könne, und ihm einen der meinigen, sei es zu welchem Preis es auch wolle, überlassen möge. Da ich übrigens, selbst nicht einmal im Interesse der Kunst darauf eingehen mochte, musste er seinen nordamerikanischen Indianer wirklich ohne Pfeil und Bogen reiten.
Ich logierte also im Hôtel de France (der Leser darf freilich nach dem Titel keinen europäischen Maßstab anlegen), und allerdings sehr gut, aber auch ganz nach kalifornischen Preisen, nach denen sich überhaupt diese Insel, ihrer bedeutenden Verbindung mit San Francisco wegen, stark zu richten beginnt. Kost und Logis war 12 Dollars die Woche, der Platz aber sonst freundlich und luftig, und der Wirt, ein Franzose, artig und zuvorkommend.
Honolulu selbst ist ein kleines freundliches Städtchen, dem in den meisten Straßen Alleen von einem lindenartigen Tulpenbaum (hibiscus tiliaceus), der im Inneren wild wächst, etwas ländliches oder sogar gemütliches geben. Die Häuser sind meistens niedrig, aber großenteils mit Gärten versehen, hie und da ragen einzelne stattliche Kokospalmen empor, und die häufig vorkommenden palmenartigen Farren und sehr hübschen Ölnussbäume (aleurites tribola, dort Kui Kui oder Kukui genannt) geben dem ganzen Orte jenen tropischen Anstrich, der ihn für den Nordländer natürlich nur noch so viel interessanter macht. Manche glauben dabei, dass die Stadt noch an vielen Stellen durch die strohgedeckten Hütten der Eingeborenen entstellt werde, gerade die aber waren es, die ich ungern in dem Ganzen entbehrt hätte, denn eben diese ganz aus Stroh oder Schilfgras aufgeführten Gebäude mit ihren geflochtenen Türsimsen und glatt und fest bis auf den Boden hinunterreichenden Dächern, über denen die federartigen Farren und Bananen ihre breiten Blätter ausstreckten, und vor denen die sauber geflochtenen Matten lagen, bildeten den alten Urstamm der Gebäude von Honolulu, und all die anderen aus China und den Vereinigten Staaten eingeführten hölzernen Häuser standen nur wie geduldete Fremdlinge zwischen den, sich dort heimisch fühlenden Eingeborenen.
Hie und da trifft man auch Steinhäuser, wie z. B. das Regierungsgebäude, mit seiner goldenen Krone über dem gewölbten Tor, und viele andere Privatwohnungen und Kirchen; durchschnittlich bestehen aber doch die meisten, besonders im Geschäftsteile der Stadt, aus Holz, und die Strohhütten bilden mehr die Vorstädte Honolulus.
Die beiden festesten Gebäude – das Fort selbst nicht ausgenommen – sind jedenfalls das Zollhaus und einige Kirchen, sämtlich aus Korallblöcken aufgeführt.
Hier muss ich mich vor allen Dingen mit dem Leser über den Ausdruck Korallen verständigen, der mir da nur zu leicht einen viel zu romantischen Begriff von dem, sonst roh genug aussehenden Baumaterial bekommen könnte; ich weiß wenigstens, wie es mir selber früher mit solchen Beschreibungen gegangen. Die Korallenart, die sich hier findet, ist die weiße, und steht allerdings, wenn in jungen Schösslingen angesetzt, zart und fein genug aus, mit ihren alabasterartigen Armen und Auszweigungen; mit der Zeit füllen sich aber diese Räume zwischen den Zweigen vollkommen aus, und bilden dann eine schmutzig weiße, sehr poröse und leichte, aber doch feste Steinmasse, die besonders viel Kalk enthält, und aus welcher auch Kalk gebrannt wird, während man die, so gut es gehen will, behauenen Steine oder Blöcke zu Werften, Mauern und Häusern verwendet. Dem Aussehen nach hat diese Korallenmasse Ähnlichkeit mit dem Tropfstein, nur dass sie nicht so fest und hart ist.
Dicht am Werft und nur eine kurze Strecke vom Fort entfernt, steht ein geräumiges luftiges Markthaus, ebenfalls von Stein aufgeführt; die Eingeborenen sind aber so an ihre alten strohgedeckten Plätze, teils diesem gegenüber, teils in anderen Teilen der Stadt gewöhnt, dass es wahrscheinlich erst eines ganz bestimmten Gesetzes bedarf sie dort, wo sie, wenn auch keinen bequemeren, doch gewiss reinlicheren Platz haben, hineinzubringen. Die bisherigen Marktplätze zeichnen sich durch nichts vor anderen derartigen Orten südlicher Städte aus, ja selbst der Fischmarkt ist nicht besonders reichhaltig, und an Früchten sind diese Inseln so arm, dass gute Apfelsinen sogar von Tahiti hierher verschifft und mit Nutzen verkauft werden. Selbst die Apfelsinen aber, die hier wachsen, eine saure, sehr geringe Qualität, sind sehr teuer, jedes einzelne Stück kostete nach deutschem Gelde 2½ Ngr., Kokosnüsse 10 Ngr., und selbst für Bananen zahlte man das Vierfache dessen, was man in Rio de Janeiro dafür zu zahlen hatte.
In demselben Verhältnis stand es mit den Kartoffeln, die der kalifornische Markt und der stets sich mehrende Bedarf dorthin auf eine wahrhaft unnatürliche Weise in die Höhe getrieben; überhaupt waren sämtliche Lebensprodukte, besonders im letzten Jahre, auf eine für die dort anlaufenden Walfischfänger besonders sehr unangenehme Weise gestiegen, und es bedurfte später fast noch eines vollen Jahres, ehe sie, durch die immer vergrößerte Einfuhr sowohl nach San Francisco, hauptsächlich aber durch den dort rasch steigenden Acker- und Gartenbau, wieder ebenso rasch fielen, immer aber noch die auf die Kultur des Landes verwandte Arbeit reich vergüteten.
Wenn der Markt auch nicht selber, so haben doch die einzelnen, in der Stadt herumgehenden Verkäufer manches Eigentümliche, die nach Art der Chinesen alles, was sie zum Verkauf bei sich führen, an einem, etwa vier Fuß langen Stock und bis fast zum Boden niederhängenden Kalebassen tragen, von denen die wieder, die den aus den Tarowurzeln bereiteten Brei oder Poë enthalten, mit ebensolchen Kalebassenstürzen bedeckt sind. Sie schlendern damit höchst gemütlich durch die Straßen, oder kauern auch geduldig an den Ecken, bis sich ein Käufer findet.
Diese Händler, welche Früchte, Fische, Hühner, Truthühner, Schweinchen, Eier etc. in der Stadt herumtragen, sind nur Männer, bei den Märkten halten jedoch auch Frauen feil. Der Hawaiier oder Kanaka, wie er allgemein genannt wird, kann aber mit sehr wenig Arbeit auskommen; oft sieht man einzelne von ihnen, die mit einem Dutzend Eiern oder zwei Hühnern stunden-, ja tagelang in der Stadt herumlaufen, und mit einer fabelhaften Geduld immer wieder zu demselben Preis ihre Ware feilbieten – sie haben sich einmal den Preis gesetzt, und gehen nicht davon ab, und sollten sie auch genug Zeit versäumen, indessen noch dreimal so viel zu verdienen, bis sie ihn erhalten haben. Von dem Wert der Zeit scheint der Kanaka überhaupt nur einen sehr unvollkommenen Begriff zu haben, denn Leute die dort schon lange ansässig sind, haben mir versichert, man könne bei ihm, und wenn er an dem entferntesten Teil der Insel wohne, die Produkte die er erzieht, um nichts billiger am eigenen Platze bekommen, als er im Stande ist, sie auf dem Markt von Honolulu zu verwerten – die Tage, die er dazu braucht, sie dorthin zu schaffen, zu verkaufen und wieder zurückzukehren, rechnet er gar nicht.
Was nun den Volksstamm selber betrifft, so lässt sich da allerdings nach Honolulu kein vollkommener Maßstab mehr anlegen. Die Leute sind hier in moralischer wie physischer Hinsicht entartet, und Christentum wie Walfischfänger haben sich in die Hände gearbeitet (so verschieden diese beiden Begriffe auch sonst immer von einander sein mögen) das arme Volk von der Erde so viel wie möglich zu vertilgen, oder was zurück blieb an Geist wie Körper zu Grunde zu richten. Es klingt das scharf und übertrieben, und die amerikanischen Geistlichen würden darüber die Hände über dem Kopf zusammen und die Augen zum Himmel aufschlagen, wenn sie es läsen – aber es ist leider eine Tatsache, die man nicht allein fühlt und empfindet, wenn man unter den Leuten selber wohnt, sondern die sich auch sogar durch statistische Tabellen auf die kleinste unbedeutendste Seele hinunter berechnen ließe.
Was nun die Eingeborenen der Insel, vorzüglich die Oahus betrifft, so sind sie was man so „zivilisiert“ nennt. Die Männer tragen statt des sonst einzigen schmalen Schamgürtels, Hemden, und auch manchmal Hosen, und die Frauen gehen in bunten Kattun oder Seide gekleidet. Viele von ihnen können auch, dank den wirklich tätigen – oft zu tätigen – Bemühungen der Missionare schreiben und lesen, und zu tätig nenne ich sie deshalb, weil sie an mehreren Stellen sogar anfingen Gesetze zu geben (natürlich alles durch die Häuptlinge, später bis aufs Blut leugnend, dass sie selber auch nur das mindeste damit zu tun hätten), dass junge Leute, die einander heiraten wollten, nicht mit einander getraut werden durften, wenn sie nicht schreiben und lesen konnten. Welchen moralischen Einfluss ein solches Gesetz ausübte, lässt sich etwa denken, noch dazu wenn man die jetzige weibliche Bevölkerung der Inseln dabei sieht.
Die Bücher, die sie haben, sind ihnen von den Missionaren übersetzt und geschenkt und bestehen, außer einigen Lehrbüchern, nur in religiösen – streng orthodoxen Schriften, die Bibel – ein circa 12–13 Zoll dickes Buch,– nimmt den ersten Rang darunter ein, denn ich zweifle nicht im geringsten, dass die Kanakas ebenso die meiste Achtung vor den dicksten Frauen, wie vor den dicksten Büchern haben werden, und wie es eine Riesenarbeit für die Missionare gewesen sein muss, dieses Buch in die Kanakasprache zu übersetzen (wobei nicht allein die einfache Übersetzung nötig war, sondern eine wahre Unmasse von Worten, ja selbst Wortlaute erst förmlich für ihre Sprache erfunden und ihnen verständlich gemacht werden musste), ebenso ist es jetzt sicherlich eine noch viel größere Arbeit für die Kanakas, das Geschriebene, das für sie von einer ganz fremden Welt handelt, zu begreifen und – zu glauben. Wir können ja das Beispiel nur an uns Christen selber nehmen, von denen kaum die Hälfte wirklich glaubt, und von dieser Hälfte kein Viertel wieder begreift, was es glaubt, während sich die Geistlichen der verschiedenen Sekten selber über Wortbedeutungen in den Haaren liegen. Was müssten die Folgen sein, gäbe sich der Kanaka mit all seinen geistigen Kräften dem Studium dieser Lehren hin? Glücklicherweise ist er weit davon entfernt, sich die Bücher oder die Lehren sehr zu Herzen zu nehmen oder gar viel darüber nachzudenken, Einzelne natürlich ausgenommen. Er betet, wenigstens öffentlich, keine Götzen mehr an, zahlt und tut für seine Priester und Lehrer was sie von ihm verlangen, ist getauft worden und betrachtet sich nun als einen vollkommenen guten und „fertigen“ Christen, der, wenn er stirbt, ohne weitere Vorrede in den Himmel und zur ewigen Seligkeit eingeht.
Erst in seiner letzten Stunde, wo er sonst seiner Auflösung mit froher Zuversicht, oder wenigstens mit Gleichgültigkeit entgegen ging, packt ihn das, was er von den ewigen Strafen der Christen gehört – er sieht meist nur den zürnenden Gott der neuen Lehre, für den er, wie er recht gut weiß, gerade nichts Besonderes getan hat, ihn sich zum Freunde zu machen, und Angst und Entsetzen vor dem nimmer endenden Strafgericht fasst ihn, bis ihn der mitleidige Tod endlich von sich selbst befreit, und ihm die Zweifel löst, die seine bange Seele in Nacht und Grauen gefangen hielten.
Die Herzen der Eingeborenen mag übrigens der Eifer der Missionare auf diesen Inseln vollkommen gebessert haben, das ist möglich; ich kann wenigstens das Gegenteil nicht behaupten, äußerlich hat er auf den Eingeborenen aber wenig Einfluss gehabt, und ihn weder gebessert noch veredelt. Die Insulaner stehlen nicht, weil ihnen das unter den strengsten und unnachsichtlich ausgeführten Strafen verboten ist, sie betrügen aber wo sie können, und die Frauen? – mit Sonnenuntergang wimmelten in Honolulu die Straßen von bunt gekleideten Frauen und Mädchen, und Leute die dort ansässig waren und das Leben kannten, versicherten mir, dass unter allen diesen auch nicht eine sei die nicht feil wäre. So viel was die Moralität dieser neuen Christen betrifft.
Der Leser wird aber auch etwas Näheres über Tracht und Aussehen der Eingeborenen hören wollen, denn trotz hawaiischen Ministern und Konsuln sind das doch unbedingt die interessantesten Persönlichkeiten auf den ganzen Inseln, und jedenfalls verdient hier wieder das schöne Geschlecht die erste Erwähnung. Die Beschreibung der weiblichen Tracht dieser Inseln macht mir dabei keine Schwierigkeiten, denn sie ist einfach genug, und besteht nur aus einem Hemd und Oberkleid, das nach Art unserer deutschen Staubhemden gemacht, einzig und allein ziemlich dicht am Hals anschließt und bis auf die Knöchel in weiten Falten niederfällt. Der Stoff und die Farbe dieses Oberkleides ist aber sehr verschieden: Es besteht teils aus dem einfachsten, bescheidensten Kattun, teils aus kostbar schwerer Seide, immer jedoch in dem ganz gleichen einförmigen Schnitt. Manche tragen über diese noch seidene Schals oder Tücher, das aber nur sehr wenige, und bloß die reicheren vielleicht, während jedoch irgendein Haarschmuck keinem Eingeborenen Mädchen fehlt. Es ist dies noch ein Überrest der alten Heidenzeit, und ein Glück, dass die Missionare nie erfuhren sie trügen diese Girlanden und Kränze ihrer Lieblingsgöttin „Natur“ zu Ehren, sie wären sonst mit dem ganzen übrigen Bilder- und Götzendienst ebenfalls ausgerottet worden.
Dieser Haarschmuck ist allgemein, und die vorherrschenden Farben dabei sind gelb und rot und grün. Viele tragen Blumen und Kränze. Der eigentliche Originalschmuck der Insulaner besteht aber aus einem schmalen Band von geflochtenen gelben und roten Federn, die sehr hoch unter ihnen geschätzt werden, da sie ihrer Seltenheit wegen schwer zu erlangen sind. Da es vielleicht zu kostspielig für alle war, sich diesen Federschmuck zu verschaffen, alle aber einen Schmuck haben mussten, so ersetzte man die Federn häufig durch runde Binden von geschorener Wolle in diesen Farben, und diese kann sich jetzt jeder verschaffen.
Trotz der schönsten Kleider und Haarputz gehen übrigens die meisten, ja fast alle barfuß, was allerdings für europäische Augen nicht recht zusammenpasst.
Ihre Gestalten sind im Allgemeinen – einige Ursandwicherinnen ausgenommen, die das gehörige aristokratische Gewicht haben – schlank, und ihr Gang ist leicht; auch haben die Gesichter etwas freundlich-gutmütiges, und der bunte Schmuck in den schwarzen Haaren und die dunkeln Augen unter der gelbbraunen Stirn stehen ihnen gar nicht übel.
Viel verschiedener und gemischter ist dagegen der Anzug der Männer, die man teils vollständig in europäischer Tracht, teils noch halb, in ihrem alten Kostüm, nur mit dem schmalen „Malo“ oder Lendenschurz und einem unbeschreiblich kurzen Hemd bekleidet, oder eigentlich nicht bekleidet, findet. Selbst diese letzteren aber sind Christen, und glauben nicht mehr an die Feuergöttin Pele, die in dem kochenden Krater Owaihis früher ihre Existenz hatte, sondern jetzt an den wirklich „im bodenlosen Abgrund“ und in dem „See der mit Feuer und Schwefel brennt“ lebenden Teufel, und das muss für ihre sonst rettungslos verloren gewesenen Seelen jedenfalls von sehr großer Beruhigung sein.
Wunderlich kam mir allerdings im Anfang vor, dass ich nur arbeitende Männer und müßiggehende Frauen in den Straßen der Stadt, wie in der Umgegend sah. Die Frauen scheinen sämtlich ein vollkommen ihrem Vergnügen gewidmetes Leben zu führen, während ich nur unter den Männern einzelne Häuptlinge oder „Angestellte“ sah die ebenfalls für hochgeboren genug gehalten wurden, ihre Daumen um einander herum spazieren zu jagen. Ich habe kürzlich auch einen Artikel, von Amerika ausgehend, über die Missionare dort gelesen, der diesen den eben beschriebenen Zustand zur Last legt, und sie beschuldigt die Männer zu Last- und Zugtieren zu benutzen, während sie sich von der weiblichen Bevölkerung förmliche Harems hielten; dem möchte ich aber hier widersprechen.
Ich komme mir allerdings komisch vor die Missionare in Schutz zu nehmen, mit deren Wirken und Treiben ich nun einmal durchaus nicht einverstanden bin, so viel ich aber bis jetzt draußen in der Welt über diese Menschenklasse gesehen und gehört habe, kann man ihnen, was sonst auch, doch keine auffallende und besonders öffentliche Vergehen gegen die Moralität zur Last legen. Vorzüglich auf den Sandwichsinseln, wo sie weit mehr in ehrgeizigem Streben die Macht und den Oberbefehl an sich gerissen, und eben nur durch den König, der ganz in ihren Händen war, regierten, sich dadurch aber, wie durch manche andere, wirklich gute Maßregeln, die Eifersucht und den Hass besonders roher Schiffsmannschaften zugezogen hatten, würden sie es gewiss – wenn selbst aus keinem anderen Grunde – vorsichtig vermieden haben, der Welt ein solches öffentliches Ärgernis und gerechten Stoff zu Anklagen zu geben. Vorzugsweise aber auf den Sandwichsinseln scheinen sie sich sehr streng und zurückgezogen in ihren eigenen Familien gehalten, und nirgends in solcher Art Anstoß gegeben zu haben, und selbst ihre eifrigsten Ankläger dort waren nie im Stand etwas derartiges gegen sie vorzubringen.
Ob sie sich in Wirklichkeit so frei von jeder Ausschweifung gehalten haben, ist eine andere Frage, und möchte wohl schwer zu entscheiden sein, gehört aber auch in dem Fall nicht vor den Richterstuhl der Öffentlichkeit.
Allerdings benutzen sie übrigens die halbnackten Eingeborenen zum Ziehen – selbst zum Ziehen ihrer eigenen Familie, wie ich das mit meinen eigenen Augen gesehen habe, und früher sollen die vollkommen nackten Wilden, nur mit ihrem Malo, einem drei Finger breiten Streifen Zeug bekleidet – die kleinen Handkarren mit den frommen Lehrerinnen ziemlich paradiesähnlich durch die Straßen der Stadt gezogen haben. Dagegen hat sich jedoch das Publikum, und ziemlich derb, ausgesprochen, und die Zieher tragen jetzt wenigstens ein Hemd, befinden sich aber doch noch immer, nach unsern Begriffen jedenfalls, selbst damit versehen, im tiefsten oder sehr tiefen Negligée.
Die Kanakas sind faule Arbeiter, und ihr ganzes Klima, der heiße Himmelsstrich unter dem sie wohnen, mag sie darin vollkommen entschuldigen. Die Natur, die ihnen alles, was sie zu ihrem Lebensunterhalt bedurften, im reichsten Maße bot, ohne dass sie mehr dabei zu tun hatten als eben die Hand danach auszustrecken, wollte sie nicht zu Sklaven ihres Magens oder Rückens machen. Die Weißen dachten aber anders darüber, und haben dem Insulaner mit ziemlichem Erfolg bewiesen, dass sich ihre Frauen die Tapa, die sie sonst zu Kleidern oder Schürzen benutzten und selber arbeiteten, nicht mehr anzufertigen brauchten, da ihnen die Missionare im Anfang selber Kattun zu demselben Zweck verkauften, und dass es Sünde wäre ihre Haut durch Tätowieren zu entstellen, welche Zeit sie weit nützlicher und gottgefälliger verwenden konnten Kirchen zu bauen, Häuser für die Missionare zu errichten und für ihre Häuptlinge zu arbeiten, diesen die plötzlich neu gelernten und rasch begriffenen Bedürfnisse bequemerer oder eleganterer Wohnungen und Kleider etc. leichter befriedigen zu helfen.
Der Kanaka arbeitet, aber in der Tat nur wenn er muss, und dann auch immer nur das, für den Augenblick gerade unaufschiebbarste. Es ist deshalb fast unmöglich Land mit ihnen zu bestellen um Produkte zu erbauen die einen Handelsartikel liefern sollten. Er murrt zwar nicht im mindesten bei seinem kleinen Taro Teich, in welchem die zu seinem Lebensunterhalt unumgänglich notwendige Taro- oder Palowurzel gezogen wird – damit weiß er aber auch dass er genug hat – und mehr – für andere Leute, am Ende noch gar Kartoffeln und Zuckerrohr ziehen? – weiter fehlte ihm gar nichts. Ja wenn er muss, dann ist es eine andere Sache, wenn der neue Gott ihm irgendeine Strafe durch die fremden weißen Männer auferlegt hat, oder wenn er notwendigerweise ein Haus braucht – oder seine Priester eins brauchen – oder sein Häuptling Land bestellt haben will, wo er eben nicht anders kann als gehorchen, dann freilich ist es eine andere Sache, aber ihn selber überzeugen dass er auch für sich noch andere Bedürfnisse habe als eben einen Acker mit Taro bepflanzt und ein Hemd auf dem Leib, wenn er denn nicht anders als ohne das Hemd in die Stadt kommen darf, wäre, wenn nicht eine reine Unmöglichkeit, doch mit unsagbarer Schwierigkeit verknüpft.
Die Europäer deshalb, die dort angefangen haben Ackerbau zu treiben, sehen sich auch meist genötigt ihre Arbeit selber zu verrichten, wenigstens können sie nicht auf feste Hilfe von den Eingeborenen rechnen, und so fühlbar war dieser Mangel an Kräften, trotz der noch ziemlich zahlreichen Bevölkerung, gerade damals geworden, wo die Inseln gar nicht so viel Kartoffeln, Gemüse und Früchte produzieren konnten, als Kalifornien exportirren wollte, dass die „ackerbauende Gesellschaft“ dort, ein Verein der wohlhabendsten Pflanzer Oahus – sich genötigt gesehen hatte ein Schiff nach China zu senden, Arbeiter von dort her zu bekommen.
Der Verkehr der Sandwichsinseln ist übrigens jetzt wohl der bedeutendste unter den sämtlichen Südseegruppen, und diese Inseln haben das nicht bloß ihrer Fruchtbarkeit, sondern mehr noch ihrer günstigen Lage zu danken. Nicht allein hat die Nähe Kaliforniens einen fast zauberhaften Einfluss auf den wachsenden Wohlstand und den Wert des Grundbesitzes ausgeübt, sondern die Inseln liegen auch all den Walfischfängern gerade im Kurs, welche Teils aus der Japansee – einem sehr guten Jagdgrunde – kommen, teils nach dem arktischen Ozean – dem erst seit zwei Jahren entdeckten vorzüglichsten Platz zum Fang der Polarwalfische – hinauf wollen, und hier anlaufen um Erfrischungen und sonstige Provisionen einzunehmen.
Oahu, die Insel, auf welcher die Hauptstadt Honolulu liegt, bringt übrigens die wenigsten Produkte hervor, die meisten kommen von Hawaii und Maui, und die nach Kalifornien bestimmten Schiffe laufen deshalb auch gewöhnlich an diesen Inseln an, laden dort und gehen von da ab gleich nach Francisco hinüber. Die Hauptausfuhr besteht aus Kartoffeln und etwas Kokosnüssen, Bananen und Orangen.
Eines nur ist, was manche Schiffe abhält an die Sandwichsinseln anzulaufen, wenn sie nicht notgedrungen müssen, nämlich das Desertieren der Matrosen, die nicht allein von hier aus suchen nach Kalifornien zu entkommen, sondern auch selbst auf den Inseln zu bleiben wünschen, wo guter Taglohn, besonders für Handwerker, ihrer wartet. Die Gesetze beschützen allerdings die Kapitäne darin ungemein, um das Weglaufen der Matrosen zu verhüten, können es aber doch nicht ganz verhindern. So müssen z. B. Leute, die weggelaufene Matrosen verstecken oder unterstützen, 500 Dollars Strafe bezahlen. Die Inseln liegen aber in der Tat viel zu verführerisch, Kalifornien ist zu nahe, und die Kapitäne können sehr häufig das Anlaufen derselben gar nicht vermeiden, wenn sie selbst wirklich wollten.
Ich sollte übrigens, noch ehe ich die Sandwichsinseln wieder verließ, selber erfahren, wie sehr sich sogar die Regierung für das Wiedereinfangen der Matrosen interessierte, insofern erstlich eigenes Interesse und dann auch die Missionare selber dabei beteiligt waren, denn es gibt wohl kaum noch zwei verschiedene Menschenklassen auf der weiten Gotteswelt, die sich im Allgemeinen so feindlich einander gegenüberstehen, als gerade Missionare und Matrosen oder Seeleute überhaupt. – Ausnahmen, wie sich von selbst versteht, immer angenommen.
Der Matrose ist, ich möchte fast sagen, ein geborener Feind des Missionars, und dieser weiß es – und Gnade Gott, wo zwei solche heterogene Elemente zu gleicher Zeit den armen Insulanern beschert wurden, wie dies gar häufig schon auf den verschiedenen Gruppen der Südsee stattgefunden. Augenblicklich bildeten sich dann zwei Parteien, und Mord und Blutvergießen war nur zu häufig die Folge davon. Die Missionare schilderten die Matrosen den Eingeborenen als lasterhafte, gottlose Menschen, als eine Pest der Gesellschaft und als solche von ihr ausgestoßen, und die Seeleute rechten sich dann gewöhnlich dadurch, die Priester bei den unwissenden Eingeborenen zu verdächtigen, dass sie heimliche und gefährliche Beschwörungen hätten sie krank zu machen, oder ihnen Land und Götter zu nehmen. Die Tongainseln liefern zu diesem ein treffendes Beispiel.
Mit dem „DUFF“, einem englischen Fahrzeug, das eine Menge von Missionaren über die Inseln zerstreut hat, und zu diesem Zweck sogar ausgesandt scheint, landeten auch zehn derselben auf Tongatabu (1797), wo sie schon zwei Weiße, einen Engländer und einen Irländer fanden. Bei der Ankunft des Schiffes müssen sie sich mit diesen Männern freundlich gestellt haben, denn sie dienten ihnen nicht allein zum Dolmetscher, sondern der eine warnte auch das Schiff sogar, vor einem Überfall der Wilden auf der Hut zu sein, und gab ihnen, wie sich später herausstellte, vortreffliche Ratschläge zu ihrer Niederlassung. Später aber entstanden Streitigkeiten, zuerst – wie der ehrwürdige Reisebeschreiber sagt – wegen einem eisernen Topf, den einer der Europäer von ihnen zu borgen verlangte, nachher wegen einem Ferkel, das jener gestohlen haben sollte, und hierauf setzten die Missionare, die sich in der Sprache jetzt etwas vervollkommnet hatten, die Eingeborenen in Kenntnis, dass jene Weißen, denen sie Schutz verliehen, früher in ihrem eigenen Vaterland sehr schlechte Menschen gewesen seien (sie haben später behauptet, sie wären von Sidney dorthin entkommen) und sich nun vor der übrigen Weißen versteckt halten müssten. Die Europäer, die auch möglicherweise Deportierte sein mochten, obgleich das noch nicht so vollkommen die „schlechten Menschen“ in sich schloss – erzählten dagegen den Häuptlingen, die Missionare seien Männer vom König von England ausgesandt, die Pest auf die Insel zu bringen (es ist wahrscheinlicher, dass sie ihn gewarnt haben, sie wollten die Insel später in Besitz nehmen) und es sei deshalb, dass sie sich so oft miteinander einschlössen und ihre Beschwörungen sängen. – Ein Reisender erzählt nun, die Missionare wären alle von den Wilden erschlagen worden, es ist das aber nicht korrekt; drei wurden allerdings, nach zehn Jahren etwa, ermordet, die übrigen zogen aber auf eine andere Insel, und es scheint, dass sie die Insulaner überredeten, die beiden Weißen an das rückkehrende Schiff „DUFF“ abzuliefern. Den einen, Conelly, der vorher ihr Dolmetscher und Ratgeber gewesen, fingen sie auch, der andere flüchtete in das Innere und wurde später erschlagen.
Doch das ist nur ein Beispiel von Tausenden und lässt sich auch ungemein leicht erklären. Die Missionare, sobald sie einmal anfangen die Eingeborenen zu bekehren, verlangen von ihnen, wie sich das von selbst versteht, unbedingte Unterwerfung unter ihre Gesetze, die ihrer Aussage nach alle, ohne Ausnahme, von dem höchsten Wesen selber direkt ausgehen; Moses tat ja dasselbe, schon einige tausend Jahre vor ihnen, und die einzelnen Seeleute, die sich dann auf der Insel finden, müssen ihnen etwas derartiges ungemein erschweren, da sie sich, was die Insulaner gewöhnlich zu allererst in Erstaunen setzte, gar nicht um den von ihnen sogenannten „Gott der Weißen“ bekümmern, keiner Betversammlung mit beiwohnen, oder auch wohl noch gar den Missionaren direkt entgegenwirken. Solche Menschen müssen dann unter jeder Bedingung entfernt oder unschädlich gemacht werden, und es sind da schon oft wunderliche Dinge vorgekommen.
Es lässt sich deshalb denken, dass diese Leute alles aufbieten, was ihnen zu Gebote steht, Matrosen oder anders Gläubige von ihrem Aufenthaltsort entfernt zu halten, und ich kann ihnen das von ihrem Standpunkt aus auch eigentlich gar nicht verdenken; es ist nur ein Akt der Selbsterhaltung – und dient ja allein zum Seelenheil der Insulaner.
Mögen aber nun die protestantischen Missionare, was sie allerdings stets leugnen wollen, die eigentlichen regierenden Herren dieser Inseln sein, oder vielmehr gewesen sein oder nicht, denn die Nähe Kaliforniens und Frankreichs Kriegsschiffe haben darin eine wesentliche Veränderung hervorgebracht, soviel ist gewiss, in der Stadt selber herrscht eine musterhafte Ordnung, und nicht wenig trägt dazu die hohe Einfuhr auf spirituöse Getränke (5 Dollars auf die Gallone) mit bei, wie die Schwierigkeit, die es hat, Erlaubnis zum einzelnen Ausschenken zu bekommen. Natürlich ist dabei auch das Genus „Polizeidiener“ sehr bedeutend vertreten, und ich habe an dem oberen Markt der Stadt einmal 23 – sage dreiundzwanzig – in einer Reihe und an einer Plankenwand lehnen sehen, während noch außerdem eine unbestimmte Anzahl ihrer Kollegen ab- und zu schwärmte. Ihre Tracht ist einfach und gleichförmig: kurze dunkle Jacke, lichte Beinkleider, Schuhe und Mütze, an welcher letzteren das Wort „Police“ mit schwarzen Buchstaben auf gelbem Grunde glänzt.
Weniger organisiert scheint das „stehende Heer“ des jungen Staates, und die Regierung ist auch gerade nicht durch das Betragen der fremden Kriegsschiffe ermutigt worden, viel auf seinen Verteidigungszustand zu wenden. Einer gegen sie anrückenden Flotte zu widerstehen, dazu würden die Mittel des erst „neugeborenen Königreichs“ nicht ausreichen, und die Soldaten nur zum Staat zu haben, dazu sind die jetzt am Staatsruder stehenden Männer zu vernünftig.
Man hat auch eigentlich gar keine Verwendung dort für die Soldaten, denn die Polizeidiener sind vollkommen ausreichend, und wo diese nichts mehr ausrichten können, würde auch wahrscheinlich die ganze „Linie“ ohne Erfolg verwendet werden. Vor dem Fort steht übrigens gewöhnlich ein Exemplar davon als Probe, in der Gestalt der Schildwache, und die warme Witterung mag den „grauen Krieger“ entschuldigen, wenn er beim Auf- und Abmarschiren vor dem Tor die schwere Flinte nicht immer im Arm hat, sondern das „Todesrohr“ friedlich in der Ecke des breiten Torweges ruhen lässt, ja es, der Ehrlichkeit seiner Mitbürger vertrauend, nicht einmal an sich nimmt, wenn er Fremde in den innere Teil des Hofraumes begleitet.
Die Uniform ist durchschnittlich blau mit roten oder anderen Aufschlägen, Hosen unbestimmt, Mütze etwas hoch oben auf dem buschigen Haar. Exerziert wird mit einer, manchmal auch mit zwei Musketen, eine auf der rechten Schulter, die andere in der linken Hand; Seitengewehr fehlt. Besondere Kennzeichen gar keine.
Eines aber hat mich gefreut, und liebe alte Erinnerungen – Erinnerungen, aus meiner Schul- und Jugendzeit in mir erweckt – einen wilden Leipziger Stadtsoldaten; blau mit gelben Aufschlägen, und noch jung, in seinem besten Alter, nur etwas gelbbraun, habe ich hier gefunden. Wie er hier hergekommen ist, weiß ich freilich nicht. Man sagt, dass Insulaner von den Inseln manchmal in einem Kanu Hunderte von Meilen weit verschlagen und an fremde Küsten getrieben wurden – die Leipziger Stadtsoldaten wohnten dicht an der Pleiße – sollte er vielleicht in einem Schilderhaus? . . . doch das sind nur Vermutungen, und die gehören eigentlich nicht hierher.
Als ich mir übrigens in Honolulu einige scherzhafte Bemerkungen über das stehende Heer der Sandwichsinseln erlaubte, wäre ich beinah schön angekommen. Ein Amerikaner hörte es, und da er nach meiner Aussprache wohl erkannte, was für ein Landsmann ich sei, fragte mich der Mann, wie ich, als Deutscher, mich noch über etwas lustig machen könne, das dem Lande eher zur Ehre, als zur Schande gereiche. – „Was hat Ihnen jetzt in Deutschland Ihr stehendes Heer genützt?“ rief er endlich, in immer größeren Eifer geratend – „was hat es ausgerichtet gerade da, wo es galt, einen wirklichen Feind des Landes zu bekämpfen? – wozu ist es so lange gerade von dem Marke des Landes –“
Ich fiel dem Mann in die Rede und um den Hals, und bat ihn, doch wenigstens Rücksicht auf meinen königlich sächsischen Pass zu nehmen, er machte sich aber los von mir und brummte:
„Ach was schert mich Ihr Pass“, – die Amerikaner sind dafür berühmt, dass sie auf gar nichts Rücksichten nehmen – „mich ärgert es nur, wenn mir das unschuldige Kriegswesen hier verhöhnt wird. – Da“, fuhr er plötzlich fort und zeigte auf einen gerade vorbeigehenden Krieger – „sehen Sie den Mann an, glauben Sie, der – trotzdem dass er das Loch in der Hose hat, was er sich allerdings hätte flicken können – würde sich je für was anderes halten, weil ihm der Gouverneur eine Uniform mit einem gelben Kragen gegeben hat? – nie – und das ist nur ein Kanaka – und da wollen sie ein stehendes Heer verteidigen?“
Er nahm plötzlich seinen Hut, drückte ihn sich fast bis über die Augen in die Stirn und lief, noch immer in vollem Zorn die Straße hinunter. Was der Mensch für verworrene Begriffe über Deutschland und Politik hatte. Doch ich ließ ihn laufen und betrat lieber das Fort, um auch das Innere, denn das Äußere schaute eben nicht viel versprechend aus, zu besehen. Im Inneren sah es aber noch viel schlimmer aus wie draußen, und traurig war da der Anblick dieses kleinen Forts, das vor einem Jahr etwa von der Mannschaft eines französischen Kriegsschiffes – ich glaube des „VINCENNES“ – gestürmt und dessen Kanonen vernagelt wurden. Die Ursache war die erhöhte Steuer auf Brandy und sonstige Spirituosen (welche seit der Zeit sämtlich 5 Dollars pro Gallone, die Gallone etwa zu 5 Flaschen, Steuer zahlen).
Ein französisches Schiff hatte diese Steuer umgehen wollen und geschmuggelt, war aber ertappt und französisches Eigentum dafür konfissiert worden. Das französische Kriegsschiff handelte, indem es die Partei eines Landsmanns nahm, der gegen die Gesetze des Landes gefehlt hatte, in dem er sich befand, und dafür rechtlicherweise bestraft war, vollkommen ungerecht, außerdem betrug es sich gegen eine Macht, die sich ihm gar nicht widersetzen konnte, so ungroßmütig und roh als möglich. Es beabsichtigte sogar die Stadt zu beschießen, wobei Hunderte von Unschuldigen ihr Leben oder doch ihr Eigentum verloren hätten, die Kranken eines amerikanischen Kriegsschiffes befanden sich aber gerade in der Stadt, und der Kapitän desselben wollte auf die Mahnung des Franzosen diese nicht an Bord nehmen, sondern pflanzte seine Flagge vor dem Haus auf, und dieser bombardierte jetzt die Stadt nicht, sondern sandte seine Leute an Land, ließ das Fort stürmen – das, glaube ich, nicht einmal einen Schuss feuerte – und ruinierte nicht allein die Kanonen desselben gänzlich, die noch jetzt alle mit ihren zerbrochenen Lafetten und abgeschlagenen Richtstücken im traurigsten Zustande liegen, sondern „konfissierte“ auch, wie er es nannte (auf festem Lande würde man es stehlen nennen) den Kriegsschoner des Königs Kamehameha, der ihm etwa 15.000 Dollars gekostet haben soll, und machte dem armen Monarchen auf solche Art begreiflich, dass Frankreich ihm keineswegs das Recht zugestände, die von ihm gegebenen Gesetze auch in Kraft zu erhalten.
Das muss ich übrigens hier noch bemerken, dass diese letzte französische Gewalttat ihren Anlass nicht allein in der Brandysteuer hatte, sondern dass ihr noch ältere „Missverständnisse“ zum Grunde lagen, in denen die Franzosen allerdings das Recht auf ihrer Seite hatten.
Die Sache genau auseinanderzusetzen, dazu ist hier nicht der Raum; nur folgendes möge der Leser zu allgemeiner Verständigung wissen.
Die amerikanischen protestantischen Missionare hatten zuerst auf all diesen Inseln die Eingeborenen zum Christentum bekehrt, und sich mit der Verwandlung ihrer Sprache in eine Schriftsprache und der Übersetzung der Bibel wie mancher anderen Bücher in dieselbe viele Mühe gegeben. Als nun später, zu verschiedenen Zeiten, französische Missionare ebenfalls ihren Wohnsitz dort aufschlagen wollten, um den zum Teil noch heidnischen Eingeborenen auch den Segen der katholischen Religion zukommen zu lassen, so stellten sich die protestantischen Geistlichen nicht etwa auf die Hinterfüße gegen die neue, und ihnen so gefährliche Sekte, nein, allen ihren späteren Verteidigungen nach versicherten sie auf das Heiligste, dass sie sich vollkommen neutral verhalten hätten, und der Missionar Bingham schreibt sogar sehr naiv: „Die frommen Brüder damals hätten nur nicht gewusst, ob sie für diese neue geistliche Lehre mit gutem Gewissen von Gott Gedeihen erbitten sollten“ (und nun sage mir noch jemand etwas gegen die Jesuiten) aber sie steckten sich in ihren Privatbesuchen hinter den König, und besonders hinter die Königin, und ließen die Katholiken, die sie mit bedauerndem Achselzucken dem Volke als „christliche Götzenanbeter“ schilderten, wieder aus dem Lande jagen, während die Insulaner, die sich öffentlich zu dieser neuen Lehre bekannt hatten, teils mit Gefängnis, teils mit öffentlichen Arbeiten bestraft wurden.
Es wird mir wahrhaft nicht einfallen zu erörtern,, welche von beiden Konfessionen, die protestantische oder die katholische, den Vorzug verdiente, und ob die protestantischen Geistlichen wirklich nur zum Besten ihrer „interessanten“ Eingeborenen den katholischen Glauben von den Sandwichsinseln entfernt zu halten wünschten (die sonst so bibelfesten und alles nur mit der Bibel beweisenden und fortwährend Bibelstellen zitierenden Herren schienen ganz die Worte: „Prüfet alles und das Beste behaltet!“ vergessen zu haben) während die Katholiken, hätte ihnen nur das Seelenheil der Insulaner am Herzen gelegen, ebenfalls recht gut wissen mussten, wie konfus diese armen Teufel wurden, wenn man ihnen zu gleicher Zeit zwei ganz verschiedene christliche Religionen anbot. So viel aber ist sicher, es geschah, die Katholiken wurden vertrieben und die Folge davon war, dass Monsieur La Place, Kapitän der französischen Fregatte „ARTEMISE“, mit Gewalt französische Missionare (im Jahr 1839) ans Land setzte, und nach der folgenden Klausel in dem Vertrag, den er dem König unter Androhung von Beschießung der Stadt vorlegte, auch noch 20.000 Dollars als Kaution für das künftige gute Betragen der Inseln mitnahm: „dass der König der Sandwichsinseln den Händen des Kapitäns der „ARTEMISE“ 20.000 Dollars als Bürgschaft gebe, wie sein künftiges Betragen gegen Frankreich sein soll; welche Summe ihm die Regierung zurückzahlen wird, sobald sie zu der Überzeugung gekommen ist, dass der vorliegende Vertrag getreu erfüllt wurde.“
Die französische Regierung ist übrigens bis jetzt wahrscheinlich noch nicht zu der Überzeugung gelangt; die 20.000 Dollars sind wenigstens noch nicht an die Sandwichsinseln zurückgezahlt worden. Armer Kamehameha, ich fürchte, sie wird sich jetzt sehr schwer überzeugen lassen!
Auf diese letzte Gewalttat der Franzosen sandte die Regierung der Sandwichsinseln den jungen Prinzen mit einem Begleiter, dem Finanzminister, nach England und Amerika, dort wo möglich Schutz und Genugtuung zu bekommen. England und Amerika haben sich aber nicht, wie es scheint, mit der etwas delikaten und gefährlichen Sache befassen wollen; die Abgesandten kehrten unverrichteter Dinge wieder zurück, und es blieb wie es war.
Die hohe Steuer auf Spirituosen indessen ist trotz aller französischen Drohungen geblieben, und ward auch dies von den Missionaren bewirkt, was ich glaube, so kann man es ihnen, meiner Meinung nach, nur Dank wissen. Spirituöse Getränke sind gewiss für alle wilden Völker Gift, und die nordamerikanischen Insulaner haben das leider genugsam erfahren. Hier habe ich nicht einen einzigen betrunkenen Eingeborenen gesehen, ja selbst nicht einmal einen betrunkenen Matrosen, obgleich das schon manchmal vorkommen soll. Ganz verboten sind Wein und Spirituosen allerdings nicht, aber die wenigen Trinkhäuser dürfen nicht dicht am Wasser sein, sondern sind weiter oben in der Stadt, und dadurch wird es den landenden Bootsleuten etwas erschwert, sich rasch einen Rausch anzutrinken, und die Gasthäuser, wenn sie nicht ganz besondere – und ich glaube sehr teure – „Lizenz“ dafür haben, dürfen nicht glasweise ausschenken.
Nach jenem letzten für die Stadt so unglücklichen Besuch der französischen Fregatte, war kein französisches Kriegsschiff mehr eingelaufen; gerade während meiner Anwesenheit auf Oahu kam aber auf einmal die Kanaka-Bevölkerung in die größte Bewegung, und das rasche Hin- und Herlaufen Einzelner wie ihre lebhaften Reden und Gestikulationen kündeten etwas außergewöhnliches an. Es war dies denn auch in der Tat nichts geringeres als ein französisches Kriegsschiff, das sich vor Honolulu zeigte, und da ganz kurz vorher wieder ein französisches Schiff wegen Schmuggelns verbotener Spirituosen bestraft worden war, vermuteten die Kanakas nichts geringeres, als neuen Streit mit den hier allerdings gerade nicht beliebten Franzosen. Hierin hatten sie sich aber getäuscht, es war das Kriegsschiff „LA SERIEUSE“, das sich keineswegs feindselig betrug, so dass die Eigentümer der strohgedeckten Hütten sich wieder beruhigten. Die „SERIEUSE“ lag noch im inneren Hafen, als ich die Inseln wieder verließ.
Kalifornien hat übrigens gegenwärtig diese Inseln total verwandelt, und die Eingeborenen werden aus einem Erstaunen in das andere förmlich hinein geworfen.
Die Missionare hatten sie schon im Anfang mit für sie, gar wunderbaren Sachen bekannt gemacht. Die Schmiedekunst besonders war ihnen etwas Neues und Fremdes, Lesen und Schreiben dann, ja die Europäer selber mit ihren Schiffen und Kleidern, Waffen und Gerätschaften. Das sollte aber alles nur der Anfang zu einer noch größeren Entwicklung gewesen sein; Billarde und Kegelbahnen erregten hierauf ihre Bewunderung, die sogar noch, wie sie damals glaubten, zu ihrer höchsten Höhe durch die Errichtung eines Liebhabertheaters gesteigert wurde. Sie ahnten aber nicht, was noch mehr für sie aufbehalten sei, und das Insulanerviertel kam vor kurzer Zeit in förmliche Aufregung, als ein Schwarm wirklicher Kunstreiter, mit weißen, sehr eng anschließenden und sehr schmutzigen Trikots, gemalten Gesichtern und unechten Goldtressen auf erst kurz vorher dort an Ort und Stelle gekauften und in aller Geschwindigkeit abgerichteten Pferden „eintriumpfierte“, und mit Hilfe verschiedener Blas- und Reiß-Instrumente die sämtliche gelbbraune Bevölkerung von Honolulu, kurz alles was nicht wirklich niet- und nagelfest war, wie weiland der Geiger von Hameln die Kinder und Frauen, hinter sich her, durch die Stadt zog.
Und selbst das war noch nicht der Gipfel des Unglaublichen: Herrn Rossiter (Herr Rossiter stand breit auf den englischen Zetteln, er konnte aber, als ihn ein Deutscher auf das Herr hin deutsch anredete, nicht antworten) war es vorbehalten dieses zu erreichen, und die Sandwichsinsulaner schleppen nun ihren letzten Real – zum nicht geringen Ärger der Kaufleute, denen dadurch manches bunte Tuch und Stück Kattun im Laden liegen blieb – in die wieder erleuchteten Räume des eingegangenen Liebhabertheaters, um Herrn Rossiter auf dem Drahtseil tanzen, Schwerter und Apfelsinen verschlingen, Tauben köpfen und wieder beleben, und noch viele andere ganz unbeschreibliche Sachen auf die unbeschreiblichste Weise ausführen zu sehen.
Jetzt fehlte weiter gar nichts, als dass noch ein lebendiger Drehorgelmann mit einer sauber in grün und rot gemalten Mordgeschichte hierher käme; ich glaube die gesamte gelbbraune Bürgerschaft fiele ihm und seiner stets heiser geschrienen Begleiterin mit dem Paketchen „neuer Lieder“ um den Hals.
Doch sie in alle Geheimnisse der zivilisierten Welt so ganz urplötzlich einzuweihen, wäre wirklich nicht einmal gut für sie, und der Drehorgelmann bleibt ihnen deshalb lieber noch eine Zeitlang vorenthalten.
Bei dieser so rasend schnell hereinbrechenden Zivilisation passierte aber auch vor noch nicht gar so langer Zeit ein ziemlich komischer Fall. Ein Franzose hatte sich nämlich hier auf Honolulu mit dem kühnen Gedanken niedergelassen, die Kultur der Insulaner „von oben“ zu beginnen, d. h. nicht etwa bei den Häuptlingen, sondern bei ihren Häuptern anzufangen, und sich deshalb in eine der Hauptstraßen als Friseur etabliert. Soweit war alles gut, eines Morgens aber, bald nach Tagesanbruch schien Honolulu in Aufruhr – die Insulaner stürzten durch die Straßen, alle einem gewissen Punkte zu – einzelne, Anderen zugeschrienen Worte veranlassen auch diese, ihnen zu folgen, und das Haus, wo der französische Friseur wohnte, war nicht allein in weniger als einer Viertelstunde vollständig umlagert, sondern die schwarze Polizei soll auch sogar schon Miene gemacht haben, ihn abzuholen, wobei er vielleicht von den erregten Volkshaufen draußen zerrissen worden wäre.
Aber weshalb? – um Gotteswillen weshalb? –
Weshalb? Hatte er nicht die abgeschnittenen Köpfe dreier Unglücklichen keck und frech hinter sein eignes Glasfenster zur Schau ausgestellt? – und musste er die armen Opfer nicht auf die boshafteste hinterlistigste Weise überrascht haben, dass sie selbst jetzt noch das freundliche unbefangene Lächeln auf ihren Gesichtern trugen und die Augen so klar offen, hielten, als ob gar nichts vorgefallen wäre, indessen ihre verstümmelten Glieder wahrscheinlich irgendwo verscharrt gegen den Mörder um Rache schrien? – Es wäre jedenfalls zu irgendeinem gewalttätigen Schritt gekommen, hätten sich nicht ein paar andere, schon länger dort angesiedelte Franzosen hineingelegt, und den Irrtum aufgeklärt.
Ein Eingeborener lebt aber auf dieser Insel, und sogar in der Residenz selber, der sich bis jetzt noch jeder Zivilisation auf das Hartnäckigste widersetzt, aber wie Goethes Mephisto, im Großen nichts verrichten kann, und es nun im Kleinen anfängt. Selbst die Polizei kann ihm nichts anhaben, oder – was weit wahrscheinlicher ist, steckt mit ihm unter einer Decke, und so durchzieht er die Straßen der Stadt, fortwährend nur seine ganze Aufmerksamkeit darauf gespannt, da zu zerstören, wo andere etwas begonnen zu haben glaubten.
Und dies Individuum ist nichts Geringeres als ein Ziegenbock, der merkwürdiger Weise seine ganzen geistigen Fähigkeiten darauf gerichtet hat, Zettel abzureißen, wo er sie irgend erlangen kann, und damit die verschiedenen Ankleber schon oft in Verzweiflung gebracht hat. Honolulu ist nämlich keineswegs ein so unbedeutender Platz, es hat Druckerpressen und Zeitungen und Kunstreiter und andere Fähigkeiten, die sämtlich angeklebt und gemeldet sein wollen. Die Regierung ebenfalls erlässt sehr häufig Anschläge, und ein Ziegenbock hat in der Tat alle Hände voll zu tun, die Ecken von Zetteln frei zu halten. Das Tier verhält sich dabei auf die schlauste Weise, und wer es sieht, soll nachher noch einmal behaupten, Tiere im Allgemeinen hätten keinen Verstand – oder treibt sie vielleicht ihr Instinkt auch nach angeklebten Zetteln? –
Es war am zweiten Morgen, als ich langsam, mich den neuen Eindrücken die überall auf mich eindrängten in voller Ruhe hingebend, durch die Straßen Honolulus schlenderte und unten, nicht weit vom Fort, einen großen schönen Ziegenbock fand, der mich im ersten Augenblick scheu und misstrauisch zu betrachten schien, dann aber wieder, nach einem vorsichtigen Blick rings umher, der dem Wilde selbst an den ruhigsten sichersten Stellen besonders eigen ist, zwischen den dort zu irgendeinem Bau aufgehäuften oder umhergestreuten Korallblöcken, nach dem reichlich da wuchernden Gras suchte. Ich hätte das schöne Tier vielleicht länger beobachtet, wäre meine Aufmerksamkeit nicht in dem Augenblick durch einen Eingeborenen gefesselt worden, der einen großen Arm voll Zettel zum Ankleben und einen Kleistertopf trug. Der Zettel hatte die Überschrift, „Makana“ irgendeine Belohnung für den Entdecker einer Brandstiftung aussetzend, und mir fiel damals schon das Betragen des Insulaners auf, der, als er auf einen niederen mitgeführten Tritt hinaufstieg, dem Ziegenbock einen misstrauischen Blick zuwarf, und mit der Hand in der er den Kleistertopf trug, nach ihm hinüber drohte. Der Ziegenbock nahm aber allem Anschein nach nicht die geringste Notiz von ihm, und musste gerade in diesem Augenblick ein sehr süßes Grasfleckchen entdeckt haben, denn er schob den Kopf fast ganz zwischen ein paar große Korallblöcke hinein – er hatte den Zettelträger jedenfalls gar nicht bemerkt.
Wunderbarer und wie es mir vorkam, höchst unnützer Weise klebte der braune Bursche seinen Zettel aber entsetzlich hoch, man konnte die Worte, trotz der großen Schrift, kaum erkennen, und erst nachdem er sich fast die Arme ausgerenkt hatte, und irgendetwas dabei in seiner Sprache murmelte, stieg er den Tritt wieder hinunter, nahm ihn unter den Arm und verschwand um die nächste Ecke, nach einer Weile aber – wohl zehn Minuten mochten darüber vergangen sein – kam sein Kopf mit dem Kleistertopf plötzlich noch einmal zum Vorschein, und nach einem langen misstrauischen Blick auf den Bock verschwand er zum zweiten Mal, ohne dass der Ziegenbock auch nur die geringste Notiz von ihm genommen hätte.
Mir kam das alles so merkwürdig und außergewöhnlich vor, dass ich dem Mann folgte, zu sehen was er weiter treibe, ich hatte aber kaum die Ecke erreicht, wo ich ihn mit einem anderen Zettel beschäftigt sah, als es der Ziegenbock wurde, für den ich mich zu interessieren anfing, denn dieser hob jetzt zum ersten Mal vorsichtig den Kopf, schaute aufmerksam die Straße erst hinunter und dann hinauf, und als er Niemand Verdächtiges sah, denn mir mochte er es ansehen, dass ich ihn in seinen Operationen nicht stören würde, kam er rasch zwischen den Korallblöcken vor, war mit ein paar Sätzen auf einem Haufen Bauholz, das wenige Schritte von dort aufgeschichtet lag, und von dem ein Balken schmal und schwankend bis dicht neben den Zettel hinausragte, lief auf diesem hin wie ein Seiltänzer, und ehe ich nur begreifen konnte was er da oben wollte, hatte er den eben frisch angeklebten Zettel erfasst, riss ihn herunter, und wie er den Boden wieder erreichte, war das nasse Papier auch schon, wenn noch nicht verschlungen, doch wenigstens umgekaut.
Ohne sich unten aber weiter aufzuhalten, wanderte er langsam die Straße hinauf, dem Zettelträger nach, und vier Zettel zog er herunter, bei denen ich gegenwärtig war, bis ein Polizeidiener die Straße nieder kam und der Ziegenbock, rasch in eine schmale Beistraße einbiegend, hinter den niederen Bambushäusern verschwand.
Der Eigentümer des Amerikanischen Zirkus, der einen von seinen eigenen Leuten herumgeschickt hatte seine Zettel anzukleben, behielt, da dieser sie nur kaum vier Fuß von der Erde anpappte, nicht einen einzigen oben, und das Ganze einer Schikane irgendeines Nebenbuhlers zuschreibend, beklagte er sich sogar deshalb bei den Gerichten. Gott weiß übrigens ob der Ziegenbock „tabu“ war, das heißt nicht berührt oder geschädigt werden durfte, oder ob es – das Wahrscheinlichere – den Eingeborenen selber Spaß machte das gemütliche Tier in solcher Weise beschäftigt zu sehen, kurz trotz all diesen verschiedenen Vergehungen geschah ihm gar nichts, außer dann und wann einmal vielleicht ein kleiner Klaps, wenn er eben zufälliger Weise gerade von dazu Beauftragten auf frischer Tat ertappt wurde.
Ich versuchte später mein Bestes, den Ziegenbock anzukaufen um die Rasse nach Deutschland zu verpflanzen; der Reingewinn bei einer Gattung Tiere, die allein an Makulatur gezogen werden konnte, wäre enorm gewesen, der Besitzer wollte ihn aber unter keiner Bedingung veräußern.
Was die Regierung des Landes betrifft, so ist diese rein monarchisch. Kamehameha III. regiert als unumschränkter Herrscher, d. h. seine Minister, zwei Amerikaner und ein Schotte, regieren für ihn, und Se. Majestät suchen indessen den Fremden, welche stets behaupten wollen er stünde unter der Herrschaft der Missionare, auf das Kräftigste zu beweisen, dass dies nicht allein keineswegs der Fall ist, sondern dass sie sogar, wenn dies nur die Missionare litten, das Verbot der Branntweineinfuhr total aufheben würden. Über diese beiden etwas schwer zu vereinigenden Beweisgründe soll der arme Mann in den letzten vierzehn Tagen noch gar nicht nüchtern geworden sein.
Wer weiß übrigens ob er, wenn sich selber überlassen, so stark trinken würde, und ob nicht gerade das Verbot und das Aufpassen und stete Mahnen der Missionare dem alten Häuptlingsstolz gegenüber viel dazu beiträgt ihn mehr aus Ärger als Betrübnis nach der Flasche greifen zu lassen. Was ich sonst über ihn gehört habe, war nur zu seinem Vorteil. Er soll, wenn sich selbst überlassen, ein gutmütiger, ja selbst liebenswürdiger, nur natürlich gegen Fremde etwas misstrauischer Mann und außerdem noch ein vortrefflicher Boxer und Reiter sein und, wenn auch eben nicht sehr groß und robust gebaut, doch ungemeine Körperstärke besitzen.
Über die Damen des Hofes habe ich leider in der kurzen Zeit meines dortigen Aufenthalts gar keine Erkundigungen einziehen können.
Was nun die Bewohner von Honolulu betrifft, so ist ihre Bevölkerung, wenn auch nicht so gemischt wie die San Franciscos, dieser doch ebenfalls gar nicht so viel nachstehend. Das Proletariat, um von unten anzufangen, besteht nur in den Kanakas selber, und einigen, sehr wenigen ganz ordinären Branntweinschenken für Matrosen, die von Europäern gehalten werden.
Die Kanakas selber leben ungemein einfach und mäßig, und das Einzige, was sie sich früher und heimlich auch wohl noch hie und da jetzt an Extravaganzen erlaubten, war ein aus der Awawurzel bereitetes ziemlich berauschendes Getränk; Spirituosen sind ihnen aber gänzlich verboten, und schwere Strafen darauf gesetzt, sie an Eingeborene zu verkaufen, während diese selber keineswegs solches Verlangen darnach zu zeigen scheinen, dem Genuss derselben etwa gierig nachzustreben. Ich kann mich nicht ein einziges Mal erinnern, auch nur einen angetrunkenen Eingeborenen gesehen zu haben.
Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus der Taro- oder Palowurzel (denn sie verwechseln in ihrer Sprache das T und P und L und R fortwährend mit einander, indem ihr Ohr gar keinen Unterschied dafür haben kann) die ihnen dasselbe zu sein scheint, was den südlichen Inseln die Brotfrucht, den Kalifornischen Insulanern die Eichel, den Indern der Reis ist. Der Taro ist eine große starke Wurzel von zwölf bis fünfzehn und selbst mehr Zoll im Umfang, von einer fast purpurähnlichen Farbe, große Stängel und fleischige Blätter treibend, die Ähnlichkeit mit Pfeilspitzen haben aber mehrere Fuß lang und zwölf bis sechzehn Zoll breit sind, während die Pflanze selber durchaus im Wasser oder wenigstens dünnem flüssigem Schlamme gezogen sein will. Die kleinen Plätze in welchen dieses Hauptnahrungsmittel wächst, gleichen deshalb auch vollkommen kleinen Teichen, deren Ränder Bananen, Orangen und Kokospalmen einfassen.
Roh ist die Wurzel ungenießbar, scharf und beißend, gekocht aber vortrefflich und der süßen Kartoffel nicht ganz unähnlich, ja eher noch nahrhafter als diese. Zum Gebrauch wird die Tarowurzel in der Erde gebacken, bis sie trocken und mehlig, dann mit einem Stein zu feinem Mehl und in Wasser zerrieben, bis sie zu einem zähen nicht zu dünnen Brei wird, und dann zum Jähren bei Seite gestellt. Nach vierundzwanzig Stunden etwa hat dieser den nötigen Wohlgeschmack erlangt, und selbst die Art dann ist appetitlich, wie die Masse verzehrt oder besser eingestrichen wird. Auf seine Matte halb ausgestreckt, oder mit eingezogenen Füßen neben der Kalebasse kauernd die das allbeliebte Gericht enthält, fährt der Insulaner mit dem rechten Zeigefinger – der so alleinig zu diesem Gebrauch bestimmt scheint, dass er selbst den Namen Poe-Finger ka rima poe erhalten hat, in den Brei, und mit einem gewandten Schwung, nichts von der dickflüssigen Masse abtropfen zu lassen, bringt er die Labung in den Mund, streicht ab und ist für einen zweiten „Löffel voll“ fertig. Getrockneter oder roher Fisch dient dem Mahl als Würze.
Zu Wassergefäßen benutzt der Insulaner, noch eigentlich aus seiner alten Heidenzeit herstammend, Flaschenkürbisse, die zierlich geschnitten und mit regelmäßigen, oft äußerst geschmackvoll ausgeführten Figuren und Arabesken verziert oder gewissermaßen tätowiert werden. Diese mit ein paar Poe-Kalebassen, bilden aber auch in der Tat sein ganzes Küchengerät, und kommt man in eine solche Hütte der Eingeborenen und ist nicht genau mit den Verhältnissen dieser Leute vertraut, wird man sicherlich veranlasst zu glauben, die ganze Familie sei eben mit Sack und Pack ausgezogen, und habe nur das Moskitonetz noch, zum später Nachholen, zurückgelassen. Ein solches Netz mit ein paar Matten gewöhnlich und einem oder zwei mit Faserwolle gestopften Kopfkissen ist auch wirklich das Einzige was sie besitzen, und hie und da sieht man auch die in die Kanakasprache übersetzten kolossalen Bibeln oder ein paar kleinere Gebetbücher herumliegen. Nur unter dem Dach stecken wohl ein paar lange Fischspeere oder Harpunen, oder ein Netz hängt in der einen Ecke, damit sind sie dann „eingerichtet.“
Die Hütten selber bestehen meist aus in die Erde gesteckten und mit Grasmatten dicht überflochtenen Stäben oder dann und wann auch aus Rohr und Bambus.
Die Mittelklasse Honolulus bilden schon einige dort eingewanderte Handwerker mit den besseren Wirten. Einen Mietpferdhalter etc., Schmied und Wagenmacher, Tischler und Schlosser gibt es, und besonders Amerikaner haben sich hier, von der günstigen Lage der Inseln angeregt, niedergelassen. Aber auch das deutsche Element ist vertreten, und außer einem unserer Landsleute, der eine Art Matrosenkneipe hält, gibt es noch mehrere Tischler dort, die sich vortrefflich stehen sollen.
Nach diesen kommen die Kaufleute, Spanier, Franzosen, Engländer, Amerikaner und Deutsche, ein paar Ärzte, Dr. Petri und Dr. Hofmann, Editoren etc., und von diesen schon nicht mehr getrennt, die haute volée der Inseln, einige reiche Grundbesitzer, die Minister des Reiches und – die Missionare.
Der König, Se. Majestät, wie er in allen öffentlichen Dokumenten mit „seinen Ministern und Edlen“ genannt wird, verkehrt meist nur mit seinen Häuptlingen und den Missionaren, doch gibt er auch häufig Audienz, wenn nämlich in einem hinlänglichen Zustand sich sehen zu lassen, und verkehrt außerdem gern in der Stadt, besonders Sachen einzukaufen, wobei sein Kredit bei den Kaufleuten jedoch nicht unumschränkt sein soll.
Nach und nach haben sich auch einige Söhne und Töchter des himmlischen Reiches hier herüber verloren, und Kaufläden und ein Esslokal gegründet, mir waren sie aber nichts Neues mehr, die langbezopften hemdlosen Gestalten in ihren weiten Überkleidern, mit den glatten verschmitzten Gesichtern, nichtsdestoweniger freute ich mich sie hier zu sehen, denn sie gaben dem ganzen Gemälde eine Originalität, die ich ungern daran vermisst hätte.
Die christliche Religion ist jetzt, wenigstens auf Oahu, die allein vorherrschende, obgleich es auf den größeren Inseln noch sehr viele Heiden geben soll. Ganz kürzlich erst haben übrigens die Missionare die Inseln für bekehrt und das Missionswerk dort für beendet erklärt, wie ich erst hier aus den Zeitungen ersah, und nennen sich dort jetzt glaub' ich, nicht mehr Missionare, sondern sind in den Rang angestellter Prediger getreten. Die Sache hat auch einen leicht ersichtbaren Grund. Die Plätze auf den Inseln wurden zu einträglich, die Insulaner bekamen, durch das hohe Steigen der Produkte, zu viel Geld in die Hände und das Augenmerk verschiedener anderer Missionsgesellschaften fing sich an auf die Sandwichsinseln zu richten; neue Sekten wurden deshalb befürchtet, oder überhaupt eine Konkurrenz, und eine solche Erklärung gab anderen Missionen – katholischen ausgenommen, die den Protestantismus nicht als Christentum anerkannten – einen Vorwand mehr, neue Lehrer hier herüber zu senden.
Die Missionare, was von ihnen also nicht in den Staatsdienst übergetreten ist (und es sind sogar einige davon Minister geworden, obgleich sie sich früher nie mit Politik befasst hatten) haben also von nun an ihre festen Gehalte.
Außer diesem besteht aber auch noch eine Seamen's Chapel oder Seemannskapelle, ausschließlich für die dort anlaufenden Schiffe berechnet, deren Prediger ein Mr. Damon, eine zwar im Ganzen religiöse, aber nichtsdestoweniger höchst interessante Zeitung, den „Friend“ redigiert, in dem er nicht allein alles das bespricht, was Religion oder Mäßigkeitsgesellschaften betrifft, sondern auch, durch den Verkehr mit den Seeleuten den Absatz für sein Blatt meist auf den Schiffen findend, ganz interessante Artikel über Reisen und fremde meist mit dem Walfischfang in Beziehung stehende Länder bringt. Die Seemannskapelle hat dabei ein selbstständiges kleines Lokal teils zur Kirche, teils zum Lesezimmer eingerichtet. Das Letztere besuchte ich und fand es mit vier schauerlichen Bildern, riesengroßen kolorierten Abbildungen der Leber des Menschen mit den vernichtenden Wirkungen des Alkohols darauf. Es mag das eine recht hübsche Unterhaltung sein die Tafeln anzublicken, besonders für Leute, die sich ihr Leben lang schon dem Trunk ergeben haben, und nun ziemlich genau beobachten können, wie sie inwendig aussehen, und ich will auch nicht leugnen, dass es viel Gutes haben mag, ihnen die entsetzlichen Folgen unmäßigen Trinkens vor Augen zu halten, da gerade diese auch noch dazu die nichtswürdigsten, mit allen schädlichen Stoffen versetzten Getränke bekommen; wer aber gerade nicht nötig hat, ein abschreckendes Beispiel fortwährend vor Augen zu haben, auf den macht es jedenfalls gerade einen solchen Eindruck wie jener auf einen Pfahl gespießte Kopf in den Pampas.
Gerade in dieser Zeit beschäftigte sich Mr. Damon, der seine Besuche auch versichert, dass er nicht zu den Missionaren gehört, sehr eifrig mit einer japanischen Angelegenheit. Von Kalifornien herüber waren nämlich mehrere geborene Japaner, die früher einmal von einem amerikanischen Schiffe in See aufgefischt waren, angekommen, und beabsichtigten in ihr Vaterland zurückzukehren. Die Amerikaner interessierten sich aber schon damals viel zu sehr für Japan, eine solche Gelegenheit unbenutzt vorübergehen zu lassen und Mr. Damon sammelte gerade, um für sie ein Walfischboot, „KOMPASS“, ein Gewehr, einige Kleider, Schuhe etc. zusammenzubringen. Kapitän Whitmore von dem amerikanischen Schiff „SARAH BOYD“ hatte sich nämlich erboten, sie in Sicht von den Lu-Chu-Inseln abzusetzen, von wo sie dann versuchen mussten die Küste zu erreichen, da sie, sobald die japanischen Autoritäten nur ahnen würden sie wären von einem fremden Fahrzeug dorthin gebracht, nicht allein ihre Freiheit, sondern auch ihre Leben in dringender Gefahr brächten. Wie ich höre ist die Summe in sehr kurzer Zeit zusammengekommen.
Für die Literatur der Sandwichsinseln ist ebenfalls schon manches geschehen, und verschiedene durch Amerikaner angelegte Druckerpressen sind teils beschäftigt Zeitungen, teils religiöse Traktate und Schriften zu drucken.
In Hawaiischer Sprache ist schon die ganze vollständige Bibel erschienen, dann das Neue Testament allein, ferner mehrere Gebetbücher, kleine Fibeln für Kinder sowohl, wie für die erwachsenen Eingeborenen, sie mit europäischen Gegenständen auch in der Abbildung bekannt zu machen und sie die Anfangsgründe ihrer eigenen Sprache in der Schrift zu lehren.
Außer dem „Friend“ dann, der, ein Mittelding zwischen religiösem und Unterhaltungsblatt, mehr für seemännische Leser berechnet ist, erscheint auch noch, in großem Format, der „Polynesian,“ das offizielle Journal der hawaiischen Regierung, das ebenfalls wöchentlich herauskommt, und früher auch noch ein kleines Blatt durchaus den Zwecken der Mäßigkeitsvereine bestimmt, was aber jetzt eingegangen ist und seine Tendenz zum Teil mit auf den Friend übertragen hat.
Früher erschien ebenfalls noch ein Monatsheft, der Hawaiiean Spectator, conducted by an association of Gentlemen, und ebenfalls in Honolulu gedruckt, der aber größtenteils dem Missionswesen gewidmet war und sich nur einige Jahre gehalten hat.
Außerdem sind übrigens schon förmliche Werke auf Honolulu erschienen, wie z. B. Jarves History of the Hawaiiean Isles mit, natürlich dazu in den Staaten angefertigten Holzschnitten, wie mehrere andere Bücher, und die Amerikaner haben hier wie überall bewiesen, dass sie, was sie anfassen, auch vollkommen gut durchzuführen wissen.
Um übrigens auch vom inneren Lande selber etwas zu sehen, machte ich mich eines schönen Morgens mit einem Dr. Petri aus Eisenach, den ich hier das Vergnügen hatte kennen zu lernen, auf den sogenannten Pali oder Pari, einen Felsenabhang, der die südliche Hälfte der Insel von der nördlichen trennt, zu besuchen.
Auf ziemlich guten und lebhaften Pferden ritten wir, der Hauptstraße folgend, gegen die Berge hinauf, und ich kann wohl sagen dass ich seit langer Zeit keinen froheren Nachmittag gehabt habe als damals, wo wir im flüchtigen Galopp durch die wirklich reizende Gegend dieser Insel sprengten, und mit vollen Zügen die balsamische Luft einsogen, die von den grünen Hügeln zu uns herüber wehte.
Als wir die Stadt verließen, hielten wir uns erst, noch eine ziemliche Strecke lang in einer dichten Allee jener lindenartigen Tulpenbäume, die zu gleicher Zeit, nach dem Weg zu, die Einfriedigung für die an die Straße stoßenden Taroteiche bildet, und zu diesem Zweck ganz dicht neben einander, förmlich heckenartig gepflanzt waren. Von Links herüber blitzten die kleinen Wasserspiegel der Teiche aus den breiten saftigen Blättern und den darum her gepflanzten Bananen heraus, und noch etwas weiter hin schaukelten über einzelnen Fischteichen und zwischen schlankem Zuckerrohr vor, hohe Kokospalmen ihre fächerartigen Riesenblätter.
Daran vorüber flogen wir hinein in das offene Land; hie und da schaute ein im europäischen Geschmack gebautes Lusthaus aus dem dunklen Grün der es umgebenden Gebüsche heraus, und bunt zerstreut darum her, aber alle mit kleinen Gärten und wo es irgend anging mit Taroteichen versehen, die der in einem tiefen Graben herüber geleitete Bergstrom mit Wasser versah, standen die niederen Strohhütten der Eingeborenen.
Je weiter wir uns von der Stadt entfernten, desto steiler zog sich der Weg bergan, und rechts ab hörten wir das Rauschen eines Wasserfalls. Der Doktor, obgleich noch nicht lange auf diesen Inseln, war hier doch schon ziemlich gut bekannt und ritt gegen eine Gartenpforte an. Ein kleiner Insulaner öffnete, und ein paar Mädchen mit einem alten Kanaka kamen aus der nächsten Hütte und hielten, als wir abgestiegen, unsere Pferde. Rechts, nur ein kleines Stück vom Haus ab, führte der Weg an den Abhang eines steilen Tales, über das hin wir die Aussicht nach dem gegenüber niedersprudelnden Wasserfall hatten.
Es war gerade kein großartiger, aber ein höchst lieblicher Anblick, den hellen Bach aus den schattigen Büschen herausbrechen und wie im tollen Übermut über die scharfen Felsen in das zwischen 40 bis 50 Fuß tiefe Tal hinabspringen zu sehen, wo er sich in einem kleinen Becken erst wieder von seinem gefährlichen Satz sammelte und erholte, und dann – wie ein „zivilisierter“ Insulaner welcher Christ und guter Bürger geworden – sein freies schönes Leben aufgab und ernst und gesetzt in das kultivierte Tal hinunterfloss. Vorbei war es für ihn mit Wald und Waldeshang, vorbei mit den Freuden, der Lust seiner Jugend; das lag hinter ihm in unersteigbarer Kluft und halb freiwillig halb gezwungen hatte er sich selber aus seinem Paradiese gestürzt. Nicht mehr nach eigenem Gutdünken konnte er jetzt durch das schattige Grün des Waldes brechen und Gottes Güte in seinem eigenen Murmeln und Plätschern preisen – nicht mehr mit den sich zu ihm niedereneigenden Blumen kosen, und unter den alten, langdurchwühlten Baumwurzeln nach bunten Kieseln suchen, die er dann spielend und tändelnd, und seine sorglose Bahn sorglos verfolgend mit ins Tal nahm, sondern jetzt war ihm gezeigt was wirkliches Leben sei, und der Zweck war ihm, nach so viel tausend Jahren von Lust und Freiheit, zum ersten Mal bekannt gemacht worden, weshalb ihn Gott eigentlich erschaffen habe, und weshalb er auf der Welt sei.
Vor allen Dingen musste er erst einmal denen, die ihm diese neue Weisheit verkündigt, die Taro-Teiche füllen, die Gärten wässern und Mühlen und Maschinen treiben, und außerdem noch sämtliche schwarze Wäsche für Stadt und Umgegend reinigen, und endlich, herüber- und hinübergehetzt und gejagt, fortgeleitet wo er im Wege war, hingezogen wo man ihn brauchte, lebensmüde und matt, seine kristallhelle Flut in eine Pfütze verwandelt, im weiten Meere des Unendlichen zu verschwinden. – Ich weiß nicht, was sie dem Bach dafür Alles, im Ozean einst, versprochen haben – aber er hat mir recht leidgetan.
Wir hatten noch ein ziemliches Stück zu reiten und konnten uns deshalb nicht so lang an dem Wasserfall aufhalten. Bald saßen wir wieder im Sattel und galoppierten bergan. Während der Weg hier schlechter wurde und hie und da tiefe Sumpfstellen die Pferde bis an die Knie versinken ließen, hatten wir auch Gesellschaft bekommen. Ein kleiner brauner Junge und ein Mädchen, beide zwischen acht und neun Jahre alt, sprangen in tollen Sätzen neben und vor den Pferden her, Schlamm und Steine mit ihren bloßen Füßen nicht mehr achtend als ob es weiche Teppiche gewesen wären. Trotz ihrer dem Laufen nicht so günstigen Kleidung hielt das Mädchen vollkommen gut Schritt, ja war immer noch 15 bis 20 Schritt voraus, während der braune Bursche endlich, um sich die Sache etwas zu erleichtern, mein Pferd beim Schwanz erwischte und sich nun, es mochte laufen wie es wollte, unter jeder Bedingung mitnehmen ließ. Der Doktor erklärte mir: Die kleine Bande liefe mit, um oben auf dem Pali die Pferde zu halten und einen Real zu verdienen.
Wir waren jetzt nicht weit mehr von dem oberen Ende der Schlucht entfernt, die fast aussieht als ob sie durch irgendeine furchtbare Erschütterung der Erde einmal auseinander gerissen wäre; der Nordost-Passat brauste hier durch das dichte Buschwerk, das mit wildem Pisang untermischt den Weg dicht einschloss, und weit von drüben herüber konnten wir das Rauschen der Brandung hören. Noch eine kurze Strecke, und rasch griff ich meinem Pferd in die Zügel, denn schroff und jäh fiel plötzlich der Boden vor mir ab, und viele hundert Fuß unter mir lag die nördliche Hälfte Woahu's.
Rechts und links hoben sich aber noch hoch und schroff die Abhänge des scheidenden Gebirgsrückens empor, und durch die schmale Schlucht die hierdurch gebildet wurde pfiff der scharfe Nordost so derb, dass wir vor allen Dingen unsere Hüte wahren mussten. Ich steckte den meinigen in die Tasche, stieg vom Pferd, dessen Zügel mein kleiner Begleiter schon gefasst hatte, und gab mich jetzt, in das Gras hingestreckt, ganz dem Eindruck des tief unter mir ausgedehnten Panoramas hin.
Wie ein halb abgerissener Kessel, dessen andere Hälfte das Meer verschlungen hatte und darüber hin brausend nun kochte und gährte und gegen die andere Hälfte anstürmte, stand das Tal, und von der See her stürmten die weißen Schaumwellen der Brandung über die aufragenden Korallenriffe an, und warfen sich in ohnmächtiger Wut bis weit über den Sand hinauf. Der untere fruchtbare Talboden war mit Grün bedeckt – was dort wuchs ließ sich der großen Entfernung wegen nicht bestimmen – und einzelne kleine gelbe Hüttendächer schauten nur still verdeckt daraus hervor. Weit hinten am Horizont glitt ein kleines weißes Segel, und tief im schattigsten Grund bewegten sich einzelne helle Punkte, die ich durch mein Taschenteleskop bald als weidende Kühe erkannte.
Der Himmel hing blau und klar darüber, und der weiße schlanke „Bootsmann,“ der von der See herüberstrich, schien ordentlich auf seinen Fittichen auszuruhen, wie er mit kaum bemerkbaren Flügelschlägen gegen uns anschwebte, als ob er die Fremden aus seinem Heiligtum verscheuchen wollte.
Lautes Sprechen und Lachen um mich her erinnerte mich daran dass ich hier oben nicht allein sei. Am Rande des Abgrunds war noch eine bunte Gruppe von Kanakas, Männern und Mädchen gelagert – alle hier um von heraufkommenden Fremden ein paar Real für Pferdehalten zu lösen. Ein paar Engländer, die aber nicht heraufgekommen schienen die Naturschönheiten des Pali zu bewundern, gesellten sich diesen zu, und einer von ihnen, etwas angetrunken, schien nicht übel Lust zu haben den steilen Weg in das vor uns liegende Tal hinab zu reiten. Er ließ sich zwar endlich von seinen nüchterneren Gefährten bewegen davon abzustehen. Um aber doch eine Entschädigung zu haben, zog er eine lederüberzogene Flasche aus seiner Tasche, bat den Doktor, den er in seinem Leben nicht gesehen hatte, um eine Zigarre, versicherte ihn dass er ihm dieselbe, wenn er einmal im „Old Miner“ vorspräche, von Herzen gern bezahlen wollte, und ließ sich dann neben einem wilden braunen Mädchen, das mit ihm gekommen war, ins Gras nieder, wo er seine Aufmerksamkeit, so lange ich ihn beobachtete, auf das gewissenhafteste zwischen diesem und der Flasche teilte.
Dieser Abgrund hat historische Berühmtheit, denn hier hinab stürzten sich der Fürst und die Häuptlinge dieser Insel, als Kamehameha der Erste oder der „Eroberer“, wie er auch genannt wird (der Großvater des jetzigen Königs), von Hawaii oder Owaihy herüber kam und sich die ganze Inselgruppe mit Gewalt der Waffen unterwarf.
Das Leben dieses alten kühnen Häuptlings hat im Ganzen ungemein viel Romantisch-Ritterliches, und in der alten Welt, wo ihm ein größerer Schauplatz seiner Taten geboten wäre, hätte er vielleicht Gewaltiges geleistet und die Welt von sich reden machen, während er die Regierungen seiner Nachbarstaaten über den Haufen warf, und seine siegreichen Fahnen über die Marken der Grenzer trug. Hier nun hat er das Höchste erreicht was in seinen Bereich gelegt worden – von Hawaii, der Hauptinsel segelte er mit einer kleinen Flotte schwanker Kanus, dem Element wie den Feinden trotzend, aus, unterwarf sich, mit der Kriegskeule in der Hand, sämtliche Inseln der ganzen Gruppe und hinterließ seinen Nachfolgern den glorreichen Titel eines Kamehameha – eines Königs der Könige.
Was würde aber der alte Kamehameha sagen, wenn er jetzt seinen Enkel, Kamehameha den III. in der Staatsuniform und von seinen ebenso aufgeputzten Ministern und Edlen umgeben, auf seinem alten Königssitze erblickte? – Ich glaube der alte Kamehameha hat sich in den letzten dreißig Jahren schon so oft im Grabe herumgedreht, dass er ganz schwindelig geworden sein muss.
Wir bestiegen jetzt unsere Pferde wieder um in die Stadt zurück zu galoppieren, bekamen aber von hier oben aus noch mehr Begleitung als wir hinauf gehabt. Es ging gegen Abend, Reiter wurden nicht mehr oben erwartet, und ein ganzer Kinderschwarm sammelte sich als wir aufsaßen um uns her. Des Doktors Pferd wies gleich von Anfang an jede Vertraulichkeit zurück, meines aber war gutmütiger, obgleich lebendig genug, die kleine Bande mochte es auch vielleicht schon kennen, und ich hatte kaum den rechten Fuß im Steigbügel, so saß mit einem kecken Sprung ein junges Ding von Insulanerin hinter mir auf dem Pferd; drei andere, die beiden ersten von vorhin und noch ein kleinerer Junge, fassten am Schwanz an, der kleinste gab dabei dem Tier mit einer Gerte eins über die Lende, und hinunter den Berg ging's was das Pferd laufen konnte, und die kleine wilde Schaar wollte sich bei den halsbrechenden Sätzen, bei denen sie oft ordentlich in der Luft mit fortgerissen wurde, halb tot lachen, ließ aber trotzdem nicht los bis wir etwa halbwegs zur Stadt und wahrscheinlich in die Nähe ihrer Hütten kamen, wo sie alle vier ebenso schnell verschwanden als sie gekommen.
Die Insulaner reiten selber vortrefflich und selbst die Frauen und Mädchen sitzen keck zu Pferd und jagen meist in vollem Rennen die Straßen entlang, ebenso im Sattel übrigens als die ersteren, und nur ein großes Stück Kattun, ganz in der Art wie die Südamerikaner die Cheripa tragen, hinten im Gürtel befestigt, zwischen den Knien durchgezogen und vorn wieder in den Gürtel geschlagen, dass die Enden an beiden Seiten oft weit hinausflattern.
Das Klima der Sandwichsinseln ist vortrefflich, und der dort Wohnende kann sich, wie auf Madeira fast, jede Temperatur aussuchen. Obgleich innerhalb der Tropen, gehört die Vegetation weniger diesen als einer gemäßigt warmen Zone an. Allerdings wachsen hier Kokospalmen, und zwar zu ziemlich ansehlicher Höhe, aber keineswegs so üppig als es auf den südlicheren Inseln der Fall sein soll. Auch wird Zucker und Kaffee hier mit Nutzen gezogen, die Hauptprodukte der Inseln sind aber Kartoffeln, die in einem wirklich tropischen Lande nie so vortrefflich gedeihen als hier. Dies wäre aber auch dafür ein Himmelsstrich der unsern deutschen Landsleuten zusagen würde, und in der Tat befinden sich alle die Deutschen die ich hier getroffen habe, ungemein wohl. Die Sandwichsinseln liegen etwa auf dem 21. Grad nördlicher Breite, dennoch gibt es glaub' ich kaum in den kälteren Himmelsstrichen eine gesundere Temperatur, als sie der Fremde auf dieser kleinen Gruppe von Inseln (zwischen dem 155. und 160° westl. Länge nach Greenwich) findet.
Die Namen der verschiedenen Eilande sind Owaihy oder Hawaii die größte derselben mit dem gewaltigsten Vulkan der Erde, und berühmt weil hier Kapitän Cook seinen Tod fand, dann Maui, Tahaurawe, Ranai, Morokai, Oahu (mit der Haupt- und Residenzstadt Honolulu) Atooi oder Tauari und Nihau.
Schon von Spaniern vor langen Jahren entdeckt, wurden sie eigentlich von Kapitän Cook wieder aufgefunden, dann aber hauptsächlich von Walfischfängern aus den japanischen und nördlichen Meeren besucht die hier, zwischen den freundlichen Menschen, eine vortreffliche Station fanden, und sich selber von ihren Strapazen und der langen Fahrt erholen, wie auch ihre Schiffe wieder mit Früchten und anderen Lebensmitteln und Bedürfnissen versehen konnten.
Zuerst die Missionen, dann die Entdeckung Kaliforniens brachte eine förmliche Revolution in den Verhältnissen der Inseln hervor. Kamehameha III. lernte unter dem Einfluss der Europäer, unter deren Händen er erzogen wurde, ein neues Leben, neue Bedürfnisse kennen, fand dass die Produkte seines Landes, die sonst teilweise dem ganzen Volk zu Gute gekommen teilweise unbenutzt gelegen hatten, vortrefflich für ihn selber zu verwenden seien, gefiel sich in dem neuen Pomp, mit Uniformen, Epauletten und Empfangsfeierlichkeiten, mit dem man ihn kluger Weise bekleidete, und – wurde ein König. Die Rinder, die Kapitän Cook auf Owaihy ausgesetzt und dadurch dem Lande großen Vorteil gebracht hatte, erklärte er als sein alleiniges Eigentum (er erlaubte nicht einmal Jagdkarten darauf zu lösen), schlug alles Sandelholz seiner Inseln zusammen und verkaufte es an die dort landenden Fahrzeuge, ja einmal sogar, weil er daraus größeren Nutzen zu ziehen hoffte, belud er selber ein Schiff damit und sandte es, ich glaube nach China, seine Ladung dort abzusetzen, machte aber, von allen natürlich dabei betrogen, ungemein schlechte Geschäfte und verlor viel Geld. Wie dem aber auch sei, in das Sandelholz wurde, teils für die neuen Bedürfnisse des Königs, teils für die alten der Missionare, die kostspielige gewaltige steinerne Kirche und bequeme Wohnhäuser für sich aufsetzten, so hinein gewütet, dass jetzt in letzterer Zeit nicht ein Stock davon übrig geblieben und eine Schonzeit aufgegeben ist, in der keiner der jungen Schösslinge wieder berührt werden darf.
Kalifornien setzte dem allen die Krone auf, wie schon früher gesagt gewannen alle Produkte, vorzüglich aber die genießbaren, eine enorme Höhe, und Amerikaner selber kamen herüber, die mit mehr Fleiß und Ausdauer als die Eingeborenen den Ackerbau sowohl wie alle anderen Geschäfte tüchtig anzugreifen wussten, und dem Lande selber einen höheren Wert verliehen.
Alle diese Preise sind jetzt zwar wieder gefallen, nur das Land scheint noch denselben Wert gehalten zu haben und wird ihn auch halten. Die Sandwichsinseln müssen nicht allein in jedem Jahre, nein in jedem Monat mehr an Bedeutung gewinnen, denn keine andere Inselgruppe liegt dort oben im weiten Meere, die den Hawaiischen Inseln den Rang eines Stationsplatzes nach dem ganzen ungeheuren indischen Reich mit Festland und Archipel, nach China und Australien, selbst nach Japan vielleicht später, streitig machen könnte.
Neben dem bilden, gerade in jetziger Zeit, die Walfischfänger ebenfalls einen sehr bedeutenden Erwerbszweig für die Gruppe, da erst in den letzten Jahren die so einträgliche Jagd auf die PolarWalfische die sogenannten Bowheads entdeckt und benutzt wurde, und all jene Walfischfänger gezwungen sind gerade diese Gruppe anzulaufen, da sie es nicht in San Francisco, des Weglaufens der Matrosen wegen, riskieren dürfen.
So viel also für die günstige Lage der Inseln.
Die Hauptprodukte des Landes sind: die Tarowurzel, die Kartoffel, die süße Kartoffel, Yams, Zuckerrohr, Kaffee, Tabak, Kokosnüsse, Bananen, Orangen – und an Vieh Rinder, viel Schweine, wilde Ziegen, Truthühner und Hühner. Die Tarowurzel besonders ist so nahrhaft und ausgebend, dass ein einziger Acker damit bepflanzt, eine ganze Familie Jahr aus Jahr ein erhält, und die Eingeborenen selber auch wirklich wenig anderes mehr bedürfen. Die Wurzel verlangt, nach der ersten Anpflanzung, ein volles Jahr, bis sie zur vollständigen Reife und Benutzung gelangt, gibt dann aber auch nicht minder aus, und liefert ihre Ernte ununterbrochen.
Unsere gewöhnliche deutsche Kartoffel gedeiht, wie schon gesagt, vortrefflich auf diesen Inseln, und die Farmer haben dabei die möglichst geringste Arbeit damit, ja nach dem ersten Stecken wirklich kaum etwas weiter zu tun, als in der bestimmten Zeit zu ernten. Bei der Ernte bleiben stets genug Kartoffeln zu Samen zurück, das Feld wieder von Neuem zu bepflanzen, während ein solches Verfahren nicht den mindesten Nachteil auf die Produktion selbst haben soll.
Die süße Kartoffel, von den Deutschen gewöhnlich nicht sehr geliebt, da sie schon bei dem Namen (unter dem wir bei uns ja gefrorene Kartoffeln verstehen) einen Widerwillen überwinden müssen, wird von den Amerikanern der anderen fast vorgezogen und ist auch, meiner Meinung wenigstens nach, eine vortreffliche Frucht, die allerdings einer Kartoffel gleicht, aber mehr einen süßen, konfektartigen und sehr angenehmen Geschmack hat. Sie lieferte ebenfalls sehr reichliche Ernten, und wurde damals besonders viel nach Kalifornien verschifft, eignete sich aber sonst nicht so gut zu Schiffsproviant als die gewöhnliche, da sie sich kaum länger als sechs Wochen an Bord gut erhält.
Zuckerrohr ist nach der Kartoffel wohl das wichtigste Produkt, und lässt sogar von den Feldern einen noch bedeutenderen Gewinn erzielen als die ersten (wenn die Preise des Zuckers nämlich nicht gar so gedrückt sind, als das in den letzten Jahren der Fall gewesen) nur dass die Zeit zwischen der ersten Anlage einer Zuckerpflanzung und ihrer Ernte länger ist.
Das Zuckerrohr bedarf nach dem ersten Stecken, achtzehn Monate, da es erst in oder nach der „Taffelzeit“ (Taffeln werden jene schilfartigen Büschel genannt, die, wie bei unserem Flussschilf, oder auch ähnlich bei dem türkischen Weizen, oben die Krone des Rohres bilden) seine vollständige Reife und größte Saftigkeit erlangt hat. Die jungen Schösslinge brechen dann wieder aufs Neue vor, und liefern nun, da sie jetzt schon ordentliche Wurzeln getrieben haben, und dazu keiner weiteren Zeit mehr bedürfen, bis zum nächsten November, also nach etwa 11 Monaten, ihre zweite Ernte, und selbst später geschnitten, wird das immer die Zeit der vollständigen Reife sein.
Der Ertrag den ein mit Zuckerrohr bepflanzter Acker gibt, ist etwa 2.000 Pfund Zucker, 150 Gallonen Molasses oder Sirup zu jeder Ernte. Auf den Inseln sind dabei schon Zuckerhäuser errichtet, welche für die Hälfte Ertrag, den Zucker wie Molasses fertig liefern. Der reine Ertrag eines Ackers wäre demnach 1.000 Pfund Zucker und 75 Gallonen Molasses.
Die Arbeit, die das Zuckerrohr verlangt, ist nicht bedeutend, da die Reihen nur zwei- oder dreimal aufgeworfen werden müssen, das Rohr selber aber nur alle drei Jahre gesteckt zu werden braucht, indem erst nach Ablauf dieser Zeit die Keimkraft der Wurzeln nachlässt. Nichtsdestoweniger werden die Sandwichsinseln aus zwei Gründen nicht mit anderen zuckerbauenden Ländern auf die Länge der Zeit konkurrieren können, wenn sich ihre inneren Verhältnisse nicht um ein bedeutendes ändern, da sie erstens Arbeit nicht so billig und leicht zu erlangen haben wie alle die Länder wo entweder Sklaven gehalten werden, oder die Eingeborenen mit Erfolg zu all diesen Arbeiten zu verwenden sind, und weil ihnen zweitens die Benutzung des Abfalls zu Rum und Alkohol entgeht, indem die Missionare scharfe Verbote gegen die Bereitung solcher entsetzlichen Sachen erwirkt haben. Ja dieser Fanatismus des Temperancewesens ging besonders im Anfang so weit, dass der junge König veranlasst wurde nicht allein das Zuckerrohr, nein auch eine Anzahl von Kaffeebäumen niederschlagen zu lassen, weil ebenfalls ein „aufregendes Getränke“ daraus bereitet wurde, und die frommen Lehrer freuten sich des gelehrigen Zöglings. Kaffee und Zucker wird allerdings jetzt wieder erbaut, aber Spirituosen dürfen unter keiner Bedingung und mit den strengsten Strafen belegt gezogen werden.
Wenn aber auch dies noch zu rechtfertigen wäre, denn der Alkohol hat allerdings verderblich auf nur zu viele Insulanerstämme gewirkt und es ist ein Segen für sie, wenn er ihnen entzogen wird, so dehnt wieder der Fanatismus solch wohltätiges Gesetz in lächerlicher Übertriebenheit auch zum Schaden des Landes aus, indem es, mit dem Alkohol zugleich, den Weinbau verbietet, wenigstens das Keltern der Trauben ebenso streng als das Brennen von Alkohol untersagt, und gerade der Wein würde und wird auch für spätere Zeiten einen sehr bedeutenden Ausfuhrartikel für diese Inseln geben. Es gibt kaum ein Land in der Welt das eine bessere Lage für den Weinbau hätte, als gerade diese Inseln, und ich bin fest überzeugt sie werden einmal ein feurigeres herrlicheres Produkt als selbst Madeira liefern.
Gegen das Gesetz welches das Keltern der Traube auf das strengste verbot, war schon damals eine Agitation im Werke, die Missionare aber, sich nicht einmal an das Beispiel Gott Vaters kehrend, der ja dem Noah mit eigner Hand die Rebe gab und ihn den Bau des Weines lehrte, hielten starr und steif an dem alten Gebrauch und werden auch wohl nicht eher nachgeben, bis ihre Macht, was hoffentlich bald geschehen wird, erst einmal ganz gebrochen ist.
An Früchten sind die Inseln nicht so reich, als die südlich vom Äquator gelegenen Gruppen, ja Apfelsinen werden sogar von Tahiti hierhergeschafft und mit ungemeinem Nutzen verkauft, obgleich sie die Bewohner, mit nur einigem Fleiß, hier mit großer Leichtigkeit in Masse ziehen könnten. Bananen und Melonen gedeihen vorzüglich.
Kaffee und Tabak gehören auch mit zu den einträglichen Produkten, verlangen aber auch ebenfalls eigentlich wieder zu viel Hände zu ihrer Bearbeitung, um mit bedeutendem Erfolg, d. h. in großen Massen, gezogen zu werden.
Das Land selber ist übrigens keineswegs so billig, als man vielleicht der Lage nach glauben sollte; Grundeigentum befindet sich meistens, ja fast ausschließlich, in den Händen des Königs und der Häuptlinge, und selbst auf den abgelegenen Inseln war Land, selbst damals schon, kaum unter 10 Dollar der Acker zu kaufen, während es in der Nähe der Hafenplätze und besonders Honolulus noch verhältnismäßig stieg. Sich selbstständig dort niederzulassen und etwas zu beginnen, würde man deshalb auch wohl ein Kapital von wenigstens 1.000 Dollars nötig haben, einer sorgenfreien Existenz entgegenzusehen. Aber selbst ein Mann der ohne einen einzigen Dollar hierherkäme, brauchte nicht zu fürchten dass Geldmangel ihn verhindern würde sein Leben zu fristen. Es fehlt dort, wie schon gesagt, an Arbeitern, und fleißige ordentliche Leute werden den Pflanzern der Inseln nicht allein von Herzen willkommen sein und gut aufgenommen werden, sondern können sich auch ziemlich fest darauf verlassen sich mit nur mäßiger Arbeit, in wenigen Jahren selber eine Existenz gründen zu können.
Ich hatte selber mit dem Minister des Äußern, Hrn. Armstrong, auch ein früherer Missionar wenn ich nicht irre, eine sehr interessante Unterhaltung über die Einwanderung von deutschen Familien, die man dort besonders gerne sehen würde, da einzelnen jungen Leuten Kalifornien viel zu nahe liegt, sie mit Sicherheit auf den Inseln behalten zu können. Man wäre sogar, in damaliger Zeit, sehr gern erbötig gewesen das Passagegeld für solche Familien zu zahlen, die es dann nach und nach hätten abarbeiten können, aber die Verhältnisse ändern sich zu schnell an solchen Stellen und der Einwanderer würde darauf wenigstens keinesfalls rechnen dürfen.
Handwerkszeug wie Ackergerät wäre freilich mitzubringen, da derlei Sachen und Gegenstände wohl dort zu bekommen, aber unverhältnismäßig teuer sind.
Was die Viehzucht auf diesen Inseln betrifft, um wenigstens auch darüber einige Worte zu sagen, so wäre sie allerdings der hohen Preise wegen die Milch und Butter halten, einträglich genug, verlangte sie nicht auch zu gleicher Zeit so viele Auslagen und Unterhaltungskosten. Zahmes Vieh wird selbst auf dem entfernt liegenden Owaihy mit 20 –25 Dollars das Stück, bezahlt, Milchkühe noch teurer. Frisches Fleisch kostete damals in Honolulu 9 Cent (etwa 3½ Sgr.) das Pfund. Wildes Vieh könnte man nun allerdings vom König selber billiger kaufen, der Weidegrund muss aber ebenfalls, wenn man nicht eigenes Land genug dazu hat, besonders bezahlt werden, wozu die Erlaubnis, auf königlichem Territorien der Gouverneur, zu übrigens nicht sehr hohen Preisen erteilt.
Die Sandwichsinseln hatten nun von Anfang an gar nicht mit in meinem Reiseplan gelegen, und wenn ich auch keineswegs bereute, sie gesehen zu haben, da sie doch immer einmal einer mäßigen Zahl von Auswanderern zum Ziel dienen könnten, lag es doch mehr in meinem Plan einzelne, von der Kultur noch nicht verdorbene Inseln zu besuchen, und dann meine Route nach Sidney in Australien zu verfolgen. Meine Geldmittel waren aber auch nicht der Art, lange hier draußen aushalten zu können, wo ich vielleicht nachher niemand gefunden hätte, der mich wieder mit fortnahm, während die Insulaner selber schon eine so vortreffliche Idee vom Wert des Geldes erhalten hatten, dass sie wirklich selbst für die einfachsten Lebensmittel riesige Preise fordern. Die Kapitäne die von hier direkt nach Sidney gingen, verlangten ebenfalls enorme Passagepreise, und dann hätte ich noch obendrein gar nichts, oder doch nur ungemein wenig von der Südsee zu sehen bekommen – das wollte ich auf keinen Fall.
Da ließ mich mein gutes Glück einen Bremer Walfischfänger, den „„ALEXANDER BARKLEY““, Kapitän Heyn finden, mit dem ich bekannt und sehr bald befreundet wurde. Im Anfang mochte er sich allerdings nicht dazu verstehen einen Passagier an Bord zu nehmen, weil er sich bei seinem Geschäft – gerade im Begriff durch die Südsee auf Spermacetifische zu kreuzen – nicht verpflichten konnte, irgendeinen bestimmten Port anzulaufen. Wo er Fische fand, dort musste er hingehen, ob ihn das nun nach Osten oder Westen nahm, und dabei war er genötigt im März wieder auf den Sandwichsinseln zu sein, da er spätestens im April nach den nördlichen Eismeeren aufbrechen musste, also überhaupt nicht so sehr viel Zeit zu verlieren hatte. Das aber war mir gerade recht, und als ich ihm erklärte, er solle sich meinethalben auch nicht im Entferntesten binden, erstens sei es mir außerordentlich willkommen vor allen Dingen einmal auf Walfische mit zu kreuzen, und dann möchte er mich auf der ersten besten bewohnten Insel, von welcher Gruppe es auch immer sei, einfach mit meinen Sachen an Land setzen, wo ich dann schon suchen werde wieder fortzukommen, entschloss er sich, und es bedurfte nur kurze Zeit, mich wieder reisefertig zu machen.
Sogleich kamen wir aber noch nicht aus dem Hafen. Den Abend, ehe wir auslaufen wollten, waren auch von unserem Schiffe zwei Matrosen desertiert, und schon des guten Beispiels wegen und um andere abzuschrecken, wollte der Kapitän alles tun, was in seinen Kräften stand, sie wieder zu bekommen. Überdies waren es der erste und zweite Zimmermann, Leute die an Bord eines Walfischfängers ebenso nötig gebraucht wurden wie Böttcher und Schmied, und ohne die er in der Tat fast gar nicht in See gehen konnte, und da es der Kapitän in Händen hatte, die Entflohenen ihr eigenes Fanggeld bezahlen zu lassen, das ihnen, wenn eingebracht, von dem späteren Anteil abgezogen wird, setzte er 150 Dollars Belohnung auf das Wiedereinbringen der Ausreißer. Das jedoch wurde nur mit dem Marschall des Forts in Ordnung gebracht, der uns den Rat gegeben hatte, ruhig in See und außer Sicht zu gehen, dass die Leute glaubten wir wären fort, und aus ihren Schlupfwinkeln vorkämen. Wir gingen deshalb Sonnabend den 14. Dezember mit vollen Segeln aus dem Hafen und in See, und erst, als wir das Land fast am Horizont hatten, refften wir die Segel dicht und kreuzten bis zum 17. draußen herum, wo wir uns Morgens wieder zwölf oder vierzehn englische Meilen von Honolulu entfernt fanden. Da schlief der Wind total ein, und weil wir die schöne Zeit doch hier nicht länger versäumen mochten, ließ sich der Kapitän, den ich begleiten durfte, in einem der Walfischboote an Land zurück rudern.
Nach Mittag kamen wir dort an, die Matrosen waren nicht gefangen worden, jedoch gesehen, und die einmal auf die Spur gebrachten Kanakas, die um Geld, glaub ich, Gott weiß was verraten würden, erklärten fest, sie hofften die Leute bis spätestens Freitag zu haben. Noch an dem Abend waren einige ausgeschickt worden, und wir blieben deshalb die Nacht am Land. Am nächsten Morgen kehrten die letzteren zurück, und für den Tag war keine Hoffnung mehr.
Unser Schiff kam indessen etwas näher zum Lande heran, der Kapitän gab aber die Jagd noch lange nicht auf, und mit dem Marschall eine neue Verabredung treffend, fuhren wir wieder an Bord, und diesmal, mit allen leichten Segeln gesetzt, gingen wir zum zweiten Mal in See und hielten in einer Südostrichtung dicht am Passat liegend, die südlichen Inseln zu erreichen von Oahu ab. Die Absicht dieses Manövers war, die Flüchtlinge diesmal ganz sicher zu machen. Der „ALEXANDER BARKLEY“ werde nicht wieder zurückkehren, denn es ließ sich wohl denken, dass sie aus ihrem Versteck heraus von den, gegen die See zu niederdachenden Hügeln jede Bewegung des Schiffes auf das genauste beobachten würden; erst in dem Fall war es denkbar, dass sie sich in das flache Land wieder hinunter wagten, obgleich ihnen Hunger und Durst droben ebenfalls zusetzen musste.
Freitag den 20., während wir gegen den Passat aufwärts gekreuzt hatten, kamen wir mit günstiger Brise wieder dicht vor Honolulu, und die vom Fort wehende weiße Fahne – das verabredete Zeichen – sagte uns, dass diesmal unser Aufenthalt nicht vergebens gewesen sei; die Leute waren gefangen, und wir legten deshalb draußen bei, das Boot zu erwarten, dass der Marschall versprochen hatte mit den Eingefangenen herauszuschicken, wo das Geld dafür gleich an Bord in Empfang genommen werden könne.
Wir brauchten auch nicht lange zu warten; von vier Kanakas gerudert, schoss bald darauf ein schlankes Boot über die jetzt spiegelglatte See. Zwei Beamte, mit den offiziellen weißen Streifen um die Mütze, saßen darin, und zwischen ihnen die armen Teufel von Matrosen, bleich und niedergeschlagen.
Sie mussten an Bord steigen und wurden, ohne dass weiter ein Wort mit ihnen gewechselt ward, vorn an ihre Arbeit geschickt. Der erste Zimmermann, der früher mit zu den unteren Offizieren gehört, und besseren Tisch wie bessere Schlafstelle im Zwischendeck gehabt, wurde ebenfalls nach vorn, zum „Logis“ degradiert, und die beiden Beamten lud der Kapitän in die Kajüte, ihr Geld für den Marschall in Empfang zu nehmen und ein Glas Wein zu trinken. Zigarren wurden dabei herumgereicht, und da wir an der Einfahrt des Hafens dicht vorbeilaufen wollten, blieben die beiden Polizisten so lange an Bord. Der eine von ihnen schien sich auch ganz wohl zu befinden und rauchte, trank und erzählte, der andere aber war plötzlich leichenbleich geworden – die Zigarre ging ihm aus, und der Kapitän schob ihm das Licht wieder hin – er hielt sie hinein, aber er zog nicht – er hob das Glas an die Lippen, aber er trank nicht – er knüpfte sich den Rock auf und holte ein paar Mal tief Atem, und der kalte Schweiß stand ihm in dicken Tropfen auf der Stirne.
Ich bemerkte seinen Zustand zuerst und fragte ihn ob er krank sei, aber er leugnete hartnäckig und behauptete er befinde sich ganz wohl, bis auch sein Kamerad aufmerksam auf ihn wurde, und in lautes Gelächter ausbrach. – Er war seekrank geworden, und obgleich die See wirklich einem Spiegel gleich da lag, hatte doch in der Nähe der Korallenriffe die starke Schwellung der Wogen einige Bewegung hervorgebracht, die der arme Teufel nicht vertragen zu können schien. Er stemmte sich noch eine Weile zwar gegen das volle Eingeständnis seiner Schwachheit, aber lange konnte er es doch nicht mehr aushalten. Ziemlich in der Nähe der Einfahrt kletterten die beiden jetzt auch wieder in ihr Boot hinunter, und als es abstieß vom Schiff und von den Insulanern rasch zwischen die ersten Bojen hineingerudert wurde, da lag der arme Polizeibeamte noch rettungslos über Bord gelehnt, und übergab Neptun alles, was er nicht selber mehr wahren konnte.
Wir aber legten unser Schiff über den anderen Bug, die Segel wurden angebrasst, Bramsegel und Außenklüver gesetzt, und mit dem frischen Passat in der Leinwand hielten wir bald darauf wieder ziemlich dicht am Wind, in südöstlicher Richtung von dem Hafen ab, jetzt ernstlich gesonnen die sogenannten „Jagdgründe“ zu erreichen, und wo möglich ein paar Spermacetifische an Bord zu nehmen.
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