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Dritter Auftritt
ОглавлениеBertrand tritt auf, einen Helm in der Hand. Thibaut. Raimond. Johanna.
raimond:
Still! Da kommt Bertrand aus der Stadt zurück.
Sieh, was er trägt!
bertrand: Ihr staunt mich an, ihr seid
Verwundert ob des seltsamen Gerätes
In meiner Hand.
thibaut: Das sind wir. Saget an,
Wie kamt Ihr zu dem Helm, was bringt Ihr uns
Das böse Zeichen in die Friedensgegend?
Johanna, welche in beiden vorigen Szenen still und ohne Anteil auf der Seite gestanden, wird aufmerksam und tritt näher.
bertrand:
Kaum weiß ich selbst zu sagen, wie das Ding
Mir in die Hand geriet. Ich hatte eisernes
Gerät mir eingekauft zu Vaucouleurs.
Ein großes Drängen fand ich auf dem Markt,
Denn flücht’ges Volk war eben angelangt
Von Orleans mit böser Kriegespost.
Im Aufruhr lief die ganze Stadt zusammen,
Und als ich Bahn mir mache durchs Gewühl,
Da tritt ein braun Bohemerweib 3 mich an
Mit diesem Helm, faßt mich ins Auge scharf
Und spricht: „Gesell, Ihr suchet einen Helm,
Ich weiß, Ihr suchet einen. Da! Nehmt hin!
Um ein Geringes steht er Euch zu Kaufe.“
„Geht zu den Lanzenknechten 4 “, sagt ich ihr,
„Ich bin ein Landmann, brauche nicht des Helmes.“
Sie aber ließ nicht ab und sagte ferner:
„Kein Mensch vermag zu sagen, ob er nicht
Des Helmes braucht. Ein stählern Dach fürs Haupt
Ist jetzo mehr wert als ein steinern Haus.“
So trieb sie mich durch alle Gassen, mir
Den Helm aufnötigend, den ich nicht wollte.
Ich sah den Helm, daß er so blank und schön
Und würdig eines ritterlichen Haupts,
Und da ich zweifelnd in der Hand ihn wog,
Des Abenteuers Seltsamkeit bedenkend,
Da war das Weib mir aus den Augen, schnell
Hinweggerissen hatte sie der Strom
Des Volkes, und der Helm blieb mir in Händen.
johanna rasch und begierig darnach greifend:
Gebt mir den Helm!
bertrand: Was frommt Euch dies Geräte?
Das ist kein Schmuck für ein jungfräulich Haupt.
johanna entreißt ihm den Helm:
Mein ist der Helm, und mir gehört er zu.
thibaut:
Was fällt dem Mädchen ein?
raimond: Laßt ihr den Willen!
Wohl ziemt ihr dieser kriegerische Schmuck,
Denn ihre Brust verschließt ein männlich Herz.
Denkt nach, wie sie den Tigerwolf bezwang,
Das grimmig wilde Tier, das unsre Herden
Verwüstete, den Schrecken aller Hirten.
Sie ganz allein, die löwenherz’ge Jungfrau,
Stritt mit dem Wolf und rang das Lamm ihm ab,
Das er im blut’gen Rachen schon davontrug.
Welch tapfres Haupt auch dieser Helm bedeckt,
Er kann kein würdigeres zieren!
thibaut zu Bertrand: Sprecht!
Welch neues Kriegesunglück ist geschehn?
Was brachten jene Flüchtigen?
bertrand: Gott helfe
Dem König und erbarme sich des Landes!
Geschlagen sind wir in zwei großen Schlachten,
Mitten in Frankreich steht der Feind, verloren
Sind alle Länder bis an die Loire –
Jetzt hat er seine ganze Macht zusammen-
Geführt, womit er Orleans belagert.
thibaut:
Gott schütze den König!
bertrand: Unermeßliches
Geschütz ist aufgebracht von allen Enden,
Und wie der Bienen dunkelnde Geschwader
Den Korb umschwärmen in des Sommers Tagen,
Wie aus geschwärzter Luft die Heuschreckwolke
Herunterfällt und meilenlang die Felder
Bedeckt in unabsehbarem Gewimmel,
So goß sich eine Kriegeswolke aus
Von Völkern über Orleans’Gefilde,
Und von der Sprachen unverständlichem
Gemisch verworren dumpf erbraust das Lager.
Denn auch der mächtige Burgund, der Länder-
Gewaltige, hat seine Mannen alle
Herbeigeführt, die Lütticher, Luxemburger,
Die Hennegauer, die vom Lande Namur,
Und die das glückliche Brabant bewohnen,
Die üpp’gen Genter, die in Samt und Seide
Stolzieren, die von Seeland, deren Städte
Sich reinlich aus dem Meereswasser heben,
Die herdenmelkenden Holländer, die
Von Utrecht, ja vom äußersten Westfriesland,
Die nach dem Eispol schaun – Sie folgen alle
Dem Heerbann des gewaltig herrschenden
Burgund und wollen Orleans bezwingen.
thibaut:
O des unselig jammervollen Zwists,
Der Frankreichs Waffen wider Frankreich wendet!
bertrand:
Auch sie, die alte Königin, sieht man,
Die stolze Isabeau, die Bayerfürstin,
In Stahl gekleidet durch das Lager reiten,
Mit gift’gen Stachelworten alle Völker
Zur Wut aufregen wider ihren Sohn,
Den sie in ihrem Mutterschoß getragen!
thibaut:
Fluch treffe sie! Und möge Gott sie einst
Wie jene stolze Jesabel 5 verderben!
bertrand:
Der fürchterliche Salisbury, der Mauern-
Zertrümmerer, führt die Belagrung an,
Mit ihm des Löwen Bruder Lionel
Und Talbot, der mit mörderischem Schwert
Die Völker niedermähet in den Schlachten.
In frechem Mute haben sie geschworen,
Der Schmach zu weihen alle Jungfrauen
Und, was das Schwert geführt, dem Schwert zu opfern.
Vier hohe Warten haben sie erbaut,
Die Stadt zu überragen; oben späht
Graf Salisbury mit mordbegier’gem Blick
Und zählt den schnellen Wandrer auf den Gassen.
Viel tausend Kugeln schon von Zentners Last
Sind in die Stadt geschleudert, Kirchen liegen
Zertrümmert, und der königliche Turm
Von Notre-Dame beugt sein erhabnes Haupt.
Auch Pulvergänge haben sie gegraben,
Und über einem Höllenreiche steht
Die bange Stadt, gewärtig jede Stunde,
Daß es mit Donners Krachen sich entzünde.
Johanna horcht mit gespannter Aufmerksamkeit
und setzt sich den Helm auf.
thibaut:
Wo aber waren denn die tapfern Degen
Saintrailles, La Hire und Frankreichs Brustwehr,
Der heldenmüt’ge Bastard 6 , daß der Feind
So allgewaltig reißend vorwärts drang?
Wo ist der König selbst, und sieht er müßig
Des Reiches Not und seiner Städte Fall?
bertrand:
Zu Chinon hält der König seinen Hof,
Es fehlt an Volk, er kann das Feld nicht halten.
Was nützt der Führer Mut, der Helden Arm,
Wenn bleiche Furcht die Heere lähmt?
Ein Schrecken, wie von Gott herabgesandt,
Hat auch die Brust der Tapfersten ergriffen.
Umsonst erschallt der Fürsten Aufgebot.
Wie sich die Schafe bang zusammendrängen,
Wenn sich des Wolfes Heulen hören läßt,
So sucht der Franke, seines alten Ruhms
Vergessend, nur die Sicherheit der Burgen.
Ein einz’ger Ritter nur, hört ich erzählen,
Hab eine schwache Mannschaft aufgebracht
Und zieh dem König zu mit sechzehn Fahnen.
johanna schnell:
Wie heißt der Ritter?
bertrand: Baudricour. Doch schwerlich
Möcht er des Feindes Kundschaft hintergehn,
Der mit zwei Heeren seinen Fersen folgt.
johanna:
Wo hält der Ritter? Sagt mir’s, wenn Ihr’s wisset.
bertrand:
Er steht kaum eine Tagereise weit
Von Vaucouleurs.
thibaut zu Johanna: Was kümmert’s dich! Du fragst
Nach Dingen, Mädchen, die dir nicht geziemen.
bertrand:
Weil nun der Feind so mächtig und kein Schutz
Vom König mehr zu hoffen, haben sie
Zu Vaucouleurs einmütig den Beschluß
Gefaßt, sich dem Burgund zu übergeben.
So tragen wir nicht fremdes Joch und bleiben
Beim alten Königsstamme – ja vielleicht
Zur alten Krone fallen wir zurück,
Wenn einst Burgund und Frankreich sich versöhnen.
johanna in Begeisterung:
Nichts von Verträgen! Nichts von Übergabe!
Der Retter naht, er rüstet sich zum Kampf.
Vor Orleans soll das Glück des Feindes scheitern,
Sein Maß ist voll, er ist zur Ernte reif.
Mit ihrer Sichel wird die Jungfrau kommen
Und seines Stolzes Saaten niedermähn;
Herab vom Himmel reißt sie seinen Ruhm,
Den er hoch an den Sternen aufgehangen.
Verzagt nicht! Fliehet nicht! Denn eh der Roggen
Gelb wird, eh sich die Mondesscheibe füllt,
Wird kein engländisch Roß mehr aus den Wellen
Der prächtig strömenden Loire trinken.
bertrand:
Ach! Es geschehen keine Wunder mehr!
johanna:
Es geschehn noch Wunder – Eine weiße Taube
Wird fliegen und mit Adlerskühnheit diese Geier
Anfallen, die das Vaterland zerreißen.
Darniederkämpfen wird sie diesen stolzen
Burgund, den Reichsverräter, diesen Talbot,
Den himmelstürmend hunderthändigen,
Und diesen Salisbury, den Tempelschänder,
Und diese frechen Inselwohner alle
Wie eine Herde Lämmer vor sich jagen.
Der Herr wird mit ihr sein, der Schlachten Gott.
Sein zitterndes Geschöpf wird er erwählen,
Durch eine zarte Jungfrau wird er sich
Verherrlichen, denn er ist der Allmächt’ge!
thibaut:
Was für ein Geist ergreift die Dirn?
raimond: Es ist
Der Helm, der sie so kriegerisch beseelt.
Seht Eure Tochter an. Ihr Auge blitzt,
Und glühend Feuer sprühen ihre Wangen!
johanna:
Dies Reich soll fallen? Dieses Land des Ruhms,
Das schönste, das die ew’ge Sonne sieht
In ihrem Lauf, das Paradies der Länder,
Das Gott liebt wie den Apfel seines Auges,
Die Fesseln tragen eines fremden Volks!
– Hier scheiterte der Heiden Macht. Hier war
Das erste Kreuz, das Gnadenbild erhöht,
Hier ruht der Staub des heil’gen Ludewig,
Von hier aus ward Jerusalem erobert.
bertrand erstaunt:
Hört ihre Rede! Woher schöpfte sie
Die hohe Offenbarung – Vater Arc!
Euch gab Gott eine wundervolle Tochter!
johanna:
Wir sollen keine eigne Könige
Mehr haben, keinen eingebornen Herrn –
Der König, der nie stirbt, soll aus der Welt
Verschwinden – der den heil’gen Pflug beschützt,
Der die Trift beschützt und fruchtbar macht die Erde,
Der die Leibeignen in die Freiheit führt,
Der die Städte freudig stellt um seinen Thron,
Der dem Schwachen beisteht und den Bösen schreckt,
Der den Neid nicht kennet – denn er ist der Größte –
Der ein Mensch ist und ein Engel der Erbarmung
Auf der feindsel’gen Erde. – Denn der Thron
Der Könige, der von Golde schimmert, ist
Das Obdach der Verlassenen – hier steht
Die Macht und die Barmherzigkeit – es zittert
Der Schuldige, vertrauend naht sich der Gerechte
Und scherzet mit den Löwen um den Thron!
Der fremde König, der von außen kommt,
Dem keines Ahnherrn heilige Gebeine
In diesem Lande ruhn, kann er es lieben?
Der nicht jung war mit unsern Jünglingen,
Dem unsre Worte nicht zum Herzen tönen,
Kann er ein Vater sein zu seinen Söhnen?
thibaut:
Gott schütze Frankreich und den König! Wir
Sind friedliche Landleute, wissen nicht
Das Schwert zu führen, noch das kriegerische Roß
Zu tummeln. – Laßt uns still gehorchend harren,
Wen uns der Sieg zum König geben wird.
Das Glück der Schlachten ist das Urteil Gottes,
Und unser Herr ist, wer die heil’ge Ölung
Empfängt und sich die Kron’ aufsetzt zu Reims.
– Kommt an die Arbeit! Kommt! Und denke jeder
Nur an das Nächste! Lassen wir die Großen,
Der Erde Fürsten um die Erde losen;
Wir können ruhig die Zerstörung schauen,
Denn sturmfest steht der Boden, den wir bauern.
Die Flamme brenne unsre Dörfer nieder,
Die Saat zerstampfe ihrer Rosse Tritt,
Der neue Lenz bringt neue Saaten mit,
Und schnell erstehn die leichten Hütten wieder!
Alle außer der Jungfrau gehen ab.