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Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder

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ISABELLA.

Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb,

Tret ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt,

Heraus zu euch aus den verschwiegenen

Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz

Vor euren Männerblicken zu entschleiern.

Denn es geziemt der Witwe, die den Gatten

Verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm,

Die schwarz umflorte Nachtgestalt dem Aug

Der Welt in stillen Mauern zu verbergen,

Doch unerbittlich, allgewaltig treib

Des Augenblicks Gebieterstimme mich

An das entwohnte Licht der Welt hervor.

Nicht dreimal hat der Mond die Lichtgestalt

Erneut, seit ich den fürstlichen Gemahl

Zu seiner letzten Ruhestätte trug,

Der mächtigwaltend dieser Stadt gebot,

Mit starkem Arme gegen eine Welt

Euch schützend, die euch feindlich rings umlagert.

Er selber ist dahin, doch lebt sein Geist

In einem tapfern Heldenpaare fort

Glorreicher Söhne, dieses Landes Stolz.

Ihr habt sie unter euch in freudger Kraft

Aufwachsen sehen, doch mit ihnen wuchs

Aus unbekannt verhängnisvollem Samen

Auch ein unselger Bruderhaß empor,

Der Kindheit frohe Einigkeit zerreißend,

Und reifte furchtbar mit dem Ernst der Jahre.

Nie hab ich ihrer Eintracht mich erfreut,

An diesen Brüsten nährt ich beide gleich,

Gleich unter sie verteil ich Lieb und Sorge

Und beide weiß ich kindlich mir geneigt.

In diesem einzgen Triebe sind sie eins,

In allem andern trennt sie blutger Streit.

Zwar weil der Vater noch gefürchtet herrschte,

Hielt er durch gleicher Strenge furchtbare

Gerechtigkeit die Heftigbrausenden im Zügel,

Und unter eines Joches Eisenschwere

Bog er vereinend ihren starren Sinn.

Nicht waffentragend durften sie sich nahn,

Nicht in denselben Mauren übernachten;

So hemmt' er zwar mit strengem Machtgebot

Den rohen Ausbruch ihres wilden Triebs,

Doch ungebessert in der tiefen Brust

Ließ er den Haß – Der Starke achtet es

Gering, die leise Quelle zu verstopfen,

Weil er dem Strome mächtig wehren kann.

Was kommen mußte, kam. Als er die Augen

Im Tode schloß, und seine starke Hand

Sie nicht mehr bändigt, bricht der alte Groll

Gleichwie des Feuers eingepreßte Glut,

Zur offnen Flamme sich entzündend los.

Ich sag euch, was ihr alle selbst bezeugt,

Messina teilte sich, die Bruderfehde

Löst' alle heilgen Bande der Natur,

Dem allgemeinen Streit die Losung gebend,

Schwert traf auf Schwert, zum Schlachtfeld ward die Stadt,

Ja diese Hallen selbst besprützte Blut.

Des Staates Bande sahet ihr zerreißen,

Doch mir zerriß im Innersten das Herz –

Ihr fühltet nur das öffentliche Leiden,

Und fragtet wenig nach der Mutter Schmerz.

Ihr kamt zu mir und spracht dies harte Wort:

»Du siehst, daß deiner Söhne Bruderzwist

Die Stadt empört in bürgerlichem Streit,

Die, von dem bösem Nachbar rings umgarnt,

Durch Eintracht nur dem Feinde widersteht.

– Du bist die Mutter! Wohl, so siehe zu,

Wie du der Söhne blutgen Hader stillst.

Was kümmert uns, die Friedlichen, der Zank

Der Herrscher? Sollen wir zugrunde gehn,

Weil deine Söhne wütend sich befehden?

Wir wollen uns selbst raten ohne sie,

Und einem andern Herrn uns übergeben,

Der unser Bestes will und schaffen kann!«

So spracht ihr rauhen Männer, mitleidlos

Für euch nur sorgend und für eure Stadt,

Und wälztet noch die öffentliche Not

Auf dieses Herz, das von der Mutter Angst

Und Sorgen schwer genug belastet war.

Ich unternahm das nicht zu Hoffende,

Ich warf mit dem zerrißnen Mutterherzen

Mich zwischen die Ergrimmten, Friede rufend –

Unabgeschreckt, geschäftig, unermüdlich

Beschickt ich sie, den einen um den andern,

Bis ich erhielt durch mütterliches Flehn,

Daß sies zufrieden sind, in dieser Stadt

Messina, in dem väterlichen Schloß,

Unfeindlich sich von Angesicht zu sehn,

Was nie geschah, seitdem der Fürst verschieden.

Dies ist der Tag! Des Boten harr ich stündlich,

Der mir die Kunde bringt von ihrem Anzug.

– Seid denn bereit, die Herrscher zu empfangen

Mit Ehrfurcht, wies dem Untertanen ziemt.

Nur eure Pflicht zu leisten seid bedacht,

Fürs andre laßt uns andere gewähren.

Verderblich diesem Land, und ihnen selbst

Verderbenbringend war der Söhne Streit;

Versöhnt, vereinigt, sind sie mächtig gnug,

Euch zu beschützen gegen eine Welt,

Und Recht sich zu verschaffen – gegen euch!

Die Ältesten entfernen sich schweigend, die Hand auf der Brust. Sie winkt einem alten Diener, der zurückbleibt.

Isabella. Diego.

ISABELLA.

Diego!

DIEGO.

Was gebietet meine Fürstin?

ISABELLA.

Bewährter Diener! Redlich Herz! Tritt näher!

Mein Leiden hast du, meinen Schmerz geteilt,

So teil auch jetzt das Glück der Glücklichen.

Verpfändet hab ich deiner treuen Brust

Mein schmerzlich süßes, heiliges Geheimnis.

Der Augenblick ist da, wo es ans Licht

Des Tages soll hervorgezogen werden.

Zu lange schon erstickt ich der Natur

Gewaltge Regung, weil noch über mich

Ein fremder Wille herrisch waltete,

Jetzt darf sich ihre Stimme frei erheben,

Noch heute soll dies Herz befriedigt sein,

Und dieses Haus, das lang verödet war,

Versammle alles, was mir teuer ist.

So lenke denn die alterschweren Tritte

Nach jenem wohlbekannten Kloster hin,

Das einen teuren Schatz mir aufbewahrt.

Du warst es, treue Seele, der ihn mir

Dorthin geflüchtet hat auf beßre Tage,

Den traurgen Dienst der Traurigen erzeigend.

Du bringe fröhlich jetzt der Glücklichen

Das teure Pfand zurück.

Man hört in der Ferne blasen.

O eile, eile,

Und laß die Freude deinen Schritt verjüngen!

Ich höre kriegerischer Hörner Schall,

Der meiner Söhne Einzug mir verkündigt.

Diego geht ab. Die Musik läßt sich noch von einer entgegengesetzten Seite immer näher und näher hören.

ISABELLA.

Erregt ist ganz Messina – Horch! ein Strom

Verworrner Stimmen wälzt sich brausend her –

Sie sinds! Das Herz der Mutter, mächtig schlagend,

Empfindet ihrer Nähe Kraft und Zug.

Sie sinds! O meine Kinder, meine Kinder!

Sie eilt hinaus.

Chor tritt auf.

Er besteht aus zwei Halbchören, welche zu gleicher Zeit, von zwei entgegengesetzten Seiten, der eine aus der Tiefe, der andere aus dem Vordergrund eintreten, rund um die Bühne gehen und sich alsdann auf derselben Seite, wo jeder eingetreten, in eine Reihe stellen. Den einen Halbchor bilden die ältern, den andern die jüngern Ritter, beide sind durch Farbe und Abzeichen verschieden. Wenn

beide Chöre einander gegenüberstehen, schweigt der Marsch und die beiden Chorführer reden.

ERSTER CHOR.

Dich begrüß ich in Ehrfurcht,

Prangende Halle,

Dich meiner Herrscher

Fürstliche Wiege,

Säulengetragenes herrliches Dach.

Tief in der Scheide

Ruhe das Schwert,

Vor den Toren gefesselt

Liege des Streits schlangenhaarigtes Scheusal.

Denn des gastlichen Hauses

Unverletzliche Schwelle

Hütet der Eid, der Erinnyen Sohn,

Der furchtbarste unter den Göttern der Hölle!

ZWEITER CHOR.

Zürnend ergrimmt mir das Herz im Busen,

Zu dem Kampf ist die Faust geballt,

Denn ich sehe das Haupt der Medusen,

Meines Feindes verhaßte Gestalt.

Kaum gebiet ich dem kochendem Blute.

Gönn ich ihm die Ehre des Worts?

Oder gehorch ich dem zürnenden Mute?

Aber mich schreckt die Eumenide,

Die Beschirmerin dieses Orts,

Und der waltende Gottesfriede.

ERSTER CHOR.

Weisere Fassung

Ziemet dem Alter,

Ich, der Vernünftige, grüße zuerst.

Zu dem zweiten Chor.

Sei mir willkommen,

Der du mit mir

Gleiche Gefühle

Brüderlich teilend,

Dieses Palastes

Schützende Götter

Fürchtend verehrst!

Weil sich die Fürsten gütlich besprechen,

Wollen auch wir jetzt Worte des Friedens

Harmlos wechseln mit ruhigem Blut,

Denn auch das Wort ist, das heilende, gut.

Aber treff ich dich draußen im Freien,

Da mag der blutige Kampf sich erneuen,

Da erprobe das Eisen den Mut.

DER GANZE CHOR.

Aber treff ich dich draußen im Freien,

Da mag der blutige Kampf sich erneuen,

Da erprobe das Eisen den Mut.

ERSTER CHOR.

Dich nicht haß ich! Nicht du bist mein Feind!

Eine Stadt ja hat uns geboren,

Jene sind ein fremdes Geschlecht.

Aber wenn sich die Fürsten befehden,

Müssen die Diener sich morden und töten,

Das ist die Ordnung, so will es das Recht.

ZWEITER CHOR.

Mögen sies wissen,

Warum sie sich blutig

Hassend bekämpfen! Mich ficht es nicht an.

Aber wir fechten ihre Schlachten,

Der ist kein Tapfrer, kein Ehrenmann,

Der den Gebieter läßt verachten.

DER GANZE CHOR.

Aber wir fechten ihre Schlachten,

Der ist kein Tapfrer, kein Ehrenmann,

Der den Gebieter läßt verachten.

EINER AUS DEM CHOR.

Hört, was ich bei mir selbst erwogen,

Als ich müßig dahergezogen

Durch des Korns hochwallende Gassen,

Meinen Gedanken überlassen.

Wir haben uns in des Kampfes Wut

Nicht besonnen und nicht beraten,

Denn uns betörte das brausende Blut.

Sind sie nicht unser, diese Saaten?

Diese Ulmen, mit Reben umsponnen,

Sind sie nicht Kinder unsrer Sonnen?

Könnten wir nicht in frohem Genuß

Harmlos vergnügliche Tage spinnen,

Lustig das leichte Leben gewinnen?

Warum ziehn wir mit rasendem Beginnen

Unser Schwert für das fremde Geschlecht?

Es hat an diesen Boden kein Recht.

Auf dem Meerschiff ist es gekommen,

Von der Sonne rötlichtem Untergang,

Gastlich haben wirs aufgenommen

(Unsre Väter! Die Zeit ist lang)

Und jetzt sehen wir uns als Knechte

Untertan diesem fremden Geschlechte!

EIN ZWEITER.

Wohl! Wir bewohnen ein glückliches Land,

Das die himmelumwandelnde Sonne

Ansieht mit immer freundlicher Helle,

Und wir könnten es fröhlich genießen,

Aber es läßt sich nicht sperren und schließen,

Und des Meers rings umgebende Welle

Sie verrät uns dem kühnen Korsaren,

Der die Küste verwegen durchkreuzt.

Einen Segen haben wir zu bewahren,

Der das Schwert nur des Fremdlings reizt.

Sklaven sind wir in den eigenen Sitzen,

Das Land kann seine Kinder nicht schützen.

Nicht wo die goldene Ceres lacht

Und der friedliche Pan, der Flurenbehüter,

Wo das Eisen wächst in der Berge Schacht,

Da entspringen der Erde Gebieter.

ERSTER CHOR.

Ungleich verteilt sind des Lebens Güter

Unter der Menschen flüchtgem Geschlecht,

Aber die Natur, sie ist ewig gerecht.

Uns verlieh sie das Mark und die Fülle,

Die sich immer erneuend erschafft,

Jenen ward der gewaltige Wille

Und die unzerbrechliche Kraft.

Mit der furchtbaren Stärke gerüstet,

Führen sie aus, was dem Herzen gelüstet.

Füllen die Erde mit mächtigem Schall,

Aber hinter den großen Höhen

Folgt auch der tiefe, der donnernde Fall.

Darum lob ich mir niedrig zu stehen,

Mich verbergend in meiner Schwäche!

Jene gewaltigen Wetterbäche,

Aus des Hagels unendlichen Schloßen,

Aus den Wolkenbrüchen zusammengeflossen,

Kommen finster gerauscht und geschossen,

Reißen die Brücken und reißen die Dämme

Donnernd mit fort im Wogengeschwemme;

Nichts ist, das die Gewaltigen hemme.

Doch nur der Augenblick hat sie geboren,

Ihres Laufes furchtbare Spur

Geht verrinnend im Sande verloren,

Die Zerstörung verkündigt sie nur.

– Die fremden Eroberer kommen und gehen,

Wir gehorchen, aber wir bleiben stehen.

Die hintere Türe öffnet sich, Donna Isabella erscheint zwischen ihren Söhnen Don Manuel und Don Cesar.

BEIDE CHÖRE.

Preis ihr und Ehre,

Die uns dort aufgeht,

Eine glänzende Sonne,

Kniend verehr ich dein herrliches Haupt.

ERSTER CHOR.

Schön ist des Mondes

Mildere Klarheit

Unter der Sterne blitzendem Glanz,

Schön ist der Mutter

Liebliche Hoheit

Zwischen der Söhne feuriger Kraft,

Nicht auf der Erden

Ist ihr Bild und ihr Gleichnis zu sehn.

Hoch auf des Lebens

Gipfel gestellt,

Schließt sie blühend den Kreis des Schönen,

Mit der Mutter und ihren Söhnen

Krönt sich die herrlich vollendete Welt.

Selber die Kirche, die göttliche, stellt nicht

Schöneres dar auf dem himmlischen Thron,

Höheres bildet

Selber die Kunst nicht, die göttlich geborne,

Als die Mutter mit ihrem Sohn.

ZWEITER CHOR.

Freudig sieht sie aus ihrem Schoße

Einen blühenden Baum sich erheben,

Der sich ewig sprossend erneut.

Denn sie hat ein Geschlecht geboren,

Welches wandeln wird mit der Sonne,

Und den Namen geben der rollenden Zeit.

Völker verrauschen,

Namen verklingen,

Finstre Vergessenheit

Breitet die dunkelnachtenden Schwingen

Über ganzen Geschlechtern aus.

Aber der Fürsten

Einsame Häupter

Glänzen erhellt,

Und Aurora berührt sie

Mit den ewigen Strahlen

Als die ragenden Gipfel der Welt.

ISABELLA mit ihren Söhnen hervortretend.

Blick nieder, hohe Königin des Himmels,

Und halte deine Hand auf dieses Herz,

Daß es der Übermut nicht schwellend hebe,

Denn leicht vergäße sich der Mutter Freude,

Wenn sie sich spiegelt in der Söhne Glanz,

Zum erstenmal, seitdem ich sie geboren,

Umfaß ich meines Glückes Fülle ganz.

Denn bis auf diesen Tag mußt ich gewaltsam

Des Herzens fröhliche Ergießung teilen,

Vergessen ganz mußt ich den einen Sohn,

Wenn ich der Nähe mich des andern freute.

O meine Mutterliebe ist nur eine,

Und meine Söhne waren ewig zwei!

– Sagt, darf ich ohne Zittern mich der süßen

Gewalt des trunknen Herzens überlassen?

Zu Don Manuel.

Wenn ich die Hand des Bruders freundlich drücke,

Stoß ich den Stachel tief in deine Brust?

Zu Don Cesar.

Wenn ich das Herz an seinem Anblick weide,

Ists nicht ein Raub an dir? – O ich muß zittern,

Daß meine Liebe selbst, die ich euch zeige,

Nur eures Hasses Flammen heftger schüre.

Nachdem sie beide fragend angesehen.

Was darf ich mir von euch versprechen? Redet!

Mit welchem Herzen kamet ihr hieher?

Ists noch der alte unversöhnte Haß,

Den ihr mit herbringt in des Vaters Haus,

Und wartet draußen vor des Schlosses Toren

Der Krieg, auf Augenblicke nur gebändigt,

Und knirschend in das eherne Gebiß,

Um alsobald, wenn ihr den Rücken mir

Gekehrt, mit neuer Wut sich zu entfesseln?

CHOR.

Krieg oder Frieden! Noch liegen die Lose

Dunkel verhüllt in der Zukunft Schoße!

Doch es wird sich noch, eh wir uns trennen, entscheiden,

Wir sind bereit und gerüstet zu beiden.

ISABELLA im ganzen Kreis umherschauend.

Und welcher furchtbar kriegerische Anblick!

Was sollen diese hier? Ists eine Schlacht,

Die sich in diesen Sälen zubereitet?

Wozu die fremde Schar, wenn eine Mutter

Das Herz aufschließen will vor ihren Kindern?

Bis in den Schoß der Mutter fürchtet ihr

Der Arglist Schlingen, tückischen Verrat,

Daß ihr den Rücken euch besorglich deckt?

– O diese wilden Banden, die euch folgen,

Die raschen Diener eures Zorns – Sie sind

Nicht eure Freunde! Glaubet nimmermehr,

Daß sie euch wohlgesinnt zum Besten raten!

Wie könnten sies von Herzen mit euch meinen,

Den Fremdlingen, dem eingedrungnen Stamm,

Der aus dem eignen Erbe sie vertrieben,

Sich über sie der Herrschaft angemaßt?

Glaubt mir! Es liebt ein jeder, frei sich selbst

Zu leben nach dem eigenen Gesetz,

Die fremde Herrschaft wird mit Neid ertragen.

Von eurer Macht allein und ihrer Furcht

Erhaltet ihr den gern versagten Dienst.

Lernt dies Geschlecht, das herzlos falsche, kennen!

Die Schadenfreude ists, wodurch sie sich

An eurem Glück, an eurer Größe rächen.

Der Herrscher Fall, der hohen Häupter Sturz

Ist ihrer Lieder Stoff und ihr Gespräch,

Was sich vom Sohn zum Enkel forterzählt,

Womit sie sich die Winternächte kürzen.

– O meine Söhne! Feindlich ist die Welt

Und falsch gesinnt! Es liebt ein jeder nur

Sich selbst, unsicher, los und wandelbar

Sind alle Bande, die das leichte Glück

Geflochten – Laune löst, was Laune knüpfte –

Nur die Natur ist redlich! Sie allein

Liegt an dem ewgen Ankergrunde fest,

Wenn alles andre auf den sturmbewegten Wellen

Des Lebens unstet treibt – Die Neigung gibt

Den Freund, es gibt der Vorteil den Gefährten,

Wohl dem, dem die Geburt den Bruder gab,

Ihn kann das Glück nicht geben! Anerschaffen

Ist ihm der Freund, und gegen eine Welt

Voll Kriegs und Truges steht er zweifach da!

CHOR.

Ja, es ist etwas Großes, ich muß es verehren,

Um einer Herrscherin fürstlichen Sinn,

Über der Menschen Tun und Verkehren

Blickt sie mit ruhiger Klarheit hin.

Uns aber treibt das verworrene Streben

Blind und sinnlos durchs wüste Leben.

ISABELLA zu Don Cesar.

Du, der das Schwert auf seinen Bruder zückt,

Sieh dich umher in dieser ganzen Schar,

Wo ist ein edler Bild als deines Bruders?

Zu Don Manuel.

Wer unter diesen, die du Freunde nennst,

Darf deinem Bruder sich zur Seite stellen?

Ein jeder ist ein Muster seines Alters,

Und keiner gleicht und keiner weicht dem andern.

Wagt es, euch in das Angesicht zu sehn!

O Raserei der Eifersucht, des Neides!

Ihn würdest du aus Tausenden heraus

Zum Freunde dir gewählt, ihn an dein Herz

Geschlossen haben als den einzigen,

Und jetzt, da ihn die heilige Natur

Dir gab, dir in der Wiege schon ihn schenkte,

Trittst du, ein Frevler an dem eignen Blut,

Mit stolzer Willkür ihr Geschenk mit Füßen,

Dich wegzuwerfen an den schlechtern Mann,

Dich an den Feind und Fremdling anzuschließen!

DON MANUEL.

Höre mich, Mutter!

DON CESAR.

Mutter, höre mich!

ISABELLA.

Nicht Worte sinds, die diesen traurgen Streit

Erledigen – Hier ist das Mein und Dein,

Die Rache von der Schuld nicht mehr zu sondern.

– Wer möchte noch das alte Bette finden

Des Schwefelstroms, der glühend sich ergoß?

Des unterirdschen Feuers schreckliche

Geburt ist alles, eine Lavarinde

Liegt aufgeschichtet über dem Gesunden,

Und jeder Fußtritt wandelt auf Zerstörung.

– Nur dieses eine leg ich euch ans Herz.

Das Böse, das der Mann, der mündige,

Dem Manne zufügt, das, ich will es glauben,

Vergibt sich und versöhnt sich schwer. Der Mann

Will seinen Haß, und keine Zeit verändert

Den Ratschluß, den er wohlbesonnen faßt.

Doch eures Haders Ursprung steigt hinauf

In unverständger Kindheit frühe Zeit,

Sein Alter ists, was ihn entwaffnen sollte.

Fraget zurück, was euch zuerst entzweite,

Ihr wißt es nicht, ja, fändet ihrs auch aus,

Ihr würdet euch des kindschen Haders schämen.

Und dennoch ists der erste Kinderstreit,

Der fortgezeugt in unglückselger Kette,

Die neuste Unbill dieses Tags geboren.

Denn alle schweren Taten, die bis jetzt geschahn,

Sind nur des Argwohns und der Rache Kinder.

– Und jene Knabenfehde wolltet ihr

Noch jetzt fortkämpfen, da ihr Männer seid?

Beider Hände fassend.

O meine Söhne! Kommt, entschließet euch,

Die Rechnung gegenseitig zu vertilgen,

Denn gleich auf beiden Seiten ist das Unrecht.

Seid edel, und großherzig schenkt einander

Die unabtragbar ungeheure Schuld.

Der Siege göttlichster ist das Vergeben!

In eures Vaters Gruft werft ihn hinab

Den alten Haß der frühen Kinderzeit!

Der schönen Liebe sei das neue Leben,

Der Eintracht, der Versöhnung seis geweiht.

Sie tritt einen Schritt zwischen beiden zurück, als wollte sie ihnen Raum geben, sich einander zu nähern. Beide blicken zur Erde, ohne einander anzusehen.

CHOR.

Höret der Mutter vermahnende Rede,

Wahrlich, sie spricht ein gewichtiges Wort!

Laßt es genug sein und endet die Fehde,

Oder gefällts euch, so setzet sie fort.

Was euch genehm ist, das ist mir gerecht,

Ihr seid die Herrscher und ich bin der Knecht.

ISABELLA nachdem sie einige Zeit innegehalten und vergebens eine Äußerung der Brüder erwartet, mit unterdrücktem Schmerz.

Jetzt weiß ich nichts mehr. Ausgeleert hab ich

Der Worte Köcher und erschöpft der Bitten Kraft.

Im Grabe ruht, der euch gewaltsam bändigte,

Und machtlos steht die Mutter zwischen euch.

– Vollendet! Ihr habt freie Macht! Gehorcht

Dem Dämon, der euch sinnlos wütend treibt,

Ehrt nicht des Hausgotts heiligen Altar,

Laßt diese Halle selbst, die euch geboren,

Den Schauplatz werden eures Wechselmords.

Vor eurer Mutter Aug zerstöret euch

Mit euren eignen, nicht durch fremde Hände.

Leib gegen Leib, wie das thebanische Paar,

Rückt aufeinander an und wutvoll ringend

Umfanget euch mit eherner Umarmung,

Leben um Leben tauschend siege jeder

Den Dolch einbohrend in des andern Brust,

Daß selbst der Tod nicht eure Zwietracht heile,

Die Flamme selbst, des Feuers rote Säule,

Die sich von eurem Scheiterhaufen hebt,

Sich zweigespalten voneinander teile,

Ein schaudernd Bild, wie ihr gestorben und gelebt.

Sie geht ab. Die Brüder bleiben noch in der vorigen Entfernung voneinander stehen.

Beide Brüder. Beide Chöre.

CHOR.

Es sind nur Worte, die sie gesprochen,

Aber sie haben den fröhlichen Mut

In der felsigten Brust mir gebrochen!

Ich nicht vergoß das verwandte Blut.

Rein zum Himmel erheb ich die Hände,

Ihr seid Brüder! Bedenket das Ende!

DON CESAR ohne Don Manuel anzusehen.

Du bist der ältre Bruder, rede du!

Dem Erstgebornen weich ich ohne Schande.

DON MANUEL in derselben Stellung.

Sag etwas Gutes und ich folge gern

Dem edeln Beispiel, das der jüngre gibt.

DON CESAR.

Nicht weil ich für den Schuldigeren mich

Erkenne, oder schwächer gar mich fühle –

DON MANUEL.

Nicht Kleinmuts zeiht Don Cesarn, wer ihn kennt,

Fühlt' er sich schwächer, würd er stolzer reden.

DON CESAR.

Denkst du von deinem Bruder nicht geringer?

DON MANUEL.

Du bist zu stolz zur Demut, ich zur Lüge.

DON CESAR.

Verachtung nicht erträgt mein edles Herz.

Doch in des Kampfes heftigster Erbittrung

Gedachtest du mit Würde deines Bruders.

DON MANUEL.

Du willst nicht meinen Tod, ich habe Proben.

Ein Mönch erbot sich dir, mich meuchlerisch

Zu morden, du bestraftest den Verräter.

DON CESAR tritt etwas näher.

Hätt ich dich früher so gerecht erkannt,

Es wäre vieles ungeschehn geblieben.

DON MANUEL.

Und hätt ich dir ein so versöhnlich Herz

Gewußt, viel Mühe spart ich dann der Mutter.

DON CESAR.

Du wurdest mir viel stolzer abgeschildert.

DON MANUEL.

Es ist der Fluch der Hohen, daß die Niedern

Sich ihres offnen Ohrs bemächtigen.

DON CESAR lebhaft.

So ist, die Diener tragen alle Schuld!

DON MANUEL.

Die unser Herz in bitterm Haß entfremdet.

DON CESAR.

Die böse Worte hin und wider trugen.

DON MANUEL.

Mit falscher Deutung jede Tat vergiftet.

DON CESAR.

Die Wunde nährten, die sie heilen sollten.

DON MANUEL.

Die Flamme schürten, die sie löschen konnten.

DON CESAR.

Wir waren die Verführten, die Betrognen!

DON MANUEL.

Das blinde Werkzeug fremder Leidenschaft!

DON CESAR.

Ists wahr, daß alles andre treulos ist –

DON MANUEL.

Und falsch! Die Mutter sagts, du darfst es glauben!

DON CESAR.

So will ich diese Bruderhand ergreifen –

Er reicht ihm die Hand hin.

DON MANUEL ergreift sie lebhaft.

Die mir die nächste ist auf dieser Welt.

Beide stehen Hand in Hand und betrachten einander eine Zeitlang schweigend.

DON CESAR.

Ich seh dich an und überrascht, erstaunt

Find ich in dir der Mutter teure Züge.

DON MANUEL.

Und eine Ähnlichkeit entdeckt sich mir

In dir, die mich noch wunderbarer rühret.

DON CESAR.

Bist du es wirklich, der dem jüngern Bruder

So hold begegnet und so gütig spricht?

DON MANUEL.

Ist dieser freundlich sanftgesinnte Jüngling

Der übelwollend mir gehäßge Bruder?

Wiederum Stillschweigen; jeder steht in den Anblick des andern verloren.

DON CESAR.

Du nahmst die Pferde von arabscher Zucht

In Anspruch, aus dem Nachlaß unsers Vaters.

Den Rittern, die du schicktest, schlug ichs ab.

DON MANUEL.

Sie sind dir lieb, ich denke nicht mehr dran.

DON CESAR.

Nein, nimm die Rosse, nimm den Wagen auch

Des Vaters, nimm sie, ich beschwöre dich.

DON MANUEL.

Ich will es tun, wenn du das Schloß am Meere

Beziehen willst, um das wir heftig stritten.

DON CESAR.

Ich nehm es nicht, doch bin ichs wohl zufrieden,

Daß wirs gemeinsam brüderlich bewohnen.

DON MANUEL.

So seis! Warum ausschließend Eigentum

Besitzen, da die Herzen einig sind.

DON CESAR.

Warum noch länger abgesondert leben,

Da wir, vereinigt, jeder reicher werden?

DON MANUEL.

Wir sind nicht mehr getrennt, wir sind vereinigt.

Er eilt in seine Arme.

ERSTER CHOR zum zweiten.

Was stehen wir hier noch feindlich geschieden,

Da die Fürsten sich liebend umfassen?

Ihrem Beispiel folg ich und biete dir Frieden,

Wollen wir einander denn ewig hassen?

Sind sie Brüder durch Blutes Bande,

Sind wir Bürger und Söhne von einem Lande.

Beide Chöre umarmen sich.

Ein Bote tritt auf.

ZWEITER CHOR zu Don Cesar.

Den Späher, den du ausgesendet, Herr,

Erblick ich wiederkehrend. Freue dich,

Don Cesar! Gute Botschaft harret dein,

Denn fröhlich strahlt der Blick des Kommenden.

BOTE.

Heil mir und Heil der fluchbefreiten Stadt,

Des schönsten Anblicks wird mein Auge froh.

Die Söhne meines Herrn, die Fürsten seh ich

In friedlichem Gespräche, Hand in Hand,

Die ich in heißer Kampfeswut verlassen.

DON CESAR.

Du siehst die Liebe aus des Hasses Flammen

Wie einen neu verjüngten Phönix steigen.

BOTE.

Ein zweites leg ich zu dem ersten Glück.

Mein Botenstab ergrünt von frischen Zweigen!

DON CESAR ihn beiseite führend.

Laß hören, was du bringst.

BOTE.

Ein einzger Tag

Will alles, was erfreulich ist, versammeln.

Auch die Verlorene, nach der wir suchten,

Sie ist gefunden, Herr, sie ist nicht weit.

DON CESAR.

Sie ist gefunden. O wo ist sie? Sprich!

BOTE.

Hier in Messina, Herr, verbirgt sie sich.

DON MANUEL zu dem ersten Halbchor gewendet.

Von hoher Röte Glut seh ich die Wangen

Des Bruders glänzen, und sein Auge blitzt.

Ich weiß nicht, was es ist, doch ists die Farbe

Der Freude und mitfreuend teil ich sie.

DON CESAR zu dem Boten.

Komm, führe mich – Leb wohl, Don Manuel!

Im Arm der Mutter finden wir uns wieder,

Jetzt fodert mich ein dringend Werk von hier.

Er will gehen.

DON MANUEL.

Verschieb es nicht. Das Glück begleite dich!

DON CESAR besinnt sich und kommt zurück.

Don Manuel! Mehr, als ich sagen kann,

Freut mich dein Anblick – ja mir ahnet schon,

Wir werden uns wie Herzensfreunde lieben,

Der langgebundne Trieb wird freudger nur

Und mächtger streben in der neuen Sonne,

Nachholen werd ich das verlorne Leben.

DON MANUEL.

Die Blüte deutet auf die schöne Frucht.

DON CESAR.

Es ist nicht recht, ich fühls und tadle mich,

Daß ich mich jetzt aus deinen Armen reiße.

Denk nicht, ich fühle weniger als du,

Weil ich die festlich schöne Stunde rasch zerschneide.

DON MANUEL mit sichtbarer Zerstreuung.

Gehorche du dem Augenblick! Der Liebe

Gehört von heute an das ganze Leben.

DON CESAR.

Entdeckt ich dir, was mich von hinnen ruft –

DON MANUEL.

Laß mir dein Herz, dir bleibe dein Geheimnis.

DON CESAR.

Auch kein Geheimnis trenn uns ferner mehr,

Bald soll die letzte dunkle Falte schwinden!

Zu dem Chor gewendet.

Euch künd ichs an, damit ihrs alle wisset!

Der Streit ist abgeschlossen zwischen mir

Und dem geliebten Bruder! Den erklär ich

Für meinen Todfeind und Beleidiger,

Und werd ihn hassen wie der Hölle Pforten,

Der den erloschnen Funken unsers Streits

Aufbläst zu neuen Flammen – Hoffe keiner

Mir zu gefallen oder Dank zu ernten,

Der von dem Bruder Böses mir berichtet,

Mit falscher Dienstbegier den bittern Pfeil

Des raschen Worts geschäftig weitersendet.

– Nicht Wurzeln auf der Lippe schlägt das Wort,

Das unbedacht dem schnellen Zorn entflohen,

Doch von dem Ohr des Argwohns aufgefangen,

Kriecht es wie Schlingkraut endlos treibend fort,

Und hängt ans Herz sich an mit tausend Ästen,

So trennen endlich in Verworrenheit

Unheilbar sich die Guten und die Besten!

Er umarmt den Bruder noch einmal und geht ab, von dem zweiten Chore begleitet.

Don Manuel und der erste Chor.

CHOR.

Verwundrungsvoll, o Herr, betracht ich dich,

Und fast muß ich dich heute ganz verkennen.

Mit karger Rede kaum erwiderst du

Des Bruders Liebesworte, der gutmeinend

Mit offnem Herzen dir entgegenkommt.

Versunken in dich selber stehst du da

Gleich einem Träumenden, als wäre nur

Dein Leib zugegen und die Seele fern.

Wer so dich sähe, möchte leicht der Kälte

Dich zeihn und stolz unfreundlichen Gemüts,

Ich aber will dich drum nicht fühllos schelten,

Denn heiter blickst du wie ein Glücklicher

Um dich und Lächeln spielt um deine Wangen.

DON MANUEL.

Was soll ich sagen? Was erwidern? Mag

Der Bruder Worte finden! Ihn ergreift

Ein überraschend neu Gefühl, er sieht

Den alten Haß aus seinem Busen schwinden,

Und wundernd fühlt er sein verwandelt Herz.

Ich – habe keinen Haß mehr mitgebracht,

Kaum weiß ich noch, warum wir blutig stritten.

Denn über allen irdschen Dingen hoch

Schwebt mir auf Freudenfittichen die Seele,

Und in dem Glanzesmeer, das mich umfängt,

Sind alle Wolken mir und finstre Falten

Des Lebens ausgeglättet und verschwunden.

– Ich sehe diese Hallen, diese Säle

Und denke mir das freudige Erschrecken

Der überraschten, hocherstaunten Braut,

Wenn ich als Fürstin sie und Herrscherin

Durch dieses Hauses Pforten führen werde.

– Noch liebt sie nur den Liebenden! Dem Fremdling,

Dem Namenlosen hat sie sich gegeben.

Nicht ahnet sie, daß es Don Manuel,

Messinas Fürst ist, der die goldne Binde

Ihr um die schöne Stirne flechten wird.

Wie süß ists, das Geliebte zu beglücken

Mit ungehoffter Größe Glanz und Schein!

Längst spart ich mir dies höchste der Entzücken,

Wohl bleibt es stets sein höchster Schmuck allein,

Doch auch die Hoheit darf das Schöne schmücken,

Der goldne Reif erhebt den Edelstein.

CHOR.

Ich höre dich, o Herr, vom langen Schweigen

Zum erstenmal den stummen Mund entsiegeln.

Mit Späheraugen folgt ich dir schon längst,

Ein seltsam wunderbar Geheimnis ahnend,

Doch nicht erkühnt ich mich, was du vor mir

In tiefes Dunkel hüllst, dir abzufragen.

Dich reizt nicht mehr der Jagden muntre Lust,

Der Rosse Wettlauf und des Falken Sieg.

Aus der Gefährten Aug verschwindest du,

Sooft die Sonne sinkt zum Himmelsrande,

Und keiner unsers Chors, die wir dich sonst

In jeder Kriegs- und Jagdgefahr begleiten,

Mag deines stillen Pfads Gefährte sein.

Warum verschleierst du bis diesen Tag

Dein Liebesglück mit dieser neidschen Hülle?

Was zwingt den Mächtigen, daß er verhehle?

Denn Furcht ist fern von deiner großen Seele.

DON MANUEL.

Geflügelt ist das Glück und schwer zu binden,

Nur in verschloßner Lade wirds bewahrt,

Das Schweigen ist zum Hüter ihm gesetzt,

Und rasch entfliegt es, wenn Geschwätzigkeit

Voreilig wagt, die Decke zu erheben.

Doch jetzt, dem Ziel so nahe, darf ich wohl

Das lange Schweigen brechen und ich wills.

Denn mit der nächsten Morgensonne Strahl

Ist sie die Meine, und des Dämons Neid

Wird keine Macht mehr haben über mich.

Nicht mehr verstohlen werd ich zu ihr schleichen,

Nicht rauben mehr der Liebe goldne Frucht,

Nicht mehr die Freude haschen auf der Flucht,

Das Morgen wird dem schönen Heute gleichen,

Nicht Blitzen gleich, die schnell vorüberschießen,

Und plötzlich von der Nacht verschlungen sind,

Mein Glück wird sein, gleichwie des Baches Fließen,

Gleichwie der Sand des Stundenglases rinnt!

CHOR.

So nenne sie uns, Herr, die dich im stillen

Beglückt, daß wir dein Los beneidend rühmen,

Und würdig ehren unsers Fürsten Braut.

Sag an, wo du sie fandest, wo verbirgst,

In welches Orts verschwiegner Heimlichkeit?

Denn wir durchziehen schwärmend weit und breit

Die Insel auf der Jagd verschlungnen Pfaden,

Doch keine Spur hat uns dein Glück verraten,

So daß ich bald mich überreden möchte,

Es hülle sie ein Zaubernebel ein.

DON MANUEL.

Den Zauber lös ich auf, denn heute noch

Soll, was verborgen war, die Sonne schauen.

Vernehmet denn und hört, wie mir geschah.

Fünf Monde sinds, es herrschte noch im Lande

Des Vaters Macht, und beugete gewaltsam

Der Jugend starren Nacken in das Joch –

Nichts kannt ich als der Waffen wilde Freuden,

Und als des Weidwerks kriegerische Lust.

– Wir hatten schon den ganzen Tag gejagt

Entlang des Waldgebirges – da geschahs,

Daß die Verfolgung einer weißen Hindin

Mich weit hinweg aus eurem Haufen riß.

Das scheue Tier floh durch des Tales Krümmen,

Durch Busch und Kluft und bahnenlos Gestrüpp,

Auf Wurfes Weite sah ichs stets vor mir,

Doch konnt ichs nicht erreichen noch erzielen,

Bis es zuletzt an eines Gartens Pforte mir

Verschwand. Schnell von dem Roß herab mich werfend

Dring ich ihm nach, schon mit dem Speere zielend,

Da seh ich wundernd das erschrockne Tier

Zu einer Nonne Füßen zitternd liegen,

Die es mit zarten Händen schmeichelnd kost.

Bewegungslos starr ich das Wunder an,

Den Jagdspieß in der Hand, zum Wurf ausholend –

Sie aber blickt mit großen Augen flehend

Mich an, so stehn wir schweigend gegeneinander –

Wie lange Frist, das kann ich nicht ermessen,

Denn alles Maß der Zeiten war vergessen.

Tief in die Seele drückt sie mir den Blick,

Und umgewandelt schnell ist mir das Herz.

– Was ich nun sprach, was die Holdselge mir

Erwidert, möge niemand mich befragen,

Denn wie ein Traumbild liegt es hinter mir

Aus früher Kindheit dämmerhellen Tagen,

An meiner Brust fühlt ich die ihre schlagen,

Als die Besinnungskraft mir wiederkam.

Da hört ich einer Glocke helles Läuten,

Den Ruf zur Hora schien es zu bedeuten,

Und schnell wie Geister in die Luft verwehen,

Entschwand sie mir und ward nicht mehr gesehen.

CHOR.

Mit Furcht, o Herr, erfüllt mich dein Bericht,

Raub hast du an dem Göttlichen begangen,

Des Himmels Braut berührt mit sündigem Verlangen,

Denn furchtbar heilig ist des Klosters Pflicht.

DON MANUEL.

Jetzt hatt ich eine Straße nur zu wandeln,

Das unstet schwanke Sehnen war gebunden,

Dem Leben war sein Inhalt ausgefunden.

Und wie der Pilger sich nach Osten wendet,

Wo ihm die Sonne der Verheißung glänzt,

So kehrte sich mein Hoffen und mein Sehnen

Dem einen hellen Himmelspunkte zu.

Kein Tag entstieg dem Meer und sank hinunter,

Der nicht zwei glücklich Liebende vereinte,

Geflochten still war unsrer Herzen Bund,

Nur der allsehnde Äther über uns

War des verschwiegnen Glücks vertrauter Zeuge,

Es brauchte weiter keines Menschen Dienst.

Das waren goldne Stunden, selge Tage!

– Nicht Raub am Himmel war mein Glück, denn noch

Durch kein Gelübde war das Herz gefesselt,

Das sich auf ewig mir zu eigen gab.

CHOR.

So war das Kloster eine Freistatt nur

Der zarten Jugend, nicht des Lebens Grab?

DON MANUEL.

Ein heilig Pfand ward sie dem Gotteshaus

Vertraut, das man zurück einst werde fodern.

CHOR.

Doch welches Blutes rühmt sie sich zu sein?

Denn nur vom Edeln kann das Edle stammen.

DON MANUEL.

Sich selber ein Geheimnis wuchs sie auf,

Nicht kennt sie ihr Geschlecht noch Vaterland.

CHOR.

Und leitet keine dunkle Spur zurück

Zu ihres Daseins unbekannten Quellen?

DON MANUEL.

Daß sie von edelm Blut, gesteht der Mann,

Der einzge, der um ihre Herkunft weiß.

CHOR.

Wer ist der Mann? Nichts halte mir zurück,

Denn wissend nur kann ich dir nützlich raten.

DON MANUEL.

Ein alter Diener naht von Zeit zu Zeit,

Der einzge Bote zwischen Kind und Mutter.

CHOR.

Von diesem Alten hast du nichts erforscht?

Feigherzig und geschwätzig ist das Alter.

DON MANUEL.

Nie wagt ichs, einer Neugier nachzugeben,

Die mein verschwiegnes Glück gefährden konnte.

CHOR.

Was aber war der Inhalt seiner Worte,

Wenn er die Jungfrau zu besuchen kam?

DON MANUEL.

Auf eine Zeit, die alles lösen werde,

Hat er von Jahr zu Jahren sie vertröstet.

CHOR.

Und diese Zeit, die alles lösen soll,

Hat er sie näher deutend nicht bezeichnet?

DON MANUEL.

Seit wenig Monden drohete der Greis

Mit einer nahen Ändrung ihres Schicksals.

CHOR.

Er drohte, sagst du? Also fürchtest du

Ein Licht zu schöpfen, das dich nicht erfreut?

DON MANUEL.

Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen,

Wo kein Gewinn zu hoffen, droht Verlust.

CHOR.

Doch konnte die Entdeckung, die du fürchtest,

Auch deiner Liebe günstge Zeichen bringen.

DON MANUEL.

Auch stürzen konnte sie mein Glück, drum wählt ich

Das Sicherste, ihr schnell zuvorzukommen.

CHOR.

Wie das, o Herr? Mit Furcht erfüllst du mich,

Und eine rasche Tat muß ich besorgen.

DON MANUEL.

Schon seit den letzten Monden ließ der Greis

Geheimnisvolle Winke sich entfallen,

Daß nicht mehr ferne sei der Tag, der sie

Den Ihrigen zurückegeben werde.

Seit gestern aber sprach ers deutlich aus,

Daß mit der nächsten Morgensonne Strahl –

Dies aber ist der Tag, der heute leuchtet –

Ihr Schicksal sich entscheidend werde lösen.

Kein Augenblick war zu verlieren, schnell

War mein Entschluß gefaßt und schnell vollstreckt.

In dieser Nacht raubt ich die Jungfrau weg

Und brachte sie verborgen nach Messina.

CHOR.

Welch kühn verwegen-räuberische Tat!

– Verzeih, o Herr, die freie Tadelrede!

Doch solches ist des weisern Alters Recht,

Wenn sich die rasche Jugend kühn vergißt.

DON MANUEL.

Unfern vom Kloster der Barmherzigen,

In eines Gartens abgeschiedner Stille,

Der von der Neugier nicht betreten wird,

Trennt ich mich eben jetzt von ihr, hieher

Zu der Versöhnung mit dem Bruder eilend.

In banger Furcht ließ ich sie dort allein

Zurück, die sich nichts weniger erwartet,

Als in dem Glanz der Fürstin eingeholt

Und auf erhabnem Fußgestell des Ruhms

Vor ganz Messina ausgestellt zu werden.

Denn anders nicht soll sie mich wiedersehn,

Als in der Größe Schmuck und Staat, und festlich

Von eurem ritterlichen Chor umgeben.

Nicht will ich, daß Don Manuels Verlobte

Als eine Heimatlose, Flüchtige

Der Mutter nahen soll, die ich ihr gebe,

Als eine Fürstin fürstlich will ich sie

Einführen in die Hofburg meiner Väter.

CHOR.

Gebiete, Herr! Wir harren deines Winks.

DON MANUEL.

Ich habe mich aus ihrem Arm gerissen,

Doch nur mit ihr werd ich beschäftigt sein.

Denn nach dem Bazar sollt ihr mich anjetzt

Begleiten, wo die Mohren zum Verkauf

Ausstellen, was das Morgenland erzeugt

An edelm Stoff und feinem Kunstgebild.

Erst wählet aus die zierlichen Sandalen,

Der zartgeformten Füße Schutz und Zier,

Dann zum Gewande wählt das Kunstgewebe

Des Indiers, hellglänzend wie der Schnee

Des Ätna, der der nächste ist dem Licht –

Und leicht umfließt es wie der Morgenduft

Den zarten Bau der jugendlichen Glieder.

Von Purpur sei, mit zarten Fäden Goldes

Durchwirkt der Gürtel, der die Tunika

Unter dem züchtgen Busen reizend knüpft.

Dazu den Mantel wählt, von glänzender

Seide gewebt, in bleichem Purpur schimmernd,

Über der Achsel heft ihn eine goldne

Zikade – Auch die Spangen nicht vergeßt,

Die schönen Arme reizend zu umzirken,

Auch nicht der Perlen und Korallen Schmuck,

Der Meeresgöttin wundersame Gaben.

Um die Locken winde sich ein Diadem,

Gefüget aus dem köstlichsten Gestein,

Worin der feurig glühende Rubin

Mit dem Smaragd die Farbenblitze kreuze,

Oben im Haarschmuck sei der lange Schleier

Befestigt, der die glänzende Gestalt

Gleich einem hellen Lichtgewölk umfließe,

Und mit der Myrte jungfräulichem Kranze

Vollende krönend sich das schöne Ganze.

CHOR.

Es soll geschehen, Herr! wie du gebietest,

Denn fertig und vollendet findet sich

Dies alles auf dem Bazar ausgestellt.

DON MANUEL.

Den schönsten Zelter führet dann hervor

Aus meinen Ställen, seine Farbe sei

Lichtweiß, gleichwie des Sonnengottes Pferde,

Von Purpur sei die Decke, und Geschirr

Und Zügel reich besetzt mit edeln Steinen,

Denn tragen soll er meine Königin.

Ihr selber haltet euch bereit, im Glanz

Des Ritterstaates, unterm freudgen Schall

Der Hörner eure Fürstin heimzuführen.

Dies alles zu besorgen geh ich jetzt,

Zwei unter euch erwähl ich zu Begleitern,

Ihr andern wartet mein – Was ihr vernahmt,

Bewahrts in eures Busens tiefem Grunde,

Bis ich das Band gelöst von eurem Munde.

Er geht ab, von zweien aus dem Chor begleitet.

CHOR.

Sage, was werden wir jetzt beginnen,

Da die Fürsten ruhen vom Streit,

Auszufüllen die Leere der Stunden

Und die lange unendliche Zeit?

Etwas fürchten und hoffen und sorgen

Muß der Mensch für den kommenden Morgen,

Daß er die Schwere des Daseins ertrage,

Und das ermüdende Gleichmaß der Tage,

Und mit erfrischendem Windesweben

Kräuselnd bewege das stockende Leben.

EINER AUS DEM CHOR.

Schön ist der Friede! Ein lieblicher Knabe

Liegt er gelagert am ruhigen Bach,

Und die hüpfenden Lämmer grasen

Lustig um ihn auf dem sonnigten Rasen,

Süßes Tönen entlockt er der Flöte,

Und das Echo des Berges wird wach,

Oder im Schimmer der Abendröte

Wiegt ihn in Schlummer der murmelnde Bach –

Aber der Krieg auch hat seine Ehre,

Der Beweger des Menschengeschicks,

Mir gefällt ein lebendiges Leben,

Mir ein ewiges Schwanken und Schwingen und Schweben

Auf der steigenden, fallenden Welle des Glücks.

Denn der Mensch verkümmert im Frieden,

Müßige Ruh ist das Grab des Muts.

Das Gesetz ist der Freund des Schwachen,

Alles will es nur eben machen,

Möchte gerne die Welt verflachen,

Aber der Krieg läßt die Kraft erscheinen,

Alles erhebt er zum Ungemeinen,

Selber dem Feigen erzeugt er den Mut.

EIN ZWEITER.

Stehen nicht Amors Tempel offen,

Wallet nicht zu dem Schönen die Welt?

Da ist das Fürchten! Da ist das Hoffen!

König ist hier, wer den Augen gefällt!

Auch die Liebe beweget das Leben,

Daß sich die graulichten Farben erheben,

Reizend betrügt sie die glücklichen Jahre,

Die gefällige Tochter des Schaums,

In das Gemeine und Traurigwahre

Webt sie die Bilder des goldenen Traums.

EIN DRITTER.

Bleibe die Blume dem blühenden Lenze,

Scheine das Schöne! Und flechte sich Kränze,

Wem die Locken noch jugendlich grünen,

Aber dem männlichen Alter ziemts,

Einem ernsteren Gott zu dienen.

ERSTER.

Der strengen Diana, der Freundin der Jagden,

Lasset uns folgen ins wilde Gehölz,

Wo die Wälder am dunkelsten nachten,

Und den Springbock stürzen vom Fels.

Denn die Jagd ist ein Gleichnis der Schlachten,

Des ernsten Kriegsgotts lustige Braut –

Man ist auf mit dem Morgenstrahl,

Wenn die schmetternden Hörner laden

Lustig hinaus in das dampfende Tal,

Über Berge, über Klüfte,

Die ermatteten Glieder zu baden

In den erfrischenden Strömen der Lüfte!

ZWEITER.

Oder wollen wir uns der blauen

Göttin, der ewig bewegten, vertrauen,

Die uns mit freundlicher Spiegelhelle

Ladet in ihren unendlichen Schoß?

Bauen wir auf der tanzenden Welle

Uns ein lustig schwimmendes Schloß?

Wer das grüne, kristallene Feld

Pflügt mit des Schiffes eilendem Kiele,

Der vermählt sich das Glück, dem gehört die Welt,

Ohne die Saat erblüht ihm die Ernte!

Denn das Meer ist der Raum der Hoffnung

Und der Zufälle launisch Reich,

Hier wird der Reiche schnell zum Armen

Und der Ärmste dem Fürsten gleich.

Wie der Wind mit Gedankenschnelle

Läuft um die ganze Windesrose,

Wechseln hier des Geschickes Lose,

Dreht das Glück seine Kugel um,

Auf den Wellen ist alles Welle,

Auf dem Meer ist kein Eigentum.

DRITTER.

Aber nicht bloß im Wellenreiche,

Auf der wogenden Meeresflut,

Auch auf der Erde, so fest sie ruht

Auf den ewigen, alten Säulen,

Wanket das Glück und will nicht weilen.

– Sorge gibt mir dieser neue Frieden,

Und nicht fröhlich mag ich ihm vertrauen,

Auf der Lava, die der Berg geschieden,

Möcht ich nimmer meine Hütte bauen.

Denn zu tief schon hat der Haß gefressen

Und zu schwere Taten sind geschehn,

Die sich nie vergeben und vergessen,

Noch hab ich das Ende nicht gesehn,

Und mich schrecken ahnungsvolle Träume!

Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund,

Aber sehr mißfällt mir dies Geheime,

Dieser Ehe segenloser Bund,

Diese lichtscheu krummen Liebespfade,

Dieses Klosterraubs verwegne Tat,

Denn das Gute liebt sich das Gerade,

Böse Früchte trägt die böse Saat.

Auch ein Raub wars, wie wir alle wissen,

Der des alten Fürsten ehliches Gemahl

In ein frevelnd Ehebett gerissen,

Denn sie war des Vaters Wahl.

Und der Ahnherr schüttete im Zorne

Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen

Auf das sündige Ehebett aus.

Greueltaten ohne Namen,

Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus.

CHOR.

Ja, es hat nicht gut begonnen,

Glaubt mir, und es endet nicht gut,

Denn gebüßt wird unter der Sonnen

Jede Tat der verblendeten Wut.

Es ist kein Zufall und blindes Los,

Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören,

Denn verflucht ward der Mutter Schoß,

Sie sollte den Haß und den Streit gebären.

– Aber ich will es schweigend verhüllen,

Denn die Rachgötter schaffen im stillen,

Zeit ists, die Unfälle zu beweinen,

Wenn sie nahen und wirklich erscheinen.

Der Chor geht ab.

Die Szene verwandelt sich in einen Garten, der die Aussicht auf das Meer eröffnet. Aus einem anstoßenden Gartensaal tritt.

BEATRICE geht unruhig auf und nieder, nach allen Seiten umherspähend. Plötzlich steht sie still und horcht.

Er ist es nicht – Es war der Winde Spiel,

Die durch der Pinie Wipfel sausend streichen,

Schon neigt die Sonne sich zu ihrem Ziel,

Mit trägem Schritt seh ich die Stunden schleichen,

Und mich ergreift ein schauderndes Gefühl,

Es schreckt mich selbst das wesenlose Schweigen.

Nichts zeigt sich mir, wie weit die Blicke tragen,

Er läßt mich hier in meiner Angst verzagen.

Und nahe hör ich, wie ein rauschend Wehr,

Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen,

Ich höre fern das ungeheure Meer

An seine Ufer dumpferbrandend stoßen,

Es stürmen alle Schrecken auf mich her,

Klein fühl ich mich in diesem Furchtbargroßen

Und fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume,

Verlier ich mich im grenzenlosen Raume.

Warum verließ ich meine stille Zelle,

Da lebt ich ohne Sehnsucht, ohne Harm!

Das Herz war ruhig, wie die Wiesenquelle,

An Wünschen leer, doch nicht an Freuden arm.

Ergriffen jetzt hat mich des Lebens Welle,

Mich faßt die Welt in ihren Riesenarm,

Zerrissen hab ich alle frühern Bande,

Vertrauend eines Schwures leichtem Pfande.

Wo waren die Sinne?

Was hab ich getan?

Ergriff mich betörend

Ein rasender Wahn?

Den Schleier zerriß ich

Jungfräulicher Zucht,

Die Pforten durchbrach ich der heiligen Zelle,

Umstrickte mich blendend ein Zauber der Hölle?

Dem Manne folgt ich,

Dem kühnen Entführer in sträflicher Flucht.

O komm, mein Geliebter!

Wo bleibst du und säumest? Befreie, befreie

Die kämpfende Seele! Mich naget die Reue,

Es faßt mich der Schmerz.

Mit liebender Nähe versichre mein Herz.

Und sollt ich mich dem Manne nicht ergeben,

Der in der Welt allein sich an mich schloß?

Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,

Und frühe schon hat mich ein strenges Los

(Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben)

Gerissen von dem mütterlichen Schoß.

Nur einmal sah ich sie, die mich geboren,

Doch wie ein Traum ging mir das Bild verloren.

Und so erwuchs ich still am stillen Orte,

In Lebens Glut den Schatten beigesellt,

– Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte,

Schön wie ein Gott und männlich wie ein Held.

O mein Empfinden nennen keine Worte!

Fremd kam er mir aus einer fremden Welt,

Und schnell, als wär es ewig so gewesen,

Schloß sich der Bund, den keine Menschen lösen.

Vergib du Herrliche, die mich geboren,

Daß ich, vorgreifend den verhängten Stunden,

Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.

Nicht frei erwählt ichs, es hat mich gebunden,

Eindringt der Gott auch zu verschloßnen Toren,

Zu Perseus' Turm hat er den Weg gefunden,

Dem Dämon ist sein Opfer unverloren.

Wär es an öde Klippen angebunden

Und an des Atlas himmeltragende Säulen,

So wird ein Flügelroß es dort ereilen.

Nicht hinter mich begehr ich mehr zu schauen,

In keine Heimat sehn ich mich zurück,

Der Liebe will ich liebend mich vertrauen,

Gibt es ein schönres als der Liebe Glück?

Mit meinem Los will ich mich gern bescheiden,

Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden.

Nicht kenn ich sie und will sie nimmer kennen,

Die sich die Stifter meiner Tage nennen,

Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.

Ein ewig Rätsel bleiben will ich mir,

Ich weiß genug, ich lebe dir!

Aufmerkend.

Horch, der lieben Stimme Schall!

– Nein, es war der Widerhall

Und des Meeres dumpfes Brausen,

Das sich an den Ufern bricht,

Der Geliebte ist es nicht!

Weh mir! Weh mir! Wo er weilet?

Mich umschlingt ein kaltes Grausen!

Immer tiefer

Sinkt die Sonne! Immer öder

Wird die Öde! Immer schwerer

Wird das Herz – Wo zögert er?

Sie geht unruhig umher.

Aus des Gartens sichern Mauren

Wag ich meinen Schritt nicht mehr.

Kalt ergriff mich das Entsetzen,

Als ich in die nahe Kirche

Wagte meinen Fuß zu setzen,

Denn mich triebs mit mächtgem Drang,

Aus der Seele tiefsten Tiefen,

Als sie zu der Hora riefen,

Hinzuknien an heilger Stätte,

Zu der Göttlichen zu flehn,

Nimmer konnt ich widerstehn.

Wenn ein Lauscher mich erspähte?

Voll von Feinden ist die Welt,

Arglist hat auf allen Pfaden,

Fromme Unschuld zu verraten,

Ihr betrüglich Netz gestellt.

Grauend hab ichs schon erfahren,

Als ich aus des Klosters Hut

In die fremden Menschenscharen

Mich gewagt mit frevelm Mut.

Dort bei jenes Festes Feier,

Da der Fürst begraben ward,

Mein Erkühnen büßt ich teuer,

Nur ein Gott hat mich bewahrt –

Da der Jüngling mir, der fremde,

Nahte, mit dem Flammenauge,

Und mit Blicken, die mich schreckten,

Mir das Innerste durchzuckten,

In das tiefste Herz mir schaute –

Noch durchschauert kaltes Grauen,

Da ichs denke, mir die Brust!

Nimmer, nimmer, kann ich schauen

In die Augen des Geliebten,

Dieser stillen Schuld bewußt!

Aufhorchend.

Stimmen im Garten!

Er ists, der Geliebte!

Er selber! Jetzt täuschte

Kein Blendwerk mein Ohr.

Es naht, es vermehrt sich!

In seine Arme!

An seine Brust!

Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens, Don Cesar tritt ihr entgegen.

Don Cesar. Beatrice. Der Chor.

BEATRICE mit Schrecken zurückfliehend.

Weh mir! Was seh ich!

In demselben Augenblick tritt auch der Chor ein.

DON CESAR.

Holde Schönheit, fürchte nichts!

Zu dem Chor.

Der rauhe Anblick eurer Waffen schreckt

Die zarte Jungfrau – Weicht zurück und bleibt

In ehrerbietger Ferne!

Zu Beatricen.

Fürchte nichts!

Die holde Scham, die Schönheit ist mir heilig.

Der Chor hat sich zurückgezogen. Er tritt ihr näher und ergreift ihre Hand.

Wo warst du? Welches Gottes Macht entrückte,

Verbarg dich diese lange Zeit? Dich hab ich

Gesucht, nach dir geforschet, wachend, träumend

Warst du des Herzens einziges Gefühl,

Seit ich bei jenem Leichenfest des Fürsten

Wie eines Engels Lichterscheinung dich

Zum erstenmal erblickte – Nicht verborgen

Blieb dir die Macht, mit der du mich bezwangst.

Der Blicke Feuer und der Lippe Stammeln,

Die Hand, die in der deinen zitternd lag,

Verriet sie dir – ein kühneres Geständnis

Verbot des Ortes ernste Majestät.

– Der Messe Hochamt rief mich zum Gebet,

Und da ich von den Knieen jetzt erstanden,

Die ersten Blicke schnell auf dich sich heften,

Warst du aus meinen Augen weggerückt,

Doch nachgezogen mit allmächtgen Zaubers Banden

Hast du mein Herz mit allen seinen Kräften.

Seit diesem Tage such ich rastlos dich,

An aller Kirchen und Paläste Pforten,

An allen offnen und verborgnen Orten,

Wo sich die schöne Unschuld zeigen kann,

Hab ich das Netz der Späher ausgebreitet,

Doch meiner Mühe sah ich keine Frucht,

Bis endlich heut, von einem Gott geleitet,

Des Spähers glückbekrönte Wachsamkeit

In dieser nächsten Kirche dich entdeckte.

Hier macht Beatrice, welche in dieser ganzen Zeit zitternd und abgewandt gestanden, eine Bewegung des Schreckens.

Ich habe dich wieder, und der Geist verlasse

Eher die Glieder, eh ich von dir scheide!

Und daß ich fest sogleich den Zufall fasse,

Und mich verwahre vor des Dämons Neide,

So red ich dich vor diesen Zeugen allen

Als meine Gattin an und reiche dir

Zum Pfande des die ritterliche Rechte.

Er stellt sie dem Chor dar.

Nicht forschen will ich, wer du bist – Ich will

Nur dich von dir, nichts frag ich nach dem andern.

Daß deine Seele wie dein Ursprung rein,

Hat mir dein erster Blick verbürget und beschworen,

Und wärst du selbst die Niedrigste geboren,

Du müßtest dennoch meine Liebe sein,

Die Freiheit hab ich und die Wahl verloren.

Und daß du wissen mögest, ob ich auch

Herr meiner Taten sei, und hoch genug

Gestellt auf dieser Welt, auch das Geliebte

Mit starkem Arm zu mir emporzuheben,

Bedarfs nur, meinen Namen dir zu nennen.

– Ich bin Don Cesar und in dieser Stadt

Messina ist kein Größrer über mir.

Beatrice schaudert zurück, er bemerkt es und fährt nach einer kleinen Weile fort.

Dein Staunen lob ich und dein sittsam Schweigen,

Schamhafte Demut ist der Reize Krone,

Denn ein Verborgenes ist sich das Schöne,

Und es erschrickt vor seiner eignen Macht.

– Ich geh und überlasse dich dir selbst,

Daß sich dein Geist von seinem Schrecken löse,

Denn jedes Neue, auch das Glück, erschreckt.

Zu dem Chor.

Gebt ihr – sie ists von diesem Augenblick!

Die Ehre meiner Braut und eurer Fürstin,

Belehret sie von ihres Standes Größe.

Bald kehr ich selbst zurück, sie heimzuführen,

Wies meiner würdig ist und ihr gebührt.

Er geht ab.

Beatrice und der Chor.

CHOR.

Heil dir, o Jungfrau,

Liebliche Herrscherin!

Dein ist die Krone,

Dein ist der Sieg!

Als die Erhalterin

Dieses Geschlechtes,

Künftiger Helden

Blühende Mutter begrüß ich dich!

Dreifaches Heil dir!

Mit glücklichen Zeichen,

Glückliche, trittst du

In ein götterbegünstigtes, glückliches Haus,

Wo die Kränze des Ruhmes hängen,

Und das goldene Szepter in stetiger Reihe

Wandert vom Ahnherrn zum Enkel hinab.

Deines lieblichen Eintritts

Werden sich freuen

Die Penaten des Hauses,

Die hohen, die ernsten

Verehrten Alten.

An der Schwelle empfangen

Wird dich die immer blühende Hebe

Und die goldne Viktoria,

Die geflügelte Göttin,

Die auf der Hand schwebt des ewigen Vaters,

Ewig die Schwingen zum Siege gespannt:

Nimmer entweicht

Die Krone der Schönheit

Aus diesem Geschlechte,

Scheidend reicht

Eine Fürstin der andern

Den Gürtel der Anmut

Und den Schleier der züchtigen Scham.

Aber das Schönste

Erlebt mein Auge,

Denn ich sehe die Blume der Tochter,

Ehe die Blume der Mutter verblüht.

BEATRICE aus ihrem Schrecken erwachend.

Wehe mir! In welche Hand

Hat das Unglück mich gegeben!

Unter allen,

Welche leben,

Nicht in diese sollt ich fallen!

Jetzt versteh ich das Entsetzen,

Das geheimnisvolle Grauen,

Das mich schaudernd stets gefaßt,

Wenn man mir den Namen nannte

Dieses furchtbaren Geschlechtes,

Das sich selbst vertilgend haßt,

Gegen seine eignen Glieder

Wütend mit Erbittrung rast!

Schaudernd hört ich oft und wieder

Von dem Schlangenhaß der Brüder,

Und jetzt reißt mein Schreckenschicksal

Mich, die Arme, Rettungslose,

In den Strudel dieses Hasses,

Dieses Unglücks mich hinein!

Sie flieht in den Gartensaal.

CHOR.

Den begünstigten Sohn der Götter beneid ich,

Den beglückten Besitzer der Macht!

Immer das Köstlichste ist sein Anteil,

Und von allem, was hoch und herrlich

Von den Sterblichen wird gepriesen,

Bricht er die Blume sich ab.

Von den Perlen, welche der tauchende Fischer

Auffängt, wählt er die reinsten für sich.

Für den Herrscher legt man zurück das Beste,

Was gewonnen ward mit gemeinsamer Arbeit,

Wenn sich die Diener durchs Los vergleichen,

Ihm ist das Schönste gewiß.

Aber eines doch ist sein köstlichstes Kleinod,

Jeder andre Vorzug sei ihm gegönnt,

Dieses beneid ich ihm unter allem,

Daß er heimführt die Blume der Frauen,

Die das Entzücken ist aller Augen,

Daß er sie eigen besitzt.

Mit dem Schwerte springt der Korsar an die Küste,

In dem nächtlich ergreifenden Überfall,

Männer führt er davon und Frauen,

Und ersättigt die wilde Begierde,

Nur die schönste Gestalt darf er nicht berühren,

Die ist des Königes Gut.

Aber jetzt folgt mir, zu bewachen den Eingang

Und die Schwelle des heiligen Raums,

Daß kein Ungeweihter in dieses Geheimnis

Dringe und der Herrscher uns lobe,

Der das Köstlichste, was er besitzet,

Unsrer Bewahrung vertraut.

Der Chor entfernt sich nach dem Hintergrunde.

Die Szene verwandelt sich in ein Zimmer im Innern des Palastes Donna Isabella steht zwischen Don Manuel und Don Cesar.

ISABELLA.

Nun endlich ist mir der erwünschte Tag,

Der lang ersehnte, festliche erschienen –

Vereint seh ich die Herzen meiner Kinder,

Wie ich die Hände leicht zusammenfüge,

Und im vertrauten Kreis zum erstenmal

Kann sich das Herz der Mutter freudig öffnen.

Fern ist der fremden Zeugen rohe Schar,

Die zwischen uns sich kampfgerüstet stellte –

Der Waffen Klang erschreckt mein Ohr nicht mehr,

Und wie der Eulen nachtgewohnte Brut

Von der zerstörten Brandstatt, wo sie lang

Mit altverjährtem Eigentum genistet,

Auffliegt in düsterm Schwarm, den Tag verdunkelnd,

Wenn sich die lang vertriebenen Bewohner

Heimkehrend nahen mit der Freude Schall,

Den neuen Bau lebendig zu beginnen,

So flieht der alte Haß mit seinem nächtlichen

Gefolge, dem hohläugigten Verdacht,

Der scheelen Mißgunst und dem bleichen Neide,

Aus diesen Toren murrend zu der Hölle,

Und mit dem Frieden zieht geselliges

Vertraun und holde Eintracht lächelnd ein.

Sie hält inne.

– Doch nicht genug, daß dieser heutge Tag

Jedem von beiden einen Bruder schenkt,

Auch eine Schwester hat er euch geboren.

– Ihr staunt? Ihr seht mich mit Verwundrung an?

Ja, meine Söhne! Es ist Zeit, daß ich

Mein Schweigen breche, und das Siegel löse

Von einem lang verschlossenen Geheimnis.

– Auch eine Tochter hab ich eurem Vater

Geboren – eine jüngre Schwester lebt

Euch noch – Ihr sollt noch heute sie umarmen.

DON CESAR.

Was sagst du, Mutter? Eine Schwester lebt uns,

Und nie vernahmen wir von dieser Schwester!

DON MANUEL.

Wohl hörten wir in früher Kinderzeit,

Daß eine Schwester uns geboren worden,

Doch in der Wiege schon, so ging die Sage,

Nahm sie der Tod hinweg.

ISABELLA.

Die Sage lügt!

Sie lebt!

DON CESAR.

Sie lebt und du verschwiegest uns?

ISABELLA.

Von meinem Schweigen geb ich Rechenschaft.

Hört, was gesäet ward in frührer Zeit,

Und jetzt zur frohen Ernte reifen soll.

– Ihr wart noch zarte Knaben, aber schon

Entzweite euch der jammervolle Zwist,

Der ewig nie mehr wiederkehren möge,

Und häufte Gram auf eurer Eltern Herz.

Da wurde eurem Vater eines Tages

Ein seltsam wunderbarer Traum. Ihm deuchte,

Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette

Zwei Lorbeerbäume wachsen, ihr Gezweig

Dicht ineinander flechtend – zwischen beiden

Wuchs eine Lilie empor – Sie ward

Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig

Und das Gebälk ergreifend prasselnd aufschlug,

Und um sich wütend, schnell, das ganze Haus

In ungeheurer Feuerflut verschlang.

Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte

Befragt der Vater einen sternekundigen

Arabier, der sein Orakel war,

An dem sein Herz mehr hing, als mir gefiel,

Um die Bedeutung. Der Arabier

Erklärte: wenn mein Schoß von einer Tochter

Entbunden würde, töten würde sie ihm

Die beiden Söhne und sein ganzer Stamm

Durch sie vergehn – Und ich ward Mutter einer Tochter,

Der Vater aber gab den grausamen

Befehl, die Neugeborene alsbald

Ins Meer zu werfen. Ich vereitelte

Den blutgen Vorsatz und erhielt die Tochter

Durch eines treuen Knechts verschwiegnen Dienst.

DON CESAR.

Gesegnet sei er, der dir hülfreich war,

O nicht an Rat gebrichts der Mutterliebe!

ISABELLA.

Der Mutterliebe mächtge Stimme nicht

Allein trieb mich, das Kindlein zu verschonen.

Auch mir ward eines Traumes seltsames

Orakel, als mein Schoß mit dieser Tochter

Gesegnet war: Ein Kind wie Liebesgötter schön

Sah ich im Grase spielen, und ein Löwe

Kam aus dem Wald, der in dem blutgen Rachen

Die frisch gejagte Beute trug, und ließ

Sie schmeichelnd in den Schoß des Kindes fallen.

Und aus den Lüften schwang ein Adler sich

Herab, ein zitternd Reh in seinen Fängen,

Und legt es schmeichelnd in den Schoß des Kindes,

Und beide, Löw und Adler, legen fromm

Gepaart sich zu des Kindes Füßen nieder.

– Des Traums Verständnis löste mir ein Mönch,

Ein gottgeliebter Mann, bei dem das Herz

Rat fand und Trost in jeder irdschen Not.

Der sprach: »Genesen würd ich einer Tochter,

Die mir der Söhne streitende Gemüter

In heißer Liebesglut vereinen würde.«

– Im Innersten bewahrt ich mir dies Wort,

Dem Gott der Wahrheit mehr als dem der Lüge

Vertrauend, rettet ich die Gottverheißne,

Des Segens Tochter, meiner Hoffnung Pfand,

Die mir des Friedens Werkzeug sollte sein,

Als euer Haß sich wachsend stets vermehrte.

DON MANUEL seinen Bruder umarmend.

Nicht mehr der Schwester brauchts, der Liebe Band

Zu flechten, aber fester soll sies knüpfen.

ISABELLA.

So ließ ich an verborgner Stätte sie,

Von meinen Augen fern, geheimnisvoll,

Durch fremde Hand erziehn – den Anblick selbst

Des lieben Angesichts, den heißerflehten,

Versagt ich mir, den strengen Vater scheuend,

Der von des Argwohns ruheloser Pein

Und finster grübelndem Verdacht genagt,

Auf allen Schritten mir die Späher pflanzte.

DON CESAR.

Drei Monde aber deckt den Vater schon

Das stille Grab – Was wehrte dir, o Mutter,

Die lang Verborgne an das Licht hervor

Zu ziehn und unsre Herzen zu erfreuen?

ISABELLA.

Was sonst als euer unglückselger Streit,

Der, unauslöschlich wütend, auf dem Grab

Des kaum entseelten Vaters sich entflammte,

Nicht Raum noch Stätte der Versöhnung gab?

Konnt ich die Schwester zwischen eure wild

Entblößten Schwerter stellen? Konntet ihr

In diesem Sturm die Mutterstimme hören?

Und sollt ich sie, des Friedens teures Pfand,

Den letzten heilgen Anker meiner Hoffnung,

An eures Hasses Wut unzeitig wagen?

– Erst mußtet ihrs ertragen, euch als Brüder

Zu sehn, eh ich die Schwester zwischen euch

Als einen Friedensengel stellen konnte.

Jetzt kann ichs und ich führe sie euch zu.

Den alten Diener hab ich ausgesendet,

Und stündlich harr ich seiner Wiederkehr,

Der ihrer stillen Zuflucht sie entreißend,

Zurück an meine mütterliche Brust

Sie führt und in die brüderlichen Arme.

DON MANUEL.

Und sie ist nicht die einzge, die du heut

In deine Mutterarme schließen wirst.

Es zieht die Freude ein durch alle Pforten,

Es füllt sich der verödete Palast,

Und wird der Sitz der blühnden Anmut werden.

– Vernimm, o Mutter, jetzt auch mein Geheimnis.

Eine Schwester gibst du mir – Ich will dafür

Dir eine zweite liebe Tochter schenken.

Ja, Mutter! Segne deinen Sohn! – Dies Herz,

Es hat gewählt, gefunden hab ich sie,

Die mir durchs Leben soll Gefährtin sein.

Eh dieses Tages Sonne sinkt, führ ich

Die Gattin dir Don Manuels zu Füßen.

ISABELLA.

An meine Brust will ich sie freudig schließen,

Die meinen Erstgebornen mir beglückt,

Auf ihren Pfaden soll die Freude sprießen,

Und jede Blume, die das Leben schmückt,

Und jedes Glück soll mir den Sohn belohnen,

Der mir die schönste reicht der Mutterkronen!

DON CESAR.

Verschwende, Mutter, deines Segens Fülle

Nicht an den einen erstgebornen Sohn!

Wenn Liebe Segen gibt, so bring auch ich

Dir eine Tochter, solcher Mutter wert,

Die mich der Liebe neu Gefühl gelehrt.

Eh dieses Tages Sonne sinkt, führt auch

Don Cesar seine Gattin dir entgegen.

DON MANUEL.

Allmächtge Liebe! Göttliche! Wohl nennt

Man dich mit Recht die Königin der Seelen!

Dir unterwirft sich jedes Element,

Du kannst das feindlich Streitende vermählen,

Nichts lebt, was deine Hoheit nicht erkennt,

Und auch des Bruders wilden Sinn hast du

Besiegt, der unbezwungen stets geblieben.

Don Cesar umarmend.

Jetzt glaub ich an dein Herz und schließe dich

Mit Hoffnung an die brüderliche Brust,

Nicht zweifl ich mehr an dir, denn du kannst lieben.

ISABELLA.

Dreimal gesegnet sei mir dieser Tag,

Der mir auf einmal jede bange Sorge

Vom schwerbeladnen Busen hebt – Gegründet

Auf festen Säulen seh ich mein Geschlecht,

Und in der Zeiten Unermeßlichkeit

Kann ich hinabsehn mit zufriednem Geist.

Noch gestern sah ich mich im Witwenschleier

Gleich einer Abgeschiednen, kinderlos,

In diesen öden Sälen ganz allein,

Und heute werden in der Jugend Glanz

Drei blühnde Töchter mir zur Seite stehen.

Die Mutter zeige sich, die glückliche,

Von allen Weibern, die geboren haben,

Die sich mit mir an Herrlichkeit vergleicht!

– Doch welcher Fürsten königliche Töchter

Erblühen denn an dieses Landes Grenzen,

Davon ich Kunde nie vernahm? – denn nicht

Unwürdig wählen konnten meine Söhne!

DON MANUEL.

Nur heute, Mutter, fodre nicht, den Schleier

Hinwegzuheben, der mein Glück bedeckt.

Es kommt der Tag, der alles lösen wird.

Am besten mag die Braut sich selbst verkünden,

Des sei gewiß, du wirst sie würdig finden.

ISABELLA.

Des Vaters eignen Sinn und Geist erkenn ich

In meinem erstgebornen Sohn! Der liebte

Von jeher, sich verborgen in sich selbst

Zu spinnen und den Ratschluß zu bewahren

Im unzugangbar fest verschlossenen Gemüt!

Gern mag ich dir die kurze Frist vergönnen,

Doch mein Sohn Cesar, des bin ich gewiß,

Wird jetzt mir eine Königstochter nennen.

DON CESAR.

Nicht meine Weise ists, geheimnisvoll

Mich zu verhüllen, Mutter. Frei und offen

Wie meine Stirne trag ich mein Gemüt;

Doch, was du jetzt von mir begehrst zu wissen

Das, Mutter – laß michs redlich dir gestehn,

Hab ich mich selbst noch nicht gefragt. Fragt man,

Woher der Sonne Himmelsfeuer flamme?

Die alle Welt verklärt, erklärt sich selbst,

Ihr Licht bezeugt, daß sie vom Lichte stamme.

Ins klare Auge sah ich meiner Braut,

Ins Herz des Herzens hab ich ihr geschaut,

Am reinen Glanz will ich die Perle kennen,

Doch ihren Namen kann ich dir nicht nennen.

ISABELLA.

Wie, mein Sohn Cesar? Kläre mir das auf.

Zu gern dem ersten mächtigen Gefühl

Vertrautest du wie einer Götterstimme.

Auf rascher Jugendtat erwart ich dich,

Doch nicht auf töricht kindischer – Laß hören,

Was deine Wahl gelenkt.

DON CESAR.

Wahl, meine Mutter?

Ists Wahl, wenn des Gestirnes Macht den Menschen

Ereilt in der verhängnisvollen Stunde?

Nicht eine Braut zu suchen ging ich aus,

Nicht wahrlich solches Eitle konnte mir

Zu Sinne kommen in dem Haus des Todes,

Denn dorten fand ich, die ich nicht gesucht.

Gleichgültig war und nichtsbedeutend mir

Der Frauen leer geschwätziges Geschlecht,

Denn eine zweite sah ich nicht, wie dich,

Die ich gleich wie ein Götterbild verehre.

Es war des Vaters ernste Totenfeier,

Im Volksgedräng verborgen, wohnten wir

Ihr bei, du weißts, in unbekannter Kleidung,

So hattest dus mit Weisheit angeordnet,

Daß unsers Haders wild ausbrechende

Gewalt des Festes Würde nicht verletze.

– Mit schwarzem Flor behangen war das Schiff

Der Kirche, zwanzig Genien umstanden

Mit Fackeln in den Händen, den Altar,

Vor dem der Totensarg erhaben ruhte,

Mit weißbekreuztem Grabestuch bedeckt.

Und auf dem Grabtuch sahe man den Stab

Der Herrschaft liegen und die Fürstenkrone,

Den ritterlichen Schmuck der goldnen Sporen,

Das Schwert mit diamantenem Gehäng.

– Und alles lag in stiller Andacht kniend,

Als ungesehen jetzt vom hohen Chor

Herab die Orgel anfing sich zu regen,

Und hundertstimmig der Gesang begann –

Und als der Chor noch fortklung, stieg der Sarg,

Mitsamt dem Boden, der ihn trug, allmählich

Versinkend in die Unterwelt hinab,

Das Grabtuch aber überschleierte

Weit ausgebreitet die verborgne Mündung,

Und auf der Erde blieb der irdsche Schmuck

Zurück, dem Niederfahrenden nicht folgend –

Doch auf den Seraphsflügeln des Gesangs

Schwang die befreite Seele sich nach oben,

Den Himmel suchend und den Schoß der Gnade.

– Dies alles, Mutter, ruf ich dir, genau

Beschreibend, ins Gedächtnis jetzt zurück,

Daß du erkennest, ob zu jener Stunde

Ein weltlich Wünschen mir im Herzen war.

Und diesen festlich ernsten Augenblick

Erwählte sich der Lenker meines Lebens,

Mich zu berühren mit der Liebe Strahl.

Wie es geschah, frag ich mich selbst vergebens.

ISABELLA.

Vollende dennoch! Laß mich alles hören.

DON CESAR.

Woher sie kam, und wie sie sich zu mir

Gefunden, dieses frage nicht – Als ich

Die Augen wandte, stand sie mir zur Seite,

Und dunkel mächtig, wunderbar, ergriff

Im tiefsten Innersten mich ihre Nähe.

Nicht ihres Lächelns holder Zauber wars,

Die Reize nicht, die auf der Wange schweben,

Selbst nicht der Glanz der göttlichen Gestalt –

Es war ihr tiefstes und geheimstes Leben,

Was mich ergriff mit heiliger Gewalt;

Wie Zaubers Kräfte unbegreiflich weben –

Die Seelen schienen ohne Worteslaut,

Sich ohne Mittel geistig zu berühren,

Als sich mein Atem mischte mit dem ihren.

Fremd war sie mir und innig doch vertraut,

Und klar auf einmal fühl ichs in mir werden,

Die ist es, oder keine sonst auf Erden!

DON MANUEL mit Feuer einfallend.

Das ist der Liebe heilger Götterstrahl,

Der in die Seele schlägt und trifft und zündet,

Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet,

Da ist kein Widerstand und keine Wahl,

Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet.

– Dem Bruder fall ich bei, ich muß ihn loben,

Mein eigen Schicksal ists, was er erzählt,

Den Schleier hat er glücklich aufgehoben

Von dem Gefühl, das dunkel mich beseelt.

ISABELLA.

Den eignen freien Weg, ich seh es wohl,

Will das Verhängnis gehn mit meinen Kindern.

Vom Berge stürzt der ungeheure Strom,

Wühlt sich sein Bette selbst und bricht sich Bahn,

Nicht des gemeßnen Pfades achtet er,

Den ihm die Klugheit vorbedächtig baut.

So unterwerf ich mich, wie kann ichs ändern?

Der unregiersam stärkern Götterhand,

Die meines Hauses Schicksal dunkel spinnt.

Der Söhne Herz ist meiner Hoffnung Pfand,

Sie denken groß, wie sie geboren sind.

Isabella. Don Manuel. Don Cesar. Diego zeigt sich an der Türe.

ISABELLA.

Doch sieh! Da kommt mein treuer Knecht zurück!

Nur näher, näher, redlicher Diego!

Wo ist mein Kind? – Sie wissen alles! Hier

Ist kein Geheimnis mehr – Wo ist sie? Sprich!

Verbirg sie länger nicht, wir sind gefaßt,

Die höchste Freude zu ertragen. Komm!

Sie will mit ihm nach der Türe gehen.

Was ist das? Wie? Du zögerst? Du verstummst?

Das ist kein Blick, der Gutes mir verkündet!

Was ist dir? Sprich! Ein Schauder faßt mich an.

Wo ist sie? Wo ist Beatrice?

Will hinaus.

DON MANUEL für sich, betroffen.

Beatrice!

DIEGO hält sie zurück.

Bleib!

ISABELLA.

Wo ist sie? Mich entseelt die Angst.

DIEGO.

Sie folgt

Mir nicht. Ich bringe dir die Tochter nicht.

ISABELLA.

Was ist geschehn? Bei allen Heilgen, rede!

DON CESAR.

Wo ist die Schwester? Unglückselger, rede!

DIEGO.

Sie ist geraubt! Gestohlen von Korsaren!

O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn!

DON MANUEL.

Faß dich, o Mutter!

DON CESAR.

Mutter, sei gefaßt!

Bezwinge dich, bis du ihn ganz vernommen!

DIEGO.

Ich machte schnell mich auf, wie du befohlen,

Die oft betretne Straße nach dem Kloster

Zum letztenmal zu gehn – Die Freude trug mich

Auf leichten Flügeln fort.

DON CESAR.

Zur Sache!

DON MANUEL.

Rede!

DIEGO.

Und da ich in die wohlbekannten Höfe

Des Klosters trete, die ich oft betrat,

Nach deiner Tochter ungeduldig frage,

Seh ich des Schreckens Bild in jedem Auge,

Entsetzt vernehm ich das Entsetzliche.

Isabella sinkt bleich und zitternd auf einen Sessel, Don Manuel ist um sie beschäftigt.

DON CESAR.

Und Mauren, sagst du, raubten sie hinweg?

Sah man die Mauren? Wer bezeugte dies?

DIEGO.

Ein maurisch Räuberschiff gewahrte man

In einer Bucht, unfern dem Kloster ankernd.

DON CESAR.

Manch Segel rettet sich in diese Buchten

Vor des Orkanes Wut – Wo ist das Schiff?

DIEGO.

Heut frühe sah man es in hoher See

Mit voller Segel Kraft das Weite suchen.

DON CESAR.

Hört man von anderm Raub noch, der geschehn?

Dem Mauren gnügt einfache Beute nicht.

DIEGO.

Hinweggetrieben wurde mit Gewalt

Die Rinderherde, die dort weidete.

DON CESAR.

Wie konnten Räuber aus des Klosters Mitte

Die Wohlverschloßne heimlich raubend stehlen?

DIEGO.

Des Klostergartens Mauren waren leicht

Auf hoher Leiter Sprossen überstiegen.

DON CESAR.

Wie brachen sie ins Innerste der Zellen?

Denn fromme Nonnen hält der strenge Zwang.

DIEGO.

Die noch durch kein Gelübde sich gebunden,

Sie durfte frei im Freien sich ergehn.

DON CESAR.

Und pflegte sie des freien Rechtes oft

Sich zu bedienen? Dieses sage mir.

DIEGO.

Oft sah man sie des Gartens Stille suchen,

Der Wiederkehr vergaß sie heute nur.

DON CESAR nachdem er sich eine Weile bedacht.

Raub sagst du? War sie frei genug dem Räuber,

So konnte sie in Freiheit auch entfliehen.

ISABELLA steht auf.

Es ist Gewalt! Es ist verwegner Raub!

Nicht pflichtvergessen konnte meine Tochter

Aus freier Neigung dem Entführer folgen!

– Don Manuel! Don Cesar! Eine Schwester

Dacht ich euch zuzuführen, doch ich selbst

Soll jetzt sie eurem Heldenarm verdanken!

In eurer Kraft erhebt euch, meine Söhne!

Nicht ruhig duldet es, daß eure Schwester

Des frechen Diebes Beute sei – Ergreift

Die Waffen! Rüstet Schiffe aus! Durchforscht

Die ganze Küste! Durch alle Meere setzt

Dem Räuber nach! Erobert euch die Schwester!

DON CESAR.

Leb wohl! Zur Rache flieg ich, zur Entdeckung!

Er geht ab. Don Manuel aus einer tiefen Zerstreuung erwachend, wendet sich beunruhigt zu Diego.

DON MANUEL.

Wann, sagst du, sei sie unsichtbar geworden?

DIEGO.

Seit diesem Morgen erst ward sie vermißt.

DON MANUEL zu Donna Isabella.

Und Beatrice nennt sich deine Tochter?

ISABELLA.

Dies ist ihr Name! Eile! Frage nicht!

DON MANUEL.

Nur eines noch, o Mutter, laß mich wissen –

ISABELLA.

Fliege zur Tat! Des Bruders Beispiel folge!

DON MANUEL.

In welcher Gegend, ich beschwöre dich –

ISABELLA ihn forttreibend.

Sieh meine Tränen, meine Todesangst!

DON MANUEL.

In welcher Gegend hieltst du sie verborgen?

ISABELLA.

Verborgner nicht war sie im Schoß der Erde!

DIEGO.

O jetzt ergreift mich plötzlich bange Furcht.

DON MANUEL.

Furcht und worüber? Sage, was du weißt.

DIEGO.

Daß ich des Raubs unschuldig Ursach sei.

ISABELLA.

Unglücklicher, entdecke, was geschehn.

DIEGO.

Ich habe dirs verhehlt, Gebieterin,

Dein Mutterherz mit Sorge zu verschonen.

Am Tage, als der Fürst beerdigt ward,

Und alle Welt, begierig nach dem Neuen,

Der ernsten Feier sich entgegendrängte,

Lag deine Tochter, denn die Kunde war

Auch in des Klosters Mauren eingedrungen,

Lag sie mir an mit unabläßgem Flehn,

Ihr dieses Festes Anblick zu gewähren.

Ich Unglückseliger ließ mich bewegen,

Verhüllte sie in ernste Trauertracht,

Und also war sie Zeugin jenes Festes.

Und dort, befürcht ich, in des Volks Gewühl,

Das sich herbeigedrängt von allen Enden,

Ward sie vom Aug des Räubers ausgespäht,

Denn ihrer Schönheit Glanz birgt keine Hülle.

DON MANUEL vor sich, erleichtert.

Glückselges Wort, das mir das Herz befreit!

Das gleicht ihr nicht! Dies Zeichen trifft nicht zu.

ISABELLA.

Wahnsinnger Alter! So verrietst du mich!

DIEGO.

Gebieterin, ich dacht es gut zu machen.

Die Stimme der Natur, die Macht des Bluts

Glaubt ich in diesem Wunsche zu erkennen;

Ich hielt es für des Himmels eignes Werk,

Der mit verborgen ahnungsvollem Zuge

Die Tochter hintrieb zu des Vaters Grab!

Der frommen Pflicht wollt ich ihr Recht erzeigen,

Und so, aus guter Meinung, schafft ich Böses!

DON MANUEL vor sich.

Was steh ich hier in Furcht und Zweifels Qualen?

Schnell will ich Licht mir schaffen und Gewißheit.

Will gehen.

DON CESAR der zurückkommt.

Verzieh, Don Manuel, gleich folg ich dir.

DON MANUEL.

Folge mir nicht, hinweg, mir folge niemand.

Er geht ab.

DON CESAR sieht ihm verwundert nach.

Was ist dem Bruder? Mutter, sage mirs.

ISABELLA.

Ich kenn ihn nicht mehr. Ganz verkenn ich ihn.

DON CESAR.

Du siehst mich wiederkehren, meine Mutter,

Denn in des Eifers heftiger Begier

Vergaß ich, um ein Zeichen dich zu fragen,

Woran man die verlorne Schwester kennt.

Wie find ich ihre Spuren, eh ich weiß,

Aus welchem Ort die Räuber sie gerissen?

Das Kloster nenne mir, das sie verbarg.

ISABELLA.

Der heiligen Cecilia ists gewidmet

Und hinterm Waldgebirge, das zum Ätna

Sich langsam steigend hebt, liegt es versteckt,

Wie ein verschwiegner Aufenthalt der Seelen.

DON CESAR.

Sei gutes Muts. Vertraue deinen Söhnen.

Die Schwester bring ich dir zurück, müßt ich

Durch alle Länder sie und Meere suchen.

Doch eines, Mutter, ist es, was mich kümmert,

Die Braut verließ ich unter fremdem Schutz,

Nur dir kann ich das teure Pfand vertrauen,

Ich sende sie dir her, du wirst sie schauen,

An ihrer Brust, an ihrem lieben Herzen

Wirst du des Grams vergessen und der Schmerzen.

Er geht ab.

ISABELLA.

Wann endlich wird der alte Fluch sich lösen,

Der über diesem Hause lastend ruht?

Mit meiner Hoffnung spielt ein tückisch Wesen,

Und nimmer stillt sich seines Neides Wut.

So nahe glaubt ich mich dem sichern Hafen,

So fest vertraut ich auf des Glückes Pfand

Und alle Stürme glaubt ich eingeschlafen,

Und freudig winkend sah ich schon das Land

Im Abendglanz der Sonne sich erhellen,

Da kommt ein Sturm aus heitrer Luft gesandt

Und reißt mich wieder in den Kampf der Wellen!

Sie geht nach dem innern Hause, wohin ihr Diego folgt.

Die Szene verwandelt sich in den Garten.

Beide Chöre. Zuletzt Beatrice.

Der Chor des Don Manuel kommt in festlichem Aufzug, mit Kränzen geschmückt und die oben beschriebenen Brautgeschenke begleitend; der Chor

des Don Cesar will ihm den Eintritt verwehren.

ERSTER CHOR.

Du würdest wohl tun, diesen Platz zu leeren.

ZWEITER CHOR.

Ich wills, wenn beßre Männer es begehren.

ERSTER CHOR.

Du könntest merken, daß du lästig bist.

ZWEITER CHOR.

Deswegen bleib ich, weil es dich verdrießt.

ERSTER CHOR.

Hier ist mein Platz. Wer darf zurück mich halten?

ZWEITER CHOR.

Ich darf es tun, ich habe hier zu walten.

ERSTER CHOR.

Mein Herrscher sendet mich, Don Manuel!

ZWEITER CHOR.

Ich stehe hier auf meines Herrn Befehl.

ERSTER CHOR.

Dem ältern Bruder muß der jüngre weichen.

ZWEITER CHOR.

Dem Erstbesitzenden gehört die Welt.

ERSTER CHOR.

Verhaßter, geh und räume mir das Feld.

ZWEITER CHOR.

Nicht, bis sich unsre Schwerter erst vergleichen.

ERSTER CHOR.

Find ich dich überall in meinen Wegen?

ZWEITER CHOR.

Wo mirs gefällt, da tret ich dir entgegen.

ERSTER CHOR.

Was hast du hier zu horchen und zu hüten?

ZWEITER CHOR.

Was hast du hier zu fragen, zu verbieten?

ERSTER CHOR.

Dir steh ich nicht zu Red und Antwort hier.

ZWEITER CHOR.

Und nicht des Wortes Ehre gönn ich dir.

ERSTER CHOR.

Ehrfurcht gebührt, o Jüngling, meinen Jahren.

ZWEITER CHOR.

In Tapferkeit bin ich wie du erfahren!

BEATRICE stürzt heraus.

Weh mir! Was wollen diese wilden Scharen?

ERSTER CHOR zum zweiten.

Nichts acht ich dich und deine stolze Miene!

ZWEITER CHOR.

Ein beßrer ist der Herrscher, dem ich diene!

BEATRICE.

O weh mir, weh mir, wenn er jetzt erschiene!

ERSTER CHOR.

Du lügst! Don Manuel besiegt ihn weit!

ZWEITER CHOR.

Den Preis gewinnt mein Herr in jedem Streit.

BEATRICE.

Jetzt wird er kommen, dies ist seine Zeit!

ERSTER CHOR.

Wäre nicht Friede, Recht verschafft ich mir!

ZWEITER CHOR.

Wärs nicht die Furcht, kein Friede wehrte dir.

BEATRICE.

O wär er tausend Meilen weit von hier!

ERSTER CHOR.

Das Gesetz fürcht ich, nicht deiner Blicke Trutz.

ZWEITER CHOR.

Wohl tust du dran, es ist des Feigen Schutz.

ERSTER CHOR.

Fang an, ich folge!

ZWEITER CHOR.

Mein Schwert ist heraus!

BEATRICE in der heftigsten Beängstigung.

Sie werden handgemein, die Degen blitzen!

Ihr Himmelsmächte haltet ihn zurück!

Werft euch in seinen Weg ihr Hindernisse,

Eine Schlinge legt, ein Netz um seine Füße,

Daß er verfehle diesen Augenblick!

Ihr Engel alle, die ich flehend bat,

Ihn herzuführen, täuschet meine Bitte,

Weit, weit von hier entfernet seine Schritte!

Sie eilt hinein. Indem die Chöre einander anfallen, erscheint Don Manuel.

Don Manuel. Der Chor.

DON MANUEL.

Was seh ich! Haltet ein!

ERSTER CHOR zum zweiten.

Komm an! Komm an!

ZWEITER CHOR.

Nieder mit ihnen! Nieder!

DON MANUEL tritt zwischen sie, mit gezognem Schwert.

Haltet ein!

ERSTER CHOR.

Es ist der Fürst.

ZWEITER CHOR.

Der Bruder! Haltet Friede!

DON MANUEL.

Den streck ich tot auf dieses Rasens Grund,

Der mit gezuckter Augenwimper nur

Die Fehde fortsetzt und dem Gegner droht!

Rast ihr? Was für ein Dämon reizt euch an,

Des alten Zwistes Flammen aufzublasen,

Der zwischen uns, den Fürsten, abgetan

Und ausgeglichen ist auf immerdar?

– Wer fing den Streit an? Redet! Ich wills wissen.

ERSTER CHOR.

Sie standen hier –

ZWEITER CHOR unterbrechend.

Sie kamen –

DON MANUEL zum ersten Chor.

Rede du!

ERSTER CHOR.

Wir kamen her, mein Fürst, die Hochzeitgaben

Zu überreichen, wie du uns befahlst.

Geschmückt zu einem Feste, keineswegs

Zum Krieg bereit, du siehst es, zogen wir

In Frieden unsern Weg, nichts Arges denkend

Und trauend dem beschworenen Vertrag,

Da fanden wir sie feindlich hier gelagert

Und uns den Eingang sperrend mit Gewalt.

DON MANUEL.

Unsinnige, ist keine Freistatt sicher

Genug vor eurer blinden, tollen Wut?

Auch in der Unschuld still verborgnen Sitz

Bricht euer Hader friedestörend ein?

Zum zweiten Chor.

Weiche zurück! Hier sind Geheimnisse,

Die deine kühne Gegenwart nicht dulden.

Da derselbe zögert.

Zurück! Dein Herr gebietet dirs durch mich,

Denn wir sind jetzt ein Haupt und ein Gemüt,

Und mein Befehl ist auch der seine. Geh!

Zum ersten Chor.

Du bleibst und wahrst des Eingangs.

ZWEITER CHOR.

Was beginnen?

Die Fürsten sind versöhnt, das ist die Wahrheit,

Und in der hohen Häupter Span und Streit

Sich unberufen, vielgeschäftig drängen,

Bringt wenig Dank und öfterer Gefahr.

Denn wenn der Mächtige des Streits ermüdet,

Wirft er behend auf den geringen Mann,

Der arglos ihm gedient, den blutgen Mantel

Der Schuld und leicht gereinigt steht er da.

Drum mögen sich die Fürsten selbst vergleichen,

Ich acht es für geratner, wir gehorchen.

Der zweite Chor geht ab, der erste zieht sich nach dem Hintergrund der Szene zurück. In demselben Augenblicke stürzt Beatrice heraus und wirft sich in Don Manuels Arme.

Beatrice. Don Manuel.

BEATRICE.

Du bists. Ich habe dich wieder – Grausamer!

Du hast mich lange, lange schmachten lassen,

Der Furcht und allen Schrecknissen zum Raub

Dahingegeben – Doch nichts mehr davon!

Ich habe dich – in deinen lieben Armen

Ist Schutz und Schirm vor jeglicher Gefahr.

Komm! Sie sind weg! Wir haben Raum zur Flucht.

Fort, laß uns keinen Augenblick verlieren.

Sie will ihn mit sich fortziehen und sieht ihn jetzt erst genauer an.

Was ist dir? So verschlossen feierlich

Empfängst du mich – entziehst dich meinen Armen,

Als wolltest du mich lieber ganz verstoßen?

Ich kenne dich nicht mehr – Ist dies Don Manuel,

Mein Gatte, mein Geliebter?

DON MANUEL.

Beatrice!

BEATRICE.

Nein, rede nicht! Jetzt ist nicht Zeit zu Worten!

Fort laß uns eilen, schnell, der Augenblick

Ist kostbar –

DON MANUEL.

Bleib! Antworte mir!

BEATRICE.

Fort, fort!

Eh diese wilden Männer wiederkehren!

DON MANUEL.

Bleib! Jene Männer werden uns nicht schaden!

BEATRICE.

Doch, doch! Du kennst sie nicht, o komm! Entfliehe!

DON MANUEL.

Von meinem Arm beschützt, was kannst du fürchten?

BEATRICE.

O glaube mir, es gibt hier mächtge Menschen!

DON MANUEL.

Geliebte, keinen mächtigern als mich.

BEATRICE.

Du gegen diese vielen ganz allein?

DON MANUEL.

Ich ganz allein! Die Männer, die du fürchtest –

BEATRICE.

Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wem sie dienen.

DON MANUEL.

Mir dienen Sie, und ich bin ihr Gebieter.

BEATRICE.

Du bist – Ein Schrecken fliegt durch meine Seele!

DON MANUEL.

Lerne mich endlich kennen, Beatrice!

Ich bin nicht der, der ich dir schien zu sein,

Der arme Ritter nicht, der unbekannte,

Der liebend nur um deine Liebe warb.

Wer ich wahrhaftig bin, was ich vermag,

Woher ich stamme, hab ich dir verborgen.

BEATRICE.

Du bist Don Manuel nicht! Weh mir, wer bist du?

DON MANUEL.

Don Manuel heiß ich – doch ich bin der Höchste,

Der diesen Namen führt in dieser Stadt,

Ich bin Don Manuel, Fürst von Messina.

BEATRICE.

Du wärst Don Manuel, Don Cesars Bruder?

DON MANUEL.

Don Cesar ist mein Bruder.

BEATRICE.

Ist dein Bruder!

DON MANUEL.

Wie? Dies erschreckt dich? Kennst du den Don Cesar?

Kennst du noch sonsten jemand meines Bluts?

BEATRICE.

Du bist Don Manuel, der mit dem Bruder

In Hasse lebt und unversöhnter Fehde?

DON MANUEL.

Wir sind versöhnt, seit heute sind wir Brüder,

Nicht von Geburt nur, nein, von Herzen auch.

BEATRICE.

Versöhnt, seit heute!

DON MANUEL.

Sage mir, was ist das?

Was bringt dich so in Aufruhr? Kennst du mehr

Als nur den Namen bloß von meinem Hause?

Weiß ich dein ganz Geheimnis? Hast du nichts,

Nichts mir verschwiegen oder vorenthalten?

BEATRICE.

Was denkst du? Wie? Was hätt ich zu gestehen?

DON MANUEL.

Von deiner Mutter hast du mir noch nichts

Gesagt. Wer ist sie? Würdest du sie kennen,

Wenn ich sie dir beschriebe – dir sie zeigte?

BEATRICE.

Du kennst sie – kennst sie und verbargest mir?

DON MANUEL.

Weh dir und wehe mir, wenn ich sie kenne!

BEATRICE.

O sie ist gütig wie das Licht der Sonne!

Ich seh sie vor mir, die Erinnerung

Belebt sich wieder, aus der Seele Tiefen

Erhebt sich mir die göttliche Gestalt.

Der braunen Locken dunkle Ringe seh ich

Des weißen Halses edle Form beschatten,

Ich seh der Stirne rein gewölbten Bogen,

Des großen Auges dunkelhellen Glanz,

Auch ihrer Stimme seelenvolle Töne

Erwachen mir –

DON MANUEL.

Weh mir! Du schilderst sie!

BEATRICE.

Und ich entfloh ihr! Konnte sie verlassen,

Vielleicht am Morgen eben dieses Tags,

Der mich auf ewig ihr vereinen sollte!

O selbst die Mutter gab ich hin für dich!

DON MANUEL.

Messinas Fürstin wird dir Mutter sein.

Zu ihr bring ich dich jetzt, sie wartet deiner.

BEATRICE.

Was sagst du? Deine Mutter und Don Cesars?

Zu ihr mich bringen? Nimmer, nimmermehr.

DON MANUEL.

Du schauderst? Was bedeutet dies Entsetzen?

Ist meine Mutter keine Fremde dir?

BEATRICE.

O unglückselig traurige Entdeckung,

O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn!

DON MANUEL.

Was kann dich ängstigen, nun du mich kennst,

Den Fürsten findest in dem Unbekannten?

BEATRICE.

O gib mir diesen Unbekannten wieder,

Mit ihm auf ödem Eiland wär ich selig!

DON CESAR hinter der Szene.

Zurück! Welch vieles Volk ist hier versammelt?

BEATRICE.

Gott! Diese Stimme! Wo verberg ich mich?

DON MANUEL.

Erkennst du diese Stimme? Nein, du hast

Sie nie gehört, und kannst sie nicht erkennen!

BEATRICE.

O laß uns fliehen, komm und weile nicht.

DON MANUEL.

Was fliehn? Es ist des Bruders Stimme, der

Mich sucht, zwar wundert mich, wie er entdeckte –

BEATRICE.

Bei allen Heiligen des Himmels, meid ihn!

Begegne nicht dem heftig Stürmenden,

Laß dich von ihm an diesem Ort nicht finden.

DON MANUEL.

Geliebte Seele, dich verwirrt die Furcht!

Du hörst mich nicht, wir sind versöhnte Brüder!

BEATRICE.

O Himmel, rette mich aus dieser Stunde!

DON MANUEL.

Was ahndet mir! Welch ein Gedanke faßt

Mich schaudernd? – Wär es möglich – Wäre dir

Die Stimme keine fremde? – Beatrice!

Du warst? Mir grauet, weiter fortzufragen!

Du warst – bei meines Vaters Leichenfeier!

BEATRICE.

Weh mir!

DON MANUEL.

Du warst zugegen?

BEATRICE.

Zürne nicht!

DON MANUEL.

Unglückliche, du warst?

BEATRICE.

Ich war zugegen.

DON MANUEL.

Entsetzen!

BEATRICE.

Die Begierde war zu mächtig!

Vergib mir! Ich gestand dir meinen Wunsch,

Doch plötzlich ernst und finster ließest du

Die Bitte fallen, und so schwieg auch ich.

Doch weiß ich nicht, welch bösen Sternes Macht

Mich trieb mit unbezwinglichem Gelüsten.

Des Herzens heißen Drang mußt ich vergnügen,

Der alte Diener lieh mir seinen Beistand,

Ich war dir ungehorsam und ich ging.

Sie schmiegt sich an ihn, indem tritt Don Cesar herein, von dem ganzen Chor begleitet.

Beide Brüder. Beide Chöre. Beatrice.

ZWEITER CHOR zu Don Cesar.

Du glaubst uns nicht – Glaub deinen eignen Augen.

DON CESAR tritt heftig ein und fährt beim Anblick seines Bruders mit Entsetzen zurück.

Blendwerk der Hölle! Was? In seinen Armen!

Näher tretend, zu Don Manuel.

Giftvolle Schlange! Das ist deine Liebe!

Deswegen logst du tückisch mir Versöhnung!

O eine Stimme Gottes war mein Haß!

Fahre zur Hölle, falsche Schlangenseele!

Er ersticht ihn.

DON MANUEL.

Ich bin des Todes – Beatrice – Bruder!

Er sinkt und stirbt. Beatrice fällt neben ihm ohnmächtig nieder.

ERSTER CHOR.

Mord! Mord! Herbei! Greift zu den Waffen alle!

Mit Blut gerächet sei die blutge Tat!

Alle ziehen die Degen.

ZWEITER CHOR.

Heil uns! Der lange Zwiespalt ist geendigt.

Nur einem Herrscher jetzt gehorcht Messina.

ERSTER CHOR.

Rache! Rache! Der Mörder falle! falle!

Ein sühnend Opfer dem Gemordeten!

ZWEITER CHOR.

Herr, fürchte nichts, wir stehen treu zu dir!

DON CESAR mit Ansehen zwischen sie tretend.

Zurück – Ich habe meinen Feind getötet,

Der mein vertrauend redlich Herz betrog,

Die Bruderliebe mir zum Fallstrick legte.

Ein furchtbar gräßlich Ansehn hat die Tat,

Doch der gerechte Himmel hat gerichtet.

ERSTER CHOR.

Weh dir, Messina! Wehe! Wehe! Wehe!

Das gräßlich Ungeheure ist geschehn

In deinen Mauren – Wehe deinen Müttern

Und Kindern, deinen Jünglingen und Greisen,

Und wehe der noch ungebornen Frucht!

DON CESAR.

Die Klage kommt zu spät – Hier schaffet Hilfe!

Auf Beatricen zeigend.

Ruft sie ins Leben! Schnell entfernet sie

Von diesem Ort des Schreckens und des Todes.

– Ich kann nicht länger weilen, denn mich ruft

Die Sorge fort um die geraubte Schwester.

– Bringt sie in meiner Mutter Schloß und sprecht,

Es sei ihr Sohn Don Cesar, der sie sende!

Er geht ab, die ohnmächtige Beatrice wird von dem zweiten Chor auf eine Bank gesetzt und so hinweggetragen, der erste Chor bleibt bei dem Leichnam zurück, um welchen auch die Knaben, die die Brautgeschenke tragen, in einem Halbkreis herumstehen.

CHOR.

Sagt mir! Ich kanns nicht fassen und deuten,

Wie es so schnell sich erfüllend genaht.

Längst wohl sah ich im Geist mit weiten

Schritten das Schreckensgespenst herschreiten

Dieser entsetzlichen, blutigen Tat.

Dennoch übergießt mich ein Grauen,

Da sie vorhanden ist und geschehen,

Da ich erfüllt muß vor Augen schauen,

Was ich in ahndender Furcht nur gesehen.

All mein Blut in den Adern erstarrt

Vor der gräßlich entschiedenen Gegenwart.

EINER AUS DEM CHOR.

Lasset erschallen die Stimme der Klage!

Holder Jüngling,

Da liegt er entseelt

Hingestreckt in der Blüte der Tage!

Schwer umfangen von Todesnacht,

An der Schwelle der bräutlichen Kammer!

Aber über dem Stummen erwacht

Lauter, unermeßlicher Jammer.

EIN ZWEITER.

Wir kommen, wir kommen

Mit festlichem Prangen

Die Braut zu empfangen,

Es bringen die Knaben

Die reichen Gewande, die bräutlichen Gaben,

Das Fest ist bereitet, es warten die Zeugen,

Aber der Bräutigam höret nicht mehr.

Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen,

Denn der Schlummer der Toten ist schwer.

GANZER CHOR.

Schwer und tief ist der Schlummer der Toten,

Nimmer erweckt ihn die Stimme der Braut,

Nimmer des Hifthorns fröhlicher Laut,

Starr und fühllos liegt er am Boden!

EIN DRITTER.

Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,

Die der Mensch, der vergängliche, baut?

Heute umarmtet ihr euch als Brüder,

Einig gestimmt mit Herzen und Munde,

Diese Sonne, die jetzo nieder

Geht, sie leuchtete eurem Bunde!

Und jetzt liegst du dem Staube vermählt,

Von des Brudermords Händen entseelt,

In dem Busen die gräßliche Wunde!

Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,

Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,

Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?

CHOR.

Zu der Mutter will ich dich tragen,

Eine unbeglückende Last!

Diese Zypresse laßt uns zerschlagen

Mit der mördrischen Schneide der Axt,

Ein Bahre zu flechten aus ihren Zweigen,

Nimmer soll sie Lebendiges zeugen.

Die die tödliche Frucht getragen.

Nimmer in fröhlichem Wuchs sich erheben,

Keinem Wandrer mehr Schatten geben,

Die sich genährt auf des Mordes Boden,

Soll verflucht sein zum Dienst der Toten!

ERSTER.

Aber wehe dem Mörder, wehe,

Der dahingeht in törichtem Mut!

Hinab, hinab in der Erde Ritzen

Rinnet, rinnet, rinnet dein Blut.

Drunten aber im Tiefen sitzen

Lichtlos, ohne Gesang und Sprache,

Der Themis Töchter, die nie vergessen,

Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit messen,

Fangen es auf in schwarzen Gefäßen,

Rühren und mengen die schreckliche Rache.

ZWEITER.

Leicht verschwindet der Taten Spur

Von der sonnenbeleuchteten Erde,

Wie aus dem Antlitz die leichte Gebärde –

Aber nichts ist verloren und verschwunden,

Was die geheimnisvoll waltenden Stunden

In den dunkel schaffenden Schoß aufnahmen –

Die Zeit ist eine blühende Flur,

Ein großes Lebendiges ist die Natur,

Und alles ist Frucht und alles ist Samen.

DRITTER.

Wehe, wehe dem Mörder, wehe,

Der sich gesät die tödliche Saat!

Ein andres Antlitz, eh sie geschehen,

Ein anderes zeigt die vollbrachte Tat.

Mutvoll blickt sie und kühn dir entgegen,

Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen,

Aber ist sie geschehn und begangen,

Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen.

Selber die schrecklichen Furien schwangen

Gegen Orestes die höllischen Schlangen,

Reizten den Sohn zu dem Muttermord an,

Mit der Gerechtigkeit heiligen Zügen

Wußten sie listig sein Herz zu betrügen,

Bis er die tödliche Tat nun getan –

Aber da er den Schoß jetzt geschlagen,

Der ihn empfangen und liebend getragen,

Siehe, da kehrten sie

Gegen ihn selber

Schrecklich sich um –

Und er erkannte die furchtbaren Jungfraun,

Die den Mörder ergreifend fassen,

Die von jetzt an ihn nimmer lassen,

Die ihn mit ewigem Schlangenbiß nagen,

Die von Meer zu Meer ihn ruhelos jagen

Bis in das delphische Heiligtum.

Der Chor geht ab, den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre tragend.

Die Säulenhalle. – Es ist Nacht, die Szene ist von

oben herab durch eine große Lampe erleuchtet.

Donna Isabella und Diego treten auf.

ISABELLA.

Noch keine Kunde kam von meinen Söhnen,

Ob eine Spur sich fand von der Verlornen?

DIEGO.

Noch nichts, Gebieterin – doch hoffe alles

Von deiner Söhne Ernst und Emsigkeit.

ISABELLA.

Wie ist mein Herz geängstiget, Diego!

Es stand bei mir, dies Unglück zu verhüten.

DIEGO.

Drück nicht des Vorwurfs Stachel in dein Herz,

An welcher Vorsicht ließest dus ermangeln?

ISABELLA.

Hätt ich sie früher an das Licht gezogen,

Wie mich des Herzens Stimme mächtig trieb!

DIEGO.

Die Klugheit wehrte dirs, du tatest weise,

Doch der Erfolg ruht in des Himmels Hand.

ISABELLA.

Ach, so ist keine Freude rein! Mein Glück

Wär ein vollkommnes ohne diesen Zufall!

DIEGO.

Dies Glück ist nur verzögert, nicht zerstört,

Genieße du jetzt deiner Söhne Frieden.

ISABELLA.

Ich habe sie einander Herz an Herz

Umarmen sehn – ein nie erlebter Anblick!

DIEGO.

Und nicht ein Schauspiel bloß, es ging von Herzen,

Denn ihr Geradsinn haßt der Lüge Zwang.

ISABELLA.

Ich seh auch, daß sie zärtlicher Gefühle,

Der schönen Neigung fähig sind, mit Wonne

Entdeck ich, daß sie ehren, was sie lieben.

Der ungebundnen Freiheit wollen sie

Entsagen, nicht dem Zügel des Gesetzes

Entzieht sich ihre brausend wilde Jugend,

Und sittlich selbst blieb ihre Leidenschaft.

– Ich will dirs jetzo gern gestehn, Diego,

Daß ich mit Sorge diesem Augenblick,

Der aufgeschloßnen Blume des Gefühls

Mit banger Furcht entgegensah – Die Liebe

Wird leicht zur Wut in heftigen Naturen.

Wenn in den aufgehäuften Feuerzunder

Des alten Hasses auch noch dieser Blitz,

Der Eifersucht feindselge Flamme schlug –

Mir schaudert, es zu denken – ihr Gefühl,

Das niemals einig war, gerade hier

Zum erstenmal unselig sich begegnet –

Wohl mir! Auch diese donnerschwere Wolke,

Die über mir schwarz drohend niederhing,

Sie führte mir ein Engel still vorüber,

Und leicht nun atmet die befreite Brust.

DIEGO.

Ja, freue deines Werkes dich. Du hast

Mit zartem Sinn und ruhigem Verstand

Vollendet, was der Vater nicht vermochte

Mit aller seiner Herrschermacht – Dein ist

Der Ruhm, doch auch dein Glücksstern ist zu loben!

ISABELLA.

Vieles gelang mir! Viel auch tat das Glück!

Nichts Kleines war es, solche Heimlichkeit

Verhüllt zu tragen diese langen Jahre,

Den Mann zu täuschen, den umsichtigsten

Der Menschen, und ins Herz zurückzudrängen

Den Trieb des Bluts, der mächtig wie des Feuers

Verschloßner Gott aus seinen Banden strebte!

DIEGO.

Ein Pfand ist mir des Glückes lange Gunst,

Daß alles sich erfreulich lösen wird.

ISABELLA.

Ich will nicht eher meine Sterne loben,

Bis ich das Ende dieser Taten sah.

Daß mir der böse Genius nicht schlummert,

Erinnert warnend mich der Tochter Flucht.

– Schilt oder lobe meine Tat, Diego!

Doch dem Getreuen will ich nichts verbergen.

Nicht tragen konnt ichs, hier in müßger Ruh

Zu harren des Erfolgs, indes die Söhne

Geschäftig forschen nach der Tochter Spur.

Gehandelt hab auch ich – Wo Menschenkunst

Nicht zureicht, hat der Himmel oft geraten.

DIEGO.

Entdecke mir, was mir zu wissen ziemt.

ISABELLA.

Einsiedelnd auf des Ätna Höhen haust

Ein frommer Klausner, von uralters her

Der Greis genannt des Berges, welcher, näher

Dem Himmel wohnend als der andern Menschen

Tief wandelndes Geschlecht, den irdschen Sinn

In leichter, reiner Ätherluft geläutert

Und von dem Berg der aufgewälzten Jahre

Hinabsieht in das aufgelöste Spiel

Des unverständlich krummgewundnen Lebens.

Nicht fremd ist ihm das Schicksal meines Hauses,

Oft hat der heilge Mann für uns den Himmel

Gefragt und manchen Fluch hinweggebetet.

Zu ihm hinauf gesandt hab ich alsbald

Des raschen Boten jugendliche Kraft,

Daß er mir Kunde von der Tochter gebe,

Und stündlich harr ich dessen Wiederkehr.

DIEGO.

Trügt mich mein Auge nicht, Gebieterin,

So ists derselbe, der dort eilend naht,

Und Lob fürwahr verdient der Emsige!

Bote. Die Vorigen.

ISABELLA.

Sag an und weder Schlimmes hehle mir

Noch Gutes, sondern schöpfe rein die Wahrheit.

Was gab der Greis des Bergs dir zum Bescheide?

BOTE.

Ich soll mich schnell zurückbegeben, war

Die Antwort, die Verlorne sei gefunden.

ISABELLA.

Glückselger Mund, erfreulich Himmelswort,

Stets hast du das Erwünschte mir verkündet!

Und welchem meiner Söhne wars verliehen,

Die Spur zu finden der Verlornen?

BOTE.

Die Tiefverborgne fand dein ältster Sohn.

ISABELLA.

Don Manuel ist es, dem ich sie verdanke!

Ach, stets war dieser mir ein Kind des Segens!

– Hast du dem Greis auch die geweihte Kerze

Gebracht, die zum Geschenk ich ihm gesendet,

Sie anzuzünden seinem Heiligen?

Denn was von Gaben sonst der Menschen Herzen

Erfreut, verschmäht der fromme Gottesdiener.

BOTE.

Die Kerze nahm er schweigend von mir an,

Und zum Altar hintretend, wo die Lampe

Dem Heilgen brannte, zündet' er sie flugs

Dort an, und schnell in Brand steckt' er die Hütte,

Worin er Gott verehrt seit neunzig Jahren.

ISABELLA.

Was sagst du? Welches Schrecknis nennst du mir?

BOTE.

Und dreimal Wehe! Wehe! rufend, stieg er

Herab vom Berg, mir aber winkt' er schweigend,

Ihm nicht zu folgen noch zurückzuschauen.

Und so, gejagt von Grausen, eilt ich her!

ISABELLA.

In neuer Zweifel wogende Bewegung

Und ängstlich schwankende Verworrenheit

Stürzt mich das Widersprechende zurück.

Gefunden sei mir die verlorne Tochter

Von meinem ältsten Sohn Don Manuel?

Die gute Rede kann mir nicht gedeihen,

Begleitet von der unglückselgen Tat.

BOTE.

Blick hinter dich, Gebieterin! Du siehst

Des Klausners Wort erfüllt vor deinen Augen,

Denn alles müßt mich trügen, oder dies

Ist die verlorne Tochter, die du suchst,

Von deiner Söhne Ritterschar begleitet.

Beatrice wird von dem zweiten Halbchor auf einem Tragsessel gebracht und auf der vordern Bühne niedergesetzt. Sie ist noch ohne Leben und

Bewegung.

Isabella. Diego. Bote. Beatrice. Chor.

CHOR.

Des Herrn Geheiß erfüllend setzen wir

Die Jungfrau hier zu deinen Füßen nieder,

Gebieterin – Also befahl er uns

Zu tun und dir zu melden dieses Wort:

Es sei dein Sohn Don Cesar, der sie sende!

ISABELLA ist mit ausgebreiteten Armen auf sie zugeeilt und tritt mit Schrecken zurück.

O Himmel! Sie ist bleich und ohne Leben!

CHOR.

Sie lebt! Sie wird erwachen! Gönn ihr Zeit,

Von dem Erstaunlichen sich zu erholen,

Das ihre Geister noch gebunden hält.

ISABELLA.

Mein Kind! Kind meiner Schmerzen, meiner Sorgen!

So sehen wir uns wieder! So mußt du

Den Einzug halten in des Vaters Haus!

O laß an meinem Leben mich das deinige

Anzünden! An die mütterliche Brust

Will ich dich pressen, bis vom Todesfrost

Gelöst die warmen Adern wieder schlagen!

Zum Chor.

O sprich! Welch Schreckliches ist hier geschehn?

Wo fandst du sie? Wie kam das teure Kind

In diesen kläglich jammervollen Zustand?

CHOR.

Erfahr es nicht von mir, mein Mund ist stumm.

Dein Sohn Don Cesar wird dir alles deutlich

Verkündigen, denn er ists, der sie sendet.

ISABELLA.

Mein Sohn Don Manuel, so willst du sagen?

CHOR.

Dein Sohn Don Cesar sendet sie dir zu.

ISABELLA zu dem Boten.

Wars nicht Don Manuel, den der Seher nannte?

BOTE.

So ist es, Herrin, das war seine Rede.

ISABELLA.

Welcher es sei, er hat mein Herz erfreut,

Die Tochter dank ich ihm, er sei gesegnet!

O muß ein neidscher Dämon mir die Wonne

Des heiß erflehten Augenblicks verbittern!

Ankämpfen muß ich gegen mein Entzücken!

Die Tochter seh ich in des Vaters Haus,

Sie aber sieht nicht mich, vernimmt mich nicht,

Sie kann der Mutter Freude nicht erwidern.

O öffnet euch, ihr lieben Augenlichter!

Erwärmet euch, ihr Hände! Hebe dich,

Lebloser Busen, und schlage der Lust!

Diego! Das ist meine Tochter – Das

Die lang Verborgne, die Gerettete,

Vor aller Welt kann ich sie jetzt erkennen!

CHOR.

Ein seltsam neues Schrecknis glaub ich ahndend

Vor mir zu sehn, und stehe wundernd, wie

Das Irrsal sich entwirren soll und lösen.

ISABELLA zum Chor, der Bestürzung und Verlegenheit ausdrückt.

O ihr seid undurchdringlich harte Herzen,

Vom ehrnen Harnisch eurer Brust, gleichwie

Von einem schroffen Meeresfelsen, schlägt

Die Freude meines Herzens mir zurück!

Umsonst in diesem ganzen Kreis umher

Späh ich nach einem Auge, das empfindet.

Wo weilen meine Söhne, daß ich Anteil

In einem Auge lese, denn mir ist,

Als ob der Wüste unmitleidge Scharen,

Des Meeres Ungeheuer mich umständen.

DIEGO.

Sie schlägt die Augen auf! Sie regt sich, lebt!

ISABELLA.

Sie lebt! Ihr erster Blick sei auf die Mutter!

DIEGO.

Das Auge schließt sie schaudernd wieder zu.

ISABELLA zum Chor.

Weiche zurück! Sie schreckt der fremde Anblick

CHOR tritt zurück.

Gern meid ichs, ihrem Blicke zu begegnen.

DIEGO.

Mit großen Augen mißt sie staunend dich.

BEATRICE.

Wo bin ich? Diese Züge sollt ich kennen.

ISABELLA.

Langsam kehrt die Besinnung ihr zurück.

DIEGO.

Was macht sie? Auf die Kniee senkt sie sich.

BEATRICE.

O schönes Engelsantlitz meiner Mutter!

ISABELLA.

Kind meines Herzens! Komm in meine Arme!

BEATRICE.

Zu deinen Füßen sieh die Schuldige.

ISABELLA.

Ich habe dich wieder! Alles sei vergessen!

DIEGO.

Betracht auch mich! Erkennst du meine Züge?

BEATRICE.

Des redlichen Diego greises Haupt!

ISABELLA.

Der treue Wächter deiner Kinderjahre.

BEATRICE.

So bin ich wieder in dem Schoß der Meinen?

ISABELLA.

Und nichts soll uns mehr scheiden als der Tod.

BEATRICE.

Du willst mich nicht mehr in die Fremde stoßen?

ISABELLA.

Nichts trennt uns mehr, das Schicksal ist befriedigt.

BEATRICE sinkt an ihre Brust.

Und find ich wirklich mich an deinem Herzen?

Und alles war ein Traum, was ich erlebte?

Ein schwerer, fürchterlicher Traum – O Mutter!

Ich sah ihn tot zu meinen Füßen fallen!

– Wie komm ich aber hieher? Ich besinne

Mich nicht – Ach, wohl mir, wohl, daß ich gerettet

In deinen Armen bin! Sie wollten mich

Zur Fürstin Mutter von Messina bringen.

Eher ins Grab!

ISABELLA.

Komm zu dir, meine Tochter!

Messinas Fürstin –

BEATRICE.

Nenne sie nicht mehr.

Mir gießt sich bei dem unglückselgen Namen

Ein Frost des Todes durch die Glieder.

ISABELLA.

Höre mich.

BEATRICE.

Sie hat zwei Söhne, die sich tödlich hassen,

Don Manuel, Don Cesar nennt man sie.

ISABELLA.

Ich bins ja selbst! Erkenne deine Mutter.

BEATRICE.

Was sagst du? Welches Wort hast du geredet?

ISABELLA.

Ich, deine Mutter, bin Messinas Fürstin.

BEATRICE.

Du bist Don Manuels Mutter und Don Cesars?

ISABELLA.

Und deine Mutter! Deine Brüder nennst du!

BEATRICE.

Weh, weh mir! O entsetzensvolles Licht!

ISABELLA.

Was ist dir? Was erschüttert dich so seltsam?

BEATRICE wild um sich her schauend, erblickt den Chor.

Das sind sie, ja! Jetzt, jetzt erkenn ich sie.

Mich hat kein Traum getäuscht – Die sinds! Die waren

Zugegen – Es ist fürchterliche Wahrheit!

Unglückliche, wo habt ihr ihn verborgen?

Sie geht mit heftigem Schritt auf den Chor zu, der sich von ihr abwendet. Ein Trauermarsch läßt sich in der Ferne hören.

CHOR.

Weh! Wehe!

ISABELLA.

Wen verborgen? Was ist wahr?

Ihr schweigt bestürzt – ihr scheint sie zu verstehn.

Ich les in euren Augen, eurer Stimme

Gebrochnen Tönen etwas Unglückselges,

Das mir zurückgehalten wird – Was ists?

Ich will es wissen. Warum heftet ihr

So schreckenvolle Blicke nach der Türe?

Und was für Töne hör ich da erschallen?

CHOR.

Es naht sich! Es wird sich mit Schrecken erklären.

Sei stark, Gebieterin, stähle dein Herz.

Mit Fassung ertrage, was dich erwartet,

Mit männlicher Seele den tödlichen Schmerz!

ISABELLA.

Was naht sich? Was erwartet mich? – Ich höre

Der Totenklage fürchterlichen Ton

Das Haus durchdringen – Wo sind meine Söhne?

Der erste Halbchor bringt den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre getragen, die er auf der leergelassenen Seite der Szene niedersetzt. Ein schwarzes Tuch ist darübergebreitet.

Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre.

ERSTER CHOR.

Durch die Straßen der Städte,

Vom Jammer gefolget,

Schreitet das Unglück –

Laurend umschleicht es

Die Häuser der Menschen,

Heute an dieser

Pforte pocht es,

Morgen an jener,

Aber noch keinen hat es verschont.

Die unerwünschte

Schmerzliche Botschaft

Früher oder später

Bestellt es an jeder

Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.

Wenn die Blätter fallen

In des Jahres Kreise,

Wenn zum Grabe wallen

Entnervte Greise,

Da gehorcht die Natur

Ruhig nur

Ihrem alten Gesetze,

Ihrem ewigen Brauch,

Da ist nichts, was den Menschen entsetze!

Aber das Ungeheure auch

Lerne erwarten im irdischen Leben!

Mit gewaltsamer Hand

Löset der Mord auch das heiligste Band,

In sein stygisches Boot

Raffet der Tod

Auch der Jugend blühendes Leben!

Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen,

Wenn dumpftosend der Donner hallt,

Da, da fühlen sich alle Herzen

In des furchtbaren Schicksals Gewalt.

Aber auch aus entwölkter Höhe

Kann der zündende Donner schlagen,

Darum in deinen fröhlichen Tagen

Fürchte des Unglücks tückische Nähe.

Nicht an die Güter hänge dein Herz,

Die das Leben vergänglich zieren,

Wer besitzt, der lerne verlieren,

Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.

ISABELLA.

Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch?

Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig zaudernd stehen.

Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd

Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück.

Zu Beatricen, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen.

Laß mich! Was es auch sei, ich wills enthüllen!

Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam.

O himmlische Mächte, es ist mein Sohn!

Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen – Beatrice sinkt mit einem Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder.

CHOR.

Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn!

Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers,

Nicht meinen Lippen ist es entflohn.

ISABELLA.

Mein Sohn! Mein Manuel! – O ewige

Erbarmung – So muß ich dich wiederfinden!

Mit deinem Leben mußtest du die Schwester

Erkaufen aus des Räubers Hand! – Wo war

Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte?

– O Fluch der Hand, die diese Wunde grub!

Fluch ihr, die den Verderblichen geboren,

Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen

Geschlecht!

CHOR.

Weh! Wehe! Wehe! Wehe!

ISABELLA.

So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?

Das, das ist eure Wahrheit? Wehe dem,

Der euch vertraut mit redlichem Gemüt!

Worauf hab ich gehofft, wovor gezittert,

Wenn dies der Ausgang ist – O die ihr hier

Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz

Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen,

Womit die Träume uns, die Seher täuschen!

Glaube noch einer an der Götter Mund!

– Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter,

Da träumte ihrem Vater eines Tags,

Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette

Zwei Lorbeerbäume wachsen – Zwischen ihnen

Wuchs eine Lilie empor, sie ward

Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff,

Und um sich wütend schnell das ganze Haus

In ungeheurer Feuerflut verschlang.

Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte

Befrug der Vater einen Vogelschauer

Und schwarzen Magier um die Bedeutung.

Der Magier erklärte: wenn mein Schoß

Von einer Tochter sich entbinden würde,

So würde sie die beiden Söhne ihm

Ermorden und vertilgen seinen Stamm!

CHOR.

Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe!

ISABELLA.

Darum befahl der Vater, sie zu töten,

Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal!

– Die arme Unglückselige! Verstoßen

Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schoß,

Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde!

Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder,

Nicht die Unschuldige hat ihn getötet!

CHOR.

Weh! Wehe! Wehe! Wehe!

ISABELLA.

Keinen Glauben

Verdiente mir des Götzendieners Spruch,

Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele.

Denn mir verkündigte ein andrer Mund,

Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter

»In heißer Liebe würde sie dereinst

Der Söhne Herzen mir vereinigen.«

– So widersprachen die Orakel sich,

Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt

Der Tochter legend – Nicht den Fluch hat sie

Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit

Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen.

Ein Mund hat wie der andere gelogen!

Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts,

Betrüger sind sie, oder sind betrogen.

Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen,

Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen,

Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts.

ERSTER CHOR.

Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein!

Bezähme der Zunge verwegenes Toben!

Die Orakel sehen und treffen ein,

Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben!

ISABELLA.

Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut

Wie mir das Herz gebietet, will ich reden.

Warum besuchen wir die heilgen Häuser,

Und heben zu dem Himmel fromme Hände?

Gutmütge Toren, was gewinnen wir

Mit unserm Glauben? So unmöglich ists,

Die Götter, die hochwohnenden, zu treffen,

Als in den Mond mit einem Pfeil zu schießen.

Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft,

Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel.

Ob rechts die Vögel fliegen oder links,

Die Sterne so sich oder anders fügen,

Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur,

Die Traumkunst träumt und alle Zeichen trügen.

ZWEITER CHOR.

Halt ein, Unglückliche! Wehe! Wehe!

Du leugnest der Sonne leuchtendes Licht

Mit blinden Augen! Die Götter leben,

Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!

BEATRICE.

O Mutter! Mutter! Warum hast du mich

Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin

Dem Fluch, der, eh ich war, mich schon verfolgte?

Blödsichtge Mutter! Warum dünktest du

Dich weiser, als die alles Schauenden,

Die Nah und Fernes aneinander knüpfen,

Und in der Zukunft späte Saaten sehn?

Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben

Hast du den Todesgöttern ihren Raub,

Den sie gefodert, frevelnd vorenthalten!

Jetzt nehmen sie ihn zweifach, dreifach selbst.

Nicht dank ich dir das traurige Geschenk,

Dem Schmerz, dem Jammer hast du mich erhalten!

ERSTER CHOR in heftiger Bewegung nach der Türe sehend.

Brechet auf, ihr Wunden,

Fließet, fließet!

In schwarzen Güssen

Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts.

Eherner Füße

Rauschen vernehm ich,

Höllischer Schlangen

Zischendes Tönen,

Ich erkenne der Furien Schritt!

Stürzet ein, ihr Wände,

Versink, o Schwelle,

Unter der schrecklichen Füße Tritt!

Schwarze Dämpfe, entsteiget, entsteiget

Qualmend dem Abgrund! Verschlinget des Tages

Lieblichen Schein!

Schützende Götter des Hauses, entweichet,

Lasset die rächenden Göttinnen ein!

Don Cesar. Isabella. Beatrice. Der Chor.

Beim Eintritt des Don Cesar zerteilt sich der Chor in fliehender Bewegung vor ihm, er bleibt allein in der Mitte der Szene stehen.

BEATRICE.

Weh mir, er ists!

ISABELLA tritt ihm entgegen.

O mein Sohn Cesar! Muß ich so

Dich wiedersehen – O blick her und sieh

Den Frevel einer gottverfluchten Hand!

Führt ihn zu dem Leichnam.

DON CESAR tritt mit Entsetzen zurück, das Gesicht verhüllend.

ERSTER CHOR.

Brechet auf, ihr Wunden!

Fließet, fließet!

In schwarzen Güssen

Strömet hervor, ihr Bäche des Bluts!

ISABELLA.

Du schauderst und erstarrst! – Ja, das ist alles,

Was dir noch übrig ist von deinem Bruder!

Da liegen meine Hoffnungen – Sie stirbt

Im Keim, die junge Blume eures Friedens,

Und keine schöne Früchte sollt ich schauen.

DON CESAR.

Tröste dich, Mutter. Redlich wollten wir

Den Frieden, aber Blut beschloß der Himmel.

ISABELLA.

O ich weiß, du liebtest ihn, ich sah entzückt

Die schönen Bande zwischen euch sich flechten!

An deinem Herzen wolltest du ihn tragen,

Ihm reich ersetzen die verlornen Jahre.

Der blutge Mord kam deiner schönen Liebe

Zuvor – jetzt kannst du nichts mehr als ihn rächen.

DON CESAR.

Komm, Mutter, komm! hier ist kein Ort für dich,

Entreiß dich diesem unglückselgen Anblick!

Er will sie fortziehen.

ISABELLA fällt ihm um den Hals.

Du lebst mir noch! Du jetzt mein Einziger!

BEATRICE.

Weh, Mutter! Was beginnst du?

DON CESAR.

Weine dich aus

An diesem treuen Busen. Unverloren

Ist dir der Sohn, denn seine Liebe lebt

Unsterblich fort in deines Cesars Brust.

ERSTER CHOR.

Brechet auf, ihr Wunden!

Redet, ihr stummen!

In schwarzen Fluren

Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts.

ISABELLA beider Hände fassend.

O meine Kinder!

DON CESAR.

Wie entzückt es mich,

In deinen Armen sie zu sehen, Mutter!

Ja, laß sie deine Tochter sein! Die Schwester –

ISABELLA unterbricht ihn.

Dir dank ich die Gerettete, mein Sohn!

Du hieltest Wort, du hast sie mir gesendet.

DON CESAR erstaunt.

Wen, Mutter, sagst du, hab ich dir gesendet?

ISABELLA.

Sie mein ich, die du vor dir siehst, die Schwester.

DON CESAR.

Sie meine Schwester!

ISABELLA.

Welche andre sonst?

DON CESAR.

Meine Schwester?

ISABELLA.

Die du selber mir gesendet.

DON CESAR.

Und seine Schwester!

CHOR.

Wehe! Wehe! Wehe!

BEATRICE.

O meine Mutter!

ISABELLA.

Ich erstaune – Redet!

DON CESAR.

So sei der Tag verflucht, der mich geboren!

ISABELLA.

Was ist dir? Gott!

DON CESAR.

Verflucht der Schoß, der mich

Getragen! – Und verflucht sei deine Heimlichkeit,

Die all dies Gräßliche verschuldet! Falle

Der Donner nieder, der dein Herz zerschmettert,

Nicht länger halt ich schonend ihn zurück –

Ich selber, wiß es, ich erschlug den Bruder,

In ihren Armen überrascht ich ihn,

Sie ist es, die ich liebe, die zur Braut

Ich mir gewählt – den Bruder aber fand ich

In ihren Armen – alles weißt du nun!

– Ist sie wahrhaftig seine, meine Schwester,

So bin ich schuldig einer Greueltat,

Die keine Reu und Büßung kann versöhnen!

CHOR.

Es ist gesprochen, du hast es vernommen,

Das Schlimmste weißt du, nichts ist mehr zurück!

Wie die Seher verkündet, so ist es gekommen,

Denn noch niemand entfloh dem verhängten Geschick.

Und wer sich vermißt, es klüglich zu wenden,

Der muß es selber erbauend vollenden.

ISABELLA.

Was kümmerts mich noch, ob die Götter sich

Als Lügner zeigen, oder sich als wahr

Bestätigen? Mir haben sie das Ärgste

Getan – Trotz biet ich ihnen, mich noch härter

Zu treffen, als sie trafen – Wer für nichts mehr

Zu zittern hat, der fürchtet sie nicht mehr.

Ermordet liegt mir der geliebte Sohn,

Und von dem lebenden scheid ich mich selbst.

Er ist mein Sohn nicht – Einen Basilisken

Hab ich erzeugt, genährt an meiner Brust,

Der mir den bessern Sohn zu Tode stach.

– Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens

Nicht mehr – den Rachegeistern überlaß ich

Dies Haus – Ein Frevel führte mich herein,

Ein Frevel treibt mich aus – Mit Widerwillen

Hab ichs betreten, und mit Furcht bewohnt,

Und in Verzweiflung räum ichs – Alles dies

Erleid ich schuldlos, doch bei Ehren bleiben

Die Orakel und gerettet sind die Götter.

Sie geht ab. Diego folgt ihr.

Beatrice. Don Cesar. Der Chor.

DON CESAR Beatrice zurückhaltend.

Bleib, Schwester! Scheide du nicht so von mir!

Mag mir die Mutter fluchen, mag dies Blut

Anklagend gegen mich zum Himmel rufen,

Mich alle Welt verdammen! Aber du

Fluche mir nicht! Von dir kann ichs nicht tragen.

BEATRICE zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Leichnam.

DON CESAR.

Nicht den Geliebten hab ich dir getötet!

Den Bruder hab ich dir und hab ihn mir

Gemordet – dir gehört der Abgeschiedne jetzt

Nicht näher an, als ich der Lebende,

Und ich bin mitleidswüdiger als er,

Denn er schied rein hinweg und ich bin schuldig.

BEATRICE bricht in heftige Tränen aus.

DON CESAR.

Weine um den Bruder, ich will mit dir weinen,

Und mehr noch – rächen will ich ihn! Doch nicht

Um den Geliebten weine! Diesen Vorzug,

Den du dem Toten gibst, ertrag ich nicht.

Den einzgen Trost, den letzten, laß mich schöpfen

Aus unsers Jammers bodenloser Tiefe,

Daß er dir näher nicht gehört als ich –

Denn unser furchtbar aufgelöstes Schicksal

Macht unsre Rechte gleich, wie unser Unglück.

In einen Fall verstrickt, drei liebende

Geschwister, gehen wir vereinigt unter,

Und teilen gleich der Tränen traurig Recht.

Doch wenn ich denken muß, daß deine Trauer

Mehr dem Geliebten als dem Bruder gilt,

Dann mischt sich Wut und Neid in meinen Schmerz,

Und mich verläßt der Wehmut letzter Trost.

Nicht freudig, wie ich gerne will, kann ich

Das letzte Opfer seinen Manen bringen,

Doch sanft nachsenden will ich ihm die Seele,

Weiß ich nur, daß du meinen Staub mit seinem

In einem Aschenkruge sammeln wirst.

Den Arm um sie schlingend, mit einer leidenschaftlich zärtlichen Heftigkeit.

Dich liebt ich, wie ich nichts zuvor geliebt,

Da du noch eine Fremde für mich warst.

Weil ich dich liebte über alle Grenzen,

Trag ich den schweren Fluch des Brudermords,

Liebe zu dir war meine ganze Schuld.

– Jetzt bist du meine Schwester und dein Mitleid

Fodr ich von dir als einen heilgen Zoll.

Er sieht sie mit ausforschenden Blicken und schmerzlicher Erwartung an, dann wendet er sich mit Heftigkeit von ihr.

Nein, nein, nicht sehen kann ich diese Tränen –

In dieses Toten Gegenwart verläßt

Der Mut mich und die Brust zerreißt der Zweifel –

– Laß mich im Irrtum! Weine im Verborgnen!

Sieh nie mich wieder – niemals mehr – Nicht dich,

Nicht deine Mutter will ich wiedersehen,

Sie hat mich nie geliebt! Verraten endlich

Hat sich ihr Herz, der Schmerz hat es geöffnet.

Sie nannt ihn ihren bessern Sohn! – So hat sie

Verstellung ausgeübt ihr ganzes Leben!

– Und du bist falsch wie sie! Zwinge dich nicht!

Zeig deinen Abscheu! Mein verhaßtes Antlitz

Sollst du nicht wiedersehn! Geh hin auf ewig!

Er geht ab. Sie steht unschlüssig, im Kampf widersprechender Gefühle, dann reißt sie sich los und geht.

CHOR.

– – – – – – –

Wohl dem! Selig muß ich ihn preisen,

Der in der Stille der ländlichen Flur,

Fern von des Lebens verworrenen Kreisen,

Kindlich liegt an der Brust der Natur.

Denn das Herz wird mir schwer in der Fürsten Palästen,

Wenn ich herab vom Gipfel des Glücks

Stürzen sehe die Höchsten, die Besten

In der Schnelle des Augenblicks!

Und auch der hat sich wohl gebettet,

Der aus der stürmischen Lebenswelle

Zeitig gewarnt sich herausgerettet

In des Klosters friedliche Zelle.

Der die stachelnde Sucht der Ehren

Von sich warf und die eitle Lust,

Und die Wünsche, die ewig begehren,

Eingeschläfert in ruhiger Brust,

Ihn ergeift in dem Lebensgewühle

Nicht der Leidenschaft wilde Gewalt,

Nimmer in seinem stillen Asyle

Sieht er der Menschheit traurge Gestalt.

Nur in bestimmter Höhe ziehet

Das Verbrechen hin und das Ungemach,

Wie die Pest die erhabenen Orte fliehet,

Dem Qualm der Städte wälzt es sich nach,

Auf den Bergen ist die Freiheit! Der Hauch der Grüfte

Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte,

Die Welt ist vollkommen überall,

Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.

Don Cesar. Der Chor.

DON CESAR gefaßter.

Das Recht des Herrschers üb ich aus zum letztenmal,

Dem Grab zu übergeben diesen teuren Leib,

Denn dieses ist der Toten letzte Herrlichkeit.

Vernehmt denn meines Willens ernstlichen Beschluß,

Und wie ichs euch gebiete, also übt es aus

Genau – Euch ist in frischem Angedenken noch

Das ernste Amt, denn nicht von langen Zeiten ists,

Daß ihr zur Gruft begleitet eures Fürsten Leib.

Die Totenklage ist in diesen Mauren kaum

Verhallt und eine Leiche drängt die andre fort

Ins Grab, daß eine Fackel an der andern sich

Anzünden, auf der Treppe Stufen sich der Zug

Der Klagemänner fast begegnen mag.

So ordnet denn ein feierlich Begräbnisfest

In dieses Schlosses Kirche, die des Vaters Staub

Verwahrt, geräuschlos bei verschloßnen Pforten an,

Und alles werde, wie es damals war, vollbracht.

CHOR.

Mit schnellen Händen soll dies Werk bereitet sein,

O Herr – denn aufgerichtet steht der Katafalk

Ein Denkmal jener ernsten Festlichkeit noch da,

Und an den Bau des Todes rührte keine Hand.

DON CESAR.

Das war kein glücklich Zeichen, daß des Grabes Mund

Geöffnet blieb im Hause der Lebendigen.

Wie kams, daß man das unglückselige Gerüst

Nicht nach vollbrachtem Dienste alsobald zerbrach?

CHOR.

Die Not der Zeiten und der jammervolle Zwist,

Der gleich nachher, Messina feindlich teilend, sich

Entflammt, zog unsre Augen von den Toten ab,

Und öde blieb, verschlossen, dieses Heiligtum.

DON CESAR.

Ans Werk denn eilet ungesäumt! Noch diese Nacht

Vollende sich das mitternächtliche Geschäft!

Die nächste Sonne finde von Verbrechen rein

Das Haus, und leuchte einem fröhlichern Geschlecht.

Der zweite Chor entfernt sich mit Don Manuels Leichnam.

ERSTER CHOR.

Soll ich der Mönche fromme Brüderschaft hieher

Berufen, daß sie nach der Kirche altem Brauch

Das Seelenamt verwalte und mit heilgem Lied

Zur ewgen Ruh einsegne den Begrabenen?

DON CESAR.

Ihr frommes Lied mag fort und fort an unserm Grab

Auf ewge Zeiten schallen bei der Kerze Schein,

Doch heute nicht bedarf es ihres reinen Amts,

Der blutge Mord verscheucht das Heilige.

CHOR.

Beschließe nichts gewaltsam Blutiges, o Herr,

Wider dich selber wütend mit Verzweiflungstat:

Denn auf der Welt lebt niemand, der dich strafen kann,

Und fromme Büßung kauft den Zorn des Himmels ab.

DON CESAR.

Nicht auf der Welt lebt, wer mich richtend strafen kann,

Drum muß ich selber an mir selber es vollziehn.

Bußfertge Sühne, weiß ich, nimmt der Himmel an,

Doch nur mit Blute büßt sich ab der blutge Mord.

CHOR.

Des Jammers Fluten, die auf dieses Haus gestürmt,

Ziemt dir zu brechen, nicht zu häufen Leid auf Leid.

DON CESAR.

Den alten Fluch des Hauses lös ich sterbend auf,

Der freie Tod nur bricht die Kette des Geschicks.

CHOR.

Zum Herrn bist du dich schuldig dem verwaisten Land,

Weil du des andern Herrscherhauptes uns beraubt.

DON CESAR.

Zuerst den Todesgöttern zahl ich meine Schuld,

Ein andrer Gott mag sorgen für die Lebenden.

CHOR.

Soweit die Sonne leuchtet, ist die Hoffnung auch,

Nur von dem Tod gewinnt sich nichts! Bedenk es wohl.

DON CESAR.

Du selbst bedenke schweigend deine Dienerpflicht,

Mich laß dem Geist gehorchen, der mich furchtbar treibt,

Denn in das Innre kann kein Glücklicher mir schaun.

Und ehrst du fürchtend auch den Herrscher nicht in mir,

Den Verbrecher fürchte, den der Flüche schwerster drückt,

Das Haupt verehre des Unglücklichen,

Das auch den Göttern heilig ist – Wer das erfuhr,

Was ich erleide und im Busen fühle,

Gibt keinem Irdischen mehr Rechenschaft.

Donna Isabella. Don Cesar. Der Chor.

ISABELLA kommt mit zögernden Schritten und wirft unschlüssige Blicke auf Don Cesar. Endlich tritt sie ihm näher und spricht mit gefaßtem Ton.

Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen,

So hatt ich mirs in meinem Schmerz gelobt,

Doch in die Luft verwehen die Entschlüsse,

Die eine Mutter, unnatürlich wütend,

Wider des Herzens Stimme faßt – Mein Sohn!

Mich treibt ein unglückseliges Gerücht

Aus meines Schmerzens öden Wohnungen

Hervor – Soll ich ihm glauben? Ist es wahr,

Daß mir ein Tag zwei Söhne rauben soll?

CHOR.

Entschlossen siehst du ihn, festen Muts,

Hinabzugehen mit freiem Schritte

Zu des Todes traurigen Toren.

Erprobe du jetzt die Kraft des Bluts,

Die Gewalt der rührenden Mutterbitte

Meine Worte hab ich umsonst verloren.

ISABELLA.

Ich rufe die Verwünschungen zurück,

Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung

Auf dein geliebtes Haupt herunterrief

Eine Mutter kann des eignen Busens Kind,

Das sie mit Schmerz geboren, nicht verfluchen.

Nicht hört der Himmel solche sündige

Gebete, schwer von Tränen fallen sie

Zurück von seinem leuchtenden Gewölbe.

– Lebe, mein Sohn! Ich will den Mörder lieber sehn

Des einen Kindes, als um beide weinen.

DON CESAR.

Nicht wohl bedenkst du, Mutter, was du wünschest

Dir selbst und mir – Mein Platz kann nicht mehr sein

Bei den Lebendigen – Ja, könntest du

Des Mörders gottverhaßten Anblick auch

Ertragen, Mutter, ich ertrüge nicht

Den stummen Vorwurf deines ewgen Grams.

ISABELLA.

Kein Vorwurf soll dich kränken, keine laute

Noch stumme Klage in das Herz dir schneiden.

In milder Wehmut wird der Schmerz sich lösen,

Gemeinsam trauernd wollen wir das Unglück

Beweinen und bedecken das Verbrechen.

DON CESAR faßt ihre Hand, mit sanfter Stimme.

Das wirst du, Mutter. Also wirds geschehn.

In milder Wehmut wird dein Schmerz sich lösen –

Dann, Mutter, wenn ein Totenmal den Mörder

Zugleich mit dem Gemordeten umschließt,

Ein Stein sich wölbet über beider Staube,

Dann wird der Fluch entwaffnet sein – Dann wirst

Du deine Söhne nicht mehr unterscheiden,

Die Tränen, die dein schönes Auge weint,

Sie werden einem wie dem andern gelten,

Ein mächtiger Vermittler ist der Tod.

Da löschen alle Zornesflammen aus,

Der Haß versöhnt sich, und das schöne Mitleid

Neigt sich ein weinend Schwesterbild mit sanft

Anschmiegender Umarmung auf die Urne.

Drum, Mutter, wehre du mir nicht, daß ich

Hinuntersteige und den Fluch versöhne.

ISABELLA.

Reich ist die Christenheit an Gnadenbildern,

Zu denen wallend ein gequältes Herz

Kann Ruhe finden. Manche schwere Bürde

Ward abgeworfen in Loretos Haus,

Und segensvolle Himmelskraft umweht

Das heilge Grab, das alle Welt entsündigt.

Vielkräftig auch ist das Gebet der Frommen,

Sie haben reichen Vorrat an Verdienst,

Und auf der Stelle, wo ein Mord geschah,

Kann sich ein Tempel reinigend erheben.

DON CESAR.

Wohl läßt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn,

Doch nie wird das verletzte mehr gesunden.

Lebe, wers kann, ein Leben der Zerknirschung,

Mit strengen Bußkasteinugen allmählich

Abschöpfend eine ewge Schuld – Ich kann

Nicht leben, Mutter, mit gebrochnem Herzen.

Aufblicken muß ich freudig zu den Frohen,

Und in den Äther greifen über mir,

Mit freiem Geist – Der Neid vergiftete mein Leben,

Da wir noch deine Liebe gleich geteilt.

Denkst du, daß ich den Vorzug werde tragen,

Den ihm dein Schmerz gegeben über mich?

Der Tod hat eine reinigende Kraft,

In seinem unvergänglichen Palaste

Zu echter Tugend reinem Diamant

Das Sterbliche zu läutern und die Flecken

Der mangelhaften Menschheit zu verzehren.

Weit wie die Sterne abstehn von der Erde,

Wird er erhaben stehen über mir,

Und hat der alte Neid uns in dem Leben

Getrennt, da wir noch gleiche Brüder waren,

So wird er rastlos mir das Herz zernagen,

Nun er das Ewige mir abgewann,

Und jenseits alles Wettstreits wie ein Gott

In der Erinnerung der Menschen wandelt.

ISABELLA.

O hab ich euch nur darum nach Messina

Gerufen, um euch beide zu begraben!

Euch zu versöhnen, rief ich euch hieher

Und ein verderblich Schicksal kehret all

Mein Hoffen in sein Gegenteil mir um!

DON CESAR.

Schilt nicht den Ausgang, Mutter! Es erfüllt

Sich alles, was versprochen ward. Wir zogen ein

Mit Friedenshoffnungen in diese Tore,

Und friedlich werden wir zusammen ruhn,

Versöhnt auf ewig in dem Haus des Todes.

ISABELLA.

Lebe, mein Sohn! Laß deine Mutter nicht

Freundlos im Land der Fremdlinge zurück,

Rohherziger Verhöhnung preisgegeben,

Weil sie der Söhne Kraft nicht mehr beschützt.

DON CESAR.

Wenn alle Welt dich herzlos kalt verhöhnt,

So flüchte du dich hin zu unserm Grabe,

Und rufe deiner Söhne Gottheit an,

Denn Götter sind wir dann, wir hören dich,

Und wie des Himmels Zwillinge dem Schiffer

Ein leuchtend Sternbild, wollen wir mit Trost

Dir nahe sein und deine Seele stärken.

ISABELLA.

Lebe, mein Sohn! Für deine Mutter lebe!

Ich kanns nicht tragen, alles zu verlieren!

Sie schlingt ihre Arme mit leidenschaftlicher Heftigkeit um ihn, er macht sich sanft von ihr los und reicht ihr die Hand mit abgewandtem Gesicht.

DON CESAR.

Leb wohl!

ISABELLA.

Ach, wohl erfahr ichs schmerzlich fühlend nun,

Daß nichts die Mutter über dich vermag!

Gibts keine andre Stimme, welche dir

Zum Herzen mächtger als die meine dringt?

Sie geht nach dem Eingang der Szene.

Komm, meine Tochter! Wenn der tote Bruder

Ihn so gewaltig nachzieht in die Gruft,

So mag vielleicht die Schwester, die geliebte,

Mit schöner Lebenshoffnung Zauberschein

Zurück ihn locken in das Licht der Sonne.

Beatrice erscheint am Eingange der Szene. Donna Isabella. Don Cesar und der Chor.

DON CESAR bei ihrem Anblick heftig bewegt sich verhüllend.

O Mutter! Mutter! Was ersannest du?

ISABELLA führt sie vorwärts.

Die Mutter hat umsonst zu ihm gefleht,

Beschwöre du, erfleh ihn, daß er lebe.

DON CESAR.

Arglistge Mutter! Also prüfst du mich!

In neuen Kampf willst du zurück mich stürzen?

Das Licht der Sonne mir noch teuer machen

Auf meinem Wege zu der ewgen Nacht?

– Da steht der holde Lebensengel mächtig

Vor mir und tausend Blumen schüttet er

Und tausend goldne Früchte lebenduftend

Aus reichem Füllhorn strömend vor mir aus,

Das Herz geht auf im warmen Strahl der Sonne,

Und neu erwacht in der erstorbnen Brust

Die Hoffnung wieder und die Lebenslust.

ISABELLA.

Fleh ihn, dich oder niemand wird er hören,

Daß er den Stab nicht raube dir und mir.

BEATRICE.

Ein Opfer fodert der geliebte Tote,

Es soll ihm werden, Mutter – Aber mich

Laß dieses Opfer sein! Dem Tode war ich

Geweiht, eh ich das Leben sah. Mich fodert

Der Fluch, der dieses Haus verfolgt, und Raub

Am Himmel ist das Leben, das ich lebe.

Ich bins, die ihn gemordet, eures Streits

Entschlafne Furien gewecket – Mir

Gebührt es, seine Manen zu versöhnen!

CHOR.

O jammervolle Mutter! Hin zum Tod

Drängen sich eifernd alle deine Kinder,

Und lassen dich allein, verlassen, stehen

Im freudlos öden, liebeleeren Leben.

BEATRICE.

Du, Bruder, rette dein geliebtes Haupt,

Für deine Mutter lebe! Sie bedarf

Des Sohns, erst heute fand sie eine Tochter,

Und leicht entbehrt sie, was sie nie besaß.

DON CESAR mit tief verwundeter Seele.

Wir mögen leben, Mutter, oder sterben,

Wenn sie nur dem Geliebten sich vereinigt!

BEATRICE.

Beneidest du des Bruders toten Staub?

DON CESAR.

Er lebt in deinem Schmerz ein selig Leben,

Ich werde ewig tot sein bei den Toten.

BEATRICE.

O Bruder!

DON CESAR mit dem Ausdruck der heftigsten Leidenschaft.

Schwester, weinest du um mich?

BEATRICE.

Lebe für unsre Mutter!

DON CESAR läßt ihre Hand los, zurücktretend.

Für die Mutter?

BEATRICE neigt sich an seine Brust.

Lebe für sie und tröste deine Schwester.

CHOR.

Sie hat gesiegt! Dem rührenden Flehen

Der Schwester konnt er nicht widerstehen.

Trostlose Mutter! Gib Raum der Hoffnung,

Er erwählt das Leben, dir bleibt dein Sohn!

In diesem Augenblick läßt sich ein Chorgesang hören, die Flügeltüre wird geöffnet, man sieht in der Kirche den Katafalk aufgerichtet und den Sarg von Kandelabern umgeben.

DON CESAR gegen den Sarg gewendet.

Nein, Bruder! Nicht dein Opfer will ich dir

Entziehen – deine Stimme aus dem Sarg

Ruft mächtger dringend als der Mutter Tränen

Und mächtger als der Liebe Flehn – Ich halte

In meinen Armen, was das irdsche Leben

Zu einem Los der Götter machen kann –

Doch ich, der Mörder, sollte glücklich sein,

Und deine heilge Unschuld ungerächet

Im tiefen Grabe liegen – das verhüte

Der allgerechte Lenker unsrer Tage,

Daß solche Teilung sei in seiner Welt –

– Die Tränen sah ich, die auch mir geflossen,

Befriedigt ist mein Herz, ich folge dir.

Er durchsticht sich mit einem Dolch und gleitet sterbend an seiner Schwester nieder, die sich der Mutter in die Arme wirft.

CHOR nach einem tiefen Schweigen.

Erschüttert steh ich, weiß nicht, ob ich ihn

Bejammern oder preisen soll sein Los.

Dies eine fühl ich und erkenn es klar,

Das Leben ist der Güter höchstes nicht,

Der Übel größtes aber ist die Schuld.

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...

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