Читать книгу Wilhelm Tell - Friedrich Schiller - Страница 5
Zweite Szene
ОглавлениеZu Steinen in Schwyz.
Eine Linde vor des Stauffachers Hause an der Landstraße, nächst der Brücke.
WERNER STAUFFACHER. PFEIFFER VON LUZERN kommen im Gespräch.
PFEIFFER.
Ja, ja Herr Stauffacher, wie ich Euch sagte.
Schwört nicht zu Östreich, wenn Ihr’s könnt vermeiden.
185Haltet fest am Reich und wacker wie bisher,
Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit!
(Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.)
STAUFFACHER.
Bleibt doch, bis meine Wirtin kommt – Ihr seid
Mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.
PFEIFFER.
Viel Dank! Muss heute Gersau noch erreichen.
190– Was ihr auch schweres mögt zu leiden haben
Von eurer Vögte Geiz und Übermut,
Tragt’s in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,
Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen.
Seid ihr erst Österreichs, seid ihr’s auf immer.
Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank unter der Linde. So findet ihn GERTRUD, seine Frau, die sich neben ihn stellt, und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet.
GERTRUD.
195So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.
Schon viele Tage seh ich’s schweigend an,
Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht.
Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten,
Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib,
200Und meine Hälfte fodr’ ich deines Grams.
(Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.)
Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir.
Gesegnet ist dein Fleiß, dein Glücksstand blüht,
Voll sind die Scheunen, und der Rinder Scharen,
Der glatten Pferde wohl genährte Zucht
205Ist von den Bergen glücklich heimgebracht
Zur Winterung in den bequemen Ställen.
– Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz,
Von schönem Stammholz ist es neu gezimmert
Und nach dem Richtmaß ordentlich gefügt,
210Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell,
Mit bunten Wappenschildern ist’s bemalt,
Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann
Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.
STAUFFACHER.
Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,
215Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.
GERTRUD.
Mein Werner sage, wie verstehst du das?
STAUFFACHER.
Vor dieser Linde saß ich jüngst wie heut,
Das schön vollbrachte freudig überdenkend,
Da kam daher von Küßnacht, seiner Burg,
220Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.
Vor diesem Hause hielt er wundernd an,
Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig
Wie sich’s gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,
Der uns des Kaisers richterliche Macht
225Vorstellt im Lande. »Wessen ist dies Haus?«,
Fragt’ er bösmeinend, denn er wusst es wohl.
Doch schnell besonnen ich entgegn’ ihm so:
»Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers,
Und Eures und mein Lehen« – da versetzt er:
230»Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt,
Und will nicht, dass der Bauer Häuser baue
Auf seine eigne Hand, und also frei
Hinleb’, als ob er Herr wär in dem Lande,
Ich werd mich unterstehn, euch das zu wehren.«
235Dies sagend ritt er trutziglich von dannen,
Ich aber blieb mit kummervoller Seele,
Das Wort bedenkend, das der Böse sprach.
GERTRUD.
Mein lieber Herr und Ehewirt! Magst du
Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen?
240Des edeln Ibergs Tochter rühm ich mich,
Des viel erfahrnen Manns. Wir Schwestern saßen,
Die Wolle spinnend, in den langen Nächten,
Wenn bei dem Vater sich des Volkes Häupter
Versammelten, die Pergamente lasen
245Der alten Kaiser, und des Landes Wohl
Bedachten in vernünftigem Gespräch.
Aufmerkend hört ich da manch kluges Wort,
Was der Verständ’ge denkt, der Gute wünscht,
Und still im Herzen hab ich mir’s bewahrt.
250So höre denn und acht auf meine Rede,
Denn was dich presste, sieh das wusst ich längst.
– Dir grollt der Landvogt, möchte gern dir schaden,
Denn du bist ihm ein Hindernis, dass sich
Der Schwyzer nicht dem neuen Fürstenhaus
255Will unterwerfen, sondern treu und fest
Beim Reich beharren, wie die würdigen
Altvordern es gehalten und getan. –
Ist’s nicht so Werner? Sag es, wenn ich lüge!
STAUFFACHER.
So ist’s, das ist des Geßlers Groll auf mich.
GERTRUD.
260Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst,
Ein freier Mann auf deinem eignen Erb’
– Denn Er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich
Trägst du dies Haus zu Lehn, du darfst es zeigen,
So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt,
265Denn über dir erkennst du keinen Herrn
Als nur den Höchsten in der Christenheit –
Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses,
Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel,
Drum sieht er jedes Biedermannes Glück
270Mit scheelen Augen gift’ger Missgunst an,
Dir hat er längst den Untergang geschworen –
Noch stehst du unversehrt – Willst du erwarten,
Bis er die böse Lust an dir gebüßt?
Der kluge Mann baut vor.
STAUFFACHER.
Was ist zu tun!
GERTRUD
(tritt näher). 275So höre meinen Rat! Du weißt, wie hier
Zu Schwyz sich alle Redlichen beklagen
Ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei.
So zweifle nicht, dass sie dort drüben auch
In Unterwalden und im Urner Land
280Des Dranges müd sind und des harten Jochs –
Denn wie der Geßler hier, so schafft es frech
Der Landenberger drüben überm See –
Es kommt kein Fischerkahn zu uns herüber,
Der nicht ein neues Unheil und Gewalt-
285Beginnen von den Vögten uns verkündet.
Drum tät es gut, dass eurer etliche,
Die’s redlich meinen, still zu Rate giengen,
Wie man des Drucks sich möcht erledigen,
So acht ich wohl, Gott würd euch nicht verlassen,
290Und der gerechten Sache gnädig sein –
Hast du in Uri keinen Gastfreund, sprich,
Dem du dein Herz magst redlich offenbaren?
STAUFFACHER.
Der wackern Männer kenn ich viele dort,
Und angesehen große Herrenleute,
295Die mir geheim sind und gar wohl vertraut.
(Er steht auf.)
Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken
Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes
Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen,
Und was ich mir zu denken still verbot,
300Du sprichst’s mit leichter Zunge kecklich aus.
– Hast du auch wohl bedacht, was du mir rätst?
Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen
Rufst du in dieses friedgewohnte Tal –
Wir wagten es, ein schwaches Volk der Hirten,
305In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt?
Der gute Schein nur ist’s, worauf sie warten,
Um loszulassen auf dies arme Land
Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht,
Darin zu schalten mit des Siegers Rechten,
310Und unterm Schein gerechter Züchtigung
Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.
GERTRUD.
Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt
Zu führen, und dem Mutigen hilft Gott!
STAUFFACHER.
O Weib! Ein furchtbar wütend Schrecknis ist
315Der Krieg, die Herde schlägt er und den Hirten.
GERTRUD.
Ertragen muss man, was der Himmel sendet,
Unbilliges erträgt kein edles Herz.
STAUFFACHER.
Dies Haus erfreut dich, das wir neu erbauten.
Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.
GERTRUD.
320Wüsst ich mein Herz an zeitlich Gut gefesselt,
Den Brand wärf ich hinein mit eigner Hand.
STAUFFACHER.
Du glaubst an Menschlichkeit! Es schont der Krieg
Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.
GERTRUD.
Die Unschuld hat im Himmel einen Freund!
325– Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich.
STAUFFACHER.
Wir Männer können tapfer fechtend sterben,
Welch Schicksal aber wird das Eure sein?
GERTRUD.
Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen,
Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.
STAUFFACHER
(stürzt in ihre Arme). 330Wer solch ein Herz an seinen Busen drückt,
Der kann für Herd’ und Hof mit Freuden fechten,
Und keines Königs Heermacht fürchtet er –
Nach Uri fahr ich stehnden Fußes gleich,
Dort lebt ein Gastfreund mir, Herr Walther Fürst,
335Der über diese Zeiten denkt wie ich.
Auch find ich dort den edeln Bannerherrn
Von Attinghaus – obgleich von hohem Stamm
Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten.
Mit ihnen beiden pfleg ich Rats, wie man
340Der Landesfeinde mutig sich erwehrt –
Leb wohl – und weil ich fern bin, führe du
Mit klugem Sinn das Regiment des Hauses –
Dem Pilger, der zum Gotteshause wallt,
Dem frommen Mönch, der für sein Kloster sammelt,
345Gieb reichlich und entlass ihn wohl gepflegt.
Stauffachers Haus verbirgt sich nicht. Zu äuserst
Am offnen Heerweg steht’s, ein wirtlich Dach
Für alle Wandrer, die des Weges fahren.
Indem sie nach dem Hintergrund abgehen, tritt WILHELM TELL mit BAUMGARTEN vorn auf die Szene.
TELL
(zu Baumgarten). Ihr habt jetzt Meiner weiter nicht vonnöten,
350Zu jenem Hause gehet ein, dort wohnt
Der Stauffacher, ein Vater der Bedrängten.
– Doch sieh, da ist er selber – Folgt mir, kommt!
(Gehen auf ihn zu, die Szene verwandelt sich.)