Читать книгу Der Neffe als Onkel - Фридрих Шиллер, Friedrich von Schiller - Страница 2

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Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Valcour tritt eilfertig herein, und nachdem er sich überall umgesehen, ob Niemand zulegen, tritt er zu einem von den Wachslichtern, die vorn auf einem Schreibtisch brennen, und liest ein Billet.

"Herr von Valcour wird ersucht, diesen Abend um sechs Uhr sich im Gartensaal des Herrn von Dorsigny einzufinden. Er kann zu dem kleinen Pförtchen herein kommen, das den ganzen Tag offen ist. " – Keine Unterschrift! – Hm! Hm! Ein seltsames Abenteuer – Ist's vielleicht eine hübsche Frau, die mir hier ein Rendezvous geben will? – Das wäre allerliebst. – Aber still! Wer sind die beiden Figuren, die eben da eintreten, wo ich hereingekommen bin?

Zweiter Auftritt.

Franz von Dorsigny und Champagne, beide in Mäntel eingewickelt.

Valcour.

Dorsigny (seinen Mantel an Champagne gebend). Ei, guten Abend, lieber Valcour!

Valcour. Was? Bist du's, Dorsigny? Wie kommst du hieher? Und wozu diese sonderbare Ausstaffierung – diese Perrücke und diese Uniform, die nicht von deinem Regiment ist?

Dorsigny. Meiner Sicherheit wegen. – Ich habe mich mit meinem Obristlieutenant geschlagen; er ist schwer verwundet, und ich komme, mich in Paris zu verbergen. Weil man mich aber in meiner eigenen Uniform gar zu leicht erkennt, so habe ich's fürs sicherste gehalten, das Kostüm meines Onkels anzunehmen. Wir sind so ziemlich von einem Alter, wie du weißt, und einander an Gestalt, an Größe, an Farbe bis zum Verwechseln ähnlich und führen überdies noch einerlei Namen. Der einzige Unterschied ist, daß der Oberst eine Perrücke trägt, und ich meine eignen Haare – Jetzt aber, seitdem ich mir seine Perrücke und die Uniform seines Regiments zulegte, erstaune ich selbst über die große Aehnlichkeit mit ihm. In diesem Augenblick komme ich an und bin erfreut, dich so pünktlich bei dem Rendezvous zu finden.

Valcour. Bei dem Rendezvous? Wie? Hat sie dir auch was davon vertraut?

Dorsigny. Sie? Welche sie?

Valcour. Nun, die hübsche Dame, die mich in einem Billet hieher beschieden? Du bist mein Freund, Dorsigny, und ich habe nichts Geheimes vor dir.

Dorsigny (lachend). Die allerliebste Dame!

Valcour. Worüber lachst du?

Dorsigny. Ich bin die schöne Dame, Valcour.

Valcour. Du?

Dorsigny. Das Billet ist von mir.

Valcour. Ein schönes Quiproquo, zum Teufel! – Was fällt dir aber ein, deine Briefe nicht zu unterzeichnen? – Leute von meinem Schlag können sich bei solchen Billets auf etwas ganz anders Rechnung machen – Aber da es so steht, gut! Wir nehmen einander nichts übel, Dorsigny – Also ich bin dein gehorsamer Diener.

Dorsigny. Warte doch! Warum eilst du so hinweg? Es lag mir viel daran, dich zu sprechen, ehe ich mich vor Jemand anderem sehen ließ. Ich brauche deines Beistands; wir müssen Abrede mit einander nehmen.

Valcour. Gut – Du kannst auf mich zählen; aber jetzt laß mich, ich

habe dringende Geschäfte-Dorsigny. So? Jetzt, da du mir einen

Dienst erzeigen sollst? – Aber zu einem galanten Abenteuer hattest du

Zeit übrig.

Valcour. Das nicht, lieber Dorsigny. Aber ich muß fort, man erwartet mich.

Dorsigny. Wo?

Valcour. Beim l'Hombre.

Dorsigny. Die große Angelegenheit!

Valcour. Scherz bei Seite! Ich habe dort Gelegenheit, die Schwester deines Obristlieutenants zu sehen – Sie hält was auf mich; ich will dir bei ihr das Wort reden.

Dorsigny. Nun, meinetwegen. Aber thu' mir den Gefallen, meiner Schwester, der Frau von Mirville, im Vorbeigehen wissen zu lassen, daß man sie hier im Gartensaale erwarte – Nenne mich aber nicht, hörst du?

Valcour. Da sei außer Sorgen. Ich habe keine Zeit dazu und will es ihr hinauf sagen lassen, ohne sie nur einmal zu sehen. Uebrigens behalte ich mir's vor, bei einer andern Gelegenheit ihre nähere Bekanntschaft zu machen. Ich schätze den Bruder zu sehr, um die Schwester nicht zu lieben, wenn sie hübsch ist, versteht sich. (Ab.)

Dritter Auftritt.

Dorsigny. Champagne.

Dorsigny. Zum Glück brauche ich seinen Beistand so gar nöthig nicht – Es ist mir weniger um das Verbergen zu thun – denn vielleicht fällt es Niemand ein, mich zu verfolgen – , als um meine liebe Cousine Sophie wieder zu sehen.

Champagne. Was Sie für ein glücklicher Mann sind, gnädiger Herr! – Sie sehen Ihre Geliebte wieder, und ich (seufzt) meine Frau! Wann geht's wieder zurück ins Elsaß – Wir lebten wie die Engel, da wir fünfzig Meilen weit von einander waren.

Dorsigny. Still! Da kommt meine Schwester!

Vierter Auftritt.

Vorige. Frau von Mirville.

Fr. v. Mirville. Ah! Sind Sie es? Sei'n Sie von Herzen willkommen!

Dorsigny. Nun, das ist doch ein herzlicher Empfang!

Fr. v. Mirville. Das ist ja recht schön, daß Sie uns so überraschen! Sie schreiben, daß Sie eine lange Reise vorhätten, von der Sie frühestens in einem Monat zurück sein könnten, und vier Tage darauf sind Sie hier.

Dorsigny. Geschrieben hätt' ich und an wen?

Fr. v. Mirville. An meine Tante! (Sieht den Champagne, der seinen

Mantel ablegt.) Wo ist denn aber Herr von Lormeuil?

Dorsigny. Wer ist der Herr von Lormeuil?

Fr. v. Mirville. Ihr künftiger Schwiegersohn.

Dorsigny. Sage mir, für wen hältst du mich?

Fr. v. Mirville. Nun, doch wohl für meinen Onkel!

Dorsigny. Ist's möglich! Meine Schwester erkennt mich nicht!

Fr. v. Mirville. Schwester? Sie – mein Bruder?

Dorsigny. Ich – dein Bruder.

Fr. v. Mirville. Das kann nicht sein. Das ist nicht möglich. Mein Bruder ist bei seinem Regiment zu Straßburg, mein Bruder trägt sein eigenes Haar, und das ist auch seine Uniform nicht – und so groß auch sonst die Aehnlichkeit-Dorsigny. Eine Ehrensache, die aber sonst nicht viel zu bedeuten haben wird, hat mich genöthigt, meine Garnison in aller Geschwindigkeit zu verlassen; um nicht erkannt zu werden, steckte ich mich in diesen Rock und diese Perrücke.

Fr. v. Mirville. Ist's möglich? – O so laß dich herzlich umarmen, lieber Bruder – Ja, nun fange ich an, dich zu erkennen! Aber die Aehnlichkeit ist doch ganz erstaunlich.

Dorsigny. Mein Onkel ist also abwesend?

Fr. v. Mirville. Freilich, der Heirath wegen.

Dorsigny. Der Heirath? – Welcher Heirath?

Fr. v. Mirville. Sophiens, meiner Cousine.

Dorsigny. Was hör' ich? Sophie soll heirathen?

Fr. v. Mirville. Ei freilich! Weißt du es denn nicht?

Dorsigny. Mein Gott! Nein!

Champagne (nähert sich). Nicht ein Wort wissen wir.

Fr. v. Mirville. Herr von Lormeuil, ein alter Kriegskamerad des Onkels, der zu Toulon wohnt, hat für seinen Sohn um Sophien angehalten – Der junge Lormeuil soll ein sehr liebenswürdiger Mann sein, sagt man; wir haben ihn noch nicht gesehen. Der Onkel holt ihn zu Toulon ab; dann wollen sie eine weite Reise zusammen machen, um ich weiß nicht welche Erbschaft in Besitz zu nehmen. In einem Monat denken sie zurück zu sein, und wenn du alsdann noch da bist, so kannst du zur Hochzeit mit tanzen.

Dorsigny. Ach, liebe Schwester! – Redlicher Champagne! Rathet, helft mir! Wenn ihr mir nicht beisteht, so ist es aus mit mir, so bin ich verloren.

Fr. v. Mirville. Was hast du denn, Bruder? Was ist dir?

Champagne. Mein Herr ist verliebt in seine Cousine.

Fr. v. Mirville. Ah, ist es das?

Dorsigny. Diese unglückselige Heirath darf nun und nimmermehr zu

Stand kommen.

Fr. v. Mirville. Es wird schwer halten, sie rückgängig zu machen. Beide Väter sind einig. das Wort ist gegeben, die Artikel sind aufgesetzt, und man erwartet bloß noch den Bräutigam, sie zu unterzeichnen und abzuschließen.

Champagne. Geduld! – Hören Sie! – (Tritt zwischen Beide). Ich habe einen sublimen Einfall!

Dorsigny. Rede!

Champagne. Sie haben einmal den Anfang gemacht, Ihren Onkel vorzustellen! Bleiben Sie dabei! Führen Sie die Rolle durch.

Fr. v. Mirville. Ein schönes Mittel, um die Nichte zu heirathen.

Champagne. Nur gemach! Lassen Sie mich meinen Plan entwickeln, – Sie spielen also Ihren Onkel! Sie sind nun Herr hier im Hause, und Ihr erstes Geschäft ist, die bewußte Heirath wieder aufzuheben – Sie haben den jungen Lormeuil nicht mitbringen können, weil er – weil er gestorben ist – Unterdessen erhält Frau von Dorsigny einen Brief von Ihnen, als dem Neffen, worin Sie um die Cousine anhalten – Das ist mein Amt! Ich bin der Courier, der den Brief von Straßburg bringt – Frau von Dorsigny ist verliebt in ihren Neffen; sie nimmt diesen Vorschlag mit der besten Art von der Welt auf; sie theilt ihn Ihnen als ihrem Eheherrn mit, und Sie lassen sich's, wie billig, gefallen. Nun stellen Sie sich, als wenn Sie aufs eiligste verreisen müßten; Sie geben der Tante unbedingte Vollmacht, diese Sache zu Ende zu bringen. Sie reisen ab, und den andern Tag erscheinen Sie in Ihren natürlichen Haaren und in der Uniform Ihres Regiments wieder, als wenn Sie eben spornstreichs von Ihrer Garnison herkämen. Die Heirath geht vor sich; der Onkel kommt stattlich angezogen mit seinem Bräutigam, der den Platz glücklich besetzt findet und nichts Besseres zu thun hat, als umzukehren und sich entweder zu Toulon oder in Ostindien eine Frau zu holen.

Dorsigny. Glaubst du, mein Onkel werde das so geduldig-Champagne. O er wird aufbrausen, das versteht sich! Es wird heiß werden am Anfang – Aber er liebt Sie! er liebt seine Tochter! Sie geben ihm die besten Worte, versprechen ihm eine Stube voll artiger Enkelchen, die ihm alle so ähnlich sehen sollen, wie Sie selbst. Er lacht, besänftigt sich, und alles ist vergessen.

Fr. v. Mirville. Ich weiß nicht, ist es das Tolle dieses Einfalls, aber er fängt an, mich zu reizen-Champagne. O er ist himmlisch, der Einfall!

Dorsigny. Lustig genug ist er, aber nur nicht ausführbar – Meine Tante wird mich wohl für den Onkel ansehen! – Fr. v. Mirville. Habe ich's doch!

Dorsigny. Ja, im ersten Augenblicke.

Fr. v. Mirville. Wir müssen ihr keine Zeit lassen, aus der Täuschung zu kommen. Wenn wir die Zeit benutzen, so brauchen wir auch nur einen Augenblick – Es ist jetzt Abend, die Dunkelheit kommt uns zu Statten; diese Lichter leuchten nicht hell genug, um den Unterschied bemerklich zu machen. Den Tag brauchst du gar nicht zu erwarten – du erklärst zugleich, daß du noch in der Nacht wieder fortreisen müssest, und morgen erscheinst du in deiner wahren Person. Geschwind ans Werk! Wir haben keine Zeit zu verlieren – Schreibe den Brief an unsre Tante, den dein Champagne als Courier überbringen soll, und worin du um Sophien anhältst.

Dorsigny (an den Schreibtisch gehend.) Schwester! Schwester! du machst mit mir, was du willst.

Champagne (sich die Hände reibend). Wie freue ich mich über meinen klugen Einfall! Schade, daß ich schon eine Frau habe; ich könnte hier eine Hauptrolle spielen, anstatt jetzt bloß den Vertrauten zu machen.

Fr. v. Mirville. Wie das, Champagne?

Champagne. Ei nun, das ist ganz natürlich. Mein Herr gilt für seinen Onkel, ich würde den Herrn von Lormeuil vorstellen, und wer weiß, was mir am Ende nicht noch blühen könnte, wenn meine verdammte Heirath-Fr. v. Mirville. Wahrhaftig, meine Cousine hat Ursache, sich darüber zu betrüben!

Dorsigny (siegelt den Brief und gibt ihn an Champagne). Hier ist der

Brief. Richt' es nun ein, wie du willst! Dir überlass' ich mich.

Champagne. Sie sollen mit mir zufrieden sein – In wenig Augenblicken werde ich damit als Courier von Straßburg ankommen, gespornt und gestiefelt, triefend von Schweiß. – Sie, gnädiger Herr, halten sich wacker. – Muth, Dreistigkeit, Unverschämtheit, wenn' s nöthig ist. – Den Onkel gespielt, die Tante angeführt, die Nichte geheirathet und, wenn alles vorbei ist, den Beutel gezogen und den redlichen Diener gut bezahlt, der Ihnen zu allen diesen Herrlichkeiten verholfen hat. (Ab.)

Fr. v. Mirville. Da kommt die Tante. Sie wird dich für den Onkel ansehen. Thu', als wenn du nothwendig mit ihr zu reden hättest, und schick' mich weg.

Dorsigny. Aber was werd' ich ihr denn sagen?

Fr. v. Mirville. Alles, was ein galanter Mann seiner Frau nur

Artiges sagen kann.

Fünfter Auftritt.

Frau von Mirville. Frau von Dorsigny. Franz von Dorsigny.

Fr. v. Mirville. kommen Sie doch, liebe Tante! Geschwind! der Onkel ist angekommen.

Fr. v. Dorsigny. Wie? Was? Mein Mann? – Ja wahrhaftig, da ist er! – Herzlich willkommen, lieber Dorsigny – So bald erwartete ich Sie nicht – Nun! Sie haben doch eine glückliche Reise gehabt? – Aber wie so allein? Wo sind Ihre Leute? Ich hörte doch Ihre Kutsche nicht – Nun wahrhaftig – ich besinne mich kaum – ich zittre vor Ueberraschung und Freude-Fr. v. Mirville (heimlich zu ihrem Bruder). Nun, so rede doch! Antworte frisch weg!

Dorsigny. Weil ich nur auf einen kurzen Besuch hier bin, so komm' ich allein und in einer Miethkutsche – Was aber die Reise betrifft, liebe Frau – die Reise – ach! die ist nicht die glücklichste gewesen.

Fr. v. Dorsigny. Sie erschrecken mich! – Es ist Ihnen doch kein

Unglück zugestoßen?

Dorsigny. Nicht eben mir! mir nicht! – Aber diese Heirath – (Zu Frau von Mirville.) Liebe Nichte, ich habe mit der Tante-Fr. v. Mirville. Ich will nicht stören, mein Onkel. (Ab.)

Sechster Auftritt.

Frau von Dorsigny. Franz von Dorsigny.

Fr. v. Dorsigny. Nun, lieber Mann! diese Heirath-Dorsigny. Aus dieser Heirath wird – nichts.

Fr. v. Dorsigny. Wie? Haben wir nicht das Wort des Vaters?

Dorsigny. Freilich wohl! Aber der Sohn kann unsere Tochter nicht heirathen.

Fr. v. Dorsigny. So? Und warum denn nicht?

Dorsigny (mit starkem Ton). Weil – weil er – todt ist.

Fr. v. Dorsigny. Mein Gott, welcher Zufall!

Dorsigny. Es ist ein rechter Jammer. Dieser junge Mann war, was die meisten jungen Leute sind, so ein kleiner Wüstling. Einen Abend bei einem Balle fiel's ihm ein, einem artigen hübschen Mädchen – den Hof zu machen; ein Nebenbuhler mischte sich drein und erlaubte sich beleidigende Scherze. Der junge Lormeuil, lebhaft, aufbrausend, wie man es mit zwanzig Jahren ist, nahm das übel; zum Unglück war er an einen Raufer von Profession gerathen, der sich nie schlägt, ohne seinen Mann – zu tödten. Und diese böse Gewohnheit behielt auch jetzt die Oberhand über die Geschicklichkeit seines Gegners; der Sohn meines armen Freundes blieb auf dem Platz, mit drei tödtlichen – Stichen im Leibe.

Fr. v. Dorsigny. Barmherziger Himmel! Was muß der Vater dabei gelitten haben!

Dorsigny. Das können Sie denken! Und die Mutter!

Fr. v. Dorsigny. Wie? Die Mutter! Die ist ja im letzten Winter gestorben, so viel ich weiß.

Dorsigny. Diesen Winter – ganz recht! Mein armer Freund Lormeuil! Den Winter stirbt ihm seine Frau, und jetzt im Sommer muß er den Sohn in einem Duell verlieren! – Es ist mir auch schwer angekommen, ihn in seinem Schmerz zu verlassen! Aber der Dienst ist jetzt so scharf! Auf den zwanzigsten müssen alle Offiziere – beim Regiment sein! Heut ist der neunzehnte, und ich habe nur einen Sprung nach Paris gethan und muß schon heute Abend wieder – nach meiner Garnison zurückreisen.

Fr. v. Dorsigny. Wie? So bald?

Dorsigny. Das ist einmal der Dienst! Was ist zu machen? Jetzt auf unsere Tochter zu kommen-Fr. v. Dorsigny. Das liebe Kind ist sehr niedergeschlagen und schwermüthig, seitdem Sie weg waren.

Dorsigny. Wissen Sie, was ich denke? Diese Partie, die wir ihr ausgesucht, war – nicht nach ihrem Geschmack.

Fr. v. Dorsigny. So? Wissen Sie?

Dorsigny. Ich weiß nichts – Aber sie ist fünfzehn Jahre alt – Kann sie nicht für sich selbst schon gewählt haben, eh wir es für sie thaten?

Fr. v. Dorsigny. Ach Gott ja! Das begegnet alle Tage.

Dorsigny. Zwingen möchte ich ihre Neigung nicht gern.

Fr. v. Dorsigny. Bewahre uns Gott davor!

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Sophie.

Sophie (beim Anblick Dorsigny's stutzend). Ah! mein Vater-Fr. v. Dorsigny. Nun, was ist dir? Fürchtest du dich, deinen Vater zu umarmen?

Dorsigny (nachdem er sie umarmt, für sich). Sie haben's doch gar gut, diese Väter! Alles umarmt sie!

Fr. v. Dorsigny. Du weißt wohl noch nicht,. Sophie, daß ein unglücklicher Zufall deine Heirath getrennt hat?

Sophie. Welcher Zufall?

Fr. v. Dorsigny. Herr von Lormeuil ist todt.

Sophie. Mein Gott!

Dorsigny (hat sie mit den Augen fixiert). Ja, nun – was sagst du dazu, meine Sophie?

Sophie. Ich, mein Vater? – Ich beklage diesen unglücklichen Mann von Herzen – aber ich kann es nicht anders als für ein Glück ansehen, daß – daß sich der Tag verzögert, der mich von Ihnen trennt.

Dorsigny. Aber, liebes Kind! wenn du gegen diese Heirath – etwas einzuwenden hattest, warum sagtest du uns nichts davon? Wir denken ja nicht daran, deine Neigung zwingen zu wollen.

Sophie. Das weiß ich, lieber Vater – aber die Schüchternheit-Dorsigny.

Weg mit der Schüchternheit! Rede offen! Entdecke mir dein Herz.

Fr. v. Dorsigny. Ja, mein Kind! Höre deinen Vater! Er meint es gut, er wird dir gewiß das Beste rathen.

Dorsigny. Du haßtest also diesen Lormeuil zum Voraus – recht herzlich?

Sophie. Das nicht – aber ich liebte ihn nicht.

Dorsigny. Und du möchtest Keinen heirathen, als den du wirklich liebst?

Sophie. Das ist wohl natürlich.

Dorsigny. Du liebst also – einen Andern?

Sophie. Das habe ich nicht gesagt.

Dorsigny. Nun, nun, beinahe doch – Heraus mit der Sprache! Laß mich alles wissen.

Fr. v. Dorsigny. Fasse Muth, mein Kind! Vergiß, daß es dein Vater ist, mit dem du redest.

Dorsigny. Bilde dir ein, daß du mit deinem besten, deinem zärtlichsten Freunde sprächest – und Der, den du liebst. weiß er, daß er geliebt wird?

Sophie. Behüte der Himmel! Nein.

Dorsigny. Ist's noch ein junger Mensch?

Sophie. Ein sehr liebenswürdiger junger Mann, und der mir darum doppelt werth ist, weil Jedermann findet, daß er Ihnen gleicht – ein Verwandter von uns, der unsern Namen führt – Ach! Sie müssen ihn errathen.

Dorsigny. Noch nicht ganz, liebes Kind!

Fr. v. Dorsigny. Aber ich errathe ihn! Ich wette, es ist ihr

Vetter, Franz Dorsigny.

Dorsigny. Nun, Sophie, du antwortest nichts?

Sophie. Billigen Sie meine Wahl?

Dorsigny (seine Freude unterdrückend, für sich). Wir müssen den

Vater spielen – Aber mein Kind – das müssen wir denn doch bedenken.

Sophie. Warum bedenken? Mein Vetter ist der beste, verständigste-Dorsigny. Der? Ein Schwindelkopf ist er, ein Wildfang, der in den zwei Jahren, daß er weg ist, nicht zweimal an seinen Onkel geschrieben hat.

Sophie. Aber mir hat er desto fleißiger geschrieben, mein Vater!

Dorsigny. So? hat er das? Und du hast ihm wohl – frischweg geantwortet? Hast du? Nicht?

Sophie. Nein, ob ich gleich große Lust dazu hatte. – Nun, Sie versprachen mir ja diesen Augenblick, daß Sie meiner Neigung nicht entgegen sein wollten – Liebe Mutter, reden Sie doch für mich.

Fr. v. Dorsigny. Nun, nun, gib nach, lieber Dorsigny – Es ist da weiter nichts zu machen – und gesteh nur, sie hätte nicht besser wählen können.

Dorsigny. Es ist wahr, es läßt sich Manches dafür sagen – Das Vermögen ist von beiden Seiten gleich, und gesetzt, der Vetter hätte auch ein bißchen leichtsinnig gewirthschaftet, so weiß man ja, die Heirath bringt einen jungen Menschen – schon in Ordnung – Wenn sie ihn nun überdies lieb hat-Sophie. O recht sehr, lieber Vater! – Erst in dem Augenblicke, da man mir den Herrn von Lormeuil zum Gemahl vorschlug, merkte ich, daß ich dem Vetter gut sei – so was man gut sein nennt – Und wenn mir der Vetter nun auch wieder gut wäre-Dorsigny. (feurig). Und warum sollte er das nicht, meine theuerste – (sich besinnend) meine gute Tochter! – Nun wohl! Ich bin ein guter Vater und ergebe mich.

Der Neffe als Onkel

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