Читать книгу Die Räuber - Фридрих Шиллер, Friedrich von Schiller - Страница 4

Erster Akt
Zweite Scene

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Schenke an den Gränzen von Sachsen

Karl von Moor (in ein Buch vertieft.) Spiegelberg (trinkend am Tisch.)

Karl v. Moor (legt das Buch weg.) Mir eckelt vor diesem Tintenkleksenden Seculum, wenn ich in meinem Plutarch lese von großen Menschen.

Spiegelberg (stellt ihm ein Glas hin, und trinkt.) Den Josephus mußt du lesen.

Moor. Der lohe Lichtfunke Prometheus ist ausgebrannt, dafür nimmt man itzt die Flamme von Berlappenmehl – Theaterfeuer, das keine Pfeife Tabak anzündet. Da krabbeln sie nun, wie die Ratten auf der Keule des Herkules, und studiren sich das Mark aus dem Schädel, was das für ein Ding sey, das er in seinen Hoden geführt hat? Ein französischer Abbé docirt, Alexander sey ein Haasenfuß gewesen, ein schwindsüchtiger Professor hält sich bei jedem Wort ein Fläschgen Salmiakgeist vor die Nase, und liest ein Collegium über die Kraft. Kerls, die in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Buben gemacht haben, kritteln über die Taktik des Hannibals – feuchtohrige Buben fischen Phrases aus der Schlacht bei Kannä, und greinen über die Siege des Scipio, weil sie sie exponiren müssen.

Spiegelberg. Das ist ja recht Alexandrinisch geflännt.

Moor. Schöner Preiß für euren Schweiß in der Feldschlacht, daß ihr jetzt in Gymnasien lebet, und eure Unsterblichkeit in einem Bücherriemen mühsam fortgeschleppt wird. Kostbarer Ersatz eures verpraßten Blutes, von einem Nürnberger Krämer um Lebkuchen gewickelt – oder, wenn's glücklich geht, von einem französischen Tragödienschreiber auf Stelzen geschraubt, und mit Drahtfäden gezogen zu werden. Hahaha!

Spiegelberg (trinkt.) Lies den Josephus, ich bitte dich drum.

Moor. Pfui! Pfui über das schlappe Kastraten-Jahrhundert, zu nichts nütze, als die Thaten der Vorzeit wiederzukäuen, und die Helden des Alterthums mit Kommentationen zu schinden und zu verhunzen mit Trauerspielen. Die Kraft seiner Lenden ist versiegen gegangen, und nun muß Bierhefe den Menschen fortpflanzen helfen.

Spiegelberg. Thee, Bruder, Thee!

Moor. Da verrammeln sie sich die gesunde Natur mit abgeschmakten Conventionen, haben das Herz nicht, ein Glas zu leeren, weil sie Gesundheit dazu trinken müssen – beleken den Schuhputzer, daß er sie vertrete bei Ihro Gnaden, und hudeln den armen Schelm, den sie nicht fürchten. Vergöttern sich um ein Mittagessen, und möchten einander vergiften um ein Unterbett, das ihnen beim Aufstreich überboten wird. – Verdammen den Sadduzäer, der nicht fleißig genug in die Kirche kommt, und berechnen ihren Judenzins am Altare – fallen auf die Knie, damit sie ja ihren Schlamp ausbreiten können – wenden kein Aug von dem Pfarrer, damit sie sehen, wie seine Perücke frisirt ist. – Fallen in Ohnmacht, wenn sie eine Gans bluten sehen, und klatschen in die Hände, wenn ihr Nebenbuhler bankerott von der Börse geht – So warm ich ihnen die Hand drückte – »nur noch einen Tag« – Umsonst! – Ins Loch mit dem Hund! – Bitten! Schwüre! Thränen (auf den Boden stampfend.) Hölle und Teufel!

Spiegelberg. Und um so ein paar tausend lausige Dukaten —

Moor. Nein, ich mag nicht daran denken. Ich soll meinen Leib pressen in eine Schnürbrust, und meinen Willen schnüren in Gesetze. Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freyheit brütet Kolosse und Extremitäten aus. Sie verpallisadiren sich ins Bauchfell eines Tyrannen, hofiren der Laune seines Magens, und lassen sich klemmen von seinen Winden. – Ah! daß der Geist Herrmanns noch in der Asche glimmte! – Stelle mich vor ein Heer Kerls, wie ich, und aus Deutschland soll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster seyn sollen. (Er wirft den Degen auf den Tisch, und steht auf.)

Spiegelberg (aufspringend.) Bravo! Bravissimo! du bringst mich eben recht auf das Chapitre. Ich will dir was in's Ohr sagen, Moor, das schon lang mit mir umgeht, und du bist der Mann dazu – sauf Bruder, sauf – wie wär's, wenn wir Juden würden, und das Königreich wieder auf's Tapet brächten?

Moor (lacht aus vollem Halse.) Ah! Nun merk' ich – nun merk' ich – du willst die Vorhaut aus der Mode bringen, weil der Barbier die deinige schon hat?

Spiegelberg. Daß dich, Bärenhäuter! Ich bin freylich wunderbarerweis schon voraus beschnitten. Aber sag, ist das nicht ein schlauer und herzhafter Plan? Wir lassen ein Manifest ausgehen in alle vier Enden der Welt, und citiren nach Palästina, was kein Schweinefleisch ißt. Da beweis ich nun durch triftige Dokumente, Herodes, der Vierfürst, sey mein Großahnherr gewesen, und so ferner. Das wird ein Viktoria abgeben, Kerl, wenn sie wieder in's Trockene kommen, und Jerusalem wieder aufbauen dörfen. Itzt frisch mit den Türken aus Asien, weil's Eisen noch warm ist, und Cedern gehauen aus dem Libanon, und Schiffe gebaut, und geschachert mit alten Borten und Schnallen das ganze Volk. Mittlerweile —

Moor (nimmt ihn lächelnd bei der Hand.) Kamerad! Mit den Narrenstreichen ist's nun am Ende.

Spiegelberg (stutzig.) Pfui, du wirst doch nicht gar den verlorenen Sohn spielen wollen? Ein Kerl, wie du, der mit dem Degen mehr auf die Gesichter gekritzelt hat, als drei Substituten in einem Schaltjahr in's Befehlbuch schreiben! Soll ich dir von der großen Hundsleiche vorerzählen? ha! ich muß nur dein eigenes Bild wieder vor dich rufen, das wird Feuer in deine Adern blasen, wenn dich sonst nichts mehr begeistert. Weißt du noch, wie die Herren vom Collegio deiner Dogge das Bein hatten abschiessen lassen, und du zur Revange liessest ein Fasten ausschreiben in der ganzen Stadt. Man schmollte über dein Rescript. Aber du nicht faul, lässest alles Fleisch aufkaufen in ganz L… daß in acht Stund kein Knoch mehr zu nagen ist in der ganzen Rundung, und die Fische anfangen im Preiße zu steigen. Magistrat und Bürgerschaft düsselten Rache. Wir Pursche frisch heraus zu siebzehnhundert, und du an der Spitze, und Mezger und Schneider und Krämer hinterher, und Wirth und Barbierer und alle Zünfte, und fluchen, Sturm zu laufen wider die Stadt, wenn man den Purschen ein Haar krümmen wollte. Da gieng's aus, wie's Schiessen zu Hornberg, und mußten abziehen mit langer Nase. Du lässest Doktores kommen ein ganzes Concilium, und botst drei Dukaten, wer dem Hund ein Recept schreiben würde. Wir sorgten, die Herren werden zuviel Ehr im Leib haben und Nein sagen, und hattens schon verabredt, sie zu forciren. Aber das war unnöthig, die Herren schlugen sich um die drei Dukaten, und kam's im Abstreich herab auf drei Bazen, in einer Stund sind zwölf Recepte geschrieben, daß das Thier auch bald drauf verreckte.

Moor. Schändliche Kerls!

Spiegelberg. Der Leichenpomp wird veranstaltet in aller Pracht, Carmina gab's die schwere Meng' um den Hund, und zogen wir aus des Nachts gegen tausend, eine Laterne in der einen Hand, unsre Raufdegen in der andern, und so fort durch die Stadt mit Glockenspiel und Geklimper, bis der Hund beigesetzt war. Drauf gab's ein Fressen, das währt bis an den lichten Morgen, da bedanktest du dich bei den Herren für das herzliche Beileid, und liessest das Fleisch verkaufen ums halbe Geld. Mort de ma vie, da hatten wir dir Respekt, wie eine Garnison in einer eroberten Vestung —

Moor. Und du schämst dich nicht damit groß zu prahlen? Hast nicht einmal so viel Schaam, dich dieser Streiche zu schämen?

Spiegelberg. Geh, geh. Du bist nicht mehr Moor. Weißt du noch, wie tausendmal du, die Flasche in der Hand, den alten Filzen hast aufgezogen, und gesagt: Er soll nur drauf los schaben und scharren, du wollest dir dafür die Gurgel absaufen. – Weißt du noch? he? weißt du noch? O du heilloser, erbärmlicher Prahlhans! das war noch männlich gesprochen, und edelmännisch, aber —

Moor. Verflucht seyst du, daß du mich dran erinnerst! Verflucht ich, daß ich es sagte! Aber es war nur im Dampfe des Weins, und mein Herz hörte nicht, was meine Zunge prahlte.

Spiegelberg (schüttelt den Kopf.) Nein! nein! nein! das kann nicht seyn. Unmöglich, Bruder, das kann dein Ernst nicht seyn. Sag, Brüderchen, ist es nicht die Noth, die dich so stimmt? Komm, laß dir ein Stückchen aus meinen Bubenjahren erzählen. Da hatt' ich neben meinem Haus einen Graben, der, wie wenig, seine acht Schuh breit war, wo wir Buben uns in die Wette bemühten, hinüber zu springen. Aber das war umsonst. Pflumpf! lagst du, und ward ein Gezisch und Gelächter über dir, und wurdest mit Schneeballen geschmissen über und über. Neben meinem Haus lag eines Jägers Hund an einer Kette, eine so bißige Bestie, die dir die Mädels wie der Blitz am Rockzipfel hatte, wenn sie sichs versahn, und zu nah' dran vorbey strichen. Das war nun mein Seelengaudium, den Hund überall zu necken, wo ich nur konnte, und wollt' halb krepiren vor Lachen, wenn mich dann das Luder so giftig anstierte, und so gern auf mich losgerannt wär', wenn's nur gekonnt hätte. – Was geschieht? Ein andermal mach' ich's ihm auch wieder so, und werf' ihn mit einem Stein so derb an die Ripp', daß er vor Wuth von der Kette reißt, und auf mich dar, und ich, wie alle Donnerwetter, reiß aus, und davon – Tausend Schwernoth! Da ist dir just der vermaledeyte Graben dazwischen. Was zu thun? Der Hund ist mir hart an den Fersen und wüthig, also kurz resolvirt – ein Anlauf genommen – drüben bin ich. Dem Sprung hatt' ich Leib und Leben zu danken; die Bestie hätte mich zu Schanden gerissen.

Moor. Aber wozu itzt das?

Spiegelberg. Dazu – daß du sehen sollst, wie die Kräfte wachsen in der Noth. Darum laß ich mir's auch nicht bange seyn, wenn's auf's äusserste kommt. Der Muth wächst mit der Gefahr; die Kraft erhebt sich im Drang. Das Schicksal muß einen großen Mann aus mir haben wollen, weil's mir so queer durch den Weg streicht.

Moor (ärgerlich.) Ich wüßte nicht, wozu wir den Muth noch haben sollten, und noch nicht gehabt hätten.

Spiegelberg. So? – Und du willst also deine Gaben in dir verwittern lassen? Dein Pfund vergraben? Meynst du, deine Stinkereyen in Leipzig machen die Gränzen des menschlichen Witzes aus? Da laß uns erst in die große Welt kommen. Paris und London! – wo man Ohrfeigen einhandelt, wenn man einen mit dem Namen eines ehrlichen Mannes grüßt. Da ist es auch ein Seelenjubilo, wenn man das Handwerk in's Große prakticirt. – Du wirst gaffen! Du wirst Augen machen! Wart, und wie man Handschriften nachmacht, Würfel verdreht, Schlösser aufbricht, und den Koffern das Eingeweid ausschüttet – das sollst du noch von Spiegelberg lernen! Die Kanaille soll man an den nächsten besten Galgen knüpfen, die bei geraden Fingern verhungern will.

Moor (zerstreut.) Wie? du hast es wohl gar noch weiter gebracht?

Spiegelberg. Ich glaube gar, du setzest ein Mißtrauen in mich. Wart, laß mich erst warm werden; du sollst Wunder sehen, dein Gehirnchen soll sich im Schädel umdrehen, wenn mein kreisender Witz in die Wochen kommt. – (steht auf, hitzig.) Wie es sich aufhellt in mir! Große Gedanken dämmern auf in meiner Seele! Riesenplane gähren in meinem schöpfrischen Schedel. Verfluchte Schlafsucht! (Sich vor'n Kopf schlagend.) die bisher meine Kräfte in Ketten schlug, meine Aussichten sperrte und spannte; ich erwache, fühle, wer ich bin – wer ich werden muß!

Moor. Du bist ein Narr. Der Wein bramarbasirt aus deinem Gehirne.

Spiegelberg (hitziger.) Spiegelberg, wird es heissen, kannst du hexen, Spiegelberg? Es ist Schade, daß du kein General worden bist, Spiegelberg, wird der König sagen, du hättest die Oestreicher durch ein Knopfloch gejagt. Ja, hör' ich die Doktors jammern, es ist unverantwortlich, daß der Mann nicht die Medizin studirt hat, er hätte ein neues Kropfpulver erfunden. Ach! und daß er das Kamerale nicht zum Fach genommen hat, werden die Sully's in ihren Kabinetten seufzen, er hätte aus Steinen Louisd'ore hervorgezaubert. Und Spiegelberg wird es heissen in Osten und Westen, und in den Koth mit euch, ihr Memmen, ihr Kröten, indeß Spiegelberg mit ausgespreiteten Flügeln zum Tempel des Nachruhms empor fliegt.

Moor. Glück auf den Weg! Steig du auf Schandsäulen zum Gipfel des Ruhms. Im Schatten meiner väterlichen Haine, in den Armen meiner Amalia lockt mich ein edler Vergnügen. Schon die vorige Woche hab' ich meinem Vater um Vergebung geschrieben, hab' ihm nicht den kleinsten Umstand verschwiegen, und wo Aufrichtigkeit ist, ist auch Mitleid und Hilfe. Laß uns Abschied nehmen, Moriz. Wir sehen uns heut und nie mehr. Die Post ist angelangt. Die Verzeihung meines Vaters ist schon innerhalb dieser Stadtmauren.

Schweizer. Grimm. Roller. Schufterle. Razmann (treten auf.)

Roller. Wißt ihr auch, daß man uns auskundschaftet?

Grimm. Daß wir keinen Augenblick sicher sind, aufgehoben zu werden?

Moor. Mich wundert's nicht. Es gehe, wie es will! sah't ihr den Schwarz nicht? sagt er euch von keinem Brief, den er an mich hätte?

Roller. Schon lang sucht er dich, ich vermuthe so etwas.

Moor. Wo ist er, wo, wo? (will eilig fort.)

Roller. Bleib! wir haben ihn hieher beschieden. Du zitterst? —

Moor. Ich zittre nicht. Warum sollt' ich auch zittern? Kameraden! dieser Brief – freut euch mit mir! Ich bin der Glücklichste unter der Sonne, warum sollt' ich zittern?

Schwarz (tritt auf.)

Moor (fliegt ihm entgegen.) Bruder, Bruder, den Brief! den Brief!

Schwarz (giebt ihm den Brief, den er hastig aufbricht.) Was ist dir? wirst du nicht wie die Wand?

Moor. Meines Bruders Hand!

Schwarz. Was treibt denn der Spiegelberg?

Grimm. Der Kerl ist unsinnig. Er macht Gestus wie beim Sanct Veits-Tanz.

Schufterle. Sein Verstand geht im Ring herum. Ich glaub' er macht Verse.

Razmann. Spiegelberg! He Spiegelberg! – Die Bestie hört nicht.

Grimm (schüttelt ihn.) Kerl! träumst du, oder? —

Spiegelberg (der sich die ganze Zeit über mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abgearbeitet hat, springt wild auf.) La Bourse ou la vie! (und packt Schweizern an der Gurgel, der ihn gelassen an die Wand wirft, – Moor läßt den Brief fallen, und rennt hinaus. Alle fahren auf.)

Roller (ihm nach.) Moor! wonaus, Moor? was beginnst du?

Grimm. Was hat er, was hat er? Er ist bleich wie die Leiche.

Schweizer. Das müssen schöne Neuigkeiten seyn! Laß doch sehen!

Roller (nimmt den Brief von der Erde, und liest.)

»Unglücklicher Bruder!« der Anfang klingt lustig. »Nur kürzlich muß ich dir melden, daß deine Hoffnung vereitelt ist – du sollst hingehen, läßt dir der Vater sagen, wohin dich deine Schandthaten führen. Auch, sagt er, werdest du dir keine Hoffnung machen, jemals Gnade zu seinen Füssen zu erwimmern, wenn du nicht gewärtig seyn wollest, im untersten Gewölb seiner Thürme mit Wasser und Brod so lang traktirt zu werden, bis deine Haare wachsen wie Adlers-Federn, und deine Nägel wie Vogelsklauen werden. Das sind seine eigene Worte. Er befiehlt mir, den Brief zu schliessen. Leb wohl auf ewig! Ich bedaure dich —

Franz von Moor

Schweizer. Ein zuckersüsses Brüdergen! In der That! – Franz heißt die Kanaille?

Spiegelberg. (sachte herbey schleichend.) Von Wasser und Brod ist die Rede? Ein schönes Leben! Da hab ich anders für euch gesorgt! Sagt' ichs nicht, ich müßt' am Ende für euch alle denken?

Schweizer. Was sagt der Schafskopf? der Esel will für uns alle denken?

Spiegelberg. Haasen, Krüppel, lahme Hunde seyd ihr alle, wenn ihr das Herz nicht habt, etwas Grosses zu wagen!

Roller. Nun, das wären wir freylich, du hast recht – aber wird es uns auch aus dieser vermaledeyten Lage reissen, was du wagen wirst? wird es? —

Spiegelberg (mit einem stolzen Gelächter.) Armer Tropf! aus dieser Lage reissen? hahaha! – aus dieser Lage reissen? – und auf mehr raffinirt dein Fingerhut voll Gehirn nicht? und damit trabt deine Mähre zum Stalle? Spiegelberg müßte ein Hundsvott seyn, wenn er mit dem nur anfangen wollte. Zu Helden, sag ich dir, zu Freyherrn, zu Fürsten, zu Göttern wirds euch machen!

Razmann. Das ist viel auf einen Hieb, wahrlich! Aber es wird wohl eine halsbrechende Arbeit seyn, den Kopf wirds wenigstens kosten.

Spiegelberg. Es will nichts als Muth, denn was den Witz betrifft, den nehm ich ganz über mich. Muth, sag ich, Schweizer! Muth, Roller, Grimm, Razmann, Schufterle! Muth! —

Schweizer. Muth? Wenn's nur das ist – Muth hab ich genug um baarfuß mitten durch die Hölle zu gehn.

Schufterle. Muth genug, mich unterm lichten Galgen mit dem leibhaftigen Teufel um einen armen Sünder zu balgen.

Spiegelberg. So gefällt mir's! Wenn ihr Muth habt, tret einer auf, und sag: Er habe noch etwas zu verlieren, und nicht alles zu gewinnen! —

Schwarz. Wahrhaftig, da gäb's manches zu verlieren, wenn ich das verlieren wollte, was ich noch zu gewinnen habe!

Razmann. Ja, zum Teufel! und manches zu gewinnen, wenn ich das gewinnen wollte, was ich nicht verlieren kann.

Schufterle. Wenn ich das verlieren müßte, was ich auf Borgs auf dem Leibe trage, so hätt' ich allenfalls morgen nichts mehr zu verlieren.

Spiegelberg. Also denn! (Er stellt sich mitten unter sie mit beschwörendem Ton.) Wenn noch ein Tropfen deutschen Heldenbluts in euren Adern rinnt – kommt! Wir wollen uns in den böhmischen Wäldern niederlassen, dort eine Räuberbande zusammen ziehen, und – Was gafft ihr mich an? – ist euer Bisgen Muth schon verdampft?

Roller. Du bist wohl nicht der erste Gauner, der über den hohen Galgen weggesehen hat – und doch – Was hätten wir sonst noch für eine Wahl übrig?

Spiegelberg. Wahl? Was? nichts habt ihr zu wählen! Wollt ihr im Schuldthurm stecken, und zusammenschnurren, bis man zum jüngsten Tag posaunt? Wollt ihr euch mit der Schaufel und Haue um einen Bissen trocken Brod abquälen? Wollt ihr an der Leute Fenster mit einem Bänkelsänger-Lied ein mageres Allmosen erpressen? oder wollt ihr zum Kalbsfell schwören – und da ist erst noch die Frage, ob man euren Gesichtern traut – und dort unter der milzsüchtigen Laune eines gebieterischen Korporals das Fegfeuer zum voraus abverdienen? oder bey klingendem Spiel nach dem Takt der Trommel spatzieren gehn, oder im Gallioten-Paradies das ganze Eisen-Magazin Vulkans hinterherschleifen? Seht, das habt ihr zu wählen, da ist es beysammen, was ihr wählen könnt!

Roller. So unrecht hat der Spiegelberg eben nicht. Ich hab auch meine Plane schon zusammen gemacht, aber sie treffen endlich auf eins. Wie wär's, dacht' ich, wenn ihr euch hinsetztet, und ein Taschenbuch oder einen Almanach, oder so was ähnlichs zusammensudeltet, und um den lieben Groschen recensirtet, wie's wirklich Mode ist?

Schufterle. Zum Henker! ihr rathet nah zu meinen Projekten. Ich dachte bey mir selbst, wie wenn du ein Pietist würdest, und wöchentlich deine Erbauungsstunden hieltest?

Grimm. Getroffen! und wenn das nicht geht, ein Atheist! Wir könnten die vier Evangelisten auf's Maul schlagen, liessen unser Buch durch den Schinder verbrennen, und so gieng's reissend ab.

Razmann. Oder zögen wir wider die Franzosen zu Felde – ich kenne einen Doktor, der sich ein Haus von purem Quecksilber gebauet hat, wie das Epigramm auf der Hausthüre lautet.

Schweizer. (Steht auf und gibt Spiegelberg die Hand.) Moriz, du bist ein grosser Mann! – oder es hat ein blindes Schwein eine Eichel gefunden.

Schwarz. Vortreffliche Plane! honnete Gewerbe! Wie doch die grossen Geister sympathisiren! Izt fehlte nur noch, daß wir Weiber und Kupplerinnen würden, oder gar unsere Jungferschaft zu Markte trieben.

Spiegelberg. Possen, Possen! Und was hinderts, daß ihr nicht das meiste in einer Person seyn könnt? Mein Plan wird euch immer am höchsten poussiren, und da habt ihr noch Ruhm und Unsterblichkeit! Seht arme Schlucker! Auch so weit muß man hinausdenken! Auch auf den Nachruhm, das süsse Gefühl von Unvergeßlichkeit —

Roller. Und oben an in der Liste der ehrlichen Leute! Du bist ein Meister-Redner, Spiegelberg, wenn's drauf ankommt, aus einem ehrlichen Mann einen Hollunken zu machen – Aber sag doch einer, wo der Moor bleibt? —

Spiegelberg. Ehrlich, sagst du? Meynst du, du seyst nachher weniger ehrlich, als du izt bist? Was heist du ehrlich? Reichen Filzen ein Drittheil ihrer Sorgen vom Hals schaffen, die ihnen nur den goldnen Schlaf verscheuchen, das stockende Geld in Umlauf bringen, das Gleichgewicht der Güter wieder herstellen, mit einem Wort, das goldne Alter wieder zurückrufen, dem lieben Gott von manchem lästigen Kostgänger helfen, ihm Krieg, Pestilenz, theure Zeit und Doktors ersparen – siehst du, das heiß ich ehrlich seyn, das heiß ich ein würdiges Werkzeug in der Hand der Vorsehung abgeben, – und so bey jedem Braten, den man ißt, den schmeichelhaften Gedanken zu haben: den haben dir deine Finten, dein Löwenmuth, deine Nachtwachen erworben – von groß und klein respektirt zu werden —

Roller. Und endlich gar bey lebendigem Leibe gen Himmel fahren, und trotz Sturm und Wind, trotz dem gefrässigen Magen der alten Urahne Zeit unter Sonn und Mond und allen Fixsternen schweben, wo selbst die unvernünftigen Vögel des Himmels, von edler Begierde herbeygelockt, ihr himmlisches Koncert musiciren, und die Engel mit Schwänzen ihr hochheiliges Synedrium halten? Nicht wahr? – und wenn Monarchen und Potentaten von Motten und Würmern verzehrt werden, die Ehre haben zu dürfen, von Jupiters königlichem Vogel Visiten anzunehmen? – Moriz, Moriz, Moriz! nimm dich in Acht! nimm dich in Acht, vor dem dreybeinigten Thiere!

Spiegelberg. Und das schröckt dich, Hasenherz? ist doch schon manches Universal-Genie, das die Welt hätte reformiren können, auf dem Schind-Anger verfault, und spricht man nicht von so einem Jahrhunderte, Jahrtausende lang, da mancher König und Kurfürst in der Geschichte überhüpft würde, wenn sein Geschichtschreiber die Lücke in der Successions-Leiter nicht scheute, und sein Buch dadurch nicht um ein paar Oktavseiten gewönne, die ihm der Verleger mit baarem Gelde bezahlt – Und wenn dich der Wanderer so hin und her fliegen sieht im Winde – der muß auch kein Wasser im Hirn gehabt haben, brummt er in den Bart, und seufzt über die elenden Zeiten.

Schweizer. (klopft ihn auf die Achsel.) Meisterlich, Spiegelberg! Meisterlich! Was, zum Teufel, steht ihr da, und zaudert?

Schwarz. Und laß es auch Prostitution heissen – Was folgt weiter? Kann man nicht auf den Fall immer ein Pülverchen mit sich führen, das einen so im stillen übern Acheron fördert, wo kein Hahn darnach kräht! Nein, Bruder Moriz! dein Vorschlag ist gut. So lautet auch mein Katechismus.

Schufterle. Blitz! Und der meine nicht minder. Spiegelberg, du hast mich geworben!

Razmann. Du hast, wie ein anderer Orpheus, die heulende Bestie, mein Gewissen, in den Schlaf gesungen. Nimm mich ganz, wie ich da bin.

Grimm. Si omnes consentiunt ego non dissentio. Wohlgemerkt ohne Komma. Es ist ein Aufstreich in meinem Kopf; Pietisten – Quacksalber – Rezensenten und Gauner. Wer am meisten bietet, der hat mich. Nimm diese Hand, Moriz.

Roller. Und auch du Schweizer? (gibt Spiegelberg die rechte Hand.) Also verpfänd ich meine Seele dem Teufel.

Spiegelberg. Und deinen Namen den Sternen! was liegt daran, wohin auch die Seele fährt? Wenn Schaaren vorausgesprengter Kuriere unsere Niederfahrt melden, daß sich die Satane festtäglich herausputzen, sich den tausendjährigen Ruß aus den Wimpern stäuben, und Myriaden gehörnter Köpfe aus der rauchenden Mündung ihrer Schwefel-Kamine hervorwachsen, unsern Einzug zu sehen? Kameraden! (aufgesprungen) frisch auf! Kameraden! was in der Welt wiegt diesen Rausch des Entzückens auf? Kommt Kameraden!

Roller. Sachte nur! Sachte! wohin? das Thier muß auch seinen Kopf haben, Kinder.

Spiegelberg. (Giftig.) Was predigt der Zauderer? Stand nicht der Kopf schon, eh noch ein Glied sich regte? folgt Kameraden!

Roller. Gemach sag ich. Auch die Freyheit muß ihren Herrn haben. Ohne Oberhaupt gieng Rom und Sparta zu Grunde.

Spiegelberg. (Geschmeidig.) Ja – haltet – Roller sagt recht. Und das muß ein erleuchteter Kopf seyn. Versteht ihr? Ein feiner politischer Kopf muß das seyn. Ja! wenn ich mir's denke, was ihr vor einer Stunde waret, was ihr izt seyd, – durch Einen glücklichen Gedanken seyd – Ja freylich, freylich, müßt ihr einen Chef haben – Und wer diesen Gedanken entsponnen, sagt, muß das nicht ein erleuchteter politischer Kopf seyn?

Roller. Wenn sich's hoffen ließe – träumen ließe – Aber ich fürchte, er wird es nicht thun.

Spiegelberg. Warum nicht? Sag's kek heraus, Freund! – So schwer es ist, das kämpfende Schiff gegen die Winde zu lenken, so schwer sie auch drückt die Last der Kronen – Sag's unverzagt, Roller – Vielleicht wird ers doch thun.

Roller. Und lek ist das Ganze, wenn er's nicht thut. Ohne den Moor sind wir Leib ohne Seele.

Spiegelberg. (Unwillig von ihm weg.) Stockfisch!

Moor. (tritt herein in wilder Bewegung, und läuft heftig im Zimmer auf und nieder, mit sich selber.)

Moor. Menschen – Menschen! falsche, heuchlerische Krokodilbrut! Ihre Augen sind Wasser! Ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen! Schwerter im Busen! Löwen und Leoparde füttern ihre Jungen, Raben tischen ihren Kleinen auf dem Aas, und Er, Er – Bosheit hab ich dulden gelernt, kann dazu lächeln, wenn mein erboster Feind mir mein eigen Herzblut zutrinkt – aber wenn Blutliebe zur Verrätherinn, wenn Vaterliebe zur Megäre wird; o so fange Feuer, männliche Gelassenheit, verwilde zum Tyger, sanftmüthiges Lamm, und jede Faser recke sich auf zum Grimm und Verderben!

Roller. Höre Moor! Was denkst du davon? Ein Räuberleben ist doch auch besser, als bey Wasser und Brod im untersten Gewölbe der Thürme?

Moor. Warum ist dieser Geist nicht in einen Tyger gefahren, der sein wüthendes Gebiß in Menschenfleisch haut? Ist das Vatertreue? Ist das Liebe für Liebe? Ich möchte ein Bär seyn, und die Bären des Nordlands wider dies mörderische Geschlecht anhetzen – Reue, und keine Gnade! – Oh ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen Quellen saufen! Vertrauen, unüberwindliche Zuversicht, und kein Erbarmen!

Roller. So höre doch, Moor, was ich dir sage!

Moor. Es ist unglaublich, es ist ein Traum, eine Täuschung – So eine rührende Bitte, so eine lebendige Schilderung des Elends und der zerfliessenden Reue – die wilde Bestie wär' in Mitleid zerschmolzen! Steine hätten Thränen vergossen, und doch – man würde es für ein boshaftes Pasquill auf's Menschengeschlecht halten, wenn ich's aussagen wollte – und doch, doch – oh daß ich durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider das Hyänen-Gezücht in's Treffen zu führen!

Grimm. Höre doch, höre! vor Rasen hörst du ja nicht.

Moor. Weg, weg von mir! Ist dein Name nicht Mensch? Hat dich das Weib nicht gebohren? – Aus meinen Augen du mit dem Menschengesicht! – Ich hab ihn so unaussprechlich geliebt! so liebte kein Sohn, ich hätte tausend Leben für ihn – (schäumend auf die Erde stampfend.) ha! – wer mir itzt ein Schwerdt in die Hand gäbe, dieser Otternbrut eine brennende Wunde zu versetzen! wer mir sagte: wo ich das Herz ihres Lebens erzielen, zermalmen, zernichten – Er sey mein Freund, mein Engel, mein Gott – ich will ihn anbeten!

Roller. Eben diese Freunde wollen ja wir seyn, laß dich doch weisen!

Schwarz. Komm mit uns in die böhmischen Wälder! Wir wollen eine Räuberbande sammeln, und du – (Moor stiert ihn an.)

Schweizer. Du sollst unser Hauptmann seyn! du must unser Hauptmann seyn!

Spiegelberg (wirft sich wild in einen Sessel.) Sklaven und Memmen!

Moor. Wer blies dir das Wort ein? Höre, Kerl! (indem er Rollern hart ergreift) das hast du nicht aus deiner Menschenseele hervorgeholt! wer blies dir das Wort ein? Ja, bey dem tausendarmigen Tod! das wollen wir, das müssen wir! der Gedanke verdient Vergötterung – Räuber und Mörder! – So wahr meine Seele lebt, ich bin euer Hauptmann!

Alle (mit lärmendem Geschrey.) Es lebe der Hauptmann!

Spiegelberg (aufspringend, vor sich.) Bis ich ihm hinhelfe!

Moor. Siehe, da fällts wie der Staar von meinen Augen! was für ein Thor ich war, daß ich in's Keficht zurückwollte! – Mein Geist dürstet nach Thaten, mein Athem nach Freyheit, – Mörder, Räuber! – mit diesem Wort war das Gesetz unter meine Füße gerollt – Menschen haben Menschheit vor mir verborgen, da ich an Menschheit appellirte, weg dann von mir Sympathie und menschliche Schonung! – Ich habe keinen Vater mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod soll mich vergessen lehren, daß mir jemals etwas theuer war! – Kommt, kommt! – Oh ich will mir eine fürchterliche Zerstreuung machen – es bleibt dabey, ich bin euer Hauptmann! und Glück zu dem Meister unter euch, der am wildesten sengt, am gräßlichsten mordet, denn ich sage euch, er soll königlich belohnet werden – tretet her um mich ein jeder, und schwöret mir Treu und Gehorsam zu bis in den Tod! – schwört mir das bey dieser männlichen Rechte.

Alle (geben ihm die Hand.) Wir schwören dir Treu und Gehorsam bis in den Tod!

Moor. Nun und bey dieser männlichen Rechte! schwör ich euch hier, treu und standhaft euer Hauptmann zu bleiben bis in den Tod! Den soll dieser Arm gleich zur Leiche machen, der jemals zagt oder zweifelt, oder zurücktritt! Ein gleiches widerfahre mir von jedem unter euch, wenn ich meinen Schwur verletze! Seyd ihr's zufrieden? (Spiegelberg läuft wüthend auf und nieder.)

Alle (mit aufgeworfenen Hüten.) Wir sind's zufrieden.

Moor. Nun dann, so laßt uns geh'n! Fürchtet euch nicht vor Tod und Gefahr, denn über uns waltet ein unbeugsames Fatum! Jeden ereilet endlich sein Tag, es sey auf dem weichen Kissen von Pflaum, oder im rauhen Gewühl des Gefechtes, oder auf offenem Galgen und Rad! Eins davon ist unser Schicksal!

(Sie gehen ab.)

Spiegelberg (ihnen nachsehend, nach einer Pause.) Dein Register hat ein Loch. Du hast das Gift weggelassen. (Ab)

Die Räuber

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