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Zweites Kapitel.

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Inhaltsverzeichnis

»Unteroffizier Meyer! Lassen Sie gefälligst den Mist aus dem Stalle schaffen, das ist ja eine schamlose Schweinerei! Was? die Stallwache ist nicht da? Dann machen Sie es selbst, es fällt Ihnen keine Perle aus der Krone. Vorwärts, dann bringen Sie mir das Parolebuch!«

»Zu Befehl, gnädige Frau.«

Frau Rittmeister Stark schritt, von zwei großen struppigen Hunden begleitet, mit langen Schritten im Stalle auf und ab. Sie trug ein schmutziggraues, schlechtsitzendes Reitkleid und einen runden Hut. In der Rechten hielt sie eine Reitgerte, welche sie manchmal sausend durch die Luft fahren ließ, daß sich die Hunde ängstlich hinter ihr verkrochen. Mit scharfem Blick musterte sie alles, die Streu, die Namentafeln über den Ständen der Pferde, und studierte eifrig das schwarze Brett, auf dem mit Kreide der Tagesdienst geschrieben stand. Hinter zwei Pferden, den einzigen beim Ausrücken zurückgebliebenen, machte sie Halt und schaute mit zornigen Augen auf das zottige, schlecht geputzte Fell der mageren Tiere, deren Kruppen mit den Hüftknochen ein gradliniges Dreieck bildeten. Dann hob sie dem einen Wallach den Hinterfuß und besah den Huf, holte ein Notizbuch aus der Rocktasche und notierte: »Remus Nr. 37 fauler Strahl, vorn links neues Eisen.« Darauf schritt sie die Treppe zum Heuboden hinauf. Dort lagen zwei Mann der Stallwache in süßem Schlummer, ohne das Eintreten der Schwadronsmutter zu bemerken. Wütend fuhr sie die erschrockenen Schläfer an:

»Faules Pack, schert Euch an die Arbeit, sonst mache ich Euch lebendig, ihr trägen Lümmels ihr!«

Und sie stürzten an die Futtermaschine, als stände der leibhaftige Teufel hinter ihnen. Dann stieg sie die Treppe hinab und ging Unteroffizier Meyer entgegen, welcher atemlos mit dem Parolebuche ankam. Er schlug die Sporen klirrend zusammen und hielt der Gestrengen das Buch vor.

»Halten Sie es gefälligst, während ich lese, oder meinen Sie, ich wollte mir die Finger an dem schmutzigen Umschlag fettig machen? Hier steht, daß morgen Revision des Sattelzeuges ist. Haben Sie alles in Ordnung?«

»Ich will den Herrn Wachtmeister fragen.«

»Vorwärts holen Sie ihn, aber Galopp!«

Der Wachtmeister war nicht sehr entzückt, daß man ihn in seiner Ruhe störte, denn die Zeit, während welcher sich die Schwadron auf dem Exerzierplatz befand, war für ihn die angenehmste des Tages. So saß er denn bei einer Tasse Kaffee seiner Ehehälfte gegenüber und rauchte behaglich die Morgenzigarre, als Meyer den Wunsch der »Gnädigen« überbrachte.

Zornig stampfte er auf und brummte:

»Was fällt nur diesem Frauenzimmer ein, sie tut gerade, als hätte sie etwas zu sagen! Es ist ein Skandal, daß man sich das gefallen lassen muß, aber tut man es nicht, gibt es Stank mit dem Oberst, der tanzt ja ganz nach ihrer Pfeife.«

Mißmutig schnallte er den Säbel um, stülpte die Mütze auf den kahlen Kopf und ging schimpfend die Treppe hinab. Langsam schlenderte er über den Kasernenhof dem Stalle zu und trat vor Frau Stark mit einem Gesicht, das sagen zu wollen schien: »Du kannst mir den Buckel herunterrutschen!«

Sofort fuhr sie ihn an:

»Wachtmeister, ist alles für morgen in Ordnung?«

»Ich denke, will aber heute Abend nochmals nachsehen.«

»Was, heute Abend? Sofort geschieht es, die Bummelei hat jetzt ein Ende. Außerdem verbitte ich mir Ihren brummigen Ton, sonst werde ich Sie dem Oberst melden. Bringen Sie mir jetzt mein Pferd.«

»Das ist zum Fouragieren, alle Pferde sind mit ausgerückt, bis auf die beiden Lahmen dort!«

»Was? Mein Pferd zum Fouragieren? Was ist das für eine neue Frechheit! Lassen Sie es sofort holen, der Unteroffizier kann zu Fuß gehen.«

Da wandte sie sich um, als sie Schritte vernahm, und, den Oberleutnant Borgert erblickend, rief sie ihm in schmelzendem Tone zu:

»Ah, sehe ich recht, mein lieber Oberleutnant Borgert, nicht wahr? Schon so früh im Dienst? Ich wollte gerade den Pferden meines Gatten etwas Zucker bringen, sehe aber, sie sind nicht da, mein lieber Mann rückt immer so entsetzlich früh aus.«

»Ihr Interesse für die Schwadron muß ich loben, gnädigste Frau, habe Sie schon so oft bewundert, wenn Sie im Stalle Befehle erteilten.«

»Befehle? Ich richte nur dann und wann kleine Bestellungen an den Wachtmeister aus, wenn mein Mann etwas vergessen hat. Man muß sich doch auch etwas um die Schwadron kümmern.«

»Sie sind zwar die »Gefreite« Ihres Gatten, aber ich sehe, Sie führen das Regiment. Meinen Glückwunsch zu diesem Avancement!«

»O Sie kleiner Schäcker! Sie machen immer zu niedliche Scherze! Ich sehe Sie doch heute Abend im Kasino?«

»Gewiß, gnädige Frau, wir haben bereits um 5 Uhr eine dienstliche Besprechung.«

»Ach richtig, das hätte ich fast vergessen. Sie wird nicht lange dauern, es gibt nur einige Kleinigkeiten.«

»Sie wissen.....«

»Aber gewiß, man interessiert sich doch auch ein wenig. Ich habe den Oberst auf Verschiedenes aufmerksam gemacht, das wird er wohl besprechen wollen.«

»Ich bin neugierig darauf! Doch da sehe ich gerade den Rittmeister König, mit welchem ich etwas zu erledigen habe. Guten Morgen, meine Gnädigste!«

»Adiö, mein Lieber, auf Wiedersehen!« Dabei hielt sie ihm die Hand vor den Mund, welche in einem schmutzigen Reithandschuh ihres Gatten steckte.

Während Frau Stark sich wieder dem Wachtmeister zuwandte, eilte Borgert dem Rittmeister König nach, der gerade in den Hof der dritten Schwadron einbog.

»Guten Morgen, Herr Rittmeister! Ich bitte sehr um Verzeihung, wenn ich störe, aber eine dringende Angelegenheit veranlaßt mich, eine Bitte vorzutragen.«

»Nanu, was gibt es denn,« fragte erstaunt der Rittmeister, »ist es denn etwas so Wichtiges?«

»Heute Nachmittag wird der Oberst wohl wegen der Kasinorechnungen sprechen, und da wäre es mir vor den jüngeren Herrn außerordentlich peinlich, wenn er dabei meinen Namen nennen würde.«

»Aber ich kann Ihnen das Geld jetzt nicht geben, es war mir schon schwer, vor 8 Tagen die 100 Mark für Sie aufzutreiben.«

»Wenn ich trotzdem meine Bitte wiederhole, Herr Rittmeister, so tue ich es, weil ich mich in einer außerordentlich peinlichen Lage befinde. Habe ich nicht bis zum Abend 400 Mark, so erwachsen mir die größten Unannehmlichkeiten und unabsehbare Folgen.«

»Das ist ja alles ganz gut und schön, aber ich habe das Geld einfach nicht!« entgegnete König achselzuckend.

Einen Augenblick sahen beide schweigend vor sich hin, dann brachte Borgert zögernd hervor:

»Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben dürfte, Herr Rittmeister?«

»Nun, und der wäre?«

»Ich bitte aber das, was ich sage, nicht falsch zu verstehen! Könnte man nicht einstweilen die Schwadronskasse in Anspruch nehmen, da es sich nur um kurze Zeit handelt?«

»Aber um Gotteswillen, mein Lieber, was muten Sie mir zu! Ich kann doch keine Kasse angreifen!«

»Ich fände darin insofern kein Vergehen, da Herr Rittmeister doch allein für die Kasse verantwortlich sind und ein Eingriff in die Kasse nicht vorliegt, sondern nur das Entnehmen eines Betrages, der sofort wieder ersetzt werden kann!«

»Nein, nein, das geht beim besten Willen nicht!«

»Aber ich bin völlig ratlos, Herr Rittmeister, was ich machen soll,« entgegnete Borgert in wehleidigem Tone.

König überlegte und drehte sinnend seinen Schnurrbart. Eigentlich wäre es schlau gewesen, sich diesen Mann, der mit seiner spitzen Zunge und seinem Einfluß auf das gesamte jüngere Offizierkorps unter Umständen einem sehr schaden konnte, wenn man einmal nicht mehr mit ihm stand, möglichst zu verpflichten. Die lumpigen 400 Mark lagen ja zu Hause im Schreibtisch, die hätte er ihm also ruhig geben können. Glaubte aber Borgert, das Geld entstamme der Schwadronskasse, so stand zu erwarten, er würde so bald nicht mit einem ähnlichen Anliegen kommen, wenn er die Schwierigkeiten sah und die unsauberen Wege, die man einschlagen mußte. So beschloß denn König, ihm das Geld aus eigener Tasche zu leihen, ihn jedoch in dem Glauben zu belassen, der Betrag sei der Kasse entnommen.

»Gut,« sagte er nach einer Weile, »Sie sollen das Geld haben! Wann können Sie es bestimmt zurückbezahlen?«

»In zehn Tagen ist alles glatt, Herr Rittmeister! Mein Wort darauf!«

»Schön, heute Mittag können Sie auf's Bureau kommen!«

»Meinen gehorsamsten Dank, Herr Rittmeister!«

»Bitte, bitte, hoffentlich war es das letzte Mal! Jetzt muß ich aber fort, die Schwadron ist schon lange draußen!«

Dabei reichte er Borgert die Hand, bestieg sein Pferd und ritt im Trabe zum Kasernenhof hinaus.

Borgert eilte erleichtert und freudigen Herzens seiner Wohnung zu, der Dienst begann heute erst um 10 Uhr. Er hätte den Mann umarmen mögen, er war doch ein furchtbar anständiger Kerl und half einem immer aus der Klemme! Zehn Tage hieß eine lange Zeit, da würde schon irgend jemand Rat schaffen!

Leimann wartete indes unruhig in Borgerts Zimmer, und als dieser jetzt freudestrahlend eintrat, wichen die Falten von seiner Stirn.

»Hat er es getan?« rief er dem Freunde entgegen.

»Natürlich, ohne Weiteres! Gehen Sie um elf Uhr auch zu ihm, Sie haben ja nur zweihundert Mark Rest von Ihrer letzten Gesellschaft her, er tut es glatt; was dem einen recht ist, ist dem anderen billig.«

Und als am Mittag die beiden Freunde im Kasino bei einer Flasche Eckel saßen, sah man an Leimann's ausgelassener Heiterkeit, daß auch er keine Fehlbitte getan. —

Aus einer kleinen Garnison: Ein militärisches Zeitbild

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