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Abreise

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Flughafen Frankfurt, die Frisur hält. Aufruf nach New York. „Das ist unserer“, sagte ich zu meiner Frau, „ein Airbus A380, doppelstöckig“. „Wow, super“, kam die Antwort „hoffentlich sitzen wir oben“. Ich dachte mir, wozu soll das gut sein, in 10.000 Meter Höhe kann ein weiteres Stockwerk doch keine bessere Aussicht garantieren. Das spielt doch keine Rolle mehr, oder? Vielleicht mach ich einfach das Fenster auf, damit sie den Kopf rausstrecken kann. Ich dachte es mir, ich sagte es nicht. Denn wenn es einmal draußen ist, ist es zu spät. Und eine falsche Bemerkung zu Beginn einer Reise kann den Urlaub in sehr unschöne Bahnen lenken. Wir marschierten also durch den Rüssel Richtung Flugzeug. Ich habe keine Flugangst, aber jedes Mal wenn ich durch diesen Schlauch gehe denke ich mir, so muss es im Augenblick des Todes sein. Durch den Tunnel auf das Licht zu. Natürlich saßen wir unten. Meine Frau am Fenster, ich in der Mitte und neben mir noch ein Typ, der offensichtlich auch nach New York wollte. Ich hasse es in der Mitte zu sitzen. Wenn ich alleine unterwegs bin, buche ich aus Erfahrung immer einen Gangplatz. Meine favorisierten Airlines wissen da schon Bescheid. Und meine Frau will immer am Fenster sitzen. Gut, bei kleinen Flugzeugen ist das kein Problem, aber bei Langstrecke? Sehr oft sind die Flieger voll und man weiß nie, wer sich neben einem breit machen wird. Meist sitzt einer neben mir, der aussieht, als hätte er eine Hungersnot verursacht. Und wenn ich dann noch zusehen darf wie er sich Thrombosestrümpfe anzieht, brauche ich kein Essen mehr. Dann kriegt er auch noch meines. Auf Langstreckenflügen soll man viel trinken und falls man dann aufs Klo will, muss man höflich fragen ob man vorbei darf, aber sehr oft schlafen die Sitznachbarn. Dann sitzen sie regungslos da und der Sabber läuft ihnen aus den Mundwinkeln. Man weiß nie ob sie schlafen oder einen Schlaganfall haben. Also klettert man vorsichtig darüber und weckt sie ausgerechnet dann, wenn man im Spagat breitbeinig über ihnen steht. Es gibt nicht viele die das sehen möchten, wenn sie wach werden. Man kann in der Mitte auch nicht unfallfrei essen. Immer nur abwechselnd, einmal mit dem Messer, dann wieder mit der Gabel. Und dann auch noch Turbulenzen. Manchmal sieht man dabei aus wie ein Parkinsonkranker im Endstadium. Oder es sitzt ein Passagier arabischer Herkunft neben mir. Früher hat mir das nichts ausgemacht, aber seit 9/11 fange ich unwillkürlich an, das „Vater Unser“ aufzusagen. Aber wirklich bitter wird es, wenn man einen mit Flugangst neben sich hat. Der will reden und nicht einfach nur „Guten Tag“ sagen. Nach der Landung weiß man dann mehr über ihn als über sich selbst. Und wer will das schon. Ich jedenfalls nicht. Stellen sie sich folgende Situation vor: Drei Männer sitzen nebeneinander im Flugzeug. Der mittlere hat Flugangst und schon vor dem Einsteigen entsprechend Alkohol getankt, um eine mögliche Panik zu unterdrücken. Als der Getränkewagen vorbeirollt, bestellt er zwei Wodka, einen auf Vorrat. Alkohol macht gesprächig und er beginnt zu prahlen. Erzählt dem am Fenster er wäre Arzt und auf dem Weg zu einem Kongress. Stimmt natürlich nicht. Plötzlich, hoch über den Wolken, kollabiert der gangseitige und hat Schaum vor dem Mund. Die Passagiere laufen aufgeregt zusammen, Rosenkränze werden gezückt, und einer fragt, ob ein Arzt an Bord ist. Niemand rührt sich. Der am Fenster kann natürlich seine Klappe nicht halten und sagt: „Aber sie sind doch Arzt“. „Tut mir leid“, sagt der mittlere, „aber ich habe heute keine Sprechstunde“. „Was heißt Sprechstunde? Sie müssen dem Mann doch helfen können, so tun sie doch was!“ Hätte er doch bloß nur gedacht, dass er Arzt wäre und es nicht auch noch gesagt. Aber wenn es einmal draußen ist… Also greift er zu seinem Plastikbesteck und verpasst dem Patienten einen Luftröhrenschnitt, wodurch er ihn endgültig ins Jenseits befördert. Ein Kunstfehler in Reiseflughöhe. Doch was ist zu tun, wenn die Person auf Platz 21C plötzlich verstirbt? Wohin mit der Leiche? „Die Welt“ berichtet dazu über eine Dokumentation, die die britische BBC Two gestaltet hat. Die Doku begleitet unter anderen 18 angehende Flugbegleiter auf ihrem sechswöchigen Training. Eine Trainerin gibt zu, dass der Todesfall eines Passagiers an Bord "eine Grauzone" sei. Und doch hat sie für die Stewardessen in spe einige Ratschläge. "Sie können eine Leiche nicht im Toilettenraum unterbringen", wird die Trainerin zitiert. Das widerspräche einerseits dem nötigen Respekt, und der Leichnam sei auch nicht angeschnallt. Man stelle sich vor, der Körper würde vom Toilettensitz rutschen und auf dem Boden landen. Infolge der einsetzenden Leichenstarre "müsste man das ganze Flugzeug auseinandernehmen, um die Person herauszubekommen". Daher, so der Rat der Trainerin, sei es das Beste, den verstorbenen Passagier auf einem Sitz bis zum Hals mit einer Decke zuzudecken. Sie kenne Kollegen vom Kabinenpersonal, die schon mal bis zum Ende des Fluges neben einem Leichnam sitzen mussten. Sollte in der ersten Klasse Platz vorhanden sein, sollte man den Toten diskret (etwa mittels eines Rollstuhls) dort auf einen Platz setzen und die Passagiere der näheren Umgebung über die Umstände informieren. So geschehen auf einem British-Airways-Flug nach Boston, als ein an Bord Verstorbener für drei Stunden in die "First Class" gesetzt wurde. Doch das Prozedere war nicht immer so. Früher habe man bei British Airways die Toten regelrecht präpariert, damit es aussah, als würden sie nur schlafen: Man habe ihnen einen Wodka-Tonic hingestellt, dazu eine "Daily Mail" und eine Schlafbrille – und es sah so aus, als ob es ihnen gut ginge. Aber heute mache man das so nicht mehr. Eigentlich schade. Kurz hinter Irland servierte mir Flugbegleiterin Frauke, eine hoch aufgeschossene Enddreißigerin, endlich mein wohlverdientes Mittagessen. Bilde ich mir das ein, oder waren die früher wesentlich hübscher? Ich fliege ab und zu auch Business-Class, aber selbst in der gehobenen Kategorie, wo man sowas erwarten könnte, wird auf die Optik kein Wert mehr gelegt. Servieren sollen sie können. Und Fremdsprachen müssen sie beherrschen. Aber ich will doch nicht mit denen reden. Sehr bedauerlich. Hat sich mal wieder die alte Spaßbremse Alice Schwarzer durchgesetzt. Diese Ultra-Feministin der Finsternis mischt sich überall ein. Ungefragt. Wenn die sich in ein Opfer verbeißt, ist selbst Amnesty International machtlos. Vielleicht kann noch die UNO helfen, aber wetten würde ich nicht darauf. Flugbegleiterin Frauke. Wie sehr muss man sein Kind hassen, um es Frauke zu nennen. So benennt man eine Schlechtwetterfront, aber doch nicht die eigene Tochter. Das Sturmtief Frauke zieht Richtung Osten und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Denken sie daran, falls ihnen in nächster Zeit eine Taufe ins Haus steht. Und wenn dann mal tatsächlich ein Sturmtief namens Frauke über den Mittleren Westen der USA fegt, stehen keine Häuser mehr. Wie kommt das, und vor allem, wie werden diese Häuser gebaut? Der Anfang ist noch ok, da wird immerhin ein Fundament gegossen. Danach fährt Farmer Bill mit seinem Pick-up in den nächsten Baumarkt und kauft sich genormte Spanplatten, die er dann zu einer Hütte zusammennagelt. Dazu noch ein paar Fenster aus hauchdünnem Glas und fertig ist der Palast. Zentralheizung braucht er schon mal keine, denn die Dämmung ist schließlich optimal. Und falls er doch mal heizen will, nimmt er einen Gasbrenner oder ein Warmluftgebläse. Jetzt habe ich die Türen vergessen. Also nochmal in den Baumarkt, da liegen sicher ein paar Bretter im Angebot herum. Darauf montiert Bill dann keine Türklinken, sondern drollige Knöpfe, bei denen man nie weiß, ob man sie nach rechts oder links drehen soll. Und einbruchsicher muss so eine Tür auch nicht sein. Schließlich hat Bill drei Gewehre im Schrank. Ich stocherte also das Essen aus meinem Schälchen, immer abwechselnd mit Messer und Gabel, ganz vorsichtig, das Menü konnte man mittlerweile auf meiner Hose nachlesen, und noch bevor der Kaffee kalt wurde, setzten wir zur Landung in New York an. 12:40 Uhr Ortszeit.

Uncle Sam

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