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Die Mission (Erde, vor der Mission)

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In der Zentrale nahe des schwarzen Meeres brach gewaltiger Jubel aus. Noch niemals zuvor war ein Mensch erfolgreich derartig weit teleportiert worden. Dan war der Erste. Und er hatte überlebt. Gleich, in wenigen Minuten, würde Dana materialisieren. Die Ärztin war ihm von der Akademie her bekannt, wo sie im Rahmen ihrer Forschungen einige Belastungstests für angehende Raumfahrer hatte absolvieren müssen. Es war ein bißchen so, wie bei den Meeresbiologen: Wer den Weltraum erforschen wollte musste früher oder später selbst dort hinaus.

Zweieinhalb Monate zuvor hatte Dan in Dana’s Garten gesessen und ein hervorragendes Barbecue gegessen. Gemeinsam hatten sie zu den Sternen hinauf gesehen und über die bevorstehende Mission gesprochen, deren Inhalt ihnen erst vor wenigen Stunden mitgeteilt worden war.

„Ich kann nicht fassen, dass sich die Theorie von Bradford und Parker bestätigt hat“, sagte Dan.

Dana nahm einen Schluck Wein. Wie immer tiefrot und italienisch. Nur dass es dieses mal ein absurd teurer Wein war. Dana war trotz ihres hohen Einkommens sehr sparsam, hatte sich seit dem Tod ihres Mannes Jim kaum noch etwas gegönnt. Jetzt, kurz vor dem Start endlich mal Geld für guten Wein auszugeben war für sie untypisch, aber überfällig gewesen. Dan war sich sicher, dass Spaß das war, was sie noch dringender brauchte, als Missionen, die zum Jupiter flogen.

Dana war dermaßen besessen von dieser Reise, dass man meinen konnte, sie wolle einfach nur die Vergangenheit um jeden Preis hinter sich lassen und dafür jedes Risiko in Kauf nehmen. Etwas, dass Dan gut nachvollziehen konnte. Als sein Bruder Tom beim Klettern in den Felsen der Golanhöhen, auf der Erde, umgekommen war, hatte sich ein schwarzes Loch in Dan‘s Herzen aufgetan. Ein Loch, dass er durch nichts hatte stopfen können. Es war immer an seiner Seite, wie eine Zecke unter der Haut, die nicht entfernt worden war; Und seither hatte er Probleme, Bindungen jedweder Art aufrecht zu erhalten. Vielleicht war er selbst eine verlorene Seele, die in der Weite des Weltraums ein neues Glück im Abenteuer zu suchen trachtete.

„Bradford. Der ist Okay. Aber Parker ist ein Vollidiot“, sagte Dana und lächelte schief. Bewundernd sah Dan sie an. Hätte er es nicht besser gewusst – Dana hätte für ihn einfach nur wie eine unglaublich attraktive Komm-mit-und-lass-uns-Spaß-haben-Surferin ausgesehen. Sie hatte eine Art zu lang geschnittenen Bop, der pechschwarz und zu einer Seite hin länger war; Und der in langen Strähnen endete - die ihn irre gemacht hätten, wenn ihm der Sinn nach etwas Sex gestanden hätte. Herrgott, seit sein Bruder verunglückt war dachte er - wenn überhaupt - nur noch an Beziehungen (irgendwann mal wieder) aber null an eine heiße Bettkiste. Als Student hätte er sich Dana mit jeder Menge Bier gefügig gemacht, sie in seinen Jeep Wrangler verladen und zum Strand geschleift um mit ihr bei Mondlicht schwimmen zu gehen (oh ja, geh nackt rein, dann hast du nachher was Trockenes zum Anziehen, ich sag‘ dir, die Nacht wird kalt) und ihr irgendeinen absurden aber coolen Spitznamen wie Rocketbaby gegeben, mit dem er auf ihren Beruf als raumfahrende Ärztin angespielt hätte, um sie dann am Strand bis zum Sonnenaufgang zu vögeln. Aber im Augenblick hätte er sie lieber auf einen Cappuccino bei einem drittklassigen, aber dafür gemütlichen Italiener eingeladen und ihr von seinem Verhältnis zu Tom erzählt und sie gefragt ob sie religiös sei. Dan hatte es nicht ausprobiert, aber er war sich ziemlich sicher, dass Dana ihn dann richtig scheiße finden würde. Und das wäre nicht optimal, wenn man vorhatte, günstig geschätzte 370 Millionen Meilen zum Jupiter zurückzulegen um ein Phänomen zu untersuchen, dass Bradford und Parker als Onyx bezeichneten. Onyx – Die Ruhe im Auge eines Sturms.

Bradford und Parkers Theorie war als Onyx-Theorie bekannt. Sie bezog sich auf den dunklen Fleck des Jupiters, dessen Ursprung und vor allem Inhalt den Gegenstand zahlreicher Spekulationen bildete.

Auf einer Abschiedsparty, anlässlich ihrer Teleportation zum Jupiter, hatten Dan und Dana die Ehre gehabt, Bradford persönlich kennenzulernen. Parker hatte keine Zeit erübrigen wollen, da er sich lieber vornehmlich im Labor bei seiner Assistentin aufhielt, Natürlich hatte Parker etwas Anderes gesagt und gemeint, er würde nach der ganzen Forschung an Onyx jetzt lieber mal einen Urlaub mit seiner Frau auf Neu-Sardinien verbringen, einer künstlichen Insel, die weitgehend eine Replik des alten Sardinien –ein Opfer der großen Flut von 2024- war. Die Insel war viermal größer als das Original und beherbergte in einem Sektor Flüchtlinge; Wilde, die es irgendwie über das Meer geschafft hatten und dort so etwas wie primitive Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. Als Dan und Dana mit Bradford sprachen, hatte er sich als zuvorkommender, bescheidener Mann erwiesen, welcher mit seiner jovialen Art instinktiv Sympathie ausgelöst hatte, zumindest bei Dan. Professor-nennen-sie-mich-Charlie Bradfords Haare waren pechschwarz, sahen aber irgendwie nicht gefärbt aus, was das Ergebnis einer neuartigen Gentherapie war, welche die Zellen drastisch verjüngte. Nur die Faltenbildung kriegte man noch nicht in Griff, da die Haut auf dem Muskelgewebe nach wie vor seinem Alter entsprechend ausgeleiert und daher zu groß geworden war.

Er war gut gebräunt, was man von einem Forscher seines Kalibers nicht erwartet hätte; Und er trug als Reminiszenz an seine Überzeugung, dass die Wissenschaft immer noch von Menschen gemacht werden sollte, eine goldumrandete Nickelbrille, die aussah wie aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Der Mann war optisch ein kompletter Widerspruch in sich, was zweifellos zu seinem Charme beitrug. Als sie sich im Smoking und mit Sektgläsern bewaffnet in der Eingangshalle der Capcom (des Koordinationszentrums für Teleportationen und Missionen zu fremden Planeten) gegenübergestanden hatten, erwähnte Professor Bradford etwas, dass in keinem Papier stand und das er eigentlich nicht erzählen durfte.

„Der Gezeitenstrom hat vermutlich einen Ursprung.“

„Wie meinen sie das, Professor?“

„Charlie.“

„Was meinen sie mit Ursprung, Charlie?“

Dan lächelte. Charlie Bradford lächelte zurück.

„Es ist kein Zufall, dass die längste und intensivste Begegnung mit dem Strom in Richtung Jupiter stattfinden wird.“

„Aber der Planet ist von Stürmen durchzogen, die alles verwüsten. Warum sollte der Strom dort seinen Ursprung haben?“

Der Professor schob mit der Hand, die nicht gelähmt war und das Sektglas hielt, seine Brille auf dem Nasenrücken nach oben. Seine kleinen, stahlblauen Augen fixierten Dan wie ein Falke eine Feldmaus.

„Dan, sie wissen, dass die Operation den Titel Onyx trägt, ja?“

Dan nickte.

„Und auch warum ich diesen Namen wählte?“

Dan schaute ratlos und verneinte.

„Der schwarze Fleck, der Fleck auf Jupiter, er sendet eine Strahlung, die…“

„Ist er ein Gegenstand unserer Mission, Profe… Charlie?“

„Er ist ein permanenter Sturm. Hat immer die gleiche Größe. Praktisch keine Änderungen der Intensität.“

„Wir sollen in einen Sturm fliegen?“

„Sie und ihr Team, Dan, fliegen mit einer Kapsel direkt in das Auge des Sturms.“

Dan brach der Schweiß aus. Diese Details wären ihm erst kurz vor dem Start verraten worden. Wenn der Professor jetzt mit ihm sprach, dann musste sich noch mehr dahinter verbergen. Jupiter war ein Planet der Extreme, alleine den Orbit zu umkreisen, war ein Risiko. Falls ihnen der Treibstoff ausging oder irgendeine Panne passierte, würden sie nicht einmal zurück zum Jupiter Gate gelangen.

„In einem Sturm ist es vollkommen ruhig, Charlie.“

„Was nicht bedeutet, dass es dort sicher ist.“

Bradford tippte mit dem Zeigefinger und beinahe auch mit dem Rand seines Sektglases an den golden glänzenden Rand seiner Brille.

„Ich habe ein Habitat konstruieren lassen, das über Antigravitatoren verfügt, die sie in der Gashülle halten werden und…“

„Ein Habitat? Sie wollen uns allen Ernstes dort landen lassen?“

„Es ist sicher, Dan. Glauben sie mir.“

„Ehrlich gesagt, habe ich mir den Terminus ‚sicher‘ im Zusammenhang mit der Raumfahrt schon abgewöhnt, seit ich das erste mal die Erde umrunden durfte und eine Steuerungsdüse abgerissen wurde, weil irgendein dämlicher Weltraummüll vorbeiflog und sie abgerissen hat. Nicht einmal das konnte man vorhersehen. Bevor sie versuchen, mit Verlaub, mir zu verkaufen wie sicher ihr Habitat ist – habe ich eine andere Frage.“

Bradford lächelte freundlich. Er fühlte sich nicht im Geringsten angegriffen, was im Grunde genommen richtig war. Im Verhältnis zum Risiko einer Teleportation mit Überwindung der Lichtgeschwindigkeit war eine Raumkapsel ein Fahrrad mit Stützrädern auf einer weichen, grünen Wiese. Dan würde wissen, worauf er sich eingelassen hatte.

„Was werden wir dort finden, Charlie?“

„Antworten. Das hoffe ich zumindest.“

„Das ist ein Himmelfahrtskommando. Mein Team wird dabei draufgehen. Im Auge eines Sturms mag es ruhig sein, aber der Sturm ist ständig in Bewegung.“

„Nein, Dan, das ist er nicht.“

„Aber das kann man in jedem drittklassigen Astronomiemagazin nachlesen.“

„Was es nicht richtiger macht. Es handelt sich um gezielte Desinformation durch die Regierungen dieser Erde. Was glauben sie, was los wäre, wenn die Kirche, die Medien und der ganze Mob wüssten, dass wir seit Anbeginn unser Beobachtungen des Jupiter auf einen schwarzen Fleck starren, das Auge des Onyx, welches uns anblickt und sich nicht vom Fleck bewegt. Und das auf einem Planeten, dessen Oberfläche weitgehend instabil ist, aus Gasen besteht und von heftigen Turbulenzen gepeitscht wird? Das kann kein natürliches Phänomen sein.“

„Wenn ich sie gerade richtig verstehe, Charlie, dann ist die Frage nicht, was wir dort finden werden.“

Der Professor nickte und sagte: „Sondern wen.“

Dan erwachte aus seinen Erinnerungen, die ihn wie einen Tagtraum heimgesucht hatten, als Dana ihm lächelnd ein vor Blut triefendes Steak auf den Teller klatschte. Er stand noch immer im Garten ihres Hauses und blickte ins Leere. Sie grinste ihn mit einem derart weißen Lächeln an, dass er fast eine Sonnenbrille gebraucht hätte. Ihm fiel auf, dass sie Grübchen hatte.

„Ich hab dich was gefragt, Dan.“

„Ja, ich habe mich gerade an meine Begegnung mit Charlie Bradford erinnert.“

„Prof-Goldbrille-Bradford hat sich mit dir nochmal allein unterhalten?“

„Ja, kurz nachdem du zu Ace gegangen bist. Ich bin heute nicht nur wegen des Barbecues hier.“

Sie grinste noch breiter. „Das hab ich mir gedacht.“

„Bevor die Wunderknaben von Capcom und der ESA mit dir reden, will ich noch mit dir sprechen. Ich glaube, es ist besser, wenn du dich darauf einstellen kannst.“

Dana strich sich die Haare mit einer Geste aus dem Gesicht, die eher an eine 20-jährige Studentin erinnerte, als an eine 29-jährige Ärztin, die in wenigen Tagen zum Jupiter teleportiert werden würde.

„Ihr beide glaubt es wirklich, oder?“

„Ja, Dana. Was Charlie Bradford angeht, werden wir mehr vorfinden, als nur ein geologisches Phänomen. Irgendetwas ist dort, im Inneren von Onyx.“

Zu Dan’s Überraschung lächelte Dana nur.

„Die wissen, dass wir kommen, Dan.“

„Was?“ Er war irritiert, dass sie nicht irritiert wirkte.

„Danny, Schatz, wenn jemand hier direkt im Orbit einen riesigen Hochzeitsring aus Stahl platzieren würde –denn genau so sieht unser Jupiter Gate aus-, ein Ring, der so groß ist, dass er ohne jedes Teleskop mühelos gesehen werden kann. Und dann dieser Jemand dann noch Droiden auf die Oberfläche schicken würde, die permanent hoch- und niederfrequente Scans der Gasschichten und Kern-Oberfläche vornehmen und dabei einen Höllenlärm machen… Wenn du so intelligent wärst, einen Orkan der größer ist als jeder bekannte auf unserer Erde in Schach zu halten – dann würde dir so ein Ring jedenfalls auffallen. Was immer dort oben ist, bereitet sich mit ziemlicher Sicherheit auf unsere Ankunft vor.“

Während Dan in den stahlblauen Nachmittagshimmel starrte, den Geruch des Steaks inhalierend, der sich mit dem Duft von Danas Parfüm zu einer eigenartigen Mischung vermengte, von der er nicht recht wusste, ob sie ihm gefiel,, wusste er, dass Dana Recht hatte.

Wer immer dort oben war, wer Onyx vielleicht sogar geschaffen hatte, konnte sie jetzt in diesem Moment beobachten. Dan spürte plötzlich ein Kribbeln in seinen Schläfen. Wie tausende kleiner Gedanken, die versuchten, sich Einlass zu verschaffen. Auf seinen Schultern spürte er die Schwere des Jupiter. Auf seinem Körper den Blick von tausenden von Augen.

„Du weißt es also schon“, sagte er.

„Ich hab es mir gedacht. Warum glaubst du, habe ich alles getan, um auf diese Reise gehen zu können?“

Sie sprach es nicht offen aus, aber Dan vermutete, dass sie sich, sofern sie gewollt hätte, einfach zur Ruhe hätte setzen können. Ihr Mann hatte genug Geld gehabt und Dana hatte ihr Gehalt zu 90% irgendwo geparkt, anstatt etwas davon ausgeben zu müssen. Da kam über die Jahre mit Sicherheit eine hübsche Summe zusammen.

Stattdessen hatte sie sich für etwas freiwillig gemeldet, das bei allem Forschergeist, im Grunde genommen ein Himmelfahrtskommando war. In einem bloß sechs Monate auf dem Mars getesteten Habitat, als erstes Außenteam auf Jupiter, im Auge eines stillstehenden Sturmes dessen Ursache nicht einmal bekannt war, nach außerirdischem Leben zu suchen, war Wahnsinn.

Dan blickte ihr tief in die Augen. Dieses mal wendete er den Blick nicht als Erster ab.

„Wird es dir schwerfallen, Abschied von der Erde zu nehmen?“

„Ein Abschied auf Zeit, Danny.“ Dana lächelte.

„Ich weiß nicht. Wir werden in einem Habitat wohnen, dass nur auf dem Mars getestet wurde. Sämtliche Annahmen, die Bradford und Parker und deren Ingenieure machen, gründen doch nur auf deren Berechnungen und den Beobachtungen von ein paar Konservendosen mit Solarzellen und ein paar Sensoren an Bord. Niemand, nicht einmal ein Tier, ist jemals auf Jupiter gewesen.“

Sie lächelte breiter. „Hast du Angst, Danny?“

„Respekt ist das richtige Wort.“ Dan überlegte kurz, dann sagte er: “Japp. Ich habe Angst.“

„Ich auch. Man wäre verrückt, wenn nicht. Aber jetzt könnte ich es nicht mehr ertragen, es nicht zu wissen. Nicht zu wissen, was da oben auf uns wartet. Dan - wir werden vielleicht nicht nur die ersten Menschen auf Jupiter sein. Wir werden die ersten Menschen sein, die mit einer außerirdischen Intelligenz Kontakt aufnehmen!“

Er konnte sehen, wie Danas Wangen sich leicht kräuselten, ganz so, als ob sie von Schauern durchzogen wurde. Ihre Kiefer malten und ihm fiel auf, wie schön ihr Gesicht sein konnte, wenn sie angestrengt nachdachte.

Er fühlte sich ähnlich wie sie – unsicher und vor allem nervös. Darüber sprechen fiel ihm schwer. Seit Tom verunglückt war, hatte er nicht einmal geweint. Zu tief saß der Schmerz. Sein Bruder war seine ganze Familie gewesen, seit Mom und Dad gestorben waren..

„Ich frage mich, ob wir sie wiedersehen“, sagte er.

Dana sah ihn fragend an. Ihre hochgezogenen Brauen erinnerten Dan an zwei Halbmonde.

„Ich meine den Gezeitenstrom.“

Jetzt verstand sie.

„Danny, ich weiß nicht, was ich täte, wenn ich Jim treffen würde, draußen im All, in der Nähe des Gezeitenstroms. Er ist… Er war mein Mann. Wir kannten uns seit dem College. Ich hab mir geschworen, die Augen geschlossen zu halten.“

„Saunders behauptete, seine Frau gesehen zu haben, bevor er verschwand“, sagte Dan.

„Ich mache die Augen zu, wenn ich Jim sehen sollte.“

„Das schaffst du nicht, Dana, das schaffst du nicht.“

„Ich weiß.“

Sie sah nachdenklich auf ihren Teller.

„Dan?“

„Ja?“

„Unsere Steaks sind kalt.“

Gemeinsam trotteten sie zum Grill, einem altmodischen Gasgrill, den Dana’s Mann, Jim, sich als Replik hatte nachbauen lassen. Ein George-Foreman, hatte er gesagt, grillt ein Steak besser als Napalm die Vietcong.

Dana hatte diesen Jargon an Jim immer gemocht. Etwas brachial, politisch vollkommen unkorrekt und auch nicht immer wirklich witzig, aber kernig.

Das Problem war, das wusste Dan, dass Jim sowas Ernst gemeint hatte. Und ja, wie er Jim’s rotkariertes Flanellhemd gehasst hatte. Hatte nur noch die Trappermütze gefehlt und niemand hätte sich gewundert, wenn der Bugs Bunny erschossen hätte.

Seit Jim verunglückt war, hatte Dana nur noch von Jupiter gesprochen, alles getan, um bei dem Projekt dabei zu sein. Die psychologischen Tests hatte sie alle mit Bestnoten bestanden. Dan war sich sicher dass, wenn man wenige Monate nach einem solchen Verlust –Jim war ihr Ehemann gewesen und Scheidungspläne hatten sie keine gehabt- solche Tests mit Bravour bestand, man nicht alle Tassen im Schrank haben konnte.

Trotzdem oder vielleicht deshalb mochte er Dana. Er schätzte ihre Fähigkeiten, sie hatte mehrmals medizinische Notversorgung im Orbit des Mars und auch auf dessen Oberfläche geleistet und sie war nicht nur mutig, sondern eben auch verdammt klug. Deshalb hatte er sich persönlich dafür eingesetzt, dass sie mitkommen sollte. Der wichtigste Grund war, dass er mit ihr super klarkam. Sie hatte einem seiner Außenteams auf dem Mars den Hals gerettet, als einem Astronauten durch einen Defekt im Beatmungssystem seines Anzuges massenweise Helium ohne Sauerstoff verabreicht worden war. Während das zentrale Nervensystem des Mannes anfing, verrückt zu spielen und seine Lunge dabei war, zu kollabieren, hatte Dana eine MEDICAT Drohne umprogrammiert, dadurch den Blutkreislauf stabilisieren und dann seine Lunge beruhigen können. Für so eine Lungenbehandlung hätte sie andernfalls keine Zeit mehr gehabt, wenn die Nerven angefangen hätten, sich wie Zitterale durch die Haut des Mannes zu fräsen. Draußen im All, Millionen Meilen entfernt von allen anderen menschlichen Wesen, brauchte man jemandem, dem man vertraute. Und Dan vertraute Dana.

Der einzige Unsicherheitsfaktor war Jim’s Tod, war ihr Verlust. Die Frage, was sie täte, wenn sie Jim gegenüber stünde, mitten im Gezeitenstrom, war mehr als ungeklärt. Sie wäre nicht der erste Mensch, der meinte, etwas zu sehen und der sich entschied, die Grenze zu diesem anderen Kontinuum zu überschreiten. Je länger die zu überwindende Distanz, desto intensiver der Gezeitenstrom. Und in Richtung Jupiter, das hatten Bradford, Parker und deren Team gemessen, war in dieser Hinsicht der Teufel los. Als käme der Strom direkt von Jupiter. Niemand wusste bis jetzt, was es war, das dort im Strom auf einen wartete. Niemand konnte sagen, wie sie oder er reagieren würde, im Angesicht Verstorbener, die man geliebt hatte. Ab einem gewissen Punkt, das hatte er sich immer wieder gesagt, musste man es schaffen, zu vertrauen. Den Menschen um sich herum und auf seinen eigenen Instinkt. Darum hatte er ohne eine Sekunde zu zögern seinen Daumen über den Sensor gewischt und Dana’s Ticket für Jupiter gebucht.

Nach dem Barbecue verabschiedete Dana die Gäste, goss sich noch einen Brandy ein und legte sich vor den Kamin, der ein dem heißen Klima angemessene, gemütliche aber kühlende Luft in ihre Richtung hauchte. In dieser Nacht träumte sie von Jim.

„Ich weiß nicht, wie lange der Sauerstoff reicht, meine Peilung sagt mir, dass ich irgendwo auf der Südseite bin.“

„Jim, bitte sag mir, dass dein Jetpack noch Sprit hat.“

„Hat es nicht.“

Dana blickte hinauf in den Marshimmel, an dessen gelblicher Himmelskuppel, genau auf 9 Uhr, ein Feuerball glühte, der langsam kleiner wurde.

Rauschen und Knacken auf dem Intercom unterbanden jedes vernünftige Gespräch, als ihr Mann 3600 Kilometer über ihr durch das All trieb.

„Ich habe mich einfach abgestoßen, das ganze Ding ist einfach explodiert. I…. Sonde…“

„Capcom IV, hier Dana Masterson. Mein Mann treibt im Orbit, hier meine Daten, ich sehe den Feuerball auf 9 Uhr.“

„Hier Capcom. Unsere Drohnen sind bereits auf der Suche.“

„Dana… Treibstoff…“, mehr Verstand sie nicht mehr. Gottverdammt Jim, wieso klingst du so ruhig.

Dana schrie, als sie die ungefähre Peilung in Koordinaten an Capcom IV funkte. Mittlerweile hörte sie nur noch Fragmente, Sprachfetzen, aber keine zusammenhängenden Sätze mehr von Jim.

Ihr Visier beschlug und ihr eigener Sauerstoffvorrat war nahe null. Sie musste ins Habitat zurück.

„AAAAAAAAHHHHH!“

Der Schrei war selbst durch die schwer gestörte Verbindung so durchdringend, dass Danas rechtes Ohr von stechendem Schmerz durchzogen wurde, als hätte ihr jemand eine Nasensonde mit ungebremster Wucht in das Trommelfell gestoßen.

Der Feuerball wurde plötzlich größer, als eine zweite Explosion stattfand. Der Himmel war jetzt erleuchtet von rotem Funkenregen, als tonnenschwere Wrackteile, zu groß und zu schwer um zu verglühen, wie Asche auf die Marsoberfläche fielen. Dana rannte um ihr Leben, sah bereits das Habitat, während das Display in ihrem Helm die Sauerstoffanzeige mit genau 0% angab. Der Restsauerstoff in ihrem Helm würde noch genau für drei Minuten reichen.

Tränen liefen über ihre Wangen, immer wieder rief sie seinen Namen. Als Antwort erhielt sie weißes Rauschen.

Ein Wrackteil von der Größe eines Hochhauses schlug etwa dreihundert Meter entfernt auf die Marsoberfläche auf, was ein kleines Erdbeben erzeugte. Dana stürzte und schlug mit dem Visier auf einem Stein auf, dessen scharfe Spitze das Glas zwar nicht durchschlug, aber tiefe Risse erzeugte. Wenn sie eine Chance haben wollte, musste sie sofort die Augen schließen und irgendwie blind zum Habitat gelangen, bevor ihr die Luft ausging.

Sie nahm die Peilung vor und stellte die akustische Richtungsanzeige ein, dann schloss sie die Augen. In der Schwärze explodierte es überall, ihre Gesichtshaut schien binnen Sekunden auszutrocknen und gleichzeitig zu verbrennen. Sie wollte schreien, musste den Mund aber geschlossen halten, um nicht zuviel Mars-Atmosphäre zu inhalieren.

20 Meter.

10 Meter.

Ein Piepen signalisierte eine Kursabweichung.

Sie war Rechtshänderin. Also das rechte Bein nachziehen.

Das Piepen wurde leiser.

Noch 3 Meter.

„Dana, es tut mir leid.“

Das war Jim’s Stimme, glasklar und wie in ihrem Helm zu hören.

Sie fühlte eine Hand auf ihrer Schulter und versuchte, die Augen nicht aufzumachen.

Dann zischte die Luftschleuse und jemand zog sie ins Innere des Habitats.

Schreiend wachte Dana auf.

Ihr gläsernes Dach gab den Blick auf das Himmelszelt frei. Mit bloßem Auge erkannte sie ihn, den einen Stern, der nur für sie dort oben brannte. Sie würde ihn unter Millionen erkennen.

Jupiter.

GHOST

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