Читать книгу Herbert und Horst - Die Enten-Agenten - Gabriele Rittig - Страница 9

TAG DER KRAWATTE

Оглавление

„Kein Grund, nervös zu werden, alles cool“, versuchte Horst sich nun selbst zu beruhigen. Sie hatten die Menschinnen sich selbst überlassen und waren ein Stück weitergewatschelt. Zum wiederholten Mal kontrollierte er nun schon den Sitz seiner Federn in der spiegelglatten Oberfläche des Sees. Jede Feder saß, wie sich das für eine Brautente gehörte. Trotzdem, sicher war sicher. Systematisch ging er alle Farben seines Gefieders noch einmal durch, und das waren wirklich viele. Erst als er absolut sicher war, dass jede Feder saß, kam er aus dem Wasser. Dabei achtete er darauf, dass an seinen gelben Füßen kein Schlamm haftete.

„Kannst du nicht irgendwas mit deinen Federn machen, Herbert. Du siehst aus wie eine zerrupfte Gans“, bemerkte Horst.

„Ich bin ja auch eine Gans. Okay, eine Halbgans, wenn man es genau nimmt“, sagte Herbert und zwinkerte Horst gutmütig zu.

„Schscht. Nicht so laut. Sonst hört dich noch jemand“, zischte Horst und hielt sich einen Flügel vor den Schnabel, während er den Hals lang machte und die Umgebung nach Lauschern absuchte.

„Das ist doch kein Geheimnis.“ Herbert verstand Horsts Aufregung nicht. Trotzdem sah auch er sich um.

„Du willst ein Enten-Agent werden. Wie soll das funktionieren, wenn du eine Gans bist?“, sagte Horst.

„Ach Horst, das hab ich dir doch schon so oft erklärt.“

Herbert legte den Kopf schräg. „Halbgänse gehören zur Familie der Enten und deshalb geht das in Ordnung.“

„Das will ich für dich hoffen. Was würdest du denn tun, wenn sie nur mich zum Agenten ernennen?“

Horst strich sich die Federn glatt.

„Das wäre schade“, musste Herbert zugeben. „Aber ich bin sicher, dass ich mich auch im Hauptquartier nützlich machen kann.“

„Ach, quakerlaquak, Hauptquartier ist was für Schlappenten. Wir werden Helden, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Sie werden Geschichten über uns erzählen. Die Menschlinge werden Bücher über uns schreiben und unsere Abenteuer sogar auf diese flachen flimmernden Wände bringen.“

„Du meinst Kinofilme?“, merkte Herbert an und wurde einmal mehr seiner Rolle als wandelndes Lexikon in Sachen Menschlingskunde gerecht. „Ja, von mir aus Kinofilme“, sagte Horst ungeduldig. „Ich sehe es vor mir: Horst und Herbert. Die Geschichten der mutigsten Agenten aller Zeiten.“

„Wieso nicht Herbert und Horst?“, wollte Herbert wissen.

„Entschuldige mal. Weil ich eine Ente bin und du eben nur eine Halbgans“, erklärte Horst im Brustton der Überzeugung.

„Von mir aus.“ Herbert zuckte gutmütig die Schultern.

„Aber wenn wir all diese Abenteuer bestehen wollen, sollten wir dann nicht zuerst zu Agenten ernannt werden?“

„Sollten wir“, bestätigte Horst kopfnickend.

„Dann sollten wir besser nicht zu spät zur Ernennung kommen?“

„Sollten wir besser nicht“, stimmte Horst zu.

„Henrietta hat doch gesagt, die Ernennung beginnt, wenn die Sonne direkt über dem See steht“, sagte Herbert.

„Ja und?“ Horst blickte seinen Freund fragend an.

Herbert deutete hinauf zur Sonne. Sie stand genau über dem See.

„Ach du lieber Lämmergeier!“ Horst machte einen Satz zurück. Mit einem Platschen landete er im schlammigen Ufergras. Ohne auf die Schlammspritzer auf seinem Gefieder zu achten, sprang er sofort wieder auf.

„Mach schnell, Herbert. Wir kommen noch zu spät!“, schnatterte er und schlug mit den Flügeln.

Nur Augenblicke später waren die beiden in der Luft und flogen auf die kleine Insel zu, die sich in der Mitte des riesigen Sees befand.

Kein Mensch hätte vermutet, dass hier das Hauptquartier des Vereinigten Gefieders lag. Federtiere aus aller Herren Länder kamen hierher, um sich zu beraten, Verträge auszuhandeln und um Hilfe zu bitten, wenn sie in Schwierigkeiten waren. In einem felsigen Teil der Insel befand sich auch die Geheimzentrale der E.A.I.D.S.M. Das war die Abkürzung für die Spezialeinheit „Enten-Agenten im Dienste Seiner Majestät“. Weil das im Einsatz aber viel zu lang war, und sich jede Ente beim Aussprechen von E.A.D.I.S.M fast den Schnabel verknotete, wurde die Einheit kurz E.A.S.M. genannt.

Daraus hatte sich mit der Zeit die Superkurzform E.A. entwickelt.

Schon von Weitem konnten Herbert und Horst die versammelten Enten erkennen, die der Ernennung der neuen Agenten beiwohnen würden. Ihr Gefieder war so unterschiedlich wie ihre Herkunft. Sogar vom anderen Ende der Welt waren Enten gekommen. Sie alle hatten nur eines gemeinsam. Sie waren Enten-Agenten im Dienste Seiner Majestät. Die zukünftigen Agenten standen in Reih und Glied, ihr Gefieder glänzte in der Sonne. Die Hälse hatten sie zur felsigen Plattform erhoben, hinter der sich der Eingang zum Hauptquartier befand. Eben noch hatte aufgeregtes Geschnatter den Platz erfüllt, während die letzten Zuschauer einflogen und sich auf den Felswänden einen Platz suchten. Doch dann erschien im Eingang der Höhle der Leiter der E.A.I.D.S.M. Keine Ente, sondern ein Marabu, den alle Agenten nur „Die Graue Eminenz“ nannten. Langsam schritt er auf seinen langen Storchenbeinen auf den Rand der Plattform zu. Sein riesiger rosafarbener Kropf schwang von einer Seite zur anderen. Seinem Blick aus gelben Augen entging nichts.

Schon gar nicht, dass zwei seiner zukünftigen Agenten zu spät kamen. So unauffällig wie möglich zwängten sich Herbert und Horst in die Reihe der Agenten.

„Na, das war aber knapp“, bemerkte Henrietta. „Wo wart ihr denn nur so lange?“

„Herbert hat wie immer getrödelt“, meinte Horst und überprüfte ein letztes Mal sein Gefieder.

Herbert verzog den Schnabel, sagte aber nichts.

„Könnte es nicht zufällig eher so sein, dass du mit der Gefiederpflege nicht fertig geworden bist?“, fragte Henrietta und zwinkerte Horst schelmisch zu.

„Ich?“ Horst fühlte sich ertappt. Und an Herbert gewandt zischte er: „Hör auf so blöd zu grinsen.“

Herbert versuchte es.

Da erhob die Graue Eminenz die Stimme und es wurde so still, dass man einen Strohhalm hätte zu Boden fallen hören. „Heute ist ein ganz besonderer Tag“, begann der Marabu. „Vor mir stehen die neuen Enten-Agenten, die bereit sind, ihr Leben in den Dienst des Vereinigten Gefieders und aller Bewohner dieses Planeten zu stellen.

Gemeinsam mit den bereits im Einsatz befindlichen Agenten werden sie den Kampf gegen das Unrecht in dieser Welt aufnehmen.“ Der Storch reckte den langen Schnabel in den Himmel und löste damit lautes Jubelgeschnatter auf dem Platz aus. Erst als er weitersprach, beruhigten sich die Enten. „Aber heute ist es nicht an mir, den Anwärtern Brille und Krawatte zu überreichen.“ Die Graue Eminenz machte eine Spannungspause, in der die zukünftigen Agenten fragende Blicke tauschten. „Wir haben heute hohen Besuch. Und er hat darum gebeten, seine zukünftigen Agenten selbst zu ernennen.“

„Das wird doch nicht … das ist doch nicht etwa …?“, stotterte Henrietta.

„Enten-Agenten, verneigt euch vor Seiner Majestät, dem König“, verlangte die Graue Eminenz schnabelklappernd.

Das weiße Gefieder Seiner Majestät schillerte im Sonnenlicht, als er sich langsam dem Rand der Plattform näherte. Die Kronenfedern auf dem schlanken Kopf wippten bei jedem Schritt. Die langen Schwanzfedern zog er wie eine Schleppe hinter sich her.

„Ist er nicht beeindruckend?“, flüsterte Henrietta ergriffen. Dann verschlug es ihr den Atem, als Seine Majestät am Rande der Klippe stehen blieb und die Schwanzfedern zu einem Rad schlug. Durch die schillernd weißen Federn sickerte Sonnenlicht, sodass man glauben konnte, das Rad würde leuchten. Unzählige „Ohs“ und „Ahs“ waren auf dem Platz zu hören.


Verstohlen wischte sich Horst eine Träne aus dem Augenwinkel, so ergriffen war er. Er würde Brille und Krawatte vom König aller Federtiere verliehen bekommen.

„Weinst du?“ Herbert sah ihn besorgt an.

„Ach, quakerlaquak. Ich hab Sand ins Auge bekommen“, sagte Horst abwehrend.

„Na, dann ist es ja gut“, sagte Herbert erleichtert.

„Los, wir sind dran.“ Henrietta gab den beiden ein Zeichen, ihr zu folgen. So elegant es mit Entenfüßen eben möglich war, watschelten sie den Weg zur Plattform hinauf, wo ein Agent nach dem anderen von Seiner Majestät ernannt wurde. Henrietta hatte ihre Brille bereits aufgesetzt und neigte den Kopf vor dem König, um die Krawatte zu empfangen.

„Henrietta, die Graue Eminenz hat mir von deinen Leistungen berichtet. Ich bin beeindruckt. Deshalb habe ich darum gebeten, dich in meinen Dienst zu überstellen. Du wirst von nun an meine persönliche Leibwächterin sein“, sagte Seine Majestät und lächelte.

„E… es ist mir … eine große Ehre“, stotterte Henrietta, der nun ebenfalls eine Träne ins grauweiße Gefieder kullerte.

„Haha, sie weint“, kicherte Horst schadenfroh, jetzt, da er seine eigene Rührung in den Griff bekommen hatte. Damit fing er sich einen strengen Blick von Herbert ein.

„Sie hat bestimmt nur Sand ins Auge bekommen.“

Horst wollte eben etwas erwidern. Doch er war an der Reihe. So trat er vor Seine Majestät und senkte den Kopf.

„Horst, auch von dir habe ich gehört“, sagte der weiße Pfau.

„Bestimmt nur Gutes“, hoffte Horst.

„Auf jeden Fall viel Amüsantes“, sagte der König milde lächelnd und legte Horst die Krawatte um. Die Superkräfte der Multifunktionskrawatte konnte er schon spüren, bevor er sie aktivierte. Horst setzte die dunkle Sonnenbrille auf und trat zur Seite. Er war nun ein Enten-Agent. Und er war sicher, dass er schon bald der beste Agent der E.A. werden würde. Einer wie OO-Duck, sein großes Vorbild.

Doch zuvor musste noch Herbert ernannt werden. Der stand gerade vor Seiner Majestät und neigte den Kopf.

Anders als bei den Anwärtern zuvor, musste sich der König nicht zu Herbert hinunterbeugen, um ihm die Krawatte umzulegen. Damit zögerte er aber noch.

„Herbert, du bist eine Halbgans, stimmt das?“, erkundigte sich Seine Majestät.

„Das ist richtig“, stammelte Herbert. Seine Augen blieben zwar trocken, aber seine Knie wurden ganz weich.

„Oh, oh, hab ich nicht gesagt, das gibt Probleme“, murmelte Horst, der neben Henrietta stehen geblieben war, um Herberts Ernennung zu beobachten. „Ich hab‘s gewusst. Eine Halbgans ist nun mal keine Ente.“

„Schnabel zu“, zischte Henrietta streng.

„Das ist sehr erfreulich“, fuhr der König fort „Ich bin nämlich der Meinung, dass es bei der E.A. eine größere Artenvielfalt geben sollte. Auch von dir habe ich viel Gutes gehört, Herbert. Vor allem im Umgang mit deinen Kameraden hast du dich ausgezeichnet. Daher ernenne ich auch dich zum Enten-Agenten“. Seine Majestät legte nun auch Herbert die Krawatte um.

„Phu, das war knapp“, sagte Horst, als Herbert zu den ernannten Agenten trat, und stieß seinem Freund in die Rippen. „Nun brauchen wir nur noch einen Auftrag.“

„Ja, den brauchen wir. Aber zuerst brauche ich dringend etwas zu essen“, sagte Herbert.

Herbert und Horst - Die Enten-Agenten

Подняться наверх