Читать книгу Die Atlanten von Wheed - Gabriele Steininger - Страница 3

Die Legende über die magischen Karten

Оглавление

Prolog

Drei Tage und Nächte, so dunkel, so schwarz, dass man keinen Unterschied zwischen ihnen festzustellen vermochte, stand Aravon auf dem höchsten Felsen Wheeds.

Gnadenlos und alles vernichtend was sich ihnen in den Weg stellte, fegten die Stürme der Vergeltung über die Oberfläche des Planeten. Aravon trotzte den Gewalten. Ein grausames Schauspiel, welches er mit anzusehen verdammt war. Durch seine Schuld waren die brachialen Kräfte entfesselt worden, die sich nun nicht mehr bändigen ließen. Es war pure Wut, die tobte und fauchte wie ein wildes Tier. Die Wut eines ganzen Erdballs, welche die Landstriche auslöschte, als hätten sie nie existiert.

Hart peitschte der Wind alles nieder, was Regenguss und Hagel verschont hatten. Baume entwurzelten mit lautem Krachen durch die bebenden Erschütterungen der Welt. Die Wasser traten flutend über ihre Ufer. Tiefe Rinnen ziehend, spülten sie brausend Erdreich und Steine hinweg.

Blitze schossen, den Himmel zerreißend, glühend wie Pfeile aus Feuer herab. Donner grollte lauter als jemals zuvor und Dunkelheit hielt das Land gefangen. Das Volk hatte Angst. Eine Angst, die so alt war wie das Leben selbst. Ihre Welt würde untergehen und mit ihr alles was atmete und lebte.

Die Naturgewalten beschwörend, stand Aravon im Zentrum des Geschehens. Unablässig schlug ihm der kräftige Regen ins Gesicht, nahm ihm die Sicht, ließ ihn erblinden und kroch in jede seiner Poren. Der Sturm zerrte an seinen Kleidern, seinen Haaren, ließ ihn schwanken und um sein Gleichgewicht kämpfen. Der starke Ast eines Panguabaumes war seine einzige Stütze, auf der er sich tapfer gehalten hatte.

Seit er den milchweißen Stein gefunden hatte, der sich im Fels verbarg, bäumte sich die Welt wie ein bockiges Zugtier gegen ihn. Eine Furie, die zu zügeln er nicht in der Lage war. Überzeugt davon, die Welt auf der er lebte zu verbessern, war er auf den Sulberg gestiegen. Es war ein letzter Versuch das Herz von Wheed nach einer langen Odyssee doch noch zu finden. Eine schreckliche Krankheit, die auf Wheed existierte, hatte seine Schwester befallen. Nur mit dem Herzen von Wheed, einem Kristall, der alle Magie des Planeten innehielt, würde er sie heilen können.

Das größte Verbrechen begehend, hatte er das Od aus seiner natürlichen Verankerung gebrochen. Seiner inneren Stimme Flüstern nachgebend.

Seine Kräfte schwanden mit jedem unendlichen Augenblick auf dem Fels. Der Zeitpunkt, an dem er zusammenbrechen würde, stand kurz bevor. Alles was er zu geben vermochte wurde ihm in diesem Moment, von diesem Kampf abverlangt. Der Kristall hatte ihn verändert. Nicht länger war er nur der Arzt, der sich auf die Suche nach der Rettung gemacht hatte. Mit rauer Stimme schrie er gegen die Mächte an. Formeln in einer Sprache, die tief aus seinem Innersten kam und deren Bedeutung nur er zu kennen schien. Worte, gewaltig wie der Sturm selbst, triefend vor Schwärze wie das Dunkel dieser apokalyptischen Nacht, schallten in das Tosen der Stürme.

Risse zogen sich tief und klaffend über die ganze Platte und während er immer noch gegen die Mächte des Geschehens anzukämpfen versuchte, löste sich das erste Stück mit einem unvorstellbaren, alles erschütternden Laut vom Ganzen. Krachend barst die Platte, aus der das Land von Wheed bestand. Vollkommen erschöpft sank er auf die Knie. Eine säuselnde Stimme führte ihn in einen Traum des Unbewussten. Das Schicksal von Wheed war besiegelt.

Die Welt – zerbrach – in Stücke.

Und mit ihr splitterte das Herz von Wheed.

Gespannt wartete die Schar der Kinder auf Antgas Erzählung. Ein Ritual, welches sich jeden Abend aufs Neue wiederholte und von allen Kindern der Wohnburg heiß geliebt wurde. Auf Teppichen und Kissen hatten sie sich vor ihr niedergelassen. Ein prasselndes Feuer sorgte für Behaglichkeit und das nötige Licht, um den fantastischen Erzählungen der alten Frau die richtige Stimmung zu verleihen. Es war mucksmäuschenstill im Raum, als Antga ihre Stimme erklingen ließ.

„Vor langer, langer Zeit, als die Wälder noch dichter standen, die Seen noch tiefer und die Himmel noch weiter waren, lebte einst ein Magier in einer kleinen Höhle in einem kleinen Felsen. Wenn ihr den Felsen suchen würdet, so wäre er heute nicht mehr als ein großer Stein, den man mit zwei Händen gerade noch so greifen kann. Einzig und allein die Zeit vermag es, aus jedem Berg einen Kiesel zu formen, oder sogar nur ein Sandkorn von ihm übrig zu lassen. Dieser Magier hieß Ewon. Er kannte viele Geheimnisse von ganz Wheed. Auch von dem Kosmos, der unseren Planeten seit je her umgibt. Er wusste sehr Vieles, was seinen Kollegen auf den Platten entging. Sein größtes Geheimnis aber, war eine Karte. Jeder Zauberer und Magier auf Wheed besaß eine Karte von der Platte, auf der er lebte. So war auch Ewon einer von sieben Kartenwächtern. Diese Karten nannte man Atlanten. Ein Magier und ein Zauberer sind nicht das Gleiche müsst ihr wissen. Es gab viele Männer die das Talent besaßen ein Zauberer zu werden, der sich mit allerlei Tricks, oder auch Spielen auskannte. Das Auge normaler Leute wie Euch und mich zu täuschen, war schon damals eine verbreitete Kunst. Auch heute gibt es noch Zauberer, nur nennen wir sie Gaukler. Sie bezaubern auf den großen Märkten unsere Sinne, täuschen den Blick. Ein Magier aber, der die Magie besitzt Dinge aus eigenem Willen zu verändern, wandelt schon lange nicht mehr unter uns." Antga seufzte tief und in den Augen ihrer gespannten Zuhörer spiegelte sich ebenfalls Bedauern.

"Die Karten der Magier zeigten, jede für ihre zugehörige Platte, alles was sich an Land, Flüssen, Wäldern, Bergen und Seen, aber auch an Schätzen befand. Auf der Rückseite der Karten befanden sich die Sternbilder. So wie man sie von den jeweiligen Platten aus im Nachthimmel sehen konnte. Aber Ewons Karte war etwas Besonderes. Sein Atlant zeigte, je nach dem wie man ihn faltete, alle anderen Karten und ergänzte und vervollständigte sie um viele Geheimnisse. Sie war wie ein Schlüssel, der den Weg in eine andere Welt öffnete. Eine geheime Welt, die sowohl die unsere war und doch auch wieder nicht. Ohne diesen Schlüssel waren die anderen Karten nicht vollständig. Nur, wenn sie alle zusammen im hellen Licht der Blaumondnacht in der richtigen Reihenfolge lagen, ergaben sie eine Einheit. Da die Wächter der Atlanten von Wheed nicht alle Magier waren, zeigten die Karten auch nicht alles Neue von selbst. Sie besaßen zwar einen ganz eigenen Zauber, dieser speiste sich jedoch aus der Macht der Magier. Auf dem Sulberg trafen sie sich deshalb zu jedem Blaumond. Sie tauschten sich aus über neue Sprüche und Zauber die sie angefertigt hatten. Über Wissen und Formeln, welche sie neu entdeckt hatten. Viele Dinge, die wir normalen Leute nicht verstehen können, wurden dort besprochen. Zum Höhepunkt jedes Treffens fügten sie ihre Karten auf dem großen Steintisch zu einem riesigen Atlanten zusammen und studierten die Bewegungen und Anzeigen in den Karten, die durch die Kräfte der Magier und den Zauber der sieben Atlanten entstanden. Sie betrachteten die Sternwanderungen bis zum nächsten Blaumond und lasen ihre Bedeutung. Die wichtigsten Ergebnisse ihrer Deutungen schrieben sie nieder. Sie nannten das Werk Sokrum, was heute wohl so viel wie Prophezeiung bedeutet. Dort fanden sie alle Beobachtungen, Sprüche und Weisheiten die während der ganzen Zeit gesammelt wurden. So konnten sie sehen was war, was ist aber auch was kommen würde. Sie waren gute Ratgeber für die Höchsten der Platten, wenn es darum ging schlechte Dinge ab zu wen den."

"Antga?" Eine leise Mädchenstimme hatte sich in die Stille erhoben. Ihre braunen, langen Haare fielen über die schmalen Schultern, als sie sich vorbeugte und den Pantoffel der Alten berührte.

"Sie ist eingeschlafen. Wir müssen sie wecken." meinte einer der Jungen. Er war größer als die anderen und hatte strubbeliges blondes Haar. Unzählige Sommersprossen streuten sich über seine Wangen.

"Antga! Antga! Werde wach. Bitte erzähle uns die Geschichte weiter." drängten die Kinder. Antga, die in ihrem gepolsterten Holzstuhl eingenickt war, räusperte sich kurz, rieb sich die Augen und blickte in die erwartungsvollen Gesichter ihrer fünf Enkel, zwei Urenkel und lächelte.

"Antga. Bitte erzähle weiter."

"Nun, wo war ich denn stehen geblieben?" Sie nahm einen großen Schluck Tee, der neben ihr in einem Becher auf einem kleinen Holztischchen stand. Er war nur noch lauwarm und die Alte verzog kurz die Mundwinkel. Sie mochte ihn am Liebsten heiß. Wenn er kalt wurde bekam er einen bitteren Geschmack.

"Bei den Magiern und den Höchsten der Platten." erinnerte sie ihre Urenkelin Aura.

"Er wird immer so schnell kalt." stellte Antga fest. "Gut. Also die Magier und die Zauberer beratschlagten sich bei jedem Blaumondtreffen und waren die Berater der Höchsten der Platten. Die Höchsten der Platten waren damals nicht anders als heute. Die Oberhäupter regierten und veranlassten schon damals alles was geschah und was nicht geschehen sollte. Sie wendeten viel Unheil von den Völkern von Wheed ab. Dürreperioden wurden durch die Planungen überstanden und auch Regenzeiten. Mit den Magiern unter den Kartenwächtern an ihrer Seite hatten sie die Möglichkeit Ereignisse zu umgehen, oder herbeizuführen. So ging das für eine lange Zeit und jede zweite Generation brachte einen Kartenwächter hervor. Starb ein Magier oder Zauberer, wurde dieser sein Nachfolger und trat an seine Stelle. Der Platz des Kartenwächters war sehr begehrt, denn es war der Höchste Rang, den man auf Wheed von einem Höchsten erhalten konnte." Bis auf einen, fügte sie in Gedanken hinzu. Dieser Umstand hing mit dem schwarzen Seelenstein zusammen, der sich seinen Besitzer immer selbst erwählte. Doch die Geschichte über den schwarzen Herzsplitter war keine Geschichte, die man Kindern erzählte und so erwähnte Antga sie auch mit keinem Wort.

"Sind die Sternendeuter jetzt Magier?", wollte einer der älteren Jungen mit schwarzen Haaren und einem frechen Gesicht wissen.

"Nein", fuhr Antga fort, "die Sternendeuter sind heute die Berater der Höchsten. Sie sind aber keine Magier. Meist kommen sie aus Familien die für Kopfwerk bekannt sind. Von Kartenschreibern und Wissenswächtern, auch von Schreibern und Gelehrten anderer Werke. Ein Sternendeuter kann nicht wirklich in die Zukunft sehen. Er vergleicht den Lauf der Sterne mit Ereignissen, die bei gleichen Ständen schon einmal waren und schätzt ab was wohl kommen wird. Wie ihr wisst konnten die Magier aber Dinge verändern."

"Wie ging es dann mit der Geschichte weiter Antga?", fragte das Mädchen mit der hellen Stimme.

"Ah ja. Die Geschichte. Wir sind wohl ein bisschen davon abgekommen. Also, es sollte eine Zeit kommen in der sich eine uralte Prophezeiung erfüllen würde. Es war die erste Prophezeiung des ersten Magiers der auf Wheed gelebt hatte. Sein Name war Aravon. Er hatte die sieben Atlanten angefertigt. Die Prophezeiung besagte, wenn sich die Sternbilder der Atlanten zu einer Stachelkopfschlange zusammenfügen, würde die Zeit der Magie und zum Teil auch die des Zaubers ihr Ende finden. Sogar die Karten selbst würden ihren Zauber verlieren, so wie die Kartenwächter schwinden. Nur ein Wahrer vermag die Karten wieder zum Leben zu erwecken, wenn er sie bei Blaumond auf den silbernen Steintisch des Sulberges breitet. Erst dann werden sich die Karten wieder ordnen und die verlorenen Schätze der Platten offenbaren. An diesem einen Blaumond, als sich die letzten uns bekannten Kartenwächter versammelt hatten, war es so. Die Wächter legten die Karten an ihre Plätze und als die Siebente lag zeigten sich die Schätze ein allerletztes Mal. Die Sternbilder setzten ihren Lauf fort und endeten in jenem Zeichen, welches jeder der Kartenwächter fürchtete."

"Die Stachelkopfschlange", flüsterte Marc, ein kleiner Junge mit roten, verworrenen Haaren.

"Ja. Die Stachelkopfschlange. Ab diesem Zeitpunkt gab es keinen mehr, der den Weg der Kartenwächter hätte gehen können. Kein Zauberer mit genug Talent und kein Magier wurden nach diesem Himmelszeichen mehr geboren. So starben die Kartenwächter aus. Sie verschwanden aus Wheed und von den Platten. Das Ende ihrer Zeit ahnend, versuchten sie all ihr Wissen aufzuschreiben, um es für die Nachwelt zu erhalten. Nur deshalb können wir auch heute noch viele Werke von ihnen in unseren Wissensbauten lesen. Die Karten, die ihre Eigenschaft sich zu verändern, geheime Plätze und Schätze in der Blaumondnacht anzuzeigen, mit dem Verschwinden der Wächter verloren hatten, wurden an die jeweils Höchsten der Platten abgegeben, um sie zu verwahren. Ewon, der nicht nur der mächtigste, sondern auch der schlauste von ihnen war erkannte, dass es nicht gut war die letzte, mächtigste aller Karten abzugeben. Denn unter den Höchsten waren viele nicht so gut wie sie vorgaben. Alle hatten eine Eigenschaft gemein. Sie waren gierig. Nach Schätzen, nach Macht und Besitz und so beschloss er den siebten Atlanten mit dem Sokrum auf der siebten Platte mit einem Zauber zu belegen. Er wollte das Risiko nicht eingehen, ein "Magiebegabter" hätte die Möglichkeit, seine Begabung auszunutzen. Nur der, der wirklich wahr sei, sollte sie finden. Wie in der Prophezeiung geschrieben, sollte er allein die Macht besitzen alle sieben Atlanten zusammenzufügen. Von ihm auf den Steintisch gelegt und mit dem ersten Text des Sokrums beschworen, sollen sie Zauber und Magie wieder in die Welt bringen. So verschwand auch der siebte Atlant aus den Augen aller Wheeder Völker. Bis zum heutigen Tag hat ihn niemand mehr gefunden. Viele versuchten diese besondere Karte zu finden, doch keinem gelang es. Die Höchsten aber treffen sich seit dieser Zeit jedes Jahr zum Blaumondfest, um Rat abzuhalten. Auch heute feiern wir es noch in jedem Zyklus. Im Laufe der Zeit traten andere an die Stelle der Kartenwächter, den Höchsten mit Rat zur Seite stehend. Sie, die es mit der Zeit gelernt hatten die Sternwanderungen zu deuten, berieten von da an die Herrscher unserer Welt. Man nannte sie Sternendeuter. Jeder der Höchsten hat bis heute einen dieser Zunft, der für ihn in die Zukunft zu blicken versucht. Doch bis zu dieser Stunde befand sich kein Wahrer unter ihnen und so warten die Höchsten bis heute vergebens auf die Schätze und Geheimnisse der siebten Platte, die sie ohne die siebte Karte und ohne das Sokrum nie erblicken werden."

"Es könnte aber auch daran liegen, dass es keine siebte Platte gibt." sagte Joreg. Er war der älteste unter den Kindern und hatte bis jetzt geschwiegen.

"Die ist verzaubert, Joreg!", protestierte Aura und stieß ihn dabei unsanft in die Seite.

"Was genau ist denn der Wahre?", wollte Marc wissen.

"Der erste und mächtige Magier Aravon hat einmal den Wahren beschrieben. So lautet die Legende von Aravon dem Magier. Leider ist uns die Beschreibung nicht erhalten geblieben. Auch Ewon, der den Zauber ausgesprochen hat, hinterließ keine Definition eines Wahren. Wenn man jedoch die Legenden und Sagen, die Märchen und Geschichten betrachtet, muss ein Wahrer wohl ein geborener Magier sein. Wer sonst hätte die Fähigkeit einen verzauberten Atlanten zu sehen? Vielleicht bist sogar du ein Wahrer."

Die Alte lächelte geheimnisvoll und strich dem kleinsten der Jungen, der gebannt zugehört hatte, mit dem Zeigefinger über die Nase.

"Noch eine Geschichte Antga. Bitte, bitte. Erzähle uns noch eine Geschichte!", baten die Kinder.

"Jeder Abend hat seine eigene Geschichte. Heute war es der für die Legende über die magischen Karten. Morgen ist ein neuer Abend für eine neue Geschichte."

"Welche Geschichte ist morgen dran?", fragte ein blondes Mädchen.

"Das kann ich euch heute noch nicht sagen. Vielleicht die Geschichte über den Wahren und die erste Prophezeiung, vielleicht aber auch die Geschichte über das Sokrum selbst. Das wird mir der morgige Abend flüstern, wenn die zweite Sonne am Rand der Platte steht. Bis dahin müsst ihr wohl warten. Und jetzt geht brav ins Bett."

Die Kinder umarmten die alte Frau und wünschten ihr nacheinander eine Gute Nacht. Sie legten sich in ihre Betten, schliefen und träumten von Magiern, Zauberern und manche von der Stachelkopfschlange. Alle bis auf zwei, die noch lange bis spät in die Nacht hinein miteinander darüber flüsterten, bis auch sie erschöpft in ihre Träume sanken.

"Ha! Ich habe den siebten Atlanten!", stieß Marc aufgeregt hervor und wedelte mit einem Fetzten dünner Rinde des Panguabaumes wild in der Luft herum. Das stark mit Linien gezeichnete Stück, sah mit etwas Fantasie wirklich wie eine Karte aus. Wenn man wollte, hätte man Seen und Flüsse, Berge, Wälder und Täler darauf entdecken können. Sein Haar leuchtete im Licht der beiden Sonnen genauso rot, wie die Blätter des Blausaftbaumes, unter dem er breit grinsend stand.

"Und? Was steht auf der Karte?", wollte Aura wissen. Die zierliche Gestalt des Mädchens erhob sich vor einem mit Silbermoos überwachsenen, mannsgroßen Steinbrocken, wie es sie oft an den weniger bewachsenen Rändern der sonst dichten Baumwälder gab.

"Das kann man doch erst bei Blaumond lesen. Weißt du doch." erinnerte er seine Schwester tadelnd.

"Ach komm schon. Ich will die Karte wenigstens einmal sehen." drängte Aura und hielt ihm ihre kleine Hand fordernd entgegen.

"Die kannst du ja doch nicht lesen. Schließlich muss man ein Magier sein um sie entziffern zu können." wehrte Marc ab und streckte Aura die Zunge fürchterlich weit heraus.

"Na und?", protestierte das Mädchen.

"Du bist ein Määäädchen!", schalt Marc.

"Und du bist kein Magier!", schrie Aura ihren Bruder wütend an, verschränkte die Arme vor der Brust, drehte ihm den Rücken zu und bohrte mit der Spitze ihres rechten Schuhes kleine Löcher in den weichen Boden. Das machte sie immer, wenn sie sauer oder wütend auf ihren Bruder war, weshalb der rechte Schuh meistens als erstes kaputt ging. Sie hatte es satt ein Mädchen zu sein. Nie konnte sie den Magier spielen. Marc kam näher und legte seiner Schwester den Arm um die Schulter.

"Sei doch nicht immer gleich so." Es tat ihm furchtbar leid was er gesagt hatte, denn er liebte seine kleine Schwester über alles. Er wollte sie nicht verletzen und es tat ihm weh sie gekränkt zu haben. Aura schüttelte seine Hand ab. Sie wollte wütend auf ihn sein und das ginge nicht wenn er sie umarmte. Trotzig starrte sie auf das frisch gebohrte Loch im Boden. Marc versuchte noch einmal ihr die Hand auf die Schulter zu legen. Er wusste, sie konnte ihm nicht lange böse sein. Das konnte sie nie.

"Wir tun doch nur so. Kann ich da nicht auch einmal ein Kartenwächter sein?", fragte sie bittend und blickte ihren Bruder versöhnlich, immer noch mit verschränkten Armen an.

"Na gut. Wenn wir zwei alleine spielen kannst du auch Magier sein." lenkte er schließlich ein.

"Und wenn wir mit den anderen spielen darf ich wieder nicht mit. Das ist gemein!" In Aura kochte die Wut eines kleinen Mädchens, das nicht bekommen sollte was es wollte. Trotz und Zorn aber auch Traurigkeit darüber, von den Jungs immer ausgeschlossen zu werden, trieben ihr Tränen in die Augen.

"Ich verspreche es dir. Ich nehme dich das nächste Mal mit." wollte er sie trösten.

"Und wenn die anderen Jungs wieder meckern?"

Marc schoss eine Idee durch den Kopf "Dann bist du eben mein Nachfolger. Jeder Magier muss doch einen Nachfolger haben. So hat es Antga erzählt. Und die anderen werden sich um dich reißen. Die haben nämlich keinen."

Marc zog grinsend eine Augenbraue hoch und drückte seiner Schwester die Rindenkarte in die Hand. "Hier, nimm. Dann können wir die Geheimnisse entdecken."

Freudig strahlte sie ihren Bruder an. Er war gar nicht so dumm, für einen Jungen. Überhaupt ließ er sich viel einfallen, um seiner Schwester ihre Wünsche zu erfüllen.

Sie hatte sich einmal ein Bild gewünscht. Natürlich bekam sie es nicht, denn es war sehr teuer. Da kam Marc auf die Idee ein noch viel Schöneres selber zu malen. Mit dem Saft von Beeren und Gräsern, die sie auf Steinen zerquetschten, malten sie ein Bild auf einen Bogen Papier. Marc hatte ihn mit der Überredungskunst eines kleinen Jungen dem Wissenswächter abgeschwatzt. Wünschte sie sich etwas Süßes, trieb er Zuckerwachs auf, welches an den Ringatbäumen dick herunter floss, sobald man die Rinde einschnitt. Je höher man stieg, umso süßer war das Harz des Baumes. Oft kletterte er für sie bis in die weit verzweigten Kronen, wo es am besten schmeckte.

Aura durfte nicht immer mitspielen. Dann gesellte sie sich zu einem Jungen, der ebenfalls nicht so gerne bei den anderen gesehen war. Es sei denn, die "Magier" brauchten wieder einmal einen Nachfolger in ihrem kindlichen Spiel. Es war nicht so, dass sie ihn oder Aura nicht leiden konnten. Die beiden waren einfach jünger als die anderen und die Plätze der sieben Kartenwächter immer heiß umkämpft. Sein Name war Tibor. Nur zwei Monde älter als Aura selbst, waren sie beide Kinder einer Blaumondnacht. Tibor war der Sohn der Schwägerin ihrer Cousine und ein sehr in sich gekehrter Junge. Manchmal saßen sie stundenlang schweigend am Bach und sahen dem Wasser zu, wie es über die Steine plätscherte, oder streiften durch die hohen Graswälder rings um Ingwas Stadt. Sie brauchten nicht viele Worte und obwohl Aura ein sehr aufgewecktes, quirliges Mädchen war, genoss sie die Ruhe die Tibor auszustrahlen schien. Den Mann, dessen Augen aus dem Hintergrund immer wieder auf ihnen ruhten, bekamen sie kein einziges Mal zu Gesicht. Nur manchmal spürten sie seine Blicke, konnten aber nicht ausmachen worauf sich dieses Gefühl begründete.

Aura und Marc hatten eine schöne Kindheit, so wie alle Kinder auf Wheed. Sie spielten und lachten, liefen durch die hohen Graswälder und legten die stark gemusterte Rindenstücke des Panguabaumes auf selbst gebauten Steintischen zusammen, um die geheimsten Geheimnisse von Wheed zu erfahren. Bis auf kleinere Rangeleien, wer von ihnen denn jetzt Ewon war und wer nicht, vertrugen sich alle untereinander.

Sie entdeckten die heilenden Quellen von Corsas am Blubberbach hinter der alten Mühle und den Goldbaum von Ingwas, der eigentlich nur ein alter Gelbfruchtbaum auf Meister Burbrums Wiese war. Burbrum, wenn er sie entdeckte, lief mit drohenden Gesten ein paar Schritte hinter den Kindern her. Natürlich konnte er mit den flinken Kinderfüßen nicht mithalten und blieb schon nach einem kurzen Stück schnaufend und um Atem ringend stehen. Die Kochkünste seiner Frau trugen schuld an seiner stattlichen Erscheinung und der Tatsache nicht unter den Schnellsten zu sein.

Das Edelsteinzepter von Soventum, in Form eines Astes von einem Glitzsteinstrauch, der tief in den Baumwäldern wuchs, erforderte eine gefährliche Expedition mit furchtbaren Gefahren. Bösartige Wesen, meistens Spenstschreckbüsche, und geifernde, wilde Tiere, die natürlich nur von ihnen selbst gesehen werden konnten, mussten getötet werden.

Mhorra und seine geheimen Höhlen, in denen Weisheit und Erkenntnis warteten, fanden sie in den Steilhügeln die hier und dort aus der Erde ragten.

Die Wunder von Shiebe und Lorrent wurden erkundet und gefunden. Auch wenn sie nicht wussten was genau sich dahinter verbarg. Manchmal war ein Stein das Wunder, manchmal einer der gelben Frösche, die sich in den Wasserpfützen tummelten und nicht schnell genug waren, um den behänden Kinderfingern zu entwischen.

Natürlich auch die Platte Thorresum, wo unvorstellbare Schätze und Wunder lagen die niemand auch nur im Ansatz erahnen konnte, weil es die Siebente war. Aber in den Phantasien der Kinderköpfe war es ein Ort, an dem alles möglich war.

Abends lauschten sie den vielen Geschichten, Sagen und Märchen von Magiern und den Atlanten, von dem Buch Sokrum, von Prophezeiungen über den Wahren, von bösen und guten Mächten, gefährlichen Tieren und Wesen, die in den dunklen Baumwäldern lauern konnten. Diese flossen am nächsten Tag in ihr Spiel ein und vermischten sich zu einer komplett neuen Welt, weit ab von den Wohnburgen, welche in die vielen Felsen eingelassen waren und in denen die Sippen wohnen.

Doch die Zeit blieb nicht stehen und so wurden aus den Kindern große Kinder und aus diesen Jugendliche. Sie spielten nicht mehr in den hohen Graswäldern und suchten auch nicht mehr an den vereinzelten Bäumen nach Atlanten. Aus den Phantasien und Träumen die sie gelebt hatten, wurden wieder Märchen, Sagen und Geschichten. Die ersten dunklen Schatten erreichten ihr junges, unbeschwertes Leben, als sie erfuhren was Verlust und Trauer sind. An dem Tag, da ihre Antga für immer die Augen geschlossen hatte. Ihr der Abend nie mehr eine Geschichte zuflüstern würde.

In ihrer letzten Nacht drückte die alte Frau Aura, die spät noch zu ihr geschlichen war, um nach ihr zu sehen, einen Anhänger in die Hand.

"Verwahre ihn gut mein Stern. Niemand darf wissen, dass du ihn hast. Das ist sehr wichtig. Du darfst keinem was von diesem Edelwerk erzählen." Das musste Aura ihrer Antga versprechen und sie hielt es auch.

Vor den Augen aller Anderen verborgen trug sie es an einem Band um den Hals, nahe an ihrem Herzen, unter dem Hemd versteckt. Aura hatte so das Gefühl ihre Antga immer bei sich zu haben. Fühlte sie sich einsam, oder fehlte ihr die alte Frau zu sehr, drückte sie das Schmuckstück gegen ihre Brust, schloss die Augen und wartete bis das Gefühl erlosch.

Vier Monde zählten einen Zyklus und als Marc den Sechzehnten vollendet hatte, war es an der Zeit für ihn einen Beruf zu wählen. Er versuchte sich als Wohnburgbauer, wie sein Vater einer war, was ihm furchtbaren Ärger einbrachte, weil er die falsche Wand aus dem Stein geschlagen hatte. Doch er hatte Glück, denn dem Bauherrn gefiel die Erweiterung des Raumes, weswegen ihm keine ernsten Folgen drohten. Der Beruf des Möbelmachers, wozu er einfach kein Talent besaß, erwies sich nicht als besser. Zuletzt ging er zu einem Wasserwärter. Aber all diese Berufe sagten ihm nicht zu. Sie machten ihm keinen Spaß und es fehlte ihm das nötige Geschick. Betrübt saß der junge Mann in der großen Halle seiner Sippe und die vermeintlich missbilligenden Blicke seines Vaters trafen ihn im Vorübergehen. Kopfschüttelnd ließ er seinen Sohn mit ungutem Gefühl zurück. Die vermutete Abweisung seines Vaters, wenn er erneut mit hängenden Schultern von einem Meister zurückkam, setzte ihm sehr zu.

"Warum wirst du nicht Kartenschreiber?", schlug ihm seine Schwester eines Tages vor, als er sich wieder einmal fragte was aus ihm werden könnte. Sie hatte sich zu ihm an den Tisch in der Halle gesetzt und stützte, die Ellbogen auf der Tischplatte, ihren Kopf mit den Händen unter dem Kinn ab.

"Kartenschreiber?" Marc zog eine Augenbraue hoch. Dieser Gedanke wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

"Ja. Kartenschreiber. Erinnerst du dich nicht mehr wie viel Spaß es dir immer gemacht hat? Du hast als kleiner Junge ganz Wheed gemalt." erwiderte seine Schwester. Begeisterung schwang in ihrer Stimme.

"Sicher erinnere ich mich. Aber als Kartenschreiber muss man sich an Tatsachen halten. Man kann nicht einfach darauf los malen wie man es gerne hätte. Außerdem bin ich kein kleiner Junge mehr." wandte er ein.

"Vielleicht bist du kein kleiner Junge mehr. Vielleicht versuchst du auch nur zu erwachsen zu sein." setzte seine Schwester nach.

Sie hatte ihm eine Idee in den Kopf gepflanzt. Marc fragte sich, warum er diesen Beruf nicht erlernen sollte. Für Handwerk war er anscheinend zu ungeschickt. Warum sollte er es also nicht mit Kopfwerk versuchen. Mehr als eine Ablehnung würde ihm schließlich nicht passieren.

"Ach komm. Versuche es doch." ermunterte ihn Aura. "Weniger als bei den anderen Berufen kann hierbei auch nicht herauskommen." Frech grinste sie ihn an.

"Gut. Ich werde Kurwat Ersol morgen fragen, ob er es mir lernen möchte." Als Sohn einer Handwerk Sippe einen gelehrten Beruf zu ergreifen kam Marc sonderbar vor. Aber vielleicht hatte seine Schwester Recht mit dem was sie sagte. Ihr Vorschlag fing an ihm zu gefallen.

Ich bin mir sicher. Er ist es. Er muss es sein." ließ Tieben Eck in die Runde der Wächter verlauten. Mort Rieger aus Shiebe, Selben Sint von Mhorra, Randag Col aus Soventum, Gilbert Heck aus Corsas und Sam Guldra, Sternendeuter und Berater des Höchsten von Lorent, saßen um den Tisch.

"Was macht dich denn so sicher?", fragte Mort skeptisch. Der alte Mann hatte seine faltigen Hände auf den Tisch abgelegt und sein Gesicht nahm einen ungläubigen Ausdruck an.

"Er ist anders als andere. Er schlägt aus der Art. Anders kann man es nicht beschreiben." versuchte Tieben sie zu überzeugen. Er stand am Ende des Tisches und benutzte aufgeregt seinen ganzen Körper um zu kommunizieren. Selbens Doppelkinn geriet stark ins Vibrieren, als er anfing zu lachen.

"Es gibt immer einen der aus der Art schlägt. Das ist nicht unbedingt ein Anzeichen dafür der Wahre zu sein." warf er immer noch grinsend ein.

"Ich sage euch, er ist es. Er kam in der Nacht des Vielsternzeichens zur Welt, er ist anders als ALLE, die ich beobachtet habe. Schon als Kind war er etwas Besonderes."

"Hast du jemals seine Brust gesehen? Hast du das Zeichen des Sterns auf seiner Haut gesehen?", hielt Selben ihm entgegen.

"Ja. Ich habe auf seiner Brust etwas gesehen. Es sieht nicht so aus wie es beschrieben wird. Doch ER ist der EINZIGE, der überhaupt ein Zeichen hat. Und zwar von allen Kindern auf Wheed. Oder irre ich mich?" Bedeutungsvoll blickte der junge Späher den Alten an.

"Nein du irrst nicht." bestätigte ihm Sam. "Keiner der anderen Jungen, die in Frage kommen, hatte bei der Geburt auch nur einen Punkt an der Stelle des Herzens. Vielleicht hast du Recht und das Zeichen, welches der Hauptsplitter hinterlassen hat, sieht anders aus als bei den anderen Steinen."

Eine heftige Diskussion brach los. Drei der Steine hatten sich bereits ihren Weg gesucht und ihre Träger gefunden, um mit ihnen zu verschmelzen. Alle Jungen trugen ein sternförmiges Mal auf der Brust. Feine Linien beschrieben die Form auf der Haut über ihrem Herzen. Warum also sollte ausgerechnet der, auf den sie Generation um Generation gewartet hatten, ein anderes Zeichen tragen. Man hatte sie ausfindig gemacht und wachte im Geheimen über ihre Entwicklung. Nur der Wahre, den sie seit dem Auftauchen des Vielsternes im Himmel suchten, war unentdeckt geblieben. Die Verdachtsmomente, die sie bis jetzt hatten, wollten sich nicht bestätigten. Keiner der Jungen die sie im Blickfeld behielten, zeigte auch nur den geringsten Ansatz von derlei starker Magie, wie sie der Wahre besitzen sollte.

"Vielleicht kommt es erst im Mannesalter." warf Tieben in die Diskussion, "es wäre doch unlogisch. Ein Kind mit solchen Kräften? Sogar Aravon musste lernen mit seiner Magie umzugehen und er war bereits erwachsen als sich der Splitter mit ihm vereinte."

"Das ist ein tragendes Argument." Die dröhnende Stimme von Gilbert Heck verursachte Schweigen in der Runde. Es gab eine Prophezeiung wann der Wahre geboren wurde, jedoch nicht über die Anfänge seiner Magie. Niemand wusste, wann sich die Macht zeigen würde. Nach einer Weile, in der sie auch die nicht vorhandenen Kräfte der Seelensteinträger ins Gespräch brachten, akzeptierten die Anwesenden diese Theorie. Sie waren sich schließlich einig geworden, dass der Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen war.

"Wir müssen auch noch etwas anderes im Auge behalten." erinnerte Sam. "Die Riege. Sie versammelt sich jetzt zu jedem Mond. Die Zeit der Veränderung, die Offenbarung des Atla Wheed steht kurz bevor. Maximal noch ein Zyklus Zeit den wir haben, wenn überhaupt. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich die Karten verändern und sich zu erkennen geben. Auch wenn die Magier noch sehr jung sind, so wächst ihre Kraft und mit ihr auch das Eigenleben der Karten. Unser größtes Problem wird Gordul werden. Ich glaube nicht, dass er nachlassen wird. Sollte es tatsächlich so weit kommen", Sam machte eine bedeutungsvolle Pause, "dass er die Karten in den Händen hält, wird er versuchen die Macht an sich zu reißen."

"Niemand weiß in welchem Wissensbau die Karten lagern." Randag lehnte sich auf seinem Stuhl zurück "Oder sehe ich das falsch?" Die Arme vor der Brust verschränkt blickte er in die Runde.

"Auch dieses macht die Sache nicht einfacher. Macht ist ein verlockender Gedanke. Nicht nur für die Riege oder die Sternendeuter der Höchsten." Sam musterte die Männer im Raum. "Loyalität, gegenüber der Sache ist in den Reihen derer, welche die Möglichkeit haben diese Macht zu entdecken, nicht selbstverständlich und auch nicht weit verbreitet."

Marc stand vor dem Riesenfels. Auf ganz Ingwas gab es kein massiveres, wuchtigeres, größeres zusammenhängendes Stück Felsen, in welches Wohnburgen geschlagen waren. Daneben befanden sich auch öffentliche Gebäude in der steinernen Wand. Ein Meisterwerk der Baukunst, in dem sich Macht, Prunk und filigranes Handwerk vereinigten. Eines davon war der Wissensbau, in dem alle Schriftsammlungen und Karten der Platte Ingwas und über die anderen Platten aufbewahrt wurden. Regale über Regale, voll mit Wissen von und über Wheed, standen in dem hohen, weiten Raum. Das ein oder andere Werk hatte er sich hier selbst schon ausgeliehen, um über die anderen Platten zu lesen und deren Atlanten zu studieren. Karten hatten Marc schon immer fasziniert. Sich hier Geschichten auszuleihen war unter den Bewohnern Ingwas üblich und so herrschte teils reger Verkehr in der Halle. Marc las gerne in den Kartenwerken und sah sich Städte und Dörfer in den Beschreibungen an, die zum Teil an den Werken hingen. Er kannte Kurwat, den Wächter über die Schriften im Wissensbau und seine Familie gut. Als Kind hatte er mit seinen Söhnen manchmal gespielt. Obwohl diese einige Zyklen älter waren als er, hatten sie immer gerne mitgemacht und überließen den Jüngeren gerne die Rolle von Ewon. Das machte sie zu begehrten Spielkameraden und sie waren gerne in der Schar der Kinder gesehen. Kurwats Söhne erlernten die Kunst der Dichtung. Sie hatten keine Lust in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, um in dem großen Gebäude zu verstauben, wie die Werke die in ihm lagerten. Dieser Besuch aber war etwas anderes. Das spürte er. Hier ging es nicht um das Ausleihen eines Werkes. Hier ginge es um die Wahl. Seine Wahl. Die Wahl, die seine ganze Zukunft, ja sein ganzes Leben beeinflussen würde. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass genau dieser Beruf der seine war. Angespannt drückte Marc die wuchtige Tür auf und trat ein. Augenblicklich kam ihm der vertraute, angenehme Geruch von Rindenpapier und Staub entgegen. Werke hatten einen eigenen Geruch. Jedes roch anders und stieg dem Leser beim Blättern der Seiten in die Nase. Es gab Werke die man nicht mochte, weil ihnen ein ganz eigener Duft anhing. In Andere steckte man seine Nase gerne und sog sie förmlich in sich hinein. Ganz hinten, an der linken Seite, stand ein wuchtiges, aus dunklem, beinahe schwarzem Kanulbaumholz gefertigtes Pult. Vertieft in eine seiner Karten saß der Wächter an dem schweren Möbelstück. Marc fasste sich ein Herz und steuerte zielstrebig auf den Mann zu. So geradlinig ihn seine Füße bis vor das Pult geführt hatten, so unsicher stand er jetzt davor. Es dauerte einige Augenblicke, ehe Kurwat, der ihn sehr wohl bemerkt hatte, aufblickte und ihn freundlich ansah. Es war dem Jungen an der Nasenspitze anzusehen, dass der Grund seines heutigen Besuches ein anderer war, als ein Buch auszuleihen.

"Na? Marc? Möchtest du dir ein Werk ausleihen?", fragte er dennoch gewohnheitsmäßig nach. Der grauhaarige Mann der verschmitzt über den Rand seiner eckigen Brille lugte machte ein freundliches Gesicht.

"Nein. Dieses Mal nicht. Ich ähm… Ich wollte fragen ob ich bei dir das Kartenschreiben lernen kann."

Kurwat musterte den angespannt vor ihm stehenden jungen Mann, der nervös mit seinen Fingern spielte und erhob sich aus seiner Sitzgelegenheit. Er kam um das wuchtige Pult herum. Ein unbehagliches Gefühl stieg in Marc hoch, als der Wissensbauwächter langsam um ihn herum schritt, ihn umkreiste wie ein Hachtvogel auf Beutezug seine Kreise zog. Kurwat blieb plötzlich direkt vor ihm stehen.

"Zeige mir einmal deine Hände, Marc Gerson." forderte er und sein Kopf nickte zum Takt seiner Worte. Marc strecke ihm gehorsam seine Hände entgegen, die der Mann in die seinen nahm, sie betrachtete und von einer Seite auf die andere wendete.

"Ich sehe du hast dich schon in Verschiedenem versucht?", sagte Kurwat mehr feststellend als fragend. Er sah die frischen, zum Teil bereits verheilten Blessuren auf der zarten Haut des Jungen.

"Ja. Das habe ich." antwortete Marc wahrheitsgetreu.

"Aber es war nicht das Richtige für dich?"

"Nein. Es war nicht das Richtige." In Marc stieg ein ungewisses Gefühl hoch. Würde er ihn nicht nehmen, weil er schon in anderen Berufen versagt hatte? Er konnte den Gesichtsausdruck seines Gegenübers nicht deuten. Kurwat machte eine lange Pause, in der er Marcs Hände immer noch begutachtete.

"Mit diesen Händen, kann sein", er ließ die Hände wieder los und sah ihm direkt in die Augen, "dass du Karten schreiben lernen kannst. Doch brauchst du nicht nur die Hände dazu. Es muss auch der richtige Kopf auf deinen Schultern sitzen!" Er drückte bei den letzten Worten sanft mit dem Zeigefinger gegen die Stirn des Jungen. "Sage mir Marc Gerson, der du aus einer Familie kommst in der bisher jeder Mann ein hartes Handwerk erlernt hat, sitzt der Kopf auf deinen Schultern, der zu deiner Hände Beruf passt?"

Marc war etwas verwirrt über die Ausdrucksweise doch er verstand was Kurwat meinte. In einigen Werken aus dem Wissensbau wurde diese Art von Ausdruck oft verwendet und so hatte er gelernt ihn zu deuten.

"Ich weiß es nicht Meister, aber ich hoffe es, denn es ist mein Wunsch das Kartenschreiben zu erlernen." Tausend Gedanken kamen dem Jungen in den Kopf und er hoffte alles richtig zu machen. Schließlich erlöste Kurwat seinen Bittsteller.

"Gut. Dann komme morgen vor dem Hochstand der ersten Sonne mit deinem Vater wieder her. Wir werden reden, über das was aus dir werden wird." Er setzte sich wieder hinter sein Pult und arbeitete weiter, ohne noch einmal auf ihn zu achten. Marc drehte sich um und ging aus dem Wissensbau. Wenn er vorhin gedacht hatte, das erste Vorsprechen mit einem Lernmeister wäre schwierig, wie viel schwerer würde das Gespräch erst mit seinem Vater sein wenn er gestand, dass er kein hartes Handwerk erlernen wollte?

Es stimmte was Kurwat gesagt hatte. Aus seiner Familie waren ausschließlich hart arbeitende Handwerker hervorgegangen. Der einzige Beruf der nicht ganz so hart war und von seiner Sippe allerdings nur ein einziges Mal vertreten wurde, war der des Baumwaldpflegers.

Mögen die Himmel mir beistehen bei meiner Rede mit meinem Vater dachte er als er den Heimweg antrat.

Marcs Vater war kein besonders strenger Mann jedoch achtete er sehr auf Familientradition und duldete so gut wie keine Widerrede, wenn es um wichtige und schwerwiegende Entscheidungen ging. Die Berufswahl seines Sohnes stellte so eine schwerwiegende Entscheidung eindeutig dar. Die Zeit der Wahl für Marc war schon angebrochen und Gerson hatte verzweifelt versucht seinen Sohn in die Künste verschiedener Handwerke einzuführen. Bisher schien es nicht so, als wäre der Junge für irgendeinen Beruf geeignet. Ihm fehlte einfach das Talent und Marcs Vater war etwas mehr angespannt als sonst, wenn er nach Hause kam. Er machte sich Sorgen um die Zukunft seines Sohnes.

Deshalb beschloss Marc auf einen günstigen Augenblick zu warten. Bis sich sein Vater nach seinem schweren Arbeitstag entspannt hätte und seine Laune, die in den letzten Wochen grundsätzlich schlecht zu sein schien, sich etwas besser wäre. Er ließ das Familienoberhaupt nicht eine Sekunde aus den Augen, um auch ja den richtigen Moment abzupassen, in dem er mit seiner Bitte vor ihn treten konnte. Doch dieser Moment kam nicht. Nicht als sein Vater gegessen hatte, nicht als er sich auf seinen großen Sessel setzte, um zu lesen und auch nicht, als er mit dem Werk seines Interesses in der Hand und der großglasigen Brille, die immer noch auf seiner Nase saß, eingeschlafen war.

Innerlich aufgewühlt von seinem Vorhaben, setzte sich Marc auf die Stufen vor der Wohnburg und Aura folgte ihm. Seine Schwester stieß ihn mit dem Ellenbogen leicht in die Seite, als sie neben ihm Platz genommen hatte.

"Hey, was ist los mit dir?", fragte sie besorgt.

"Ich war heute im Wissensbau." Marcs Gesicht spiegelte seinen unglücklichen Zustand wider.

"Und?"

"Ich war bei Kurwat."

"UND?" Auras Stimme wurde energisch.

"Wir haben uns unterhalten."

"Meine Güte! Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!", zischte sie ihn ungehalten an. Sie mochte die verstockte Art nicht, die er an den Tag legte, wenn etwas im Ungewissen lag.

"Er will, dass ich mit Vater morgen noch vor dem Hochstand der ersten Sonne zu ihm gehe." Fragend sah Aura ihn an. "Um zu besprechen was aus mir wird." setzte Marc nach.

"Ja aber das ist doch großartig!", freute sie sich. "Das heißt ja wohl, dass Kurwat dich als Lerner nehmen würde oder nicht?"

"Ja, das heißt es wohl." Marc ließ den Kopf auf seine Hände sinken die er über die Knie gelegt hatte. "Nur kann ich mir auch denken was Vater von diesem Beruf halten wird."

"Ich glaube nicht, dass er etwas dagegen hat. Sieh mal, du hast dich bei den anderen Berufen so tollpatschig angestellt, die hätten dich nicht einmal behalten, wenn du sie dafür bezahlt hättest." zog Aura ihn auf.

"Was soll das denn jetzt wieder heißen? Glaubst du ich bin dumm?" Marc, der ein bisschen gekränkt war, weil seine Schwester so mit ihm redete, sah sie herausfordernd an. Wenn sie mit dieser Aussage einen Streit heraufbeschwören wollte, dann könnte sie ihn haben.

"Nein. Natürlich nicht." wehrte sie ab. "Ich meine nur dass du einfach nicht für diese Art von Arbeit geschaffen bist. Das hat Vater bestimmt auch bemerkt. Es fällt nun mal auf wenn plötzlich eine ganze Wand nicht da ist wo sie eigentlich hingehört und der Sessel den du machen solltest, na ich weiß nicht. Wer immer darin Platz nimmt muss Angst haben nie wieder daraus hoch zu kommen." Bei dem Gedanken an die furchtbare Anordnung der Hölzer, die er fabriziert hatte, musste Marc selber grinsen. Es wäre wahrscheinlicher gewesen den Stuhl als Falle für irgendein Tier zu nutzen, als eine Sitzgelegenheit darin zu erkennen.

"Dafür, dass du beim Wasserwärter öfter im Wasser warst als der Schwimmbaum selbst, kannst du wahrscheinlich nicht einmal etwas. Wer weiß schon wie oft so ein Wasserwärter in den See fallen muss bis er oben bleibt." Aura und Marc lachten. So gesehen war es schon wieder lustig, was ihm alles passiert war.

"Ich hoffe wirklich Vater hat nichts dagegen. Ich meine mit dem lernen des Kartenschreibers." Das Lachen der Beiden war verstummt. "Schließlich schlage ich mit diesem Wunsch komplett aus der Sippe."

"Na dann. Auf und los! Geh zu ihm und frage ihn einfach. Mehr als nein kann er ja nicht sagen.", ermutigte sie ihn.

"Das stimmt allerdings. Mehr als nein kann ich nicht sagen." Die tiefe, kräftige Stimme des großen Mannes ließ beide hochschrecken.

Sie hatten nicht bemerkt wie er hinter sie getreten war und ein Stückchen im Eingang verborgen, die letzten Sätze des Gespräches mitgehört hatte.

Seine Frau Ilke hatte ihm gesagt, nein, gedrängt mit seinem Sohn zu reden. "Bemerkst du nicht wie der Junge sich quält? Er will schon die ganze Zeit etwas loswerden."

Nein, er hatte es nicht bemerkt. Er war einfach nur müde gewesen und wollte seine Ruhe. Wenigstens für eine Weile.

"Aura?", sie blickte ihren Vater an, "lässt du uns bitte alleine?"

"Ja Vater." Gehorsam stand sie auf und ging in die Wohnburg zurück.

Marcs Vater setzte sich neben ihn auf die Stufen und sah für einen Moment zu wie die zweite Sonne mit einem kräftigen Purpur hinter der Platte versank.

"Du möchtest also Kartenschreiber werden." begann er das Gespräch. "Habe ich das richtig verstanden?"

"Ja Vater. Das möchte ich." gestand Marc. Er wagte nicht ihm in die Augen zu sehen. Betreten hatte er den Kopf gesenkt und wartete auf das niederschmetternde Urteil seines Vormundes.

"Warum möchtest du das denn werden?", setzte die tiefe Stimme fort.

"Weil ich glaube, das ich es gut kann. Und ich glaube, es würde mich glücklich machen, weil ich immer schon gerne Karten geschrieben habe." versuchte er seine Entscheidung zu begründen.

"Du hast bei Kurwat heute dein erstes Vorsprechen gehabt?", der Mann strich sich mit dem Daumen über die gerunzelte Stirn.

"Ja Vater."

"Ohne vorher mit mir zu sprechen und ohne mich ich bei Kurwat die Bitt stellen zu lassen, wie es üblich ist?"

Marcs Hoffnung löste sich gerade in Luft auf. Er wusste, dass man nicht machte was nicht üblich war. Sicher hatte er seinen Vater damit gekränkt ihn nicht vorher in seine Pläne einzuweihen. Irgendwie musste er das Blatt wieder wenden.

"Ja Vater aber ich…"

"Schweig." befahl er dem Jungen. "Ich bin stolz auf dich." Der fragende Blick seines Sohnes forderte eine Erklärung. "Ich bin so stolz, weil du für dich alleine eingestanden bist. Ich bin Stolz, dass du deine Wahl endlich getroffen hast. Und deshalb gehe ich morgen mit dir zu Kurwat Ersol, dem Wächter des Wissensbaus und wir werden reden, über das was aus dir wird." und er stand auf und ging hinein.

Er wollte sich noch eine Weile mit seinem Werk beschäftigen und blätterte darin herum. In seinem Kopf aber waren andere Gedanken. Sein Sohn hatte etwas gefunden, was er wirklich wollte. Gerson erinnerte sich an seine eigene Wahl, als er den sechzehnten Zyklus vollendet hatte. Die Erkenntnis, Marc lieber als Handwerker zu sehen und nicht als Kopfwerker, erschreckte ihn ein bisschen. Sein Vater wollte einen Schiffer aus ihm machen und es gab viel Streit. So manches Wortgefecht wurde ausgetragen und er suchte sich letzten Endes, ohne die Zustimmung seines Vormundes, eine Stelle. Es war nicht einfach für ihn gewesen einen Meister zu finden, der ihn trotz des Widerstandes seines Vaters nahm. Deshalb hatte er sich immer geschworen nicht so zu sein.

Marc blieb noch eine Weile auf den Stufen sitzen. Er war glücklich. Sein Vater war stolz auf ihn. Das war etwas, was die Bewohner von Ingwas ausmachte. Die Söhne machten ihre Väter stolz und er durfte Kartenschreiber werden. Er wäre der erste Kartenschreiber in der langen Linie der Gerson Sippe.

In dieser Nacht hatte Marc verworrene Träume über Wege und Stege auf den Platten und sein Geist zeichnete Karten die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, die nirgends verzeichnet waren und die man in keinem Werk auf ganz Wheed finden konnte. Zumindest in keinem Werk das er je gelesen hatte.

Sein Vater hatte Wort gehalten und war mit ihm am nächsten Tag zum Riesenfels gegangen. Kurwat hatte schon auf sie gewartet und während sie einen heißen Becher Büntjelfruchtwasser tranken besprachen sie, was aus Marc werden sollte.

"Kartenschreiber möchte er werden." sagte sein Vater.

"Und findet das auch deine Gutrede, Gerson?" Kurwat hatte nicht wirklich damit gerechnet Marc mit seinem Vater an diesem Tag zu sehen. Er hatte Bedenken gehabt.

"Ja, das findet auch meine Gutrede." Sich der Bedeutung seiner Aussage sicher, sah Marcs Vater dem Wissenswächter fest in die Augen.

"Bisher wart ihr immer für hartes Handwerk bekannt. Besser als alle anderen, so war die Rede unter den Sippen. Und jetzt soll dein Sohn Lerner sein für Kopfwerk?" Kurwat zögerte noch immer. Er wusste im innersten seiner selbst, dass Marc den richtigen Beruf für sich gewählt hatte. Allerdings gab es eine Redensart über den Zusammenhang der Sippe mit den Berufen, die ihre Mitglieder ergriffen.

Der Kreis ist so stark, dass ihn ein einzelner nicht zu brechen vermag.

"Meister Kurwat, nur weil die Hand gut erschafft heißt das doch nicht, dass der Kopf leer sein muss."

Genau das bedeutete der Kreis. Entweder war man ein Handwerker oder Kopfwerker. Der Wächter der geschriebenen Werke lächelte verschmitzt.

"Gut geredet. Nun sage mir, Marc Gerson, was du für ein Schreiber sein willst. Einer der Maren schreibt, Phantasiegebilde und Sagen zusammenträgt oder vielleicht ein Wortgleicher?"

"Nein Meister Kurwat. Ich möchte Kartenschreiber sein. Schreiber über die Platten und die Himmel, die Sonnen und den Doppelmond und die Sterne und deren Bilder."

"Gut Marc. So dich dein Vater lässt, so lasse auch ich dich Lerner des Schreibens über die Karten und die Himmel werden. Stelle dir das aber nicht zu einfach vor. Es ist viel zu lernen. Viel zu entdecken und viel zu schreiben. Als Erstes kommen die Platten, dann die Wasser und dann erst die Himmel. Alles braucht seine Zeit und seine Prüfungen. Morgen, wenn die erste Sonne voll zu sehen ist, erwarte ich dich hier zu deinem ersten Tag."

Marc war überglücklich und freudestrahlend erzählte er, wieder zu hause, die Neuigkeiten seiner Mutter und Aura.

"Schade, dass ich nicht Kartenschreiber werden kann." seufzte seine Schwester.

"Du hast aber doch viele andere Talente. Keine kann wie du das Essen verwürzen." juxte er.

"Ach, du verstehst das nicht. Mädchen können nicht so viel werden wie Jungs." Sie bedauerte den Umstand kein Junge zu sein aber nicht ernsthaft.

"Werde doch Kleiderin", wandte ihre Mutter ein, "das kannst du doch gut und bisher hat es dir auch immer Freude gemacht. Und irgendwann wirst du ja auch einen Mann finden."

"Mutter!", entfuhr es ihr. Ilke sah ihre Tochter mit einem schelmischen Grinsen an, während sie die Laken faltete und zwinkerte ihr zu. Aura begriff, dass sie nur aufgezogen wurde.

"Es gefällt mir schon Kleider zu machen. Aber ich würde meine Nase auch lieber in Werke stecken, oder eine Reise über die Platten machen, als mir in die Finger zu nadeln." sagte sie. "Und ich würde mir lieber in die Finger nadeln, als einen Mann zu suchen." fügte sie verschmitzt, den Blick auf ihre Mutter gerichtet, hinzu.

"Schwesterchen, du hast noch fünf Monde vor dir, bevor du dich entscheiden musst. Das ist eine lange Zeit um zu überlegen was für dich das Richtige ist. Und eine lange Zeit, um deine Nase noch in genug Werke zu stecken, auch wenn ich mir fast sicher bin es gibt kein einziges Werk über Magier und die siebente Platte, das du noch nicht gelesen hast."

"Ja, du hast Recht. Das ist mehr als ein Zyklus. Vielleicht finde ich ja bis dahin das Richtige für mich. Zur Not werde ich einfach Alt, dann muss ich mich nicht mehr entscheiden und erzähle den Kindern alle Geschichten und Märchen die ich je gelesen habe. So wie unsere Antga es immer getan hat." und sie streckte ihm die Zunge heraus.

Die Atlanten von Wheed

Подняться наверх