Читать книгу Das Buch - Geneviére Paris - Страница 4
Оглавление1. Kapitel
„11.03.1992
Liebste Elisa,
heute, genau eine Woche nach deiner Geburt kam eine Frau vom Jugendamt. Sie erzählte mir, dass ich es nicht schaffen würde, dich vernünftig zu versorgen. Ich wäre zu jung, habe weder Freunde noch Familie, die mir helfen können. Sie haben sogar schon eine Familie für dich gefunden. Nette Leute laut ihrer Aussage. Für dich wünsche ich mir so sehr, dass es stimmt. Auch wenn gerade mein Herz zerbricht. Gut, ich bin erst 16 und lebe in einem Wohnheim, habe keinen Kontakt zu Mutter und Vater. Und auch mein Freund, dein Vater, ist nicht mehr bei mir. Schon seit dem Tag, an dem ich ihm sagte, dass du unterwegs bist. Daher wollte ich Hilfe vom Jugendamt. Hoffte darauf, dass ich dich behalten darf. Doch nein, ein reiches Paar, das keine Kinder bekommen kann, wird dich zu sich nehmen. Das haben eine Frau vom Jugendamt und mein Heimleiter einfach so hinter meinem Rücken beschlossen. Ich wurde dazu weder gefragt, noch darf ich jetzt etwas dazu sagen. Diese Entscheidung teilte man mir einfach so mit. Mir geht es jetzt gerade zum Heulen, auch wenn mir klar ist, dass diese beiden Menschen dir jeden Wunsch erfüllen können. Doch werden sie dich genauso lieben, wie ich es tue? Wirst du ein besseres Leben führen, als ich es hatte? Ich werde dich natürlich nicht zur Adoption freigeben. Oh nein, du sollst immer wissen, dass ich da bin und sobald du alt genug bist, kannst du mich treffen. Gestern Abend noch hielt ich dich auf meinem Arm, dachte wir würden in einigen Tagen gemeinsam hier aus dem Krankenhaus raus gehen. Uns ein Zuhause aufbauen. Doch nein, in zwei Tagen gehe ich alleine in mein Zimmer zurück, während du von Fremden abgeholt werden wirst. Mir kommen Zweifel, ob ich dich jemals wiedersehen werde. Ich darf mich ja nicht einmal von dir verabschieden. Ach meine Kleine, ich wünsche mir wirklich, dass das die richtige Entscheidung ist.
Deine Mama!
„13.03.1992
Mein liebstes Töchterchen!
Soeben habe ich mein Zimmer betreten. Mit den anderen hier aus dem Heim konnte und wollte ich nicht reden. Keiner von denen steht mir nahe genug, als dass ich jemandem sagen könnte, wie es mir gerade geht. Und dem Heimleiter vertraue ich auch nicht mehr. Er hat so viele Dinge über mich gesagt. Er ist Schuld daran, dass ich nicht einmal eine Chance bekomme. Unzuverlässig hat er mich genannt. Unstet in meinem ganzen Leben. Noch zu kindlich in meinem Handeln. Aber gerade deshalb wollte ich doch die Hilfe. Ich wollte lernen, wie ich dich richtig versorge. Und jetzt bin ich hier alleine in meinem Zimmer und höre das Tuscheln der anderen auf dem Gang. Sie wollen mich verletzen, wissen bestimmt schon, was passiert ist. Hier bleibt nichts geheim. Irgendeine oder einer erfährt es immer und sobald es einer weiß, erfährt es die ganze Gruppe. Morgen soll ich mit der Hauspsychologin sprechen. Doch ich möchte nicht. Ich möchte einfach nur in Ruhe an dich denken und mir vorstellen, wie es wäre, dich bei mir zu haben.
Deine Mama!“
„14.03.1992
Hallo mein kleiner Liebling!
Heute hatte ich das erste Gespräch mit der Heimpsychologin. Ein Zweitgespräch wird es nicht geben. In der Stunde, die wir miteinander gesprochen haben, hat sie mir einfach zu oft betont, dass sich die Krömers viel besser um dich kümmern können, als ich. Das weiß ich. Zumindest verstandsmäßig. Aber vom Gefühl her, will ich dich einfach bei mir haben. Warum verstehen mich die Erwachsenen hier nur nicht? Die sagen, dass ich selber noch zu jung bin. Doch woher wollen sie das wissen? Keiner von denen gab sich die Mühe, mich wirklich kennen zu lernen. Sie sehen nur das Mädchen, das hier in dem Heim gelandet ist, weil sie sich nicht anpassen kann. Warum ich keine Lust habe, mich anzupassen, weiß keiner. Und es will auch keiner wissen. Das hier ist nur eine Verwahrstelle für junge Menschen, die keiner haben will. Dabei wurde diese Heimeinrichtung als familiär bezeichnet. Aber das hier ist genauso viel „Familie“ wie das, vor dem die meisten hier geflohen sind. Ach Elisa, vielleicht ist es wirklich besser, dass du diese Einrichtung nicht erleben musst. Nein, ganz sicher ist es besser für dich, nicht hier zu sein.
Deine Mama“
„15.10.1992
Liebste Elisa,
heute habe ich endlich deine Pflegeeltern kennengelernt. Sie scheinen wirklich sehr nett und herzlich zu sein. Ich habe jetzt ein Foto von dir, das steht nun auf meinem Schreibtisch. Ohne dass ich fragen musste hat deine Pflegemutter mir das Bild rüber geschoben. Und so viel von dir erzählt haben die Beiden. Mein Herz wurde schwer, weil ich all das nicht mit dir zusammen erleben kann. Aber ich freue mich, weil du es wirklich gut hast. Du strahlst auf dem Foto richtig. Hoffentlich bleibt es auch so. sie würden dich gerne adoptieren. Doch das kann ich einfach nicht. Du bist doch mein Kind, auch wenn du bei denen aufwächst. Du sollst meinen Namen tragen, daher bin ich froh, dass ich dir schon einen Namen gegeben hatte, bevor du zu ihnen gekommen bist. Auch wenn ich ihren Wunsch verstehen kann, dass sie dich ganz für sich wollen. Seit 7 Monaten lebst du nun bei ihnen, bist wie ihr Kind, auch wenn ich dich unter meinem Herzen getragen habe. Es wurde davon gesprochen, dass ich dich vielleicht bald sehen darf. Ob ich das durchstehe, dich auf meinem Arm halten zu dürfen, eine Stunde lang und dich dann loslassen zu müssen, dich mit denen gehen lassen zu müssen. Der Mann vom Jugendamt, der uns jetzt betreut ist freundlich, nachdem deine Pflegeeltern weg waren, haben wir uns noch unterhalten. Ich habe geweint, doch das erste Mal habe ich mich einem Fremden gegenüber nicht für meine Tränen geschämt. Wohl auch, weil er meine zwiespältigen Gefühle verstehen kann. Er macht diesen Job schon einige Jahre und kennt die Reaktionen von Müttern, denen die Kinder entrissen wurden. Auch wenn er eher auf der Seite der Pflegeeltern steht. Warum sonst wohl sollte er bei jedem Gespräch versuchen, mich dazu zu überreden, dass ich dich zur Adoption freigebe? Aber darauf kann er sehr lange warten, ich kann dich nicht vollständig hergeben.
Deine Mama!“