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Vorwort

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Die nachstehende Übersetzung hat sich die Aufgabe gestellt, das weitaus bedeutendste Werk altenglischer Dichtkunst mit möglichst treuer Bewahrung des Geistes und der Form des Originals auch dem deutschen Leser zugänglich zu machen. Ein solches Unternehmen sollte keiner Entschuldigung bedürfen. Dennoch ist der Übersetzer nicht ohne Scheu an die Veröffentlichung seiner Arbeit gegangen, nachdem er sie die vollen neun kanonischen Jahre in seinem Pult bewahrt hatte.

Den Grund der Scheu versteht Jeder, der Chaucers komische Erzählungen kennt.

Aber die Erwägung siegte, dass ohne sein Dazwischentreten nicht nur unserm Volke die Freude an den urkräftigen Schöpfungen eines Originalgenies, sondern auch den Geschichtsfreunden eine der reichsten Fundgruben für das mittelalterliche Kulturleben wahrscheinlich noch lange versagt und verschlossen bleiben würde. Denn das Studium des Altenglischen kann nie auf weite Verbreitung rechnen, und unter den Forschern ist es nicht Jedem gegeben, solche Versmaßen mit Lust und Ausdauer zu bewältigen.

Zwar bin ich auf den Vorwurf ernster und wohlmeinender Männer gefasst, dass ich das Atys-Messer nicht oft und scharf genug eingesetzt habe. Aber wenn sie die in der Einleitung gegebene Charakteristik der Chaucerschen Poesie als richtig anerkennen, so werden sie zugeben müssen, dass eine Ausgabe seiner Werke in usum Delphini eine Unmöglichkeit ist. Eine Verstümmelung in dieser Richtung wäre ein Mord.

Dennoch wird man an einigen wenigen Stellen Verslücken, an andern leise Abweichungen vom Original finden. Man zeihe mich deswegen nicht der Inkonsequenz. Ich habe die Grenzen des für uns Möglichen scharf ins Auge gefasst und, wie ich glaube, ohne Abweichung eingehalten.

Unser Hochdeutsch ist als Schriftsprache entstanden und daher von Anfang an decent gewesen. Nur allmählich hat es volkstümliche Elemente in sich aufgenommen und kann bis auf einen bestimmten Grad selbst naiv sein. Aber diese Elemente sind ihm immer durch Vermittlung der höheren und feineren Gesellschaftsschichten zugeflossen und durch diese filtriert. Daher kennt es für gewisse Dinge und Handlungen nur den verblümten Ausdruck. Ein eigentlicher hat sich nur in der Terminologie derjenigen Wissenschaften herausgebildet, die ihn nicht entbehren konnten. Ihn von dort, aus dem pedantischen Ernst medizinischer Kompendien oder juristischer Akten für die Poesie zu entlehnen, wäre absurd, das heißt, lächerlich genug, aber nicht komisch. Die populären Bezeichnungen dagegen sind nur noch in den tief gesunkenen Volksmundarten lebendig. In unser decentes Hochdeutsch herübergezogen, erscheinen sie plump und unflätig, aber wiederum nicht naiv. Die Übersetzung würde daher in keinem Fall einen dem Original analogen Eindruck gemacht haben. So habe ich denn getan, was unter diesen Umständen geboten war: wo die Tatsache ein wesentliches Element der Fabel bildete, hab' ich sie umschrieben; wo nicht, den betreffenden Vers ausgelassen – und beides nur wo sexuelle Verhältnisse ins Spiel kamen, – so dass ich nicht den Vorwurf der Prüderie fürchte.

Die beiden prosaischen Stücke, die »Erzählung von Meliboeus« und den »Traktat des Pfarrers« in ganzer Ausdehnung wiederzugeben, lag nicht im Plan dieser Sammlung. Es würde auch damit keinem deutschen Leser gedient gewesen sein, wie aus dem Auszug des ersteren Stücks und aus den Anmerkungen zu beiden genugsam erhellen wird.

Die Einleitung wurde ihren Grundzügen nach schon früher in einem für andere Zwecke veranstalteten Auszuge veröffentlicht (in Prutz's Deutsch. Mus. 1856, Nr. 7 u. 8). Sie hat seitdem unter dem Fortschritt der Studien des Verfassers mannigfache Umarbeitungen und Erweiterungen erfahren. Ich hätte gewünscht, mich namentlich in der Biographie Chaucer's kürzer fassen zu können. Das war aber bei der Lage der Vorarbeiten unmöglich. Allerdings ist auf die phantastischen Romane, die, von Urry bis Godwin stets weiter ausgesponnen, sich unter dem Titel von Chaucer's Leben in alle Literaturgeschichten eingenistet haben, bereits eine ernüchternde Reaktion gefolgt. Sir H. Nicolas hat in seinem, der Pickering-Edition vorgedruckten Life of Chaucer eine überaus specielle, zuverlässige und dringend nothwendig gewordene Kompilation aller beglaubigten Dokumente, Chaucer betreffend, zusammengestellt, so viel deren sein unermüdlicher Sammelfleiß in den wunderbar reichen Archiven Englands ermitteln konnte. Auf diese fußt Pauli's anmuthige Skizze (Bilder aus Altengland, VII, S. 174). Aber Sir H. Nicolas' Skepsis ist so unerbittlich, daß er es nur mit verbrieften Thatsachen zu thun haben will, und jede, auch durchaus strikte und logische Folgerung aus den Thatsachen verdächtig ansieht oder ganz zur Seite schiebt. So hat seine Darstellung nichts Konstruktives; er liefert nur Bausteine, ohne selbst aufzubauen.

Dem Übersetzer lag daher die Pflicht ob, die erste zugleich kritisch begründete und mit der schriftstellerischen Würdigung des Dichters in organische Verbindung gesetzte Biographie Chaucers zu geben. Dabei konnten Digressionen nicht vermieden werden, teils um den Boden von alt aufgehäuftem Schutt zu reinigen, teils um die Tatsachen in dasjenige Licht zu stellen, durch welches ihre Bedeutung sowohl für Chaucers eigenes Leben, wie für die Stellung, welche der Dichter in der Entwickelungsgeschichte seiner Nation einnimmt, klarer hervorträte.

Über die Ausgaben und sonstigen Hilfsmittel, welche bei dieser Arbeit benutzt sind, geben die Einleitung und die Anmerkungen vollständige Auskunft.

In den letzteren habe ich mich auf das zum Verständnis der besprochenen Stellen notwendige Material zu beschränken gesucht, jede Polemik daher vermieden, wo sie nicht dazu diente, durch scharfe Erfassung des Streitpunktes das Ergebnis selber klarer und sicherer hinzustellen.

Von sprachlicher Kritik, die natürlich der Übersetzung vorausgegangen sein muss, habe ich mich, des nächsten Zweckes dieser Arbeit eingedenk, in den Anmerkungen prinzipiell fern gehalten. Doch gestehe ich, ein paarmal diesem Prinzip untreu geworden zu sein, – wo nämlich stumpfsinniges Verkennen handgreiflicher Wahrheiten die Miene vornehmen Dünkels annahm. In solchen Fällen wird man es verzeihlich finden, wenn der Ärger einmal stärker war als der Vorsatz.

Die Varianten beziehen sich auf Tyrwhitts Text (Ausg. 1852), dem die Übersetzung im Allgemeinen folgt. Wie viel die Anmerkungen diesem fleißigen und verständigen Erklärer verdanken, wird jedem Kenner ohne weiteres klar sein. Das Verdienst des Mannes, der vor hundert Jahren an das schwierige Werk der Textesläuterung ging, ohne sich auf eine nennenswerte Vorarbeit stützen zu können, sollte ihm nicht in der Weise geschmälert werden, wie es von Wright (Anecd. Liter. 5.23, und wiederholt in seiner Ausgabe, S. XXXIV) geschehen ist. Bei aller Anerkennung der großen Verdienste, welche der letztgenannte Gelehrte für die Förderung der angelsächsischen sowohl, wie der altenglischen Literatur sich erworben hat, lässt sich doch der Wunsch nicht unterdrücken, dass seine Ausgabe der Canterbury-Tales dieselben Fortschritte der Tyrwhittschen gegenüber gemacht haben möchte, wie Tyrwhitt gegen seinen nächsten Vorgänger Urry (1729). Aber wenn es wahr sein mag, dass man bei Tyrwhitt nur wenige Verse liest, wie Chaucer sie selbst geschrieben hat (Wright a. a. O.), so ist es sicher ebenso wahr, dass man bei Wright ein gutes Drittel der Verse überhaupt gar nicht lesen kann. Hätte Wright den Cod. Harlejanus nur genau und ohne alle Änderung abdrucken lassen, so hätte man wenigstens in seiner Ausgabe eine sichere handschriftliche Basis. Aber leider sagt er (S. XXXVI), dass er da Änderungen gemacht habe, wo sie »absolut notwendig gewesen seien«. Aber ein Blick auf jede beliebige Seite des Buches lehrt, dass dies nicht wahr ist – und so verliert die Ausgabe selbst den bescheidenen Werth eines korrekten Textabdruckes.

Über meine Vorgänger auf dem Gebiet der Übersetzung kommt mir nur ein bedingtes Urteil zu. Kannegießer hat eine Auswahl aus den Canterbury-Geschichten in der Zwickauer Taschenbibliothek auswärtiger Klassiker veröffentlicht (2 Bdchen. 1827). Fiedlers Übersetzung (Dessau 1844) bricht bei Vers 5560 ab. Ue

Übertragungsproben von Fr. Jacob, die in einigen Lübecker Programmen erschienen sein sollen, sind mir nicht zu Gesicht gekommen. Wie Wright von Tyrwhitt, so behauptet Fiedler von Kannegießer, dass er sehr wenig vom Altenglischen verstanden habe. Fruchtbarer als solche allgemeinen Beschuldigungen wäre es immer noch bei dem jetzigen Stande dieser Studien, wenn Jeder von seinem Vorarbeiter so viel als möglich zu lernen suchte, sei es durch Aneignung seiner Resultate, oder durch Widerlegung seiner Irrtümer. In diesem Sinne habe ich sowohl Wright als Fiedler für Einleitung und Anmerkungen benutzt, natürlich mit steter Angabe meiner Quelle. Von den Übersetzungen meiner Vorgänger ähnlichen Gebrauch zu machen, fühlte ich mich nicht versucht, wenn ich mich überhaupt dazu berechtigt gehalten hätte. Eine poetische Übersetzung, wenn auch nur eine Kopie, soll doch ein Kunstwerk und somit aus einem Guss und Geist geschaffen sein. Fremde Federn, wenn auch noch so bunt, passen nicht zu den meinen.

Hertzberg.

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