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Erzherzogin Margarete von Österreich, Herzoginwitwe von Savoyen

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Als Margarete zwei Monate später nach Mecheln zurückkehrte, organisierte sie als Erstes eine feierliche Totenmesse für ihren verstorbenen Bruder in der Mechelner Kathedrale St. Rumold. Bei dieser Gelegenheit trat Karl das erste Mal öffentlich als Nachfolger seines Vaters in Erscheinung. Doch bevor die Messe gehalten wurde, entnahm Margarete aus der Bibliothek der Herzöge von Burgund eine prachtvoll illuminierte Handschrift – ein Gebetbuch mit einem Einband aus schwarzem Samt, auf dem das Wappen Karls des Kühnen prangte – und machte das Buch dem jungen Namensvetter des Vorbesitzers zum Geschenk, zweifellos, damit dieser es während der Totenmesse verwenden sollte. Das Arrangement sah ferner vor, dass Karl eine feierliche Prozession anführte, und zwar »auf einem kleinen Pferd reitend« und »zu beiden Seiten von den Bogenschützen seiner Leibwache eskortiert«. Nach der Messe rief der Oberherold aus: »Lang lebe Karl, von Gottes Gnaden Erzherzog von Österreich und Infant von Spanien!« Aufgabe der anderen anwesenden Herolde war es dann, reihum Karls zahlreiche andere Titel auszurufen – Herzog von Brabant, Graf von Flandern und so weiter –, wonach Karl das »Schwert der Gerechtigkeit« überreicht wurde, das er »mit seinen kleinen Händchen fest umgreifend senkrecht hielt mit der Spitze nach oben und damit zum Altar schritt«, wo er kurz im Gebet verharrte, bevor er die Prozession zurück zum Palast führte. Dort »nahm der edle junge Prinz zum ersten Mal einen Ritterschlag vor« und führte so allen seinen neu gewonnenen Status vor Augen. Der detaillierte Bericht über Karls ersten öffentlichen Auftritt als Herrscher, den Margaretes offizieller Chronist Jean Lemaire des Belges verfasst hat, endet mit einem frommen Wunsch: »Gebe Gott, dass er fortan so viel zur Verteidigung der Christenheit und ihrer Länder tun wird wie einst Karl der Große!«41

Die Ereignisse des folgenden Tages jedoch brachten unbarmherzig ans Licht, wie hohl und eitel derlei vollmundige Visionen tatsächlich waren. Margarete hatte angeordnet, dass die Generalstaaten sich »in der großen Kammer in der Residenz des Prinzen, noch immer in Schwarz gekleidet«, versammeln sollten, und dort mussten sie dann anhören, wie der Kanzler ihnen neue Steuern abverlangte, um eine wirksame Verteidigung gegen den Herzog von Geldern finanzieren zu können, die Schulden des verstorbenen Königs zu begleichen sowie »für den Haushalt meines Herrn [d. h. Karls] und seiner Schwestern zu bezahlen«. Margarete selbst unterstützte dieses Ansinnen mit einer kurzen Rede, bevor sie sich an Karl wandte und ihn fragte: »›Ist es nicht so, Neffe?‹ Und dann«, schreibt der Chronist weiter, »flehte mein Herr Erzherzog, der sich trotz seines jungen Alters seiner fürstlichen Verantwortung durchaus bewusst war, die Abgeordneten um ihre Zustimmung an, indem er eine kurze Rede hielt, deren Botschaft besser verstand, wer sein Mienenspiel betrachtete, anstatt auf den Klang seiner knäblichen Stimme zu lauschen.« Aber Karl sprach und gestikulierte vergebens: Die Versammlung weigerte sich, neue Steuern zu bewilligen. So erfuhr Karl erstmals, dass die Finanzierung seiner Vorhaben eine gründliche Vorbereitung erforderte.42

Einige Wochen darauf stellte Margarete ihren Neffen jenen Männern vor, die im nächsten halben Jahrhundert den allergrößten Teil der von seinen Untertanen gezahlten Steuern aufzehren sollten: Sie zitierte die führenden Köpfe des Heeres in den großen Saal des Palastes und sagte zu ihnen, indem sie mit dem Finger auf Karl wies: »Da, edle Herren, ist der, für den Ihr kämpft. Er wird niemals wanken. Dient ihm!« Tags darauf standen sie und ihr Neffe an einem Fenster und schauten zu, wie 500 Berittene am Palast vorbeizogen »mit wehenden Fahnen und schallenden Trompeten«. Sie zogen in den Krieg, um die Niederlande gegen Geldern zu verteidigen.43

Als Maximilian im Jahr 1507 Margarete als seine »Prokuratorin« einsetzte, kaufte er für sie eine Gruppe von Gebäuden in Mecheln, direkt gegenüber dem Keizershof, wo seine Enkel wohnten. Dieser bald als Hof von Savoyen bekannte Komplex wurde nach einer gründlichen Renovierung Margaretes Hauptquartier und blieb es bis zu ihrem Tod im Jahr 1530. Den Rechnungsbüchern ihres Haushalts zufolge aßen dort täglich mehr als 150 Personen zu Mittag, darunter Gäste aus ganz Europa, mit denen die Erzherzogin ihren Neffen und ihre Nichten bekannt machen wollte. Einige von ihnen entstammten Herrscherfamilien wie etwa der Pfalzgraf Friedrich II.; andere waren mit einem von Karls Ministern verwandt wie etwa der junge Guillaume von Croÿ, ein Neffe Chièvres’; aber die meisten waren von weniger illustrer Abstammung. Eine Besucherin war eine gewisse Anne Boleyn, Tochter eines englischen Diplomaten, der sie zur Vervollkommnung ihrer Französischkenntnisse auf den Kontinent geschickt hatte. Als die junge Anne 1513 in Mecheln ankam, ließ Margarete den Vater des Mädchens wissen, sie finde es »derart gebildet und angenehm – und das trotz ihres jungen Alters –, dass ich Euch, der sie mir geschickt hat, mehr schuldig bin als ihr mir!« Anne blieb für über ein Jahr und lernte jenes Französisch, mit dem sie später Heinrich VIII. den Kopf verdrehen und Königin von England werden sollte.44

Margaretes Hof wurde bald zu dem kulturellen Zentrum des nördlichen Europas. Ihre Bibliothek umfasste beinahe 400 Bände, viele davon aufwendig illuminierte Handschriften. Margarete beschäftigte Bernard van Orley und Jan Vermeyen als ihre Hofmaler, dazu Pieter de Pannemaker, der für sie prachtvolle Wandteppiche gestaltete. Andere berühmte Künstler der Zeit waren an ihrem Hof zu Gast, darunter Albrecht Dürer, der 1521 lobende Worte für die Gemäldesammlung der »Frau Margareth« fand und daneben noch »viel anders köstliches Dings [und] ein köstlich Liberei« – gemeint ist die Bibliothek – pries, die er in Mecheln gesehen hatte.45 Zum Zeitpunkt ihres Todes besaß die Erzherzogin mehr als 100 Wandteppiche, über 50 Skulpturen und beinahe 200 Gemälde (darunter Werke der besten niederländischen Künstler: Rogier van der Weyden, Hieronymus Bosch, Hans Memling und Jan van Eyck). Sie nahm regen Anteil an diesen Sammlungen, ja kümmerte sich selbst um kleinste Details. So gab sie etwa ein neues Schloss für van Eycks berühmte »Arnolfini-Hochzeit« in Auftrag, damit das Bild sicher verwahrt werden konnte; sie ließ den gefeierten Maler Jan Gossaert ihre wertvollsten Stücke restaurieren; und in dem Inventar ihrer Besitztümer finden sich Korrekturen und Anmerkungen von ihrer eigenen Hand, aus denen hervorgeht, wie stark sie selbst in den Aufbau der Sammlung involviert war. Die Kunsthistorikerin Dagmar Eichberger, die sich intensiv mit Margaretes Sammlungen befasst hat, kommt zu dem Schluss:

»Margarete von Österreich besaß eine für ihre Zeit ungewöhnlich umfangreiche Sammlung von Kunstgegenständen, Naturalien und ethnographischen Objekten, die auch für eine Hofhaltung ihres Ranges bemerkenswert gewesen sein muss.«

Und an anderer Stelle bemerkt Eichberger, die Erzherzogin sei »stolze Besitzerin einer umfangreichen Porträtgalerie, die in ihrem Speisesaal aufgehängt war, dazu kamen eine Sammlung ethnologischer Artefakte aus der Neuen Welt in ihrer Bibliothek, eine weitere Gemäldegalerie in ihrem Prunkschlafzimmer sowie eine herrliche Kollektion kleiner Schmuckobjekte, Naturalia und Exotica in zwei Sammlungskabinetten.« Margaretes junge Schützlinge sollten ihrem Vorbild später nacheifern, denn alle drei zeigten einen ausgeprägten Sinn für Kunst.46

Karl und seine Schwestern wurden nun die Familie, die Margarete zuvor nie gehabt hatte – und solange die Erzherzogin lebte, richteten die Geschwister ihre Briefe stets an »Madame meine Tante und meine liebe Mutter« und erklärten etwa, dass »die Zuneigung, die ich für Euch empfinde, nicht nur die eines Neffen zu seiner Tante ist, sondern die eines Sohnes zu seiner treuen und liebenden Mutter«. Entsprechend unterschrieben sie mit »Eure demütige Nichte und Tochter« beziehungsweise »Euer demütiger Sohn und Neffe«.47 Wer Margaretes erhaltene Briefe liest, versteht rasch, warum die Kinder sie geradezu vergötterten. Als Maximilian 1507 einen Nachfolger für den Mönch Jean de Witte als Beichtvater seiner Enkel ernannte, erbat Margarete für Eleonore eine Ausnahme. Karl und seine jüngeren Schwestern, schrieb sie an den Kaiser, »haben vorerst noch keinen großen Bedarf« an geistlicher Leitung, »außer dass man sie anleite und ermuntere, die Gebote Gottes und seiner heiligen Kirche zu befolgen«, aber Eleonore – die damals neun Jahre alt war – »hat bereits eine tüchtige Auffassung von gutem und schlechtem Betragen«. Da sie Bruder Jean mochte, bat Margarete ihren Vater, den Mönch doch auf seinem Posten zu belassen. Vier Jahre später war Margarete zu Ohren gekommen, dass Maximilian als Vormund »den jungen Damen das Tanzen verboten« hatte, und so teilte sie ihm mit, dass diese Entscheidung den Mädchen »großen Überdruss und Kummer« bereite: »Deshalb meine ich, dass wir uns ihrer erbarmen und ihnen das Tanzen wie zuvor erlauben sollten.« Margarete lehrte ihre Nichten nähen und sticken und weihte sie in die Kunst des Einmachens ein. Als es 1514 so aussah, als würde Mary Tudor (die Schwester Heinrichs VIII. und ebenfalls eine Waise) Karl heiraten und zu ihm in die Niederlande ziehen, sandte Margarete ihr ein Schnittmuster »der Kleider, wie sie die Damen hier üblicherweise tragen, damit es Euch leichter fallen wird, Euch nach der hiesigen Sitte zu kleiden, wenn Ihr herkommt«.48 Gibt es eine Mutter, die treuer für ihre Schützlinge hätte sorgen können? Noch lange, nachdem Karl und seine Schwestern Mecheln verlassen hatten, war Margarete gewissermaßen der kommunikative Knotenpunkt der Familie. Als ihr Karl 1518 aus Spanien geschrieben hatte, setzte Margarete ihrerseits unverzüglich ein Schreiben an seine Schwester Maria auf (die sich damals in Ungarn befand), um ihr mitzuteilen, dass ihr Bruder »täglich an Tjosten und Turnieren teilnimmt, und ich möchte wetten, dass er sich oftmals wünscht, wir beide könnten dabei sein und uns mit ihm amüsieren«. Aber vor allem erzog Margarete, wie Annemarie Jordan Gschwend schreibt, die heranwachsende Generation dazu, »die Dynastie, in die sie hineingeboren waren, zu achten und ihr zu dienen. Sie flößte ihren jungen Schützlingen ein Prinzip ein, das diese zeitlebens in Ehren halten sollten: eine tief sitzende Loyalität zum Haus Habsburg.«49

Der Kaiser

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