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ОглавлениеDie Materialrecherche ist die Voraussetzung für ein gutes und erfolgreiches Studium, mithin auch die Kernkompetenz für gelungene Hausarbeiten sowie alle anderen Genres. Zum einen weisen Sie mit der eigenständigen Recherche eine wesentliche Befähigung zur Wissenschaft nach. Zum anderen entscheidet die Qualität Ihres Materials über die Qualität Ihrer Arbeit – also auch über deren Benotung. In der Regel erhalten Sie von Ihrem Hochschullehrer zwar bereits Hinweise auf wichtige Werke, die Sie aber keineswegs von der Pflicht zur eigenständigen, vertieften Suche entbinden.
Am Anfang einer wissenschaftlichen Arbeit stehen das Interesse für ein bestimmtes Thema und die Entwicklung einer provisorischen Fragestellung. Darauf folgt die Recherche des Materials, also der Quellen und Literatur – rasche Rückwirkungen auf die Definition Ihres Themas eingeschlossen. Auch wenn wir im Folgenden Quellen- und Literaturrecherche separat vorstellen, gehen in der Praxis beide Formen meist Hand in Hand.
Abb. 2: Der Einstieg in die Arbeit
Bei allen Themen lohnt es sich, verschiedene Strategien für die Suche in Bibliothekskatalogen und Datenbanken anzuwenden. Das heißt zum Beispiel, freie Suche, Schlagwortsuche, Suche nach Erscheinungsdatum und anderes zu kombinieren. Außerdem lohnt es sich stets, die Suchworte etwa auch in englischer und französischer Schreibweise einzugeben. Erstens ist gerade bei älteren Datensätzen die Verschlagwortung bisweilen suboptimal, so dass Sie einschlägige Titel verfehlen könnten. Zweitens sollten Sie grundsätzlich fremdsprachige Literatur in die Recherche einbeziehen, denn Wissenschaft darf nicht an Sprachgrenzen enden. Häufig sind nur kleinere Änderungen nötig, bisweilen unterscheiden sich die Begrifflichkeiten deutlich: Der „Delisch-attische Seebund“ heißt im Englischen „Delian League“, die „Dunklen Jahrhunderte“ der Bronzezeit sind indes von den „Dark Ages“ des Mediävisten zu unterscheiden – und der „Erste Weltkrieg“ wird als „Great War“ bezeichnet.
Mit zunehmender Erfahrung werden Sie Ihre Suchstrategien und dadurch Ihre Ergebnisse verbessern. Wie Sie Ihre Recherchefähigkeiten erhöhen und die Angebote der Kataloge über die triviale Titelstichwortsuche hinaus besser nutzen, müssen Sie selbst ausprobieren. Dabei helfen Ihnen Einführungskurse, die es an den meisten Universitätsbibliotheken gibt, Online-Hilfen etwa bei den Verbundkatalogen und eigene Bücher.17
2. Ad fontes! – Wege zu den Quellen
Quellen stellen die Basis jedweder historischen Arbeit dar. Entsprechend bedeutsam ist die Suche nach geeigneten Quellen – ob Sie nun für eine konkrete Fragestellung einschlägige Quellen suchen oder Quellenbestände auf der Suche nach lohnenden Fragestellungen systematisch durchforsten. Die Wege zu den Quellen sind so vielfältig wie die Quellen selbst.
Quellen können in verschiedenen Formen vorliegen – im Original oder vervielfältigt, gegenständlich, gedruckt, digital. Für die Quellenrecherche ist zunächst die Trennung zwischen edierten und unedierten Quellen bedeutsam. Unedierte Quellen liegen gewissermaßen in Rohform vor, im Originalzustand oder was im Laufe der Zeit davon übrigblieb. Das können Originalschriftquellen sein, Bilder oder materielle Quellen (Orden, Kleidung, Denkmäler oder Ruinen und vieles andere mehr), auch immaterielle Quellen (wie Sitten, Gebräuche, mündlich tradierte Erzählungen). Manche Quellen werden in Museen und Archiven aufbewahrt, andere auch auf dem Dachboden Ihrer Großeltern oder (im Falle von Bauwerken und Monumenten) in aller Öffentlichkeit, andere stecken wortwörtlich in den Menschen: Sagen, Volkslieder, Manieren und mehr.
Edierte Quellen – zumeist Schrift- oder Bildquellen, aber auch materielle Zeugnisse – stellen eine nach wissenschaftlichen Kriterien aufbereitete Form von Quellen dar, ob gedruckt oder digital. Erst die Edition macht die Originale einem breiteren Nutzerkreis zugänglich. Außerdem vermittelt sie wichtige zusätzliche Informationen über Zustand, Überlieferungswege (Fundkontext bei archäologischen Zeugnissen, handschriftliche Überlieferung bei Texten) und dergleichen. Bei vielen schriftlichen Quellen beginnt die Edition mit Entzifferungsarbeit, etwa bei antiken Papyri oder mittelalterlichen Handschriften. Doch selbst neuzeitliche Schriftquellen wie eine Feldpostkarte müssen zunächst im Wortsinne genau gelesen und entschlüsselt werden. Quelleneditionen sind Produkte historisch-kritischer Forschung und daher nicht identisch mit der Originalquelle. Gute Editionen zeichnen den Weg vom Original zur Edition nach.
Je nach Quellentypus und Quellengattung unterscheidet sich die Gestaltung der Editionen. Bei Bildquellen besteht sie zumeist aus einer gedruckten oder digitalen Reproduktion, kombiniert mit ergänzendem Textkommentar, dessen Umfang sehr unterschiedlich ausfallen kann. Bei gegenständlichen Quellen ist eine genaue Beschreibung des Objektes sowie der Fund- und Überlieferungsumstände angefügt (insbesondere bei Quellen, die durch archäologische Grabungen zutage gefördert wurden).
Schriftquellen werden wissenschaftlich durch sogenannte kritische Editionen erschlossen, in denen in der Regel ein kritischer Apparat erläutert, wie die Original-Quelle in gedruckte Form gebracht wurde – angefangen mit der Definition, was denn das „Original“ sei. Bei einer mittelalterlichen Urkunde aus dem Archiv scheint die Frage noch leicht beantwortbar (wenngleich deren Echtheit und die mögliche Existenz weiterer handschriftlicher Exemplare auch hier zu prüfen sind). Doch welches ist das „Original“ eines geläufigen Quellentextes wie Caesars Bericht über den Gallischen Krieg? Die Antwort lautet in diesem Fall schlicht: keines! Das Original-Manuskript, das Caesar seinen Schreibern diktierte, ist unwiederbringlich verloren. Wir besitzen lediglich Abschriften aus späterer Zeit, die durch einen jahrhundertelangen Abschreibeprozess auf uns gekommen sind; in diesem Beispiel datieren die ältesten Handschriften, deren gemeinsame spätantike Vorlage nicht mehr erhalten ist, aus dem 9. Jahrhundert. Der Text von Caesars Commentarii, den Sie möglicherweise im Lateinunterricht in Buchform vorliegen hatten, resultiert aus Versuchen, den wenigstens teilweise entstellten – sei es durch Abschreibfehler, sei es durch aktive „Korrekturen“ – „Originaltext“ auf Basis viel jüngerer Handschriften zu rekonstruieren. Über diese Versuche legen in wissenschaftlichen Editionen die kritischen Apparate Rechenschaft ab, indem sie verschiedene Lesarten wiedergeben und bewerten: bei Caesars Commentarii wie bei sämtlichen anderen antiken literarischen Texten.
Doch nicht nur antike Quellen oder mittelalterliche Urkunden bedürfen einer solchen Edition, um über einen engen Kreis von Spezialisten hinaus für Historisch Arbeiten benutzbar zu werden. Selbst moderne, gedruckte Quellen haben eine mitunter komplexe Entstehungsgeschichte: so beispielsweise Ernst Jüngers Beststeller „In Stahlgewittern“ – die mehrfach überarbeiten Kriegstagebücher des Autors aus dem Ersten Weltkrieg, bei denen sich die Auflagen erheblich voneinander unterscheiden. Kritische Ausgaben versetzen Sie also in die Lage, selbst ad fontes zu gehen, ohne das jeweilige Original selbst in der Hand zu haben.
Kurzum
Benutzen Sie – wo immer möglich – eine solide, wissenschaftliche Quellenedition!
2.2 Archive: Schatzkammern des Historikers
Wer die Maxime „ad fontes!“ ernst nimmt, findet auch den Weg ins Archiv. Archive sind die Schatzkammern der Quellenarbeit. Quellen aus Archiven sind zwar nicht „besser“ oder „schlechter“ als Quellen aus Editionen, die ihrerseits wiederum meist aus Archivbeständen erarbeitet werden – aber weitaus weniger genutzt: Hier besteht die Chance zu echten Pioniertaten. In Archiven können Sie Quellen entdecken, an denen bislang kaum jemand oder vielleicht noch niemand gearbeitet hat. Nutzen Sie die Gelegenheiten, die Ihnen Archive in der Umgebung bieten – fast immer sogar unentgeltlich!
Woher weiß man, welches Archiv für die eigenen Studien relevant ist? Erste Hinweise geben Quelleneditionen oder Fachliteratur: Sie weisen die Herkunft ihrer Quellen nach. Am Fundort können Sie oft ähnliche oder weitere Quellen finden. Einen zentralen Katalog für die Bestände aller Archive gibt es freilich nicht, auch keine Datenbank, die alle Archivalien erfasste – aber doch Portale, die diesem Zwecke für einzelne Länder oder Themen zumindest nahekommen: darunter der Kalliope-Verbund für Nachlässe und Autographen (http://kalliope-verbund.info) oder das Archivportal-D (https://www.archivportal-d.de). Größere Archive, insbesondere das Bundesarchiv (http://www.bundesarchiv.de) und die Archive der Bundesländer, ermöglichen oft online eine erste Bestandsübersicht; kleinere Archive können diese Aufgabe selten leisten, haben aber oft faszinierende Bestände.
Am Anfang steht die Überlegung, welche Quellen in welcher Art von Archiven am ehesten erhalten sein könnten. Viele Faktoren sind dabei zu beachten: der erwartete Inhalt der Quelle, die erwartete Art der Quelle, nach der Sie suchen, ihre Provenienz (Herkunft), das Schicksal ihrer Überlieferung – etwa Beute-Archivalien aus Kriegszeiten. Quellen, die unmittelbar mit dem Staat verbunden sind, finden Sie naturgemäß am ehesten in staatlichen Archiven, Quellen über unternehmerische Aktivitäten in Unternehmensarchiven, Taufregister und Vergleichbares in kirchlichen Archiven. Einen Überblick über die wichtigsten Archive und einen ersten Einblick in die Archivkunde erhalten Sie andernorts leicht.18 In Deutschland bestehen unter anderem folgende Arten von wichtigen Archiven:
Staatsarchive: Bundesarchiv, Archive der Bundesländer, Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Kommunale Archive (bei kleinen Gemeinden ohne eigenen Archivar oftmals im zuständigen Kreisarchiv integriert).
Kirchliche Archive: meist in den jeweiligen Landeskirchen oder Bistümern organisiert (bisweilen auch in staatlicher Obhut).
Wirtschaftsarchive: Größere Unternehmen verfügen oftmals über eigene Firmenarchive, ebenso manche Verlage. Es gibt aber auch eigenständige Archive wie das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv zu Köln.
Adelsarchive: Traditionsreiche Adelshäuser unterhalten bisweilen eigene, mitunter ungenutzte Archive, bisweilen wird ihre Überlieferung als Depositum in Staatsarchiven aufbewahrt.
Universitätsarchive: Viele Universitäten führen eigene Archive, wichtige einschlägige Quellen lagern indes oft in Staatsarchiven.
Wissenschaftliche Institutionen: beispielsweise das Deutsche Literaturarchiv in Marbach oder das Deutsche Musikarchiv, das der Deutschen Nationalbibliothek angegliedert ist.
Parteien, Verbände, Stiftungen, Vereine und Gewerkschaften besitzen oft eigene Archive.
Gedenkstätten sind in mancher Hinsicht selbst Archive, manchmal sind ihnen eigene Archive angegliedert (etwa unter Begriffen wie „Dokumentationszentrum“).
Private Nachlässe aller Art: Der Deutsche Bundestag hat Stiftungen für die Pflege der Archivalien einiger besonders bedeutender Politiker gegründet (derzeit namentlich: Otto von Bismarck, Friedrich Ebert, Konrad Adenauer, Theodor Heuss, Willy Brandt, Helmut Schmidt) – doch die meisten Nachlässe unter anderem bedeutender Politiker und Künstler werden als Deposita in einschlägigen Archiven (wie Parteistiftungen) oder in Privatregie aufbewahrt.
Die Benutzung der Archive ist in Benutzungsordnungen geregelt. Machen Sie sich damit am besten vertraut, ehe Sie eine weite Reise zum Archiv antreten: Zum Beispiel gibt es oftmals feste Bestellzeiten für die Lesesäle und andere Regularien. Sie sind für Ihre Recherchen ebenso wichtig wie generelle Regeln. Staatliche (und manche kirchlichen) Archive unterscheiden sich prinzipiell von privaten. Letztere dürfen willkürlich selbst entscheiden, wem sie welche Quellen vorlegen, und bestimmen selbst über die Bedingungen der Benutzung und Verwertung; vielfach müssen Sie zunächst Ihr Forschungsinteresse benennen, ehe Sie Zugang bekommen oder eben auch nicht. Anderes verhält es sich bei ersteren: Hier haben Sie als Staatsbürger einen Rechtsanspruch auf Einsicht in Archivalien, der seine Grenzen nur in gesetzlich genau fixierten Einschränkungen findet – wie insbesondere dem Schutz der Privatsphäre (ein großes Streitthema etwa bei der Nutzung der „Stasi-Unterlagen“, von denen manche gar nicht oder nur teilweise geschwärzt zugänglich sind) und Sperrfristen (meist 30 Jahre, in manchen Fällen auch länger, potentiell ewig, so laut Bundesarchivgesetz dann, wenn „das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde“19).
Übrigens verfügen viele Archive auch über mehr oder weniger umfangreiche Bibliotheken, die zu den jeweiligen Beständen passen: Nutzen Sie auch diese Möglichkeiten! Und vor allem: Nehmen Sie vorab Kontakt zu den Experten auf – die jeweiligen Archivare freuen sich über die Zusammenarbeit mit Archivbenutzern und kennen die Bestände selbst meist so gut, dass sie oft geradezu sprechende Findbücher sind. Sie geben Ihnen wertvolle Tips für Ihre Recherche. Zuvor sollten Sie sich freilich mit der Bestände-Übersicht befassen und, falls verfügbar, mit den einschlägigen Findmitteln: Repertorien oder Findbücher verzeichnen die Bestände eines Archives und erfassen sie bisweilen bereits so feingliedrig, dass Sie vorab gezielt bestimmte Bestände (mit entsprechenden Signaturen erfasst) zur Einsicht vor Ort im Archiv bestellen können.
Für die Suche nach Nachlässen bestimmter Personen eignen sich etwa der Kalliope Verbundkatalog (http://kalliope-verbund.info) oder die Nachlassdatenbank des Bundesarchives (http://www.nachlassdatenbank.de). Wenn Sie beispielsweise mehr über die Entstehung des „Aufrufs an die Kulturwelt“ (siehe S. 142) erfahren wollen, könnten Sie nach Nachlässen der Unterzeichner suchen. Dazu zählte auch der renommierte Archäologe Wilhelm Dörpfeld, dessen Unterlagen teilweise im Wuppertaler Stadtarchiv aufbewahrt werden.20
2.3 Digitale Sammlungen und Editionen
Internet und Digitalisierung haben die Suche nach Quellen einerseits erleichtert. Andererseits verliert man in der schieren Unübersichtlichkeit der Angebote leicht den Überblick. Insbesondere in der scheinbar mühelosen Verfügbarkeit liegen Gefahren. So verführerisch es ist, eine Suchanfrage bei Google abzuschicken und dem erstbesten Treffer zu folgen, so groß ist auch die Gefahr, aufs Glatteis zu geraten.
„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht Bankrott gehen will.“ Auf unzähligen Webseiten finden Sie dieses oder ein ähnliches Pseudo-„Zitat“ dem römischen Staatsmann Cicero zugeschrieben – gerne garniert mit dem Verweis, dass schon die alten Römer eine Diskussion zur Staatsschuldenproblematik geführt hätten. Sie werden jedoch nirgends eine konkrete Stellenangabe zu diesem Zitat finden, aus gutem Grund: Es ist nämlich eine Fälschung! Sie wird dank zügellosem Copy-and-Paste wohl für alle Zeiten durch das Netz geistern; Sie als quellenkritischer Historiker werden dieser Fälschung aber nicht auf den Leim gehen.
Selbstverständlich gibt es zahlreiche seriöse, wissenschaftliche Angebote im Netz, die Ihnen den Zugang zu Quellen und Literatur erleichtern. Man kann dabei grob zwei Sorten unterscheiden: einerseits digitalisierte Versionen analoger Angebote, andererseits neu erstellte digitale Quelleneditionen. Zur ersten Gruppe gehören etwa die Digitalisate der Monumenta Germaniae Historica, aber auch Ebook-Ausgaben diverser Quellenautoren. Zur zweiten Gruppe zählen explizite Online-Publikationen (wie die antiken Inschriften von Aphrodisias: http://insaph.kcl.ac.uk), Digitalisate von Bildmedien (Postkarten, Handschriften, wie sie etwa die Bayerische Staatsbibliothek anbietet: https://www.digitale-sammlungen.de, zum Ersten Weltkrieg auch die Württembergische Landesbibliothek: http://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibliothek-fuer-zeitgeschichte/themenportal-erster-weltkrieg) und manches mehr.
Abb. 3: Screenshot: Themenportal Erster Weltkrieg, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Angesichts der Bandbreite und Volatilität digitaler Angebote wäre eine heutige Auflistung morgen schon überholt. Statt einer repräsentativen Darstellung finden Sie im Folgenden daher Anhaltspunkte, mit denen Sie wissenschaftlich brauchbare Angebote auch künftig selbst identifizieren können:
Fragen Sie sich, was und wozu Sie etwas suchen. Anders gesagt: nicht ziellos googeln, sondern überlegen, welche wissenschaftlichen Institutionen besonders eng mit Ihrem Thema verbunden sind.
Achten Sie darauf, wo Sie suchen. Nutzen Sie nicht nur die freie Internetsuche via Google oder in anderen Suchmaschinen, sondern bemühen Sie vor allem die einschlägigen Fachportale.
Achten Sie auf die Urheber der Quellen sowie der Edition. Seriöse Angebote lassen sich immer zuordnen, in der Regel zu wissenschaftlichen Einrichtungen (Universitäten, Akademien, Fachportale) oder als Produkte wissenschaftlicher Fachverlage.
Achten Sie auf Quellenangaben! Ohne diese sind Online-Quellen nicht brauchbar.
Achten Sie auf die Aufbereitung der Quelle selbst: Genügt sie wissenschaftlichen Ansprüchen an eine kritische Edition?
Kurzum
Entscheidend ist: Die Grundregeln wissenschaftlicher Recherche gelten auch und gerade im Digitalen!
Die Formen der Recherche sind vielfältig. Unterscheiden lassen sich unter anderem eine unsystematische und eine systematische Suche. Unsystematisch bedeutet dabei keineswegs unüberlegt, sondern bezeichnet eine mit einem Zufallsfund ansetzende Recherche, die in sich systematisch verläuft – während die systematische Suche einen gezielten Ansatzpunkt wählt, abhängig von den Vorkenntnissen des Suchenden. Wer sich bereits gut auskennt, kann anders einsteigen als jemand, der erst am Anfang seiner Studien beziehungsweise seines Studiums steht!
Die unsystematische Suche
Der Einstieg in die unsystematische Suche kann vielfältig sein. Meist verweisen Handbücher und Gesamtdarstellungen Sie auf vielversprechende Quellen (Einführungswerke weniger, da in der Regel ohne Anmerkungsapparat). Häufig lohnt es sich auch, direkt in Textausgaben von Quellen zu stöbern, die Sie im Seminar auszugsweise gelesen haben. Schauen Sie getrost nach, was Sie vor und nach den behandelten Stellen noch finden – wenn etwas nicht im Seminar behandelt worden ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht aufschlussreich wäre. Hochschullehrer und Lehrer müssen bei der Quellenauswahl immer auch pädagogisch-praktische Erwägungen wie den Zeitrahmen einer Sitzung im Blick behalten. Quellensammlungen thematischer oder chronologischer Art eignen sich ebenfalls für eine erste Suche.21 Achten Sie allerdings darauf, dass viele solcher Sammlungen vor allem auf bequeme Zugänglichkeit ausgelegt sind und daher den Anforderungen an eine wissenschaftliche Quellenedition mitunter nicht genügen. Schließlich können Sie selbstverständlich auch auf das Internet zurückgreifen: vorausgesetzt, Sie nutzen einschlägige Fachportale und etablierte Datenbanken als Ausgangspunkt.
Die unsystematische Suche ist vor allem zur ersten Orientierung und zur Inspiration bei der thematischen Eingrenzung hilfreich. Verlassen Sie sich aber niemals auf die unsystematische Recherche, sondern ergänzen Sie sie unbedingt mit einer systematischen Recherche über die einschlägige Literatur. Sonst laufen Sie womöglich Gefahr, wichtige Quellen für Ihr Thema zu übersehen.
Die systematische Suche
Wenn Sie sich bereits für ein hinreichend konkretes Thema entschieden haben, wissen Sie unter Umständen schon, dass Sie bestimmte Quellen benötigen. In diesem Fall durchforsten Sie gezielt die entsprechenden Editionen oder suchen in den Beständen eines bestimmten Archives.
Für eine Untersuchung des Kriegsausbruches im Juli 1914 können Sie etwa gezielt die Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes nach interessanten Funden durchsehen – oder die Presseberichte jener Tage, die Sie zum Teil gedruckt, zum Teil digitalisiert vorfinden. Oder Sie nutzen die Motive von Feldpostkarten als Quellen für die Untersuchung der vermeintlich allgemeinen Kriegsbegeisterung. Vielleicht zieht es Sie aber auch in ein Archiv, wo der Nachlass eines Zeitzeugen auf Sie wartet. Fündig werden könnten Sie jeweils etwa in:
Einschlägigen gedruckten Editionen22
Archiven: in staatlichen Archiven (etwa: https://ersterweltkrieg.bundesarchiv.de) oder in Archiven großer Zeitungen (wie etwa der Londoner „Times“: http://gale.cengage.co.uk/times.aspx)
Museen wie etwa dem Imperial War Museum mit einem Photo-Archiv (https://www.iwm.org.uk/collections/item/object/205088323)
Portalen wie historicum.net (https://www.historicum.net/themen/erster-welt-krieg/quellen/feldpostkarten-agv-muenchen) oder clio-online (https://www.hsozkult.de/webreview/id/rezwww-16323)
Nachlässen wie demjenigen des Archäologen Wilhelm Dörpfeld (1853–1940): Im Wuppertaler Stadtarchiv liegt eine Kladde zur Kriegsschuldfrage, in der Dörpfeld nach 1918 Material zur Rechtfertigung Deutschlands gegen den Vorwurf der Alleinschuld sammelte. Diesen und weitere Treffer zeigt etwa die Nachlassdatenbank des Bundesarchivs an.
Abb. 4: Screenshot: Zentrale Datenbank Nachlässe, Bundesarchiv
Mutatis mutandis gilt dies auch für andere Zeiten und andere Themen: Für eine Studie zur Münzprägung des Kaisers Augustus wird man gezielt einschlägige Münzcorpora zur Hand nehmen, zur Politik Kaiser Heinrichs IV. die Regesten seiner Urkunden und für das Ende des Dreißigjährigen Krieges die Acta Pacis Westphalicae. In diesen Beispielen würden Sie etwa hier fündig:
Roman Imperial Coinage (RIC): Sutherland, Carol H. V. (Hg.): Roman Imperial Coinage, Band 1: From 31 BC to AD 69, London 1984. Ergänzendes digitales Angebot: http://numismatics.org/ocre
Regesta Imperii: http://www.regesta-imperii.de, etwa den Teilband: Böhmer, Johann F.: Regesta Imperii III. Salisches Haus 1024–1125. Tl. 2: 1056–1125. 3. Abt.: Die Regesten des Kaiserreichs unter Heinrich IV. 1056 (1050) – 1106. 5. Lief.: Die Regesten Rudolfs von Rheinfelden, Hermanns von Salm und Konrads (III.), Wien/Weimar/Köln 2018.
Acta Pacis Westphalicae, hg. v. der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, 48 Bände, Münster 1962 ff. Digital via: http://www.pax-westphalica.de
Ein solches Vorgehen braucht Vorwissen und Vertrautheit mit den verfügbaren Editionen und Archiven. Wo dieses fehlt, führt bei der systematischen Quellensuche der Umweg über die Literatur am schnellsten zum Ziel: Das bedeutet, Sie suchen – wie im folgenden Kapitel beschrieben – nach einschlägiger Literatur zu Ihrem Thema und werten deren Quellengrundlage über Anmerkungsapparate sowie gegebenenfalls die Indices aus.
3. Formen der Literatur-Recherche
Grundsätzlich kann man bei der Suche nach Fachliteratur zwei Vorgehensweisen unterscheiden: die unsystematische Literaturrecherche (auch „Schneeballsystem“ genannt) und die systematische Literaturrecherche (über Kataloge, Datenbanken und einschlägige Bibliographien). In der Praxis ergänzen sich beide gegenseitig – bei der Erstellung Ihrer Materialgrundlage wie auch bei späteren Nachrecherchen.
Abb. 5: Formen der Literatur-Recherche
3.1 Die unsystematische Recherche
Bei der unsystematischen Recherche oder „Schneeballsuche“ wertet man den bibliographischen Apparat von einem oder mehreren, möglichst aktuellen und einschlägigen Werken aus: Handbücher, allgemeine Darstellungen, spezialisierte Aufsätze und andere Literatur verweisen ihrerseits auf weitere einschlägige Titel (und in Quellenverzeichnis sowie Anmerkungsapparat auch auf Quellen). Mit den daraus gewonnenen Angaben verfährt man wiederum ebenso und überprüft die jeweiligen Literaturverzeichnisse der nun eingesehenen Werke auf all’ jene Titel, die für das eigene Thema von Interesse sein könnten – von dort aus geht das Verfahren potentiell in immer weitere Runden. Die Qualität der erhaltenen Literatur hängt sowohl von der Aktualität der Ausgangswerke ab als auch von deren Einschlägigkeit. Beginnen Sie Ihre Suche also mit möglichst aktuellen Handbüchern und Einführungswerken. Aber nutzen Sie auch – sofern existent – jüngere Spezialstudien zu dem Thema, über das Sie recherchieren.
Abb. 6: Die Schneeballsuche
3.2 Die systematische Recherche
Waren früher gedruckte Bibliographien und Zettelkataloge die wichtigsten Hilfsmittel bei der systematischen Recherche, so sind es heute digitale Angebote – schon der hohen Frequenz an Neuerscheinungen wegen. Für manche Themen erscheinen zwar immer noch gedruckte Bibliographien,24 doch bestätigen solche Ausnahmen mittlerweile eher die digitale Regel – wiewohl Bibliographien von Quellen25 ihre Aktualität nicht verlieren. Zur Verfügung stehen Ihnen online jedenfalls:
Der lokale OPAC Ihrer Universitätsbibliothek (Online Public Access Catalogue).
Die deutschen Verbundkataloge.
Nationale und internationale Kataloge wie der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, die Kataloge ausländischer Nationalbibliotheken oder der Karlsruher Virtuelle Katalog (KVK).
Spezielle Fachdatenbanken und Fachportale insbesondere zur Recherche unselbständig erschienener Literatur.
Auch bei der systematischen Recherche gilt: Verlassen Sie sich niemals auf eine einzige Ressource, sondern verbinden Sie verschiedene Ressourcen miteinander. Ein flüchtiger Blick in den Seminarapparat der Veranstaltung mag zwar zur spontanen Ideenfindung geeignet sein, zählt aber keinesfalls als systematische Recherche!
Machen Sie sich zunächst klar, wonach Sie suchen. Benötigen Sie aktuelle Monographien zu Ihrem Oberthema? Suchen Sie schon nach spezifischer Forschungsliteratur wie Aufsätzen (also unselbständig erschienene Literatur)? Sind Sie auf der Suche nach Quellen zu Ihrem Thema? Oder brauchen Sie zunächst noch Hilfsmittel zur Bearbeitung der Quellen (wie Fachlexika, Kommentare et cetera)?
Je nach Stadium und Zweck Ihrer Recherche werden Sie zu unterschiedlichen Ressourcen und Suchstrategien greifen beziehungsweise diese miteinander kombinieren; verfeinern können Sie Ihre Recherchekünste natürlich mithilfe einschlägiger Literatur.26 Verschiedene Typen von Katalogen, Datenbanken und Fachressourcen stellen wir Ihnen auf den nächsten Seiten vor. Achten Sie auf Änderungen, die sich in der weiteren Digitalisierung generell und speziell der Geschichtswissenschaft ergeben werden!
3.3 Lokale Kataloge der Universitätsbibliotheken
Der naheliegendste Weg ist zumeist die Recherche über den lokalen OPAC der jeweiligen UB: schon deshalb, weil die dort verzeichneten Werke auch vor Ort vorhanden sind. Dieses insbesondere bei eiligen Recherchen sinnvolle Vorgehen hat aber einen gravierenden Nachteil. Je nach Angebot beschneiden Sie dadurch unnötig Ihre Recherche-Ergebnisse: Erstens beschränken Sie Ihre Recherche a priori auf die Bestände der örtlichen UB. In sehr großen Bibliotheken mag das ausreichen, in den meisten indes nicht: weil Kassenlage und Einkaufspolitik darüber bestimmen, welche Titel angeschafft werden. Darunter befinden sich keineswegs alle für Ihre Studien relevanten.27 Zweitens erscheinen in den lokalen OPACs häufig nur Monographien und sonstige selbständig erschienene Literatur – also keine Zeitschriftenaufsätze oder anderweitig unselbständig erschienene Literatur.
Der bessere und zugleich effektivere Weg ist daher eine kombinierte Suche mit lokalen OPACs, Verbundkatalogen und Datenbanken. Machen Sie sich mit den Recherchefunktionen und -möglichkeiten Ihres lokalen UB-Katalogs vertraut. Nutzen Sie Angebote wie Einführungen und Tutorien; Universitätsbibliotheken bieten häufig Kurse zur Recherche an. Informieren Sie sich über den Fach-Bestand Ihrer UB und über den Datenpool, in dem Sie über den lokalen OPAC suchen: Ist er auf den Bestand der UB beschränkt? Werden zusätzliche Kataloge, Datenbanken oder bibliographische Dienste eingebunden?
Abb. 7: Screenshot: Erweiterte Suche, Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Nutzen Sie vor allem die Möglichkeiten, die eine „Erweiterte Suche“ jeweils bietet. Hier können Sie (abhängig davon, welche der Kataloge Sie einbinden) auswählen, ob Sie nur in den Kölner Beständen oder darüberhinaus recherchieren wollen!
Aufgrund dieser Einschränkungen mancher lokaler OPACs ist eine Recherche in den Verbundkatalogen sinnvoll. Bibliotheksverbünde sind regionale, zumeist nach Bundesländern gegliederte Zusammenschlüsse wissenschaftlicher Bibliotheken (sowie mitunter weiterer öffentlicher Bibliotheken), die ihre jeweiligen Bestände in gemeinsamen Katalogen zur Recherche zur Verfügung stellen – und unter anderem den Fernleihverkehr koordinieren. Der Vorzug einer solchen Recherche liegt auf der Hand: Mit Ihrer Suchanfrage recherchieren Sie in einem wesentlich größeren Bestand (müssen die recherchierten Werke allerdings oft per Fernleihe bestellen). Zudem unterscheiden sich die Angebote. Beachten Sie, dass die Suche auch in den Verbundkatalogen häufig auf selbständig erschienene Literatur beschränkt ist! So listet das Hochschulbibliothekszentrum (hbz) nur selbständig erschienene Literatur auf, wohingegen der Gemeinsame Bibliotheksverbund (GBV) auch eine Suche nach unselbständig erschienener Literatur ermöglicht.
Abb. 8: Deutsche Bibliotheksverbünde. Dazu gehören:
Bibliotheksverbund Bayern (BVB): https://www.bib-bvb.de
Gemeinsamer Bibliotheksverbund (GBV) für Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen: https://www.gbv.de
Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), inklusive Rheinland-Pfalz: https://www.hbz-nrw.de
Hessisches BibliotheksInformationsSystem (HeBIS): https://www.hebis.de
Kooperativer Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV): https://www.kobv.de
Südwestdeutscher Bibliotheksverbund (SWB) für Baden-Württemberg, das Saarland und Sachsen: https://www.bsz-bw.de
3.5 Nationale und internationale Kataloge
Über eine noch breitere Datenbasis verfügen diverse nationale und internationale Kataloge. Der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet seit dem Jahre 1913 jedes in Deutschland erschienene Buch, einsehbar in Frankfurt am Main respektive Leipzig. Der Karlsruher Virtuelle Katalog (KVK) schaltet die Kataloge der Bibliotheksverbünde zu einer gemeinsamen, deutschlandweiten Suchanfrage zusammen und bietet überdies auch noch eine Suche in verschiedenen ausländischen Nationalbibliotheken an: Er ist rein virtuell, präsentiert also „nur“ die gesammelten Bestände anderer Bibliotheken. Sie können die Bücher nicht in Karlsruhe einsehen!
Weitere Einschränkungen gibt es auch hier: Vollständigkeit ist ein Ideal, doch zugleich eine Illusion. Selbstredend verzeichnet die Deutsche Nationalbibliothek nur in Deutschland erschienene Literatur. Beim KVK hängt der Datenbestand von Ihrer Auswahl (und der Qualität der ausgewählten Kataloge, bisweilen sind etwa Altbestände nur unzureichend erfasst) ab. Die meisten zuschaltbaren Kataloge stellen Ihnen ebenfalls nur selbständig erschienene Literatur zur Verfügung. Eine Ausnahme bildet beispielsweise der GBV. Mit der Zeitschriftendatenbank (ZDB) wiederum ermitteln Sie deutschlandweit in den Beständen wissenschaftlicher Bibliotheken nach Fachzeitschriften (also die Verfügbarkeit einzelner Zeitschriftenbände, Sie finden hier keine einzelnen Aufsätze!).
Abb. 9: Screenshot: Karlsruher Virtueller Katalog. Im unteren Feld können Sie auswählen, in welchen Katalogen Sie recherchieren wollen.
Fachinformationsdienste (FID) sind disziplinär ausgerichtete, DFG-finanzierte Angebote zur Recherche und Bereitstellung digitaler Ressourcen. Sie bieten einerseits wissenschaftlich betreute Rubriken, die in Literatur und Quellen zu einzelnen Themen (etwa Hexenforschung oder Reformation) einführen. Andererseits stellen sie Recherchefunktionen zur wissenschaftlichen Literatur zur Verfügung.
Die Mediävistik und die Neuere Geschichte betreut der FID Geschichte (via https://www.historicum.net); die Alte Geschichte deckt der FID Altertumswissenschaften (https://www.propylaeum.de) ab. Beide Angebote befinden sich derzeit noch im Aufbau, ein Blick lohnt sich dennoch. Sie ersetzen die ehemaligen Sondersammelgebiete (SSG), deren Bestände bis 2015 gepflegt wurden.
Abb. 10: Screenshot: Portale wie historicum.net helfen bei der Orientierung in den aktuellen digitalen Angeboten. Wie rasch sich die digitalen Angebote ändern, zeigt diese Momentaufnahme (Stand: 24. Juni 2018) nebenbei auch.
Für die Recherche nach Literatur wie nach Quellen eignen sich auch Fachportale wie clio-online (https://www.clio-online.de). Dieses Portal verweist zudem auf weitere digitale Angebote aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, unter anderem auf h-soz-u-kult (https://www.hsozkult.de): als Kommunikations-Plattform konzipiert, aber gerade für Rezensionen eine wichtige Fundgrube bei der Suche und Einordnung von Literatur.
3.7 Bibliographische Datenbanken
Für manche Epochen beziehungsweise Teilfächer bestehen umfangreiche bibliographische Datenbanken. Auch hier gilt: Behalten Sie Veränderungen, die sich innerhalb oder außerhalb dieser Datenbanken ergeben, im Blick. Bislang kann man grob zwischen zwei Formaten unterscheiden – einerseits fächer- und teilfächerübergreifende Datenbanken, andererseits epochenspezifische.
Zu den wichtigsten übergreifenden Datenbanken gehören:
Jstor (https://www.jstor.org): Jstor ist ein Online-Archiv für Zeitschriftenartikel verschiedenster Disziplinen, das zur Literaturrecherche genutzt werden kann, gleichzeitig aber auch (lizenzpflichtig) Volltexte der Artikel als PDF-Dateien bereitstellt. Es umfasst eine Reihe wichtiger historischer und altertumswissenschaftlicher internationaler Zeitschriften. Der Zeitschriftenbestand und damit der recherchierbare Pool ist deutlich kleiner als bei herkömmlichen Datenbanken, dafür bietet Jstor eine Volltextsuche innerhalb der einzelnen Artikel – ein Vorteil besonders bei sehr speziellen Suchanfragen. Aufgrund des angelsächsischen Schwerpunktes von Jstor sollten Sie immer auch mit englischen Suchbegriffen arbeiten.
Periodicals Index Online (PIO: https://search.proquest.com/pio) und Periodicals Archive Online (PAO: (https://search.proquest.com/pao): Der PIO verzeichnet die Inhaltsverzeichnisse von mehreren tausend Zeitschriften aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. Via PAO erhalten Sie Volltext-Zugriff auf bis zum Jahre 2000 erschienene Artikel. Der Zugang zu beiden lizenzpflichtigen Angeboten wird in Deutschland über die wissenschaftlichen Bibliotheken gewährt.
Die Internationale Bibliographie der geistes- und sozialwissenschaftlichen Zeitschriftenliteratur (IBZ) liefert bibliographische Treffer und zum Teil auch durchsuchbare Abstracts zu Zeitschriftenartikeln aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. Zugang (lizenzpflichtig) via: https://www.degruyter.com/databasecontent?dbid=ibz&dbsource=%2Fdb%2Fibz.
DigiZeitschriften (https://digizeitschriften.de) ist als deutschsprachiges Äquivalent zu Jstor konzipiert, reicht derzeit aber hinsichtlich des Umfanges bei weitem nicht an dieses heran.
Persée (https://www.persee.fr) ist eine Online-Platform für Inhalte verschiedener französischer Fachzeitschriften.
ProjectMuse (https://muse.jhu.edu) ist ähnlich wie Jstor ein Online-Archiv für Zeitschriften.
Spezifisch für die Altertumswissenschaften:
Année Philologique (http://cpps.brepolis.net/aph): Die Anneée Philologique ist die umfangreichste bibliographische Datenbank zu den Klassischen Altertumswissenschaften. Ihr lizenzpflichtiges Angebot umfasst selbständig wie unselbständig erschienene Literatur. Neben den bibliographischen Angaben stellt sie überdies kurze Abstracts in Englisch, Deutsch, Französisch oder Italienisch zu den Treffern zu Verfügung. Daher sollten Sie unbedingt mit mehrsprachigen Suchanfragen arbeiten. Aufgrund des Umfangs der Datenbank sind Publikationen der letzten zwei bis drei Jahre oftmals noch nicht aufgenommen.
Gnomon online (http://www.gnomon-online.de) ist eine frei nutzbare umfangreiche Literaturdatenbank, die sich besonders durch ihre hohe Aktualität auszeichnet.
Zenon DAI (https://zenon.dainst.org): Als zentrale Literaturdatenbank des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) verzeichnet Zenon schwerpunktmäßig archäologische Literatur.
Spezifisch für die Mediävistik:
Monumenta Germaniae Historica (http://www.mgh.de/dmgh): Die Monumenta Germaniae Historica (MGH) bieten Ihnen nicht nur Zugang zu den digitalisierten Quellen-Bänden, sondern über den OPAC auch die Recherchemöglichkeit in der weltweit größten mediävistischen Fachbibliothek.
Regesta Imperii (http://www.regesta-imperii.de): Das Projekt zur Bearbeitung der Urkunden der deutschen Könige und Kaiser stellt eine umfangreiche, durchsuchbare Bibliographie zur Verfügung, die quasi als Datenbank verwendet werden kann.
International Medieval Bibliography (IMB) (http://cpps.brepolis.net/bmb): umfangreiche, lizenzpflichtige bibliographische Datenbank, die zeitlich von der Spätantike bis zum Beginn der Frühen Neuzeit reicht.
Spezifisch für die (Neuere) Geschichte:
Historical Abstracts (https://www.ebsco.com/products/research-databases/historical-abstracts) ist ein lizenzpflichtiges Datenbank-Angebot, das selbständig wie unselbständig erschienene Literatur umfasst und mit Abstracts zusätzlich aufbereitet. Je nach Lizenz ist auch ein Volltextzugriff auf Texte möglich; es handelt sich um eines der umfangreichsten bibliographischen Angebote im Bereich der Geschichtswissenschaft.
Historische Bibliographie/Jahrbuch der historischen Forschung (http://historische-bibliographie.degruyter.com): Die Historische Bibliographie war eine von der Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungen (AHF) herausgegebene Bibliographie von in Deutschland publizierter historischer Fachliteratur (Monographien und Aufsätze). Das Jahrbuch der historischen Forschung verzeichnete dagegen erst noch entstehende Forschungsergebnisse. Beide Angebote sind weiter recherchierbar, werden jedoch seit 2013 nicht weiter aktualisiert – jüngere Literatur ist dort also nicht verzeichnet!
Jahresberichte für deutsche Geschichte (http://www.jdg-online.de): umfangreiche bibliographische Datenbank für selbständig und unselbständig erschienene Literatur. Der Datenbestand endet allerdings mit dem Jahr 2015 und wird nicht mehr aktualisiert!
Deutsche Historische Bibliografie (https://beta.historicum.net/dhb): Nach dem Auslaufen der Historischen Bibliographie und den Jahresberichten für deutsche Geschichte ist die Deutsche Historische Bibliografie (DHB) als Nachfolgeprojekt im Aufbau, das sukzessive die Datenbestände der Jahresberichte aufnehmen soll.
4. Freie Internetrecherche: Fluch und Segen
Die Recherche im Internet ist keineswegs per se schlecht. Es kommt allerdings immer darauf an, wie Sie mit den Resultaten umgehen. Der Nutzer ist weitaus stärker gefordert, die inhaltliche Qualität seiner Suchergebnisse zu beurteilen als bei der Suche über die wissenschaftlichen Kataloge und Datenbanken. Der souveräne, kritische Umgang mit solchen Internetressourcen – wie selbstverständlich auch mit gedruckter Literatur – gehört zu den elementaren Fähigkeiten, die Sie im Laufe Ihres Studiums erwerben.
Mitunter kann es in schwierigen Fällen durchaus angebracht sein, eine Suche über Google-Books, Google-Scholar oder Wikipedia ergänzend zur klassischen Recherche durchzuführen. Achten Sie dann aber besonders kritisch darauf, welcher Provenienz und Art Ihre Suchergebnisse sind, und fragen Sie sich, ob diese wirklich als zuverlässig gelten können und wissenschaftlichen Standards entsprechen. Kataloge von Online-Buchhändlern eignen sich dagegen kaum für eine sinnvolle Recherche: Sie liefern bequeme, aber von Verkaufszahlen abhängige Zusatztreffer. Außerdem bekommen Sie auch als Ebooks vertriebene Seminararbeiten von Kommilitonen angeboten und Nachdrucke älterer, lizenzfreier Werke, die vom ungeübten Benutzer häufig nicht sofort als solche erkannt werden.
Wikipedia hat das gegenteilige Problem: Die Inhalte einzelner Artikel können sich täglich ändern. Die Seite Wikiwatch (http://de.wiki-watch.org) ermöglicht eine Überprüfung einzelner Wikipedia-Artikel anhand gewisser Merkmale wie der Anzahl der Autoren, der Querverweise oder der verwendeten Literatur. Ebenso lohnt häufig ein Blick in die Versionsgeschichte und die Diskussionsseite eines Wikipedia-Artikels: Wann wurde er zuletzt überarbeitet? Wie viele Autoren haben mitgeschrieben? Wo sehen sie selbst noch Arbeitsbedarf? Gibt es im Artikel inhaltlich strittige Punkte oder ist der Artikel gar selbst Gegenstand eines „Edit-Wars“?
Auch wenn dieses Angebot das eigene Nachdenken nicht ersetzen darf, kann es dennoch einen ersten Anhaltspunkt bieten und schärft gleichzeitig das Bewusstsein für die mitunter immensen Qualitätsunterschiede, die bei Texten im Netz zu finden sind. Im besten Falle bietet Ihnen diese Enzyklopädie einen soliden Überblick und die wichtigste Literatur, im schlimmsten Fall jedoch unsauber recherchierte oder veraltete Artikel und Hinweise auf unwissenschaftliche Literatur (siehe unten, Abb. 11). Mehr als das, was ohnehin in der wissenschaftlichen Literatur steht, kann Ihnen Wikipedia jedenfalls kaum bieten – anders gesagt: Wikipedia hat keinen Mehrwert jenseits rascher, ortsunabhängiger Verfügbarkeit. Ihre Verwendung dient eher der kursorischen Überprüfung, ob Ihnen bei anderen Recherchen womöglich wichtige Hinweise entgangen sein könnten; in einzelnen Fällen finden Sie zudem Links auf zitierfähige Quellen, mitnichten in allen!
Abgesehen davon gilt: Wichtige wissenschaftliche Nachschlagewerke wie Der Neue Pauly oder die Enzyklopädie der Neuzeit sind längst online verfügbar – zwar lizenzpflichtig, aber größere Bibliotheken verfügen meist über einen Campus-Zugang.
Abb. 11: Screenshot: Wikipedia: Artikel August von Mackensen, Auszug. Kolshorn: Unser Mackensen – „Literatur“?
Eine schlichte Suche per Google schließlich ist meist zu unspezifisch und verweist Sie allzu häufig auf nicht verwertbare Seiten wie diverse Geschichtsforen, private Projekte und so weiter. Mit Google-Scholar (https://scholar.google.com) haben Sie die Möglichkeit, Ihre Recherche auf wissenschaftliche Texte zu begrenzen. Für sehr spezifische Suchanfragen ist auch Google-Books (https://books.google.com) hilfreich. So können Sie damit recht schnell überprüfen, wo etwa eine bestimmte Quelle oder eine Stelle aus einem größeren Werk gerade auch in der neueren Literatur behandelt wird. Wer etwa zu Caesars Gallischem Krieg „Meuterei von Vesontio“, zu Karls Sachsenkriegen „indiculus obsidum“ oder zum Ersten Weltkrieg „Langemarck OHL“ eingibt, erhält einige einschlägige Treffer, jedoch ohne Gewähr der Vollständigkeit. Hier ist also Vorsicht geboten: Eine solche Anfrage kann nur eine Ergänzung zur klassischen Katalog- und Datenbank-Recherche sein, kein Ersatz. Ihre Ergebnisse bemessen sich einerseits daran, welche Werke Google digitalisiert hat, andererseits tauchen hier auch digitale Seminararbeiten als Treffer auf – von denen Sie sich nicht abhängig machen sollten. Sie können selbst mehr!
Kurzum
Bislang gilt in der Regel zumindest für Literatur: Was Sie im Netz finden, finden Sie leicht auch gedruckt – und zwar solider!
5. Der Weg zum Material: Ein Beispiel
Die Materialrecherche kennt verschiedene Wege – die mitunter zunächst parallel verlaufen, sich manchmal aber auch kreuzen. Sie enden allesamt in einer soliden Literatur- und Quellenbasis, auf der Sie Ihre nächsten Arbeitsschritte (siehe Abschnitt „Lesen & Denken“) aufbauen können.
Gehen wir eine solche Recherche einmal an einem konkreten Beispiel durch. Sie suchen nach einem Seminar über den Ersten Weltkrieg ein Hausarbeitsthema. Sofern Sie nicht auf ein vorgegebenes Thema verpflichtet sind, überlegen Sie zunächst, welche im Seminar angesprochenen Aspekte Sie besonders interessiert haben. Vielleicht möchten Sie lieber ein Thema wählen, das im Seminar gerade nicht oder nur am Rande berücksichtigt werden konnte. Vielleicht greifen Sie zwecks Inspiration noch einmal zu Handbüchern und Überblickswerken neueren Datums. Sie eignen sich gleichzeitig zur ersten Literaturrecherche nach dem Schneeballsystem – so beispielsweise die nachstehende Auswahl einschlägiger Werke, bei deren Einschätzung Ihnen fachwissenschaftliche Rezensionen helfen können. Sie sehen daran zugleich, welche Treffer Ihnen bei einer bloßen Katalogsuche nach dem Stichwort „Erster Weltkrieg“ entgehen dürften. Denn dieses Stichwort kommt keineswegs in allen relevanten Titeln vor:
Abb. 12: Screenshot: Kombinierte Stichwort-/Schlagwortsuche (Kriegswahrnehmung + Erster Weltkrieg) im OPAC der Bayerischen Staatsbibliothek.
Clark, Christopher: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013.
Friedrich, Jörg: 14/18. Der Weg nach Versailles, Berlin 22014.
Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 22014.
Leonhard, Jörn: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, München 2014.
Münkler, Herfried: Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918, Berlin 2013.
Schöllgen, Gregor: Das Zeitalter des Imperialismus, Berlin 2014 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Band 15).
Winter, Jay (Hg.): The Cambridge History of the First World War, 3 Bände, Cambridge 2014.
Vielleicht führen Ihre Überlegungen und Ihre Lektüre zur Idee, sich näher mit der zeitgenössischen Wahrnehmung des Krieges zu beschäftigen. Schon eine erste grobe Recherche in einem der gängigen Kataloge zeigt die Vielfalt des Themas (Abb. 12). Kriegswahrnehmung kann national geprägt sein, sie kann sich unter anderem auch nach Alter, sozialer Herkunft und Geschlecht unterscheiden.
Ebenso vielfältig – formal wie inhaltlich – sind die verschiedenen Quellen, auf die sich Historiker bei ihren Untersuchungen stützen, darunter:
Tagebücher oder Memoiren – wie Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“, wegen der komplexen Entstehungsgeschichte unbedingt in der kritischen Edition zu nutzen.28 Jünger, für den der Erste Weltkrieg zum großen Thema seines Œuvres wurde, hat unter anderem auch in „Das Wäldchen 125“ (1924) und in Bildbänden29 seine Kriegsansichten verbreitet.
Lieder – wie Walter Flex’ jugendbewegtes Gedicht „Wildgänse rauschen durch die Nacht“, das zu einem bekannten und beliebten Lied vertont wurde.30
Literatur beziehungsweise Filme – wie Erich Maria Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“, mehrfach verfilmt.31
Postkarten – Abertausende von Feldpostkarten wurden mit patriotischen Motiven versehen, mittlerweile sind viele davon digitalisiert.32 Vielleicht finden sich noch Exemplare in Ihrem „Familienarchiv“?
Materielle Quellen wie Denkmäler oder Produkte jener Zeit – wie ein Stahlhelm als Sinnbild des modernen Maschinenkrieges.
Bei der Recherche und ersten Sichtung Ihrer Ergebnisse fällt Ihnen möglicherweise die Diskrepanz zwischen anfänglich vielfach vorhandener Kriegsbegeisterung und der Ernüchterung im weiteren Kriegsverlauf auf. Bereits eine erste Recherche zeigt die große Bandbreite der Forschung auf (Abb. 13).
Die „Nebenbefunde“ der Recherche zeigen, dass Sie Ihr Thema für eine gelungene Hausarbeit enger eingrenzen müssen. Möglicherweise stoßen Sie bei der Sichtung der Ergebnisse auf das berühmte Gefecht bei Langemarck im Oktober 1914. Obschon weder sonderlich erfolgreich noch bedeutsam für den Kriegsverlauf, erfuhr es schnelle und nachhaltige Resonanz. In der deutschen Öffentlichkeit machte es Furore als Exempel nationaler Begeisterung und des Heldenmutes junger Kriegsfreiwilliger.
Nachdem Sie sich mit dem Mythos von Langemarck vertraut gemacht haben, erscheint er Ihnen einerseits hinreichend begrenzt für eine Hausarbeit. Andererseits bietet er noch immer vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten, so dass Sie sich zu einer gezielten Recherche entschließen:
Abb. 13: Screenshot: Ergebnis einer Recherche im OPAC des hbz, Stichwortsuche Kriegsbegeisterung
Durchforsten Sie bereits erfasste Literatur (die erwähnten Handbücher sowie Ihre Treffer zu den Schlagworten Kriegswahrnehmung und Kriegsbegeisterung) gezielt nach Informationen und weiterführender Literatur zu Langemarck. Nutzen Sie insbesondere Inhaltsverzeichnisse, Anmerkungen, Literaturangaben und Indices.
Durchsuchen Sie die gängigen Kataloge nach geeigneten Schlagworten. In unserem führt der Suchbegriff „Langemarck“ schon zu zahlreichen Treffern. Denken Sie dennoch an alternative Begriffe und Schreibweisen („Langemark“, „Bixschote“).
Nutzen Sie einschlägige Aufsatzdatenbanken und Fachportale! So bietet etwa historicum.net ein eigenständiges Themenportal zum Ersten Weltkrieg, das Sie nicht nur auf Literatur, sondern auch auf Quellen (darunter digitalisierte Feldpostkarten) verweist.
Obschon Sie nun sicherlich schon reichlich Material gefunden haben, können Sie in einer freien Internetrecherche beispielsweise Wikipedia (Artikel: Mythos von Langemarck) und Google beziehungsweise Google-Books oder Google-Scholar bemühen. Gleichen Sie beispielsweise die Literaturangaben des Wikipedia-Artikels mit Ihren eigenen ab. Decken sie sich? Haben Sie etwas Wichtiges übersehen?
Gerade bei historisch brisanteren Einträgen lohnt sich auch ein Blick in die Versionsgeschichte beziehungsweise den Diskussionsverlauf bei Wikipedia. In der ersten Version aus dem Jahr 2004 war das Zitat aus dem Heeresbericht noch ohne Nachweis angegeben gewesen, ehe am 21. August 2007 ein Verweis auf einen wissenschaftlichen Artikel eingefügt wurde.33 Blinde Übernahme kann zu peinlichen Ergebnissen führen – in besagtem Wikipedia-Eintrag etwa noch immer, wenn Sie den Bericht der Obersten Heeresleitung über die angegebenen Weblinks erschließen:34 Dann geraten Sie auf eine obskure Website35 statt auf eine wissenschaftliche Edition!
Vergleichen Sie die beiden Trefferbilder auf Basis eines Verbund-kataloges (Abb. 14) und eines lokalen OPAC (Abb. 15). Achten Sie insbesondere auf folgenden Treffer: Kaufmann, Günther: Langemarck. Das Opfer der Jugend an allen Fronten, Berlin 1938. Wie würden Sie dieses Werk einordnen? Als Literatur? Als Quelle?
Abb. 14: Screenshot: Ergebnis einer Recherche im OPAC des GBV, Titelstichwortsuche „Langemarck“
Am Ende dieses Prozesses könnte Ihre Literaturliste um folgende Titel angewachsen sein (zugleich neuerliche Anfangspunkte für weitere Schneeballverfahren!):
Bienert, Hans: Realität und Mythos im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Langemarck/Ypern, in: Leviathan, Band 44 (2016), S. 97–125.
Dithmar, Reinhard: Der Langemarck-Mythos in Dichtung und Unterricht, Neuwied u. a. 1992.
Faber, Michael (Hg.): Kriegs(er)leben im Rheinland. Zwischen Begeisterung und Verzweiflung (1914 – Mitten in Europa: Das Rheinland und der Erste Weltkrieg. Ausstellungskatalog LVR-Freilichtmuseum Kommern, 29. Juni 2014 bis 18. Oktober 2015), Köln 2014.
Abb. 15: Screenshot: Ergebnis einer Recherche im OPAC der Universitätsbibliothek Wuppertal, freie Suche nach „Langemarck“. Achten Sie auf die massiven Treffer-Unterschiede, die allein in diesem Auszug zu den Rechercheergebnissen im OPAC des hbz oder des GBV erscheinen.
Krumeich, Gerd: Langemarck, in: François, Etienne/Schulze, Hagen (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte, Band 3, München 2001, S. 292–309.
Jarausch, Konrad H.: German Students in the First World War, in: Central European History, Band 17 (1984), S. 310–329.
Unruh, Karl: Langemarck. Legende und Wirklichkeit, Koblenz 1986.
Weinrich, Arndt: Kult der Jugend – Kult des Opfers. Der Langemarck-Mythos in der Zwischenkriegszeit, in: Historical Social Research/Historische Sozialforschung, Band 34 (2009), S. 319–330.
Neben Literatur benötigen Sie selbstverständlich auch Quellen. An erster Stelle steht dabei die Meldung der Obersten Heeresleitung (OHL), die in den zeitgenössischen Medien verbreitet wurde. Haben Sie Beispiele aus Zeitungen gefunden? Gibt es eine wissenschaftliche Edition dieser Meldung?
Denkbare Quellen sind auch archäologische Fundstücke aus der Schlacht wie ein Stahlhelm. Auch das im Jahre 1932 eingeweihte Denkmal auf dem Soldatenfriedhof von Langemarck wäre eine archäologisch-materielle Quelle. Möglicherweise existieren in Ihrer Stadt ähnliche Denkmäler oder Straßennamen, die an Langemarck oder andere Aspekte des Ersten Weltkriegs erinnern?
Gibt es literarische oder semi-literarische Zeugnisse wie Tagebücher oder Feldpost zur Schlacht? Bei der Recherche könnte Ihnen folgendes Werk begegnen: Neumann, Felix: Die Jugend von Langemarck: ein Heldenlied aus Flandern, Berlin 191736 – eine unter vielen literarischen Verarbeitungen des Geschehens, hier in Form eines „Epos“, das den Angriff der deutschen Truppen verherrlichte. Obwohl in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Gefecht entstanden, stellt die Quelle schon eine Stufe der Rezeption dar. Für Fragen nach dem eigentlichen Geschehen ist sie keine sinnvolle Quelle, für Fragen nach der Deutung des Krieges hingegen eine ertragreiche. Wenn Ihr Forschungs- und Rechercheziel darin besteht, könnte Ihre vorläufige Arbeitsbibliographie wie auf der folgenden Seite (Abb. 16) aussehen:
Abb. 16: Provisorische Arbeitsbibliographie – provisorisch in den Ergebnissen wie in der (noch uneinheitlichen) Darstellung!
Auch wenn wir hier ein eng begrenztes Beispiel angeführt haben, so gilt dieses Vorgehen – mutatis mutandis – auch für alle anderen Epochen. Versuchen Sie es selbst anhand dreier Beispiele aus verschiedenen Epochen: Caesar und die Germanen, die Sachsenkriege Karls des Großen und der Dreißigjährige Krieg. Recherchieren Sie selbst einschlägige Literatur zu den genannten Themenfeldern!
I. Ein Beispiel aus der Antike – Caesars Gallischer Krieg
Caesars Beschreibung seines Krieges gegen die Gallier enthält auch eine berühmte ethnographische Darstellung der Germanen und eine Schilderung seines Konfliktes mit dem suebischen Heerführer Ariovist. Welche Schritte zur Quellenrecherche würden Sie durchführen? Wie suchen und finden Sie einschlägige Literatur zu diesem Thema?
II. Ein Beispiel aus dem Mittelalter – Karl der Große und die Sachsenkriege
Die Sachsenkriege unter Karl dem Großen zwischen den Jahren 772 und 804 stellen für das Ausgreifen des Frankenreiches nach Osten eine wichtige Zäsur dar. Gleichzeitig hat die Forschung das mitunter brutale Vorgehen der Franken höchst kontrovers beurteilt. Was sind die einschlägigen Quellen zur Geschichte der Sachsenkriege? Wie gelangen Sie zur Literatur?
III. Ein Beispiel aus der Frühen Neuzeit – Der Dreißigjährige Krieg
Vor über 400 Jahren entwickelte sich aus dem berühmten Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 der Dreißigjährige Krieg. Welche Quellen stehen Ihnen zur Verfügung, wenn Sie eine Arbeit zum Ausbruch jenes für das Konfessionelle Zeitalter zentralen Krieges planen? Welche Literatur hilft Ihnen bei der Recherche?
17Kühmstedt, Estella: Klug recherchiert für Historiker, Göttingen 2013, insbesondere S. 151–173 (Kapitel 7).
18Zum Beispiel über die Homepage der Archivschule Marburg (https://www.archivschule.de). Zur Einführung in die Archivkunde und den Umgang mit archivalischen Quellen eignen sich unter anderen Werken: Beck, Friedrich: Die archivalischen Quellen. Mit einer Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, Wien/Weimar/Köln 52012; Lepper, Marcel/Raulff, Ulrich (Hg.): Handbuch Archiv. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2016; Lux, Thomas: Einführung in die Archivkunde, Darmstadt 92018.
19§ 13 Bundesarchivgesetz, Absatz 1, Satz 1.
20Stadtarchiv Wuppertal, Nachlass Wilhelm Dörpfeld, NDS 23, Kasten 8.
21Für die deutsche Geschichte etwa die zahlreichen Bände der Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe (Darmstadt 1955 ff.) oder: Müller, Rainer A. (Hg.): Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, 11 Bände, Stuttgart 1995–2001. Solche Reihen bestehen für viele Länder, Regionen und Epochen: für die Antike etwa die Sammlung Tusculum oder die Loeb Classical Library, für die englische Geschichte die English Historical Documents. In einschlägigen Handbüchern können Sie rasch nachlesen, welche Editions-Reihen für Ihre Thematik besonders bedeutend sind, mitunter auch in Einführungsdarstellungen wie etwa: Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte. Mittelalter, Stuttgart 42014, S. 96–106.
22Lepsius, Johannes/Bartholdy, Albrecht Mendelssohn/Thimme, Friedrich (Hg.): Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871–1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Band 39: Das Nahen des Weltkrieges 1912–1914, Berlin 1926.
23Götter, Christian/Eberhard, Andreas: Rezension zu: The Great War Archive/Europeana (Hrsg.): Europeana 1914–1918 (Erster Weltkrieg in Alltagsdokumenten)/Hacken, Richard (Hrsg.): The World War I Document Archive/Ministero per i Beni e le Attività Culturali (Hrsg.): 1418 – documenti e immagini della grande guerra/Gallica, in: H-Soz-Kult, erschienen am 11. Februar 2012, via: https://www.hsozkult.de/webreview/id/rezwww-163 (Stand: 24. Juni 2018).
24Zum Beispiel auch zum Ersten Weltkrieg: Regulski, Christoph: Bibliographie zum Ersten Weltkrieg, Marburg 2005. Seit Erscheinen dieser Übersicht sind freilich schon derart viele neue Studien erschienen, dass diese Bibliographie in vielen Teilen (nicht aber im Quellen-Teil) veraltet ist.
25So etwa: Follner, Michaela: Papierkrieg. Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges in Archiven Österreichs, Deutschlands und Tschechiens, Innsbruck 2014.
26Darunter etwa: Schröter, Marcus: Erfolgreich recherchieren – Altertumswissenschaften und Archäologie, Berlin 2017; Kühmstedt, Estella: Klug recherchiert für Historiker, Göttingen 2013; Öhlmann, Doina: Erfolgreich recherchieren – Geschichte, Berlin 2012; Busse, Laura u. a. (Hg.): Clio Guide. Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Berlin 22018 – digital via: https://guides.clio-online.de/guides (Stand: 24. Juni 2018).
27So umfasste der gedruckte Bestand der Universitätsbibliothek in Wuppertal im Jahr 2017 etwa 1,216 Mio. Titel – derjenige der Universitätsbibliothek in Tübingen hingegen 3,751 Mio. Titel. Solche und andere Zahlen sind für die meisten großen Bibliotheken zu ermitteln via: https://www.bibliotheksstatistik.de/.
28Jünger, Ernst: In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe, hg. v. Helmuth Kiesel, 2 Bände, Stuttgart 2013.
29Darunter: Jünger, Ernst (Hg.): Das Antlitz des Weltkrieges. Fronterlebnisse deutscher Soldaten. Mit etwa 200 photographischen Aufnahmen auf Tafeln, Kartenanhang sowie einer chronologischen Kriegsgeschichte in Tabellen, Berlin 1930.
30Kurz, Gerhard: „Wildgänse rauschen durch die Nacht“. Graue Romantik im Lied von Walter Flex, in: Stambolis, Barbara/Reulecke, Jürgen (Hg.): Good-Bye Memories? Lieder im Generationengedächtnis des 20. Jahrhunderts, Essen 2007, S. 79–97; Schepping, Wilhelm: „Wildgänse rauschen durch die Nacht“. Neue Erkenntnisse zu einem alten Lied, in: ebenda, S. 99–114.
31Oesterle, Günther: Das Kriegserlebnis im für und wider. „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque (1929), in: Laak, Dirk van (Hg.): Literatur, die Geschichte schrieb, Göttingen 2011, S. 213-223.
32Hinweise gibt etwa: https://www.historicum.net/themen/erster-weltkrieg/quellen/feldpostkarten-agv-muenchen/digitalisate (Stand: 24. Juni 2018).
33Die Versionsgeschichte zeigt zudem, dass ein übereifriger Bearbeiter durch die „Verbesserung“ eines vermeintlichen Tippfehlers den Text der zitierten Quelle änderte (besser gesagt: verfälschte!), bevor dies einige Zeit später wieder rückgängig gemacht wurde.
34https://de.wikipedia.org/wiki/Mythos_von_Langemarck (Stand: 24. Juni 2018).
35http://www.stahlgewitter.com (Stand: 24. Juni 2018). Diese Homepage bezeichnet sich als „Das Archiv zum 1. Weltkrieg“, ohne das zu leisten, was Aufgabe eines Archivs wäre: Quellen kompetent zu erschließen, das heißt unter Angabe ihrer Herkunft.
36Online verfügbar etwa bei der Französischen Nationalbibliothek: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k9437138k (Stand: 24. Juni 2018).