Читать книгу Philosophie der Wissenschaft - Georg Römpp - Страница 6
ОглавлениеDie empirische Wissenschaft beeinflusst unser Leben weniger durch die technischen Apparaturen und Behandlungsmethoden zur Lösung von Problemen, in denen sich ihr Fortschritt mit zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit darstellt. Es ist weit mehr die Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens zum Orientierungsmodell alles Denkens, das unser Selbstverständnis und unser Verständnis der Welt und damit unser Leben prägt.
Diese Entwicklung hat ihre Grundlage in einer bestimmten Auffassung von Wissenschaft, der zufolge sie einen exklusiven Zugang zur Welt besitzt, die sich in der wissenschaftlichen Sprache so darstellen kann, dass wir uns mit ihr miteinander und über die Welt verständigen können.
Die folgende Einführung zeichnet an den für den Weltbezug der empirischen Wissenschaft zentralen Stellen die Entwicklung der Wissenschaftsphilosophie seit Mitte des 20. Jahrhunderts hin zu einer fundamentalen ‚Kritik‘ an der Wissenschaft nach. Eine solche Philosophie wollte und will aber kein besseres Wissen als die Wissenschaft entwickeln, sie will der Wissenschaft nicht sagen, wie sie zu forschen hat, und sie will die empirische Wissenschaft auch nicht als ein schlechtes Wissen kennzeichnen.
Auch dadurch unterscheidet sich die Philosophie der Wissenschaft von der Wissenschaftstheorie. In diesem Buch wird aber auch nicht das übliche Quartett der Wissenschaftstheorie vorgestellt: Popper, Lakatos, Kuhn und Feyerabend. In das, was Wissenschaftsphilosophie heute ist, wird stattdessen durch eine Untersuchung der zentralen Grundlagen für einen Erfahrungsgehalt in der empirischen Wissenschaft eingeführt: die Wahrnehmung als ‚Kontaktstelle‘ mit der Welt, das Experiment als konstruierte Wahrnehmungsmöglichkeit, und die wissenschaftliche Sprache, in der sich die in Wahrnehmung und Experiment zur Erfahrung werdende Welt in wissenschaftlichen Theorien darstellt.
‚Kritik‘ ist die Philosophie der Wissenschaft deshalb, weil sie an der Grenzbestimmung des wissenschaftlichen Denkens arbeitet. Sie stellt also gedankliche Grundlagen zur Verfügung, um die rechtmäßigen Wissensansprüche der empirischen Wissenschaft von einer Verabsolutierung ihres Denkens zum alleinigen Orientierungsmodell alles Denkens unterscheiden zu können.
Damit arbeitet sie an der Freiheit, sich die Erfolge der empirischen Wissenschaft zunutze machen zu können, ohne sich auf ihre gedanklichen Grundlagen auch jenseits der wissenschaftlichen Erarbeitung eines technisch verwertbaren Wissens verpflichten zu müssen. Deshalb stellt Wissenschaftsphilosophie das sich in der Wissenschaft darstellende Denken in den weiteren Zusammenhang der Entwicklung des Denkens, Sprechens und Kooperierens in unserer Spezies, die uns – und nicht die Skorpione oder Kängurus – zur Herrschaft über diesen Planeten führte.
Die folgende Einführung in die Philosophie der Wissenschaft soll für studierende und studierte Naturwissenschaftler und Philosophen einen Beitrag zur Entwicklung der Freiheit in diesem Prozess leisten und unter diesem Vorzeichen den Dialog zwischen empirischer Wissenschaft und Philosophie fördern, der seit zwei Jahrhunderten nur noch fragmentarisch geführt wird.