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Vorwort

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Wer je den scharfgeprägten Kopf Georg Ruselers sah, vermutete hinter diesen ungemein charakteristischen Zügen einen ungewöhnlichen Geist. Und in der Tat war Georg Ruseler einer der schärfsten Denker und begabtesten Schriftsteller unserer Zeit.

Schon als Volksschüler waren Shakespeare und Schiller seine Lieblinge; der zwölfjährige Dorfjunge versuchte sich bereits an Gedichten und Theaterstücken. Kaum vom Lehrerseminar entlassen, schrieb er mit 22 Jahren das wuchtige Volksstück »Die Stedinger«, das im Oldenburger Hoftheater mit beispiellosem Erfolg aufgeführt wurde und seinen Namen durch ganz Deutschland trug. Der Weg zu Ruhm und Erfolg stand ihm offen, aber das Schicksal warf ihm Unglück, Not und Sorge in den Weg und sein Leben wurde eine erschütternde Tragödie.

Die »Stedinger«, in Berlin von einem sterbenden Theater schlecht herausgebracht, wurden vom Publikum bejubelt, aber die Kritik fiel über den jungen Dichter her, der es wagte, sich im kleinstädtischen Anzuge auf der Bühne zu zeigen. Da zuckte er zurück vom öffentlichen Leben, vergrub sich in seine Schreibstube und schuf in rascher Folge eine Reihe von historischen Dramen: »Dathans Zweifel«, »Michael Servet«, »König Konradin«, »Gudrun« und das Lustspiel »Tilli in Oldenburg«. Aber trotz der grüblerischen Durchdringung der geschichtlichen Stoffe vermochte sich keins dieser Werke auf der Bühne dauernd zu behaupten, zu weltfremd stand der Dichter dem wirklichen Leben gegenüber. Wohl errang er mit einem Band Gedichte den Augsburger Schillerpreis, aber jetzt klopfte die Sorge an seine Tür; schwere Krankheit überfiel seine junge, blühende Frau, und es hieß gebieterisch, mit dem Dichten Geld zu verdienen. So mußte er die Volljahre seines Lebens mit schwerer Fronarbeit verbringen, die sprudelnden Kräfte seines Geistes vergeuden in zeilenweis bezahlter Arbeit für Zeitungen, nur um drückende Schuldenlasten zu tilgen.

Aber das Genie verleugnete sich nicht – zwischen mühsam erpreßten Nichtigkeiten wuchsen Perlen funkelnder Satire, tiefsinnige Geschichten voll bitterer und lächelnder Wahrheiten, die ihm die Mitarbeit an den bedeutendsten Zeitschriften einbrachten und von denen er eine Anzahl unter dem Titel »Die gläserne Wand« als Buch herausgab. Nebenbei entstand »Der Wunderborn«, ein Buch niedersächsisch-friesischer Balladen, und eine Reihe von Erzählungen und Gedichten, die ihm manchen Erfolg eintrugen.

Aber die Sorge gab ihn nicht frei – die Krankheit seiner Frau artete aus in unheilbares Siechtum und ein jahrelanges, kostspieliges Krankenlager. Dennoch schuf er das gedankentiefe Märchenspiel »Die Schuhe der Prinzessin« und versuchte seine Kraft an Lustspielen. Aber auch hier waltete eine seltsame Tragik: kaum hatte er das Lustspiel »Der Eisbär«, dessen Handlung sich um die als unmöglich gedachte Entdeckung des Nordpols rankte, vollendet, da traf die Nachricht ein, daß der Nordpol wirklich entdeckt sei, und das Stück konnte in den Ofen wandern.

Dann kam der Krieg.

Seine Tagebuchblätter aus den großen Kriegstagen reden mit unheimlicher Sehergabe von dem schweren und bitteren Ende, das er mit all seinen Folgen schon damals, trotz aller großen Waffensiege, mit unumstößlicher Sicherheit kommen sah. So stand er als Einsamer unter lauter Hoffenden und litt, wie kaum ein zweiter um sein Vaterland gelitten hat.

Gegen Ende des Krieges erlöste der Tod seine Frau, der er viele tiefempfundene Gedichte gewidmet hat. Er konnte wirtschaftlich aufatmen. Und im Sturm der Novemberrevolution wuchs er empor, spürte noch einmal seine gewaltige Schaffenskraft und wagte es, mitten im allgemeinen Zusammenbruch sein Haupt zu erheben und zu sagen: »Es ist eine Lust, zu leben.« Er machte sich frei von seinem Beruf; ungehindert wollte er schaffen. Und nun sprudelte der Quell in schier unerschöpflicher Fülle. Was er im Laufe eines einzigen Jahres vollendete, ist fast ein Lebenswerk.

Zunächst entstanden ein paar Streitschriften für die Freiheit der Schule, eine neue Fassung des Lustspiels »Seine frühere Frau«, (»Die gefährlichen Jahre« waren schon vorher entstanden) und weiter in rascher Folge der umfangreiche Roman »Das Haus im See«, die plattdeutsche Komödie »De dulle Deern« und ein ganzer Band plattdeutscher Gedichte neben Skizzen und Entwürfen zu zahlreichen weiteten großen Arbeiten. Unbegrenzt war seine Schaffenskraft – und seine Hoffnung.

Aber nur ein einziger kurzer Sommer war ihm beschieden.

Bittere Enttäuschung folgte.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten zwangen ihn in das Joch des Berufes zurück; eine tückische Krankheit warf ihn nieder und zog ihn ins Grab, mitten aus kühnsten Plänen und Entwürfen heraus.

Erst auf seinem Sterbebett durfte er das Glück empfinden, einen verstehenden Verleger für seine Schriften gefunden zu haben.

Es war sein Herzenswunsch, einer seiner Freunde möchte nach seinem Tode das Beste aus seinen Schriften sammeln und herausgeben. Dieser Aufgabe habe ich mich, in Gemeinschaft mit seinem Sohne, um so lieber unterzogen, als Georg Ruseler ein Freund war, wie er selbstloser und aufopfernder nicht gedacht werden kann.

Die Verhältnisse im Buchgewerbe und das Bestreben, ein möglichst reines Bild des Dichters Ruseler zu geben, zwangen zu schärfster Auswahl. Der Roman »Das Haus im See« war noch in seinen letzten Wochen vom Friesenverlag angenommen und konnte als selbständiger Band dieser Sammlung eingefügt werden. Die lange Reihe seiner Jugenddramen und seine späteren Lustspiele mußten fallen; sein bestes Werk »Die gläserne Wand«, wurde neu zusammengestellt und um eine große Anzahl trefflicher Skizzen vermehrt.

Ein weiterer Band »Der rauschende Garten« gewährt mit den lyrischen Gedichten seiner letzten Zeit einen erschütternden Einblick in die Seele eines Einsamen, dem in tiefster Not aus seiner Kunst ein Trost erwuchs. Außerdem bringt dieser Band die besten seiner Balladen.

Ein weiterer Band enthält eine Auswahl seines plattdeutschen Schaffens: eine Fülle von Gedichten, urwüchsig und tief empfunden, humoristische Erzählungen und das derbkräftige »Buernspill in dree Törns: De dulle Deern«.

So hoffe ich, in diesen Bänden ein knappes und doch umfassendes Bild des Dichters Georg Ruseler zu geben, das diesem feinen und vornehmen Künstler, diesem oft verkannten, unermüdlich Kämpfenden seinen Zeitgenossen und der Nachwelt gegenüber den Platz sichert, der ihm gebührt.

August Hinrichs.

Dem Menschen will ich und der Zeit

Ins tiefste Herze sehn

Und im gewalt'gen Zukunftsstreit

Ein treuer Kämpe stehn.

Die gläserne Wand

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