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ZWEI

Im Stall war großer Aufruhr. Die Schafe plapperten hysterisch: »Schrecklich! Habt ihr gehört? Die Bestie hat sogar einen Hirsch gerissen. Wenn wir nicht aufpassen, sind wir die nächsten.« – »Ich gehe jedenfalls nicht mehr raus!« Moritz kauerte zwischen den Futtertrögen. »Was ist das, ein Wolf?«

»Ein gar furchtbares Ungeheuer«, sagten die Schafe. »Er wird kommen, uns in den Wald holen.«

»Wird er nicht«, sagte Claire. »Er wird im Wald bleiben.«

»Woher willst du das wissen?«, blökten die Schafe von allen Seiten.

»Er wird sich nicht hertrauen. Da ist doch der Bauer mit seiner Flinte ...«

»Das hält den doch nicht ab. Ich habe von Wölfen gehört, die auch Menschen fressen.« Ein Schauer jagte Moritz über den Rücken. Wenn selbst der Bauer sie nicht beschützen konnte ...

Balus tiefe Stimme bellte über die Tiere hinweg: »Ruhe, seid doch still! Hört mir zu!« Der schwarze Hund erhob sich über die Herde. »Es ist wahr. Ein Wolf treibt sein Unwesen im Wald. Er ist gefährlich. Hat schon Hasen und Rehe gerissen.« – Panische Aufschreie folgten und die Tiere gerieten in Bewegung, drängten zusammen. Hühner huschten zwischen den Schafen umher, gackerten nervös. »Doch habt keine Angst, meine Freunde! Denn ich bin da. Zu eurem Schutz. Ich werde alles tun, um diesen grässlichen Räuber zu vertreiben. Ich, euer Beschützer - und unser aller Herr, wir werden diesem Scheusal den Kampf ansagen.« Ein Raunen ging durch die Menge. Balu machte sich davon. Er ließ die Tiere wenig beruhigt zurück, denn die Bestätigung der Gerüchte stiftete noch mehr Unruhe. »Wir sind dem Untergang geweiht. Er wird uns finden, hier eingepfercht sind wir ihm ausgeliefert!«

»Nein, Balu ist da. Auf ihn können wir uns verlassen.«

»So ein Wolf ist doch viel größer als der Hund.« Moritz wurde es zuviel. Durch den Schweinestall gelangte er nach draußen. »Ein Wolf geht um«, sagte Moritz zu den Schweinen, die gemütlich fraßen.

»Wissen wir«, sagte die größte der Säue. Mehrere Ferkel drängten sich an ihren Zitzen.

»Macht ihr euch denn keine Sorgen?«, fragte der kleine Kater.

»Warum sollten wir? Hier drin sind wir sicher. Außerdem jagen Wölfe keine Schweine.«

Moritz wünschte, er wäre größer. Dann würde er es dem Wolf schon zeigen. Aber wenn es stimmte, und der Wolf noch größer als der Hund war ... Moritz betrachtete Balus Hütte draußen im Hof. Die Nacht war hereingebrochen. Durch die Fenster des Hauses, wo der Bauer wohnte mit seiner Frau, kam gelbes Licht. Wenn ich nur hinein dürfte, dachte der kleine Kater. Er stellte sich oft vor, wie es da drinnen aussah, bei den Menschen. Als er noch ganz klein war, brachte die Bäuerin am Morgen oft ein Schälchen Milch heraus. Moritz war ihr entgegen getapst, gefolgt von seiner Mutter. Die Bäuerin hatte ihn immer ganz sanft gestreichelt, während er die Milch trank. Seine Mutter rief ihn, und Moritz kam aus seinem Versteck im Schatten.

»Da bist du ja! Du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt. Auf einmal warst du weg. Wir müssen zusammenbleiben, Moritz. Was auch geschieht, du bleibst bei mir.« Der Kleine nickte nur. Er war froh, dass sie bei ihm war. »Auf keinen Fall gehst du raus, erst recht nicht alleine.«

»Mama, wie sieht ein Wolf nun wirklich aus?« Moritz wunderte sich, dass seine Mutter erst darüber nachdenken musste. »Im Grunde sind Wölfe Hunde. Mach dir nicht so viele Gedanken, Moritz.«

»Hunde? Und wem gehören sie?«

»Sie leben nicht bei den Menschen. Es sind wilde Tiere.« Moritz schmiegte sich an seine Mutter. Ein Sturm zog auf. Schwerer Regen prasselte auf die Ställe und schwemmte dreckiges Stroh über den Hof. Blitze zuckten über den schwarzen Himmel, gefolgt von ohrenbetäubenden Donnerschlägen. Moritz verkroch sich im warmen Fell seiner Mutter. Er fühlte sich geborgen. Solange sie da war, konnte ihm nichts geschehen. Der kleine Kater zuckte jedesmal zusammen, wenn es donnerte. Es war das erste Gewitter in seinem noch jungen Leben. »Hab keine Angst.«

»Ist es der Wolf, der uns holen kommt?«

»Aber nein, mein Liebling. Das ist nur ein Sturm. Das Wetter, Blitz und Donner.«

»Und warum ist es so laut?«

»Das hat es so an sich. Es mag furchterregend klingen, doch hier drin kann dir nichts passieren.«

Da kam Balu ums Eck, aus dem Hof. Er schüttelte sein nasses Fell, dass es nur so spritzte. »Alles ruhig soweit. Der Halunke soll nur herkommen. Das wird er teuer bezahlen.«

Moritz lugte aus seinem kuscheligen, weißen Versteck hervor.

»Der Himmel soll nur seinen ganzen Zorn auf mich nieder schicken. Das macht mir nichts!« – der Hund fletschte die Zähne und bellte in die stürmende Nacht hinaus. Moritz ging wieder in Deckung.

»Jag ihm doch keine Angst ein!«

»Ach sei still, Weib. Lullst ihn ein, statt einen Mann aus ihm zu machen.« Die Stimme des Hundes war begleitet vom tobenden Grollen des Donners.

»Hör auf, Panik zu verbreiten.«

Balu lachte – »Was willst du mir sagen? Du schwaches Ding. Lächerlich!«

»Anstatt die Schafe zu beruhigen, schürst du ihre Ängste noch.«

»Glaubst du, das ist ein Spiel? Das ist keine Mäusejagd. Es geht hier um Leben und Tod. Um eine ernste Bedrohung.«

»Hast du den Wolf gesehen?«

Der schwarze Hund sah hinaus in den tosenden Regen, dessen Schleier die Lichter des Bauernhauses verschlang. »Natürlich habe ich ihn gesehen. Ich blickte dem Ungeheuer in seine roten Augen. Ich sage euch, es kommt geradewegs aus der Hölle.«

Moritz zitterte, klammerte sich fest an seine Mutter. Sie sprach sanfte Worte.

»Er hat sich mit dem Falschen angelegt! Ich werde ihn zur Strecke bringen. Es zerbersten, dieses Scheusal!«

Claire drückte Moritz fest an sich, um all den Lärm und Balus wilde Gebärden von ihm abzuhalten. Der Hund lief auf und ab, geiferte und knurrte, und seine Augen funkelten zornig. Er bellte den Sturm an wie seinen ärgsten Feind. »Ich bin bereit!«, schrie er. »Komm nur her! Ich werde dich töten, ganz alleine!« Balus wütendes Gebrüll machte dem kleinen Kater mächtig Angst. Claire brachte das zitternde Bündel weg.

Der Köder

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