Читать книгу Farm der Tiere. Eine Märchenerzählung - Джордж Оруэлл, George Orwell - Страница 5

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Drei Nächte später starb Old Major friedlich im Schlaf. Sein Leichnam wurde am Ende des Obstgartens beigesetzt.

Das war Anfang März. In den nächsten drei Monaten gab es allerlei geheime Umtriebe. Majors Rede hatte den intelligenteren Tieren der Farm eine völlig neue Sichtweise auf das Leben eröffnet. Sie wussten nicht, wann die von Major vorhergesagte Rebellion stattfinden würde, noch hatten sie Grund zu der Annahme, sie werde noch zu ihren Lebzeiten stattfinden, aber sie sahen deutlich, dass es ihre Pflicht war, sich auf sie vorzubereiten. Natürlich fiel die Aufgabe, die Übrigen zu unterweisen und zu organisieren, den Schweinen zu, welche allgemein als die klügsten der Tiere galten. Unter den Schweinen ragten zwei junge Eber namens Snowball und Napoleon heraus, die Mr Jones aufgezogen hatte, um sie als Zuchteber zu verkaufen. Napoleon war ein großer, recht grimmig aussehender Berkshire-Eber, das einzige Berkshire-Schwein auf der Farm; er war kein großer Redner, stand jedoch in dem Ruf, sich durchsetzen zu können. Snowball war temperamentvoller als Napoleon, redegewandter und einfallsreicher, galt jedoch als weniger charakterstark. Alle anderen männlichen Schweine auf der Farm waren Mastschweine. Das bekannteste unter ihnen war ein kleines fettes Schwein namens Squealer mit sehr runden Wangen, blinzelnden Äuglein, flinken Bewegungen und einer schrillen Stimme. Er war ein glänzender Redner, und wenn er ein schwieriges Argument vortrug, hatte er eine Art, hin und her zu hopsen und mit seinem Ringelschwänzchen zu wackeln, die irgendwie sehr überzeugend wirkte. Die anderen sagten Squealer nach, er könne einem ein X für ein U vormachen.

Die drei hatten die Lehren Old Majors zu einem vollständigen Denksystem ausgearbeitet, dem sie den Namen Animalismus gaben. Mehrere Nächte pro Woche hielten sie, wenn Mr Jones schlief, in der Scheune Geheimtreffen ab und legten den anderen die Grundsätze des Animalismus dar. Anfangs stießen sie auf viel Unverständnis und Apathie. Einige der Tiere sprachen von einer Loyalitätspflicht gegenüber Mr Jones, den sie als ihren »Herrn« bezeichneten, oder machten grundlegende Bemerkungen wie »Mr Jones füttert uns. Wenn er fort wäre, würden wir verhungern«. Andere stellten Fragen wie »Was kümmert es uns, was nach unserem Tod geschieht?« oder »Wenn die Rebellion ohnehin stattfindet, was macht es da für einen Unterschied, ob wir für sie arbeiten oder nicht?«, und die Schweine hatten größte Mühe, ihnen begreiflich zu machen, dass dies dem Geist des Animalismus widersprach. Die törichtesten Fragen kamen von Mollie, der Schimmelstute. Die erste Frage, die sie an Snowball richtete, lautete: »Wird es nach der Rebellion noch Zucker geben?«

»Nein«, sagte Snowball nachdrücklich. »Eine Möglichkeit, auf der Farm Zucker herzustellen, haben wir nicht. Außerdem brauchst du keinen Zucker. Du wirst so viel Hafer und Heu haben, wie du willst.«

»Und werde ich noch Bänder in meiner Mähne tragen dürfen?«, fragte Mollie.

»Genossin«, sagte Snowball, »die Bänder, die dir so am Herzen liegen, sind Abzeichen der Sklaverei. Verstehst du nicht, dass Freiheit wertvoller ist als Bänder?«

Mollie stimmte zu, klang aber nicht sehr überzeugt.

Noch mehr Mühe hatten die Schweine dabei, den Lügen entgegenzutreten, die Moses, der zahme Rabe, verbreitete. Moses, Mr Jones’ Lieblingshaustier, war ein Spitzel und Zuträger, aber auch ein geschickter Redner. Er behauptete, von der Existenz eines mysteriösen Landes namens Kandelzuckerberg zu wissen, in das alle Tiere nach ihrem Tod eingehen würden. Es liege irgendwo am Himmel droben, gleich hinter den Wolken, sagte Moses. In Kandelzuckerberg sei sieben Tage in der Woche Sonntag, der Klee grüne das ganze Jahr hindurch, und in den Hecken wüchsen Würfelzucker und Leinsamenkuchen. Die Tiere hassten Moses, weil er Ammenmärchen erzählte, statt zu arbeiten, aber einige von ihnen glaubten doch an den Kandelzuckerberg, und die Schweine mussten hartnäckig argumentieren, um sie davon zu überzeugen, dass es einen solchen Ort nicht gab.

Ihre treuesten Anhänger waren die Zugpferde Boxer und Clover. Diesen beiden fiel es sehr schwer, selbstständig nachzudenken, doch nachdem sie die Schweine erst einmal als ihre Lehrmeister akzeptiert hatten, sogen sie alles auf, was ihnen gesagt wurde, und reichten es vereinfacht an die übrigen Tiere weiter. Sie fehlten bei keinem der Geheimtreffen in der Scheune und leiteten den Gesang von »Tiere Englands«, mit dem jede Versammlung schloss.

Wie sich herausstellte, gelang die Rebellion viel früher und leichter, als irgendjemand erwartet hatte. In den vergangenen Jahren war Mr Jones, obgleich ein gestrenger Herr, ein fähiger Farmer gewesen, in letzter Zeit aber war es mit ihm bergab gegangen. Nachdem er in einem Rechtsstreit Geld verloren hatte, war er sehr verzagt geworden und hatte sich mehr als ihm guttat aufs Trinken verlegt. Ganze Tage lang faulenzte er dann auf seinem Windsor-Stuhl in der Küche, las Zeitung, sprach dem Alkohol zu und fütterte Moses gelegentlich mit in Bier aufgeweichten Brotkrusten. Seine Männer waren träge und unredlich, die Felder standen voller Unkraut, die Gebäude brauchten neue Dächer, die Hecken wurden vernachlässigt, die Tiere waren unterernährt.

Es kam der Juni, und das Gras war fast schnittreif. Am Mittsommerabend, einem Samstag, fuhr Mr Jones nach Willingdon und betrank sich so stark im Red Lion, dass er erst am Sonntagmittag zurückkehrte. Die Männer hatten frühmorgens die Kühe gemolken und waren danach auf die Kaninchenjagd gegangen, ohne sich die Mühe zu machen, die Tiere zu füttern. Als Mr Jones zurückkam, schlief er, die News of the World über dem Gesicht, auf dem Wohnzimmersofa sofort ein, sodass die Tiere, als es Abend wurde, noch immer nichts zu fressen bekommen hatten. Schließlich hielten sie es nicht länger aus. Eine der Kühe brach mit den Hörnern die Tür des Vorratsschuppens auf, und sämtliche Tiere fingen an, sich aus den Tonnen zu bedienen. Genau in diesem Augenblick erwachte Mr Jones. Gleich darauf standen er und seine vier Männer mit Peitschen in den Händen im Vorratsschuppen und schlugen nach allen Seiten um sich. Das war mehr, als die ausgehungerten Tiere ertragen konnten. Obwohl nichts dergleichen geplant war, stürzten sie sich geschlossen auf ihre Peiniger. Plötzlich sahen sich Jones und seine Männer von allen Seiten gestoßen und getreten. Sie bekamen die Situation überhaupt nicht mehr unter Kontrolle. Noch nie hatten sie erlebt, dass Tiere sich so benahmen, und der plötzliche Aufstand der Geschöpfe, die sie nach Belieben zu prügeln und zu misshandeln gewohnt waren, ängstigte sie fast zu Tode. Schon nach ein, zwei Augenblicken gaben sie den Versuch, sich zu verteidigen, auf und suchten das Weite. Eine Minute später flohen alle fünf Hals über Kopf auf dem Feldweg, der zur Hauptstraße führte, und die Tiere verfolgten sie im Triumph.

Mrs Jones blickte aus dem Schlafzimmerfenster, sah, was geschah, warf eilig ein paar Besitztümer in eine Reisetasche und stahl sich auf anderem Wege von der Farm. Moses hüpfte von seiner Stange und flatterte laut krächzend hinter ihr her. Unterdessen hatten die Tiere Jones samt seinen Männern auf die Landstraße gejagt und das Weidetor hinter ihnen zugeschlagen. Und so war die Rebellion, noch ehe sie wussten, wie ihnen geschah, erfolgreich durchgeführt worden: Jones war vertrieben, und die Manor Farm gehörte ihnen.

In den ersten Minuten konnten die Tiere ihr Glück kaum fassen. Als Allererstes galoppierten sie gemeinsam die Grenzen der Farm entlang, als wollten sie sich vergewissern, dass sich nirgends ein menschliches Wesen versteckt hielt; dann rannten sie zurück zu den Wirtschaftsgebäuden, um die letzten Spuren von Jones’ verhasster Herrschaft zu beseitigen. Die Geschirrkammer am Ende der Ställe wurde aufgebrochen; Trensen, Nasenringe, Hundeketten und die grausamen Messer, mit denen Mr Jones Ferkel und Lämmer kastriert hatte, wurden samt und sonders in den Brunnen geworfen. Zügel, Halfter, Scheuklappen, die erniedrigenden Futtersäcke wurden auf das Müllfeuer geschleudert, das im Hof brannte. Ebenso die Peitschen. Als sie sahen, wie die Peitschen in Flammen aufgingen, hüpften alle Tiere vor Freude. Auch die Bänder, mit denen gewöhnlich an Markttagen Mähnen und Schweife der Pferde geschmückt worden waren, warf Snowball ins Feuer.

»Bänder«, sagte er, »sollten als Kleidungsstücke eingestuft werden, das Erkennungszeichen eines Menschenwesens. Alle Tiere sollten nackt herumlaufen.«

Als Boxer das hörte, holte er den kleinen Strohhut, den er im Sommer trug, um die Fliegen von seinen Ohren fernzuhalten, und warf ihn mit dem Rest ins Feuer.

In kürzester Zeit hatten die Tiere alles vernichtet, was sie an Mr Jones erinnerte. Daraufhin führte Napoleon sie zurück in den Schuppen und setzte allen eine doppelte Ration Getreide vor, mit zwei Leckerli für jeden Hund. Alsdann sangen sie siebenmal hintereinander »Tiere Englands« von Anfang bis Ende; danach ließen sie sich für die Nacht nieder und schliefen, wie sie noch nie zuvor geschlafen hatten.

Doch bei Tagesanbruch erwachten sie wie gewöhnlich, und als sie sich plötzlich der ruhmreichen Vorgänge erinnerten, stürmten alle zusammen hinaus auf die Weide. Etwas weiter unten auf der Weide befand sich eine kleine Anhöhe, die einen Ausblick auf den größten Teil der Farm gewährte. Die Tiere eilten hinauf und blickten sich um im klaren Morgenlicht. Ja, sie gehörte ihnen – alles, was sie sehen konnten, gehörte ihnen! Bei dieser erregenden Vorstellung tanzten sie immer wieder umher und machten vor Begeisterung große Luftsprünge. Sie wälzten sich im Tau, rupften das süße Sommergras ab, rissen schwarze Erdklumpen aus dem Boden und sogen deren würzigen Duft ein. Dann machten sie einen Rundgang über die ganze Farm und inspizierten voll sprachloser Bewunderung das Ackerland, die Heuwiese, den Obstgarten, den Teich, das Gehölz. Es war, als hätten sie diese Dinge noch nie zuvor gesehen, und selbst jetzt konnten sie kaum fassen, dass all das ihnen gehörte.

Dann marschierten sie einer nach dem anderen zu den Wirtschaftsgebäuden zurück und blieben schweigend vor der Tür des Farmhauses stehen. Auch dieses gehörte ihnen, doch fürchteten sie sich davor, hineinzugehen. Aber nach einem kurzen Moment stießen Snowball und Napoleon mit den Schultern die Tür auf, und die Tiere traten der Reihe nach ein. Aus Furcht, etwas durcheinanderzubringen, bewegten sie sich mit größter Vorsicht. Behutsam zogen sie von Zimmer zu Zimmer, hatten Angst, lauter als im Flüsterton zu reden, und besahen mit einer Art Ehrfurcht den unglaublichen Luxus: die Betten mit ihren Federmatratzen, die Spiegel, das Rosshaarsofa, den Brüsseler Teppich, die Lithographie der Königin Victoria über dem Kaminsims des Wohnzimmers. Eben kamen sie die Treppe herab, als sie entdeckten, dass Mollie fehlte. Sie kehrten um und stellten fest, dass sie im schönsten der Schlafzimmer zurückgeblieben war. Von Mrs Jones’ Frisierkommode hatte sie ein Stück blaues Band genommen, hielt es sich an die Schulter und bewunderte sich naiv im Spiegel. Die anderen tadelten sie heftig, und zusammen gingen sie wieder hinaus. Einige Schinken, die in der Küche hingen, wurden zur Bestattung nach draußen geschafft, und das Bierfass in der Spülküche schlug Boxer mit einem Huftritt ein, ansonsten wurde im Haus nichts angetastet. An Ort und Stelle fassten sie den einstimmigen Beschluss, das Farmhaus als Museum zu erhalten. Alle waren sich einig, dass dort niemals ein Tier wohnen durfte.

Die Tiere frühstückten, dann riefen Snowball und Napoleon sie wieder zusammen.

»Genossen«, sagte Snowball, »es ist halb sieben, und wir haben einen langen Tag vor uns. Heute beginnen wir mit der Heuernte. Doch zunächst müssen wir uns um etwas anderes kümmern.«

Nunmehr enthüllten die Schweine, dass sie sich mit Hilfe einer alten Fibel, die Mr Jones’ Kindern gehört hatte und die auf den Müll geworfen worden war, in den vergangenen drei Monaten Lesen und Schreiben beigebracht hatten. Napoleon ließ Töpfe mit schwarzer und weißer Farbe kommen und ging voran zu dem Weidetor, das zur Hauptstraße führte. Dann klemmte sich Snowball (denn es war Snowball, der am besten schreiben konnte) einen Pinsel zwischen die Klauen eines Hufs, übermalte die auf dem obersten Querbalken angebrachte Inschrift MANOR FARM und schrieb stattdessen FARM DER TIERE. So sollte die Farm fortan heißen. Danach gingen sie wieder zu den Wirtschaftsgebäuden, wo Snowball und Napoleon nach einer Leiter schickten, die sie an die Stirnwand der großen Scheune lehnen ließen. Sie erklärten, im Zuge ihrer dreimonatigen Studien sei es den Schweinen gelungen, die Grundsätze des Animalismus auf sieben Gebote zu reduzieren. Diese sieben Gebote würden jetzt an die Wand geschrieben werden; sie bildeten das unabänderliche Gesetz, nach dem alle Tiere auf der Farm der Tiere bis an ihr Ende leben müssten. Mit einiger Mühe (denn für ein Schwein ist es nicht einfach, auf einer Leiter zu balancieren) kletterte Snowball hinauf und machte sich an die Arbeit, während Squealer ein paar Sprossen unter ihm den Farbtopf hielt. In großen weißen Lettern, die man noch aus dreißig Metern Entfernung lesen konnte, wurden die Gebote auf die geteerte Wand gepinselt. Sie lauteten wie folgt:

DIE SIEBEN GEBOTE

Was auf zwei Beinen läuft, ist ein Feind.

Was auf vier Beinen läuft oder Flügel hat, iгt ein Froind.

Kein Tier soll Kleidung tragen.

Kein Tier soll in einem Bett schlafen.

Kein Tier soll Alkohol trinken.

Kein Tier soll ein anderes Tier töten.

Alle Tiere sind gleich.

Die Schrift war sehr ordentlich und die Schreibweise bis auf das Wort »Froind« statt »Freund« und ein seitenverkehrtes »s« durchweg korrekt. Zum Nutzen der Allgemeinheit las Snowball die Gebote laut vor. Alle Tiere nickten zum Zeichen völligen Einverständnisses, und die gewitzteren begannen sogleich, die Gebote auswendig zu lernen.

»Jetzt, Genossen«, rief Snowball und warf den Pinsel von sich, »auf zur Heuwiese! Es sollte uns eine Ehrensache sein, die Ernte schneller einzubringen, als es Jones und seine Männer konnten.«

Doch in diesem Moment ließen die drei Kühe, die schon seit einiger Zeit unruhig gewirkt hatten, ein lautes Brüllen vernehmen. Sie waren vierundzwanzig Stunden lang nicht gemolken worden, und ihre Euter platzten fast. Nach kurzem Nachdenken ließen die Schweine Eimer holen und melkten die Kühe mit einigem Erfolg, denn für diese Aufgabe waren ihre Hufe bestens geeignet. Bald standen da fünf Eimer mit schäumender cremiger Milch, die viele der Tiere mit beträchtlichem Interesse beäugten.

»Was wird jetzt aus der vielen Milch?«, fragte jemand.

»Manchmal hat Jones etwas davon in unseren Brei gemischt«, bemerkte eine der Hennen.

»Vergesst die Milch, Genossen!«, rief Napoleon und stellte sich vor die Eimer. »Jemand wird sich darum kümmern. Die Ernte ist wichtiger. Genosse Snowball wird euch anführen. Ich werde in wenigen Minuten folgen. Vorwärts, Genossen! Das Heu wartet.«

So zogen die Tiere hinunter zur Heuwiese, um mit der Ernte zu beginnen, und als sie am Abend zurückkamen, bemerkten sie, dass die Milch verschwunden war.

Farm der Tiere. Eine Märchenerzählung

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