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Einleitung

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Forschungsstand und ausgewählte Publikationen

Die Folgen der Reformen für den Warschauer Pakt sind im Gesamtzusammenhang und im Zusammenspiel der gesellschaftlichen Kräfte im ehemaligen Ostblock noch nicht thematisiert worden. Untersuchungen liegen nur über Gorbatschows generelles politisches Wirken, sein außen- und sicherheitspolitisches Vorgehen in bestimmten Hinsichten, die sukzessive Auflösung des sowjetischen Imperiums, das Ende des Kalten Kriegs und einzelne Vorgänge, die für das östliche Bündnis von großer, zuletzt fataler Bedeutung waren, vor. Außer Dokumentenveröffentlichungen zu Gorbatschows Politik und den ihr zugrundeliegenden Motiven sind vor allem auf Primärquellen gestützte Darstellungen seiner Entscheidungen wichtig.

Das gilt besonders für die Monographien von Stephen Kotkin. In seinen Ausführungen über die „Implosion des kommunistischen Establishments“, den mit der Auflösung des Warschauer Pakts verbundenen Zusammenbruch der UdSSR, führt er aus, dass die Reformen in der UdSSR einer auf den Machtapparaten Partei, Staatssicherheit und Militär beruhenden Anti-Zivilgesellschaft einen Umsturz von oben darstellten, den zusammen mit Gorbatschow Teile der kommunistischen Herrschaftskreise in Gang setzten, während die Opposition von unten schwach gewesen sei und sich weder als Gesellschaft konstituiert noch als politische Kraft organisiert habe. Mangels handlungsfähiger Organe habe sie keinen bestimmenden Einfluss ausgeübt, sei inkompetent gewesen und habe damit Anteil am Scheitern der Reformen. Mithin liege diesem Zusammenbruch nicht nur Gorbatschows Verzicht auf den Gebrauch von Gewalt zugrunde.1 Diese Ansicht vertreten auch Gerhard und Nadja Simon in ihrem Buch über den „Verfall und Untergang des sowjetischen Imperiums“. Sie machen weiterhin geltend, die auf Enttäuschung beruhende Abkehr der Bevölkerung vom Sozialismus habe als Bewusstseinswandel weithin den Boden für Gorbatschow bereitet.2

Kotkin erörtert, wieso die Weltkatastrophe, das Armageddon der biblischen Apokalypse, nicht eingetreten ist, und kommt zu dem Schluss, dass mit dem Zusammenbruch der UdSSR, der schon zwei Jahrzehnte vorher begonnen hatte und bis zu Putins Machtübernahme weiterging, eine Lage entstanden war, die es nicht zum Krieg zwischen den Blöcken kommen ließ. Aufgrund der Lähmung der Führung im Kreml durch innere Konflikte konnten die spannungsträchtigen, auf Gewalt beruhenden sowjetischen Positionen im Osten Europas beseitigt werden, ohne dass es zum Krieg kam. Der herrschende Parteiapparat habe sich fortlaufend selbst zerlegt. Die Reformen, die Gorbatschow in Gang setzte, seien wegen Halbherzigkeit von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Weigerung, eine Marktwirtschaft zuzulassen, habe zum ökonomischen Ruin geführt. Seine Innenpolitik sei in jeder Hinsicht inkonsequent gewesen. Die eingeführten parlamentarischen Gremien hätten keine klaren Funktionen erhalten; seiner Präsidentschaft habe der administrative Unterbau gefehlt; die Justiz sei unentwickelt und oft auch abhängig geblieben; die Strukturen des überentwickelten Sicherheitsapparats hätten ohne Änderung überdauert. Insgesamt seien Liberalisierung und Demokratisierung Fremdkörper in den alten Institutionen gewesen. In dem Maße, wie die „ideologische Selbstzerstörung“ des Sowjetregimes fortgeschritten sei, habe sich völlige Rechtlosigkeit verbreitet. Demgemäß, so stellt Kotkin fest, sei das Staatseigentum Anfang der 1990er-Jahre zur Beute privaten Raubes geworden. Das abschließende Fazit lautet, dass Gorbatschow zwar selbst seinem humanitären Ideal treu blieb, aber mit dem Versuch scheiterte, Staat und Gesellschaft daran auszurichten.3

Die Gorbatschow-Biographie von William Taubman stützt sich auf besonders umfangreiche sowjetische wie amerikanische Quellen und zeichnet auf dieser Grundlage ein überzeugendes Bild der politischen Persönlichkeit.4 Kristina Spohr rückt in ihrer Darstellung der Wende ab 1989 die Charaktere und Einstellungen in den Mittelpunkt.5 Die Vorgänge in der UdSSR und die damit verknüpften internationalen Beziehungen im Umbruchjahr 1989 wurden von Helmut Altrichter umfassend behandelt.6 Die exzellente Darstellung der Interaktion mit dem Kreml in der Ära Bush von Robert Hutchings beruht zum einen auf der persönlichen Kenntnis vieler Washingtoner und Moskauer Interna, die er als Sowjetunion-Experte im National Security Council erhielt, und zum anderen auf den umfangreichen Unterlagen, die er bei seinen folgenden Recherchen einsehen konnte.7 Jeffrey Engel zeigt aufgrund amerikanischer und sowjetischer Quellen, wie US-Präsident Bush und Gorbatschow 1989/90 zusammenwirkten.8 Mark Kramer stützt seine sehr substanziellen, weit gespannten Ausführungen über den Zusammenbruch des kommunistischen Systems und der sowjetischen Macht in Osteuropa unter anderem auf Materialien des Russischen Staatsarchivs für Zeitgeschichte in Moskau (RGANI).9

Die Entwicklungen in den einzelnen „Bruderstaaten“ der UdSSR werden in den Sammelbänden von Wolfgang Mueller, Michael Gehler und Arnold Suppan10 sowie Vladimir Tismăneanu11 dargestellt. Dieser hat auch zusammen mit Bogdan C. Iakob einen weiteren Band mit Beiträgen herausgegeben, die das osteuropäische Geschehen in den historischen Kontext stellen.12 Die Politik Gorbatschows bezüglich der – für das Schicksal des östlichen Bündnisses entscheidenden – Vereinigung Deutschlands und ihrer Folgewirkungen 1989/90 behandeln aufgrund westlicher, vor allem bundesdeutscher Quellen die Veröffentlichungen von Rafael Biermann,13 Andreas Rödder,14 Karl-Rudolf Korte,15 Hanns Jürgen Küsters,16 Werner Weidenfeld17 und Gareth Dale.18 Als Anhänger der Solidarność in Polen hat Artur Hajnicz herausgearbeitet, wie wichtig der Umschwung in seinem Land für die Herstellung der deutschen Einheit war.19 Alexander von Plato, dem die Dokumente der Gorbatschow-Stiftung zur Verfügung standen, wirft dem Kremlchef eine falsche, nämlich den eigenen außen- und sicherheitspolitischen Vorstellungen zuwiderlaufende Ausrichtung vor. Insbesondere habe Gorbatschow, statt gegen alle Widerstände und Hindernisse auf der Schaffung eines die beiden Bündnisse ersetzenden kollektiven Sicherheitssystems zu bestehen, Deutschland der NATO überantwortet.20

Große Bedeutung kommt den veröffentlichten Dokumenten zu. Besonders hervorzuheben sind die zwei von Stefan Karner, Mark Kramer, Peter Ruggenthaler und Manfred Wilke edierten Bände mit internen sowjetischen Analysen während der Wende 1989 und im Kontext der deutschen Wiedervereinigung 1990.21 Die Zusammenhänge und Hintergründe der Außen- und Sicherheitspolitik Gorbatschows und ihre Auswirkungen auf den Warschauer Pakt sind auch das Thema der russischen Unterlagen, die Michail Prozumenščikov zusammen mit Irina Kazarina, Tatjana Kuz’mičeva und Peter Ruggenthaler über den politischen Wandel im Warschauer Pakt und dessen einzelnen Mitgliedsstaaten am „Epochenende“ 1989/90 herausgegeben hat.22

Von der Gorbatschow-Stiftung in Auszügen publizierte Aufzeichnungen von Anatolij Černjaev, Vadim Medvedev und Georgij Šachnazarov über Beratungen des Moskauer Politbüros geben Einblick in interne Entscheidungen zu wichtigen Fragen.23 Svetlana Savranskaya, Thomas Blanton und Vladislav Zubok haben in englischer Sprache einen Band mit sowjetischen und westlichen Dokumenten über das Ende des Kalten Krieges publiziert.24 Von Aleksandr Galkin und Anatolij Černjaev liegt als russischer Originaltext und in deutscher Übersetzung eine Sammlung sowjetischer Archivalien zu Gorbatschows Politik in der deutschen Frage von 1986 bis 1991 vor.25 Auf die Vereinigung Deutschlands 1989/90 beziehen sich eine Auswahl von Akten aus dem Bonner Bundeskanzleramt von Hanns Jürgen Küsters und Daniel Hofmann,26 eine von Andreas Hilger edierte Sammlung von Unterlagen aus dem Auswärtigen Amt27 sowie ein Band, dessen aus den Außenministerien der Bundesrepublik und der DDR stammende Materialien von Horst Möller, Ilse Dorothee Pautsch, Gregor Schöllgen, Hermann Wentker und Andreas Wirsching ausgewählt wurden.28

Auf sowjetischer Seite haben, neben Gorbatschow29 selbst, seine Mitarbeiter Anatolij Černjaev30 und Georgij Šachnazarov31 sowie Außenminister Ėduard Ševardnadze32 und Stellvertreter Georgij Kornienko, zusammen mit Marschall Sergej Achromeev,33 ebenso wie der im Verlauf des Geschehens zunehmend oppositionell gestimmte Nikolaj Ryžkov34 Erinnerungen verfasst. Als Akteure der zweiten Reihe haben aufschlussreiche Rückblicke auf ihre Tätigkeit veröffentlicht: der KGB-Resident in Ost-Berlin, Ivan Kuz’min,35 der Leiter der Internationalen Abteilung beim ZK der KPdSU, Valentin Falin,36 die Botschafter in Bonn, Julij Kvicinskij,37 und Ost-Berlin, Vjačeslav Kočemasov38 und sein Stellvertreter, Igor’ Maksimyčev, der sich auch gemeinsam mit dem letzten SED-Regierungschef, Hans Modrow, geäußert hat.39 Wichtige Einblicke in die Entwicklung des Verhältnisses zur UdSSR bietet der Bericht des letzten Botschafters der DDR in Moskau, Gerd König.40 Wie sich Markus Wolf erinnert, versuchte er nach seinem Rücktritt als Leiter der DDR-Auslandsspionage 1986 vergeblich, über seine KGB-Kontakte Gorbatschow zur moralischen Unterstützung der innerparteilichen Fronde zu veranlassen, die Modrow statt Honecker an die Spitze stellen wollte.41

Auf westlicher Seite blicken als oberste Führungspersönlichkeiten Bundeskanzler Helmut Kohl42 und US-Präsident George H. W. Bush43 auf die Zeit der großen Wende im Verhältnis zur UdSSR zurück. Auch dessen politische Berater Philip Zelikow und Condoleezza Rice44 sowie Robert Blackwill,45 Außenminister James Baker46 und der amerikanische Botschafter in Bonn, Vernon Walters,47 haben Erinnerungen veröffentlicht. Weiterhin geäußert haben sich Kohls außenpolitischer Mitarbeiter Horst Teltschik48 und der in Moskau tätige Diplomat Joachim von Arnim, der zu ihm in einem kritischen Moment Verbindung aufnahm.49 Als britischer Botschafter beobachtete Rodric Braithwaite aufmerksam die Umwälzungen in der UdSSR und ihre Auswirkungen auf die internationalen Verhältnisse.50

Neben diesen und weiteren Veröffentlichungen, die im Publikationsverzeichnis aufgeführt werden, liegen dieser Untersuchung Dokumente aus folgenden Archiven zugrunde: aus dem Russischen Staatsarchiv für Zeitgeschichte in Moskau (RGANI) und aus der Stiftung Archiv Parteien und Massenorganisationen [der DDR] im Bundesarchiv [Berlin] (SAPMO).

Entwicklungen vor Gorbatschow

Seit dem Ausbruch des Kalten Krieges stützte sich die UdSSR primär auf ihre Militärmacht, die darauf abzielte, Westeuropa im Kriegsfall mit der Perspektive eines raschen Vorstoßes bis zum Atlantik zu konfrontieren, ohne dass das eigene Gebiet dem Risiko der Einbeziehung in die Kampfhandlungen ausgesetzt wurde. Dieses Vorgehen sollte die Präsenz der US-Truppen in Europa beenden. Deshalb sah die Planung für den Fall eines Krieges, der nur als Angriff der „imperialistischen“ Mächte im Westen denkbar erschien, den sofortigen Beginn einer (Gegen-)Offensive vor. Als Stoßkeil standen in der DDR riesige Panzerverbände bereit. Die damit beabsichtigte Einschüchterung sollte die Gegenseite von dem Versuch abhalten, der Sowjetunion durch Ausnutzung bestehender Schwächen, etwa im wirtschaftlichen Bereich, eine Niederlage zuzufügen, sowie eine „Zügelung“ der Aggressivität herbeiführen, die dem „imperialistischen“ System des Westens prinzipiell zugeschrieben wurde. Als Führungsmacht des „sozialistischen Friedenslagers“ erklärte es die UdSSR zu ihrem Auftrag, die Gegenseite durch ein möglichst einseitiges Risiko an der Entfesselung eines Krieges zu hindern.51 Wie Chruschtschow formulierte, sollte die Geiselnahme Westeuropas kriegerische Akte der USA verhindern.52 Die NATO hatte für den Fall, dass ihre Verteidigung ins Wanken geraten sollte, deren Stabilisierung durch einen nuklearen Erstschlag vorgesehen, was den Kreml nicht abzusehende Probleme befürchten ließ. Zwar entzog 1963 Kennedys Entschluss, die „vorne stationierten“ Raketen aus der Türkei abzuziehen, der Maßnahme eine wichtige Grundlage,53 doch die Sorge in Moskau war damit nicht völlig ausgeräumt.

Mit der Stationierung der SS 20 (RS 10 „Pionier“) ab 1975/76 suchte die sowjetische Führung endlich ihr Ziel der unanfechtbaren militärischen Überlegenheit in Europa zu erreichen. Mit einer hinreichenden Anzahl dieser Raketen ließ sich die Verteidigung der NATO sofort ausschalten, ohne dass die – durch diese Kernwaffe von vornherein nicht bedrohten – USA Gelegenheit zum Eingreifen hatten.54 Das lief auf die Abkopplung Westeuropas von dem die atlantische Allianz konstituierenden Schutz der amerikanischen Macht und auf die Schaffung einer hoffnungslos unterlegenen Position gegenüber der Sowjetunion hinaus. Es war zwar nicht zu erwarten, dass man im Kreml Interesse an der Vernichtung und Verstrahlung des westlichen Kontinents hatte, doch ließ sich mutmaßlich mit Androhungen politischer Druck zur Erreichung von Machtzielen ausüben. Aus sowjetischer Perspektive ging es vermutlich vor allem darum, die schwache Position in Bezug auf die wirtschaftliche Produktivität, technische Innovation und soziale Attraktivität zu neutralisieren. Das hieß, der Westen sollte durch eine prekäre Situation zu Zurückhaltung und Entgegenkommen, also zur Unterstützung der UdSSR beim Bemühen um die Lösung ihrer Probleme, zumindest aber zum Verzicht auf die Ausnutzung seiner Überlegenheiten veranlasst werden. Die Grenze zwischen solchen Erwartungen und direkten Pressionen war fließend. Die westliche Seite sah sich daher auch bei dieser defensiven Interpretation der SS-20-Rüstung einer gravierenden Bedrohung ausgesetzt.

Der ungewöhnlich hohe Aufwand für das Militär belastete die UdSSR in extremem Ausmaß. Das wirkte sich auch auf die Beziehungen zu den Verbündeten aus. Diese hatten vielfach vor dem Hintergrund der Ost-West-Entspannung der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern größere Aufmerksamkeit zugewandt, um mehr Zustimmung zu gewinnen. Die Kosten überstiegen jedoch die beschränkte Kraft der sozialistischen Wirtschaft. Als man sich daraufhin in Moskau um Hilfe bemühte, sah man sich dort dazu wegen eigener materieller Bedrängnis außerstande. Als Ausweg blieb den Partnern die Verstärkung der ökonomischen Zusammenarbeit mit dem Westen und – zumeist in weit größerem Umfang – die Aufnahme von Krediten bei dortigen Banken. Das politische Ergebnis war wechselseitige Frustration. Während die Verbündeten sich in ihren Nöten von ihrer Führungsmacht alleingelassen sahen, warf diese ihnen ständig vor, sich von der Gegenseite abhängig zu machen, was das östliche Bündnis untergrabe. Da die UdSSR aber keine Alternative bieten konnte, änderte sich daran nichts. Noch schwerer wog, dass die DDR als unverzichtbarer Teil des Warschauer Pakts55 nicht nur auf die hohen finanziellen Zuflüsse aus der Bundesrepublik angewiesen war, die sie aufgrund der Berlin-Vereinbarungen und weiterer Arrangements erhielt, sondern sich zudem noch so sehr im Westen verschuldete, dass sie Anfang der 1980er-Jahre insolvent geworden wäre, wenn ihr nicht Bonner Unterstützung aus der Patsche geholfen hätte. Auch Polen und Ungarn mussten sich vom Kreml ihre hohen Westkredite vorhalten lassen.

Gegenüber dem Westen führte die immer schwerer zu tragende Bürde der Militärausgaben dazu, dass die UdSSR in den Verhandlungen über die KSZE-Folgetreffen die „militärische Entspannung und Abrüstung“ in den Mittelpunkt zu rücken suchte, um angesichts des Abbaus angeblicher Überkapazitäten der NATO den Kostenanstieg auf der eigenen Seite bremsen zu können. Ab 1979/80 geriet die Sowjetunion durch die Finanzhilfen für die antiwestlichen Bewegungen in der Dritten Welt und für Fidel Castros Kuba sowie durch den Krieg in Afghanistan zusätzlich unter Druck. Deswegen sah man sich im Kreml außerstande, auf die Bedrohung des kommunistischen Regimes in Polen durch die Gewerkschaft Solidarność mit militärischer Intervention und der damit verbundenen Übernahme der vollen Verantwortung zu reagieren. Wiederholte Bekundungen der Bereitschaft dazu sollten Warschau zum Einsatz der eigenen Sicherheitskräfte bewegen. Als General Jaruzelski nach eineinhalb Jahren schließlich dazu bereit war, erzielte er trotz ausgebliebener sowjetischer Mithilfe Erfolg. Dennoch war die UdSSR die Last nicht völlig los: Es wurde nötig, das polnische Regime vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu retten. Im Kreml sah man sich aber je länger, desto weniger zu ausreichender Hilfe in der Lage. Jaruzelski blieb nichts anderes übrig, als im Westen, auch in den USA, finanzielle Unterstützung zu erbitten. Er sah sich daher genötigt, die Repression abzuschwächen und gefangengesetzte Solidarność-Aktivisten freizulassen.

Die Politiker im Kreml sahen mit Unwillen, dass die Verbündeten, von Rüstung und Raumfahrt abgesehen, der UdSSR im wirtschaftlichen und technischen Bereich keine Führungsrolle zubilligten. Sie bezogen zwar gerne die von ihr gelieferte Energie und viele Rohstoffe, doch wenn es um Industriegüter des zivilen Bedarfs ging, waren ihnen die Erzeugnisse aus dem Westen lieber. Diese Präferenz hatte Folgen, die weiter reichten als ein Imagedefizit und Mindereinnahmen beim Export. Es entstanden Lieferketten, mit denen Warschauer-Pakt-Staaten dem östlichen Wirtschaftsverbund RGW den Rücken kehrten und ihrerseits benötigte Produkte in westliche Länder ausführten. Käufe im Westen erhielten Vorrang; den dafür benötigten Devisen wurde ein vielfacher Wert dessen beigemessen, was östlichen Währungen zugestanden wurde. Als die UdSSR an der Wende von den 1970er- zu den 1980er-Jahren wieder einmal Getreideimporte aus dem Westen benötigte, bezahlte sie mit Erdöllieferungen, weswegen die Kontingente der Verbündeten, insbesondere auch der DDR, eingeschränkt wurden. Das zog Spannungen nach sich: Die Führungsmacht begann, auf die Interessen der anderen Paktmitglieder weniger Rücksicht zu nehmen.

Die Entspannungspolitik, welche die Sowjetunion seit den späten 1960er-Jahren betrieb, schuf weitere Probleme. Es ließ sich nicht verhindern, dass außer der benötigten wirtschaftlichen Kooperation mit dem Westen auch Kontakt, Kommunikation und Informationskanäle über die Systemgrenze hinweg zunahmen. Das galt ganz besonders für das Verhältnis der DDR zur Bundesrepublik. Seit 1970–72 deren Moskauer Vertrag mit der UdSSR, die Regelung des Berlin-Problems und die Neugestaltung der deutsch-deutschen Beziehungen Breschen in ihre „Abgrenzung“ geschlagen hatten, entwickelten sich enge Verflechtungen zwischen beiden Staaten. Das lag außer an ihrer nationalen Gemeinsamkeit, der die DDR mit der These der „sozialistischen Nation“ vergeblich die Wirkung zu nehmen suchte, an der finanziellen Bedürftigkeit des SED-Regimes. Dessen Chef, Erich Honecker, suchte die Bevölkerung durch Subventionen für Waren des täglichen Gebrauchs politisch zu gewinnen, verfügte aber, als der erwartete Produktivitätsanstieg ausblieb, nicht über die notwendigen Mittel und sah keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der materiellen Vorteile, die das neue Verhältnis zur Bundesrepublik bot, wofür er auf deren Verlangen nach „menschlichen Erleichterungen“ eingehen musste. Der stetig wachsende Aufwand seiner Konsumpolitik machte ihn, anders als zunächst gedacht, permanent von dem Geld aus Bonn abhängig. Er war ständig bemüht, den Zufluss durch ökonomische Kooperation und politisches Entgegenkommen zu mehren.

Zugleich jedoch achtete Honecker darauf, die Schleusen des Kontakts, der Kommunikation und der Migration, nicht zu weit zu öffnen. Dabei stützte er sich sowohl auf den fortlaufend ausgebauten Staatssicherheitsdienst, der seine Methoden verfeinerte, um sein Wirken nach außen hin nicht gar zu krass hervortreten zu lassen, als auch auf die bewaffnete, nach innen gegen die eigene Bevölkerung gerichtete Grenze (mit der „Berliner Mauer“ als öffentlich sichtbarem Kernstück), mit der die DDR sich sowie die anderen Warschauer-Pakt-Staaten vor der Attraktivität des Westens schützte. Die nach innen gerichtete Abwehrfunktion der Grenze war für sie wegen familiärer und sonstiger Bindungen zwischen den Menschen auf beiden Seiten sogar besonders wichtig. Das galt umso mehr, als die Bundesrepublik ihre Staatsbürgerschaft den Ostdeutschen automatisch zuzubilligen bereit war und deswegen alle „Republikflüchtigen“ sofort aufnahm und ihnen alle erforderliche Unterstützung gewährte, was den Entschluss zur Übersiedlung sehr erleichterte. Auf das Verlangen, diesen Standpunkt aufzugeben, ging man in Bonn nicht ein, war doch der Wille, durch die Aufnahme speziell „innerdeutscher“ Beziehungen die Einheit der Nation im Zustand der Zweistaatlichkeit zu bewahren, ein wesentliches Motiv der „neuen Ostpolitik“.

Angesichts der Entspannung begannen viele KP-Funktionäre dem Systemgegensatz zum Westen weniger Gewicht beizumessen. Die Tatsache, dass die Sicherheit der Warschauer-Pakt-Staaten durch Übereinkünfte mit westlichen Vertragspartnern gefestigt wurde, rückte stärker ins Bewusstsein. Ein Symptom des Wandels war die Bereitschaft, Sicherheitsprobleme mit sozialdemokratischen Politikern zu erörtern, die man stets des Verrats am Sozialismus bezichtigt hatte. Hochrangige sowjetische Funktionäre beteiligten sich an der Independent Commission on Disarmament and Security des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme und wirkten an deren Konzept der „gemeinsamen Sicherheit“ mit. Auf Anregung von Kadern an der DDR-Akademie der Wissenschaften kam es von Februar 1984 bis Juni 1989 zu einem „Dialog“ mit der Grundwertekommission der SPD über den „Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“. Das Ergebnis waren eine bedeutsame politische wie persönliche Annäherung und ein darauf beruhender Bericht, der von Honecker unterzeichnet wurde, aber nur wenig Eingang in seine Vorstellungswelt fand.

Seit Anfang der 1980er-Jahre stand die UdSSR sogar auf militärischem Felde vor wachsenden Herausforderungen. US-Präsident Ronald Reagan drängte sie in der Dritten Welt zurück und leitete einen Rüstungswettlauf ein, den sie selbst mit größter, stark belastender Anstrengung nicht gewinnen konnte. Besonders gravierend war seine Entscheidung, die Kernwaffen der amerikanischen Truppen in Europa mit Neutronensprengköpfen zu bestücken, die den östlichen Panzerkeilen ihren Wert zu nehmen drohten und damit das Offensivkonzept infrage stellten.56 Geradezu Entsetzen rief im Kreml seine Strategic Defense Initiative hervor. Es war zwar zweifelhaft, ob das erklärte Ziel, durch weltraumgestützte Waffensysteme die USA vor allen Nuklearschlägen zu schützen, zu erreichen sei, doch war mit wehrtechnischen Innovationen zu rechnen, denen die UdSSR nichts entgegenzusetzen hatte. Zudem zeichnete sich im Westen die Entwicklung nicht-nuklearer Kampfmittel ab, die ebenso wirksam wie Kernwaffen waren und daher bei einem bewaffneten Konflikt ohne Verstrahlungssorgen sofort eingesetzt werden konnten. Vor diesem Hintergrund begannen sich die Militärs in Moskau darauf einzustellen, dass der vorgesehene Vorstoß bis zum Atlantik zunehmend illusorisch wurde.

Im Kreml setzte man alle Hoffnung darauf, dass der Druck der SS 20 auf Westeuropa einen sicherheitspolitischen Ausgleich herstellen würde. Nicht zuletzt deshalb erschien es nötig, der NATO die Durchführung ihres Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 unmöglich zu machen. Dieser sah vor, dass entweder die UdSSR ihr SS-20-Konzept aufgeben müsse, oder man mit einer „Nachrüstung“ reagieren werde. Im Blick darauf begannen die USA Mittelstreckenraketen für die Stationierung jenseits des Atlantiks, vor allem in der Bundesrepublik, zu entwickeln und zu produzieren. Diese waren dazu bestimmt, Ziele in weiten Gebieten der UdSSR zu treffen und damit die Bedrohung Westeuropas durch eine Gegenbedrohung der Sowjetunion zu neutralisieren. Die sowjetische Führung erwartete zuversichtlich, vor allem die – seit dem Krefelder Appell vom November 1980 sich formierenden – westdeutschen „Friedenskämpfer“ würden das verhindern.57 In der Tat erschien dies überaus wahrscheinlich angesichts der zunehmenden Massenproteste im ganzen Land, die den Eindruck allgemeiner Ablehnung der westlichen Raketen erweckten, und der unzähligen Widerstandsaktionen, die seit Sommer 1983 nahezu überall durchgeführt wurden.

Als dennoch in Bonn am 24. November die Stationierung beschlossen wurde, suchten dies „Friedenskämpfer“ aktiv vor allem dadurch zu verhindern, dass Großaufgebote von Protestierenden den Zugang zu den Aufstellungsorten und zum Verteidigungsministerium blockierten. Das veranlasste die Regierung jedoch nicht zum Nachgeben, sondern zum Einsatz von Hubschraubern zum Transport von Personen und Raketen. Das bot der Friedensbewegung Paroli – und kurz danach zerbrach ihre Einheit. Damit scheiterte sie endgültig. Der Kreml brauchte viele Wochen, bis er sich auf die neue Lage einstellte. Nach einer Phase des Schwankens fasste er schließlich den Entschluss, die Bundesrepublik mit heftiger Ablehnung zu bestrafen. Die DDR beteiligte sich nicht und rechtfertigte das mit der Parole einer „Koalition der Vernunft“. Dem lag zugrunde, dass die finanziellen Bedürfnisse Honeckers durch die vertraglich festgelegten Zahlungen nicht befriedigt wurden und dass er sich von einem Zusammenwirken mit Bonn noch weitere Devisenzuflüsse versprach. Die UdSSR sah sich außerstande, die Lücke zu schließen. Als Gorbatschow am 10. März 1985 an die Spitze der UdSSR trat, hatte ihr die „Nachrüstung“ der NATO die langfristig angestrebte Option genommen, ihre vielen Schwächen durch militärische Überlegenheit auszugleichen.

Fragestellung

Als Michail Gorbatschow am 10. März 1985 vom Politbüro zum Generalsekretär der KPdSU gekürt wurde, hatten sich in einer langen Phase der politischen Stagnation (wie es in maßgebenden Kreisen hieß) gravierende Probleme im Lande, im Warschauer Pakt und gegenüber dem Westen aufgestaut. Sein Bemühen um Korrekturen konnte daher nicht überraschen. Der Verlauf, die Ausrichtung und die Ergebnisse der Reformen, die den Warschauer Pakt betrafen oder sich auf ihn auswirkten, sind das Thema des zweiten Hauptteils. Bei diesem Vorgehen stützte sich Gorbatschow zu Anfang auf eine unangefochtene Machtposition, geriet dann aber zunehmend unter den Druck ungewollter Folgewirkungen und stand zum Schluss dem Geschehen ohnmächtig gegenüber, als sich 1991 zuerst der Warschauer Pakt (das „äußere Imperium“) und dann auch die UdSSR (das „innere Imperium“) auflösten. Die in diesem Teil des Buches vorgelegte Darstellung wurde verfasst, ohne dabei zunächst die Frage nach der generellen Logik des fortgesetzten, sich vor allem ab 1989 beschleunigenden Machtverfalls zu stellen. Erst nachdem ohne diese Überlegung die Darstellung der sukzessiven Entscheidungen Gorbatschows, ihrer Voraussetzungen, Motive und Konsequenzen formuliert worden war, wurde im Anschluss das zugrundeliegende Problem ins Auge gefasst, wieso die Reformpolitik nicht zur Festigung der sowjetischen Macht und zur Stärkung des sozialistischen Systems, sondern zu deren Auflösung geführt hat. Diese Logik des Geschehens herauszuarbeiten, ist das Ziel des nachträglich verfassten dritten Hauptteils.

In der folgenden Untersuchung der Politik Gorbatschows, soweit sie den Warschauer Pakt berührte, geht es nicht nur darum, relevante neue Fakten zu ermitteln, sondern vor allem auch darum, die Zusammenhänge zwischen den Vorgängen zu klären, die in 18 sich zeitlich überlappende Stadien gegliedert werden. Der danach durchgeführten Analyse ihres Verlaufs liegt die Feststellung zugrunde, dass die UdSSR lange Zeit eine sehr starke, möglicherweise sogar überlegene militärische Position auf dem europäischen Schauplatz besessen hatte, aber stets in fast allen anderen Bereichen schwächer als der ideologisch zum bedrohlichen Feind erklärte Westen gewesen war. Vor allem ihre ökonomische und technische Leistungsfähigkeit sowie ihre soziale Attraktivität waren unterlegen. Das stand in diametralem Gegensatz zum Anspruch auf Überlegenheit des Sowjetsystems und zu den darauf beruhenden politischen Ambitionen. Die Diskrepanz veranlasste das Regime zur Bereitstellung möglichst großer Gewaltpotenziale, um sich nach innen und außen vor den Auswirkungen vorhandener Defizite zu schützen. Umfängliche Sicherheitsapparate und die gegen die eigene Bevölkerung gerichtete Grenze dienten der Abwendung endogener Gefahren, während der Eindruck militärischer Stärke den Westen von der Ausnutzung seiner Überlegenheitsfaktoren abhalten sollte. Die Machtinstrumente verursachten hohe Kosten, welche die schwache Wirtschaft übermäßig belasteten.

Als Gorbatschow an die Spitze der UdSSR gelangte, hatte eine Entwicklung eingesetzt, welche die Aufrechterhaltung der starken militärischen Position – und damit den Ausgleich für die Unterlegenheiten gegenüber dem Westen – zweifelhaft machte: Die NATO hatte die Herausforderung durch die SS 20 erfolgreich abgewehrt und begonnen, ihre Verteidigung durch waffentechnische Innovationen in die Vorhand zu bringen. Gorbatschow stand daher vor der Aufgabe, den allgemeinen Niedergang zu überwinden und die sowjetische Position zu behaupten. Da die Streitkräfte seit jeher dazu dienten, bestehende Defizite zu kompensieren und zu neutralisieren, galt seine Aufmerksamkeit zunächst vor allem dem militärischen Problem, doch wurde ihm zunehmend klar, dass er sich primär um die geringe wirtschaftliche Produktivität, die inferiore Technik und die abnehmende soziale Akzeptanz des sowjetischen Systems als Schwachpunkte kümmern musste. Bei diesen ebenso vielfältigen wie schwierigen Aufgaben stellte sich nicht nur die Frage, welcher er sich zuerst zuwenden solle, sondern es wurden auch Transformationsprozesse nötig, von denen niemand wusste, wie sie zum Erfolg zu führen waren, und bei denen er sich auf vielfach unwillige Parteifunktionäre stützen musste, die sich je länger, desto mehr widersetzten.

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1 Stephen Kotkin, Uncivil Society. 1989 and the Implosion of the Communist Establishment. New York 2009.

2 Gerhard und Nadja Simon, Verfall und Untergang des sowjetischen Imperiums. Mit zahlreichen Dokumenten. München 1993.

3 Stephen Kotkin, Armageddon Averted. The Soviet Collapse 1970–2000. Updated Edition, Oxford/GB 2008.

4 William Taubman, Gorbachev. His Life and Times. New York – London 2015.

5 Kristina Spohr, „Wendezeit“. Die Neuordnung der Welt nach 1990. München 2019.

6 Helmut Altrichter, Russland 1989. Der Untergang des sowjetischen Imperiums. München 2009.

7 Robert L. Hutchings, Als der Kalte Krieg zu Ende war. Ein Bericht aus dem Innern der Macht. Berlin 1999.

8 Jeffrey A. Engel, When the World Seemed New. George H. W. Bush and the End of the Cold War. New York 2017.

9 Mark Kramer, Jaruzelski, the Soviet Union, and the Imposition of Martial Law in Poland, in: Bulletin of the Cold War International History Project, 11/Winter 1998, S. 5–14; Mark Kramer, The Collapse of East European Communism and the Repercussions within the Soviet Union, in: Journal of Cold War Studies, 5/4/2003, S. 178–256; 6/4/2004, S. 3–64; 7/1/2005, S. 3–96; Mark Kramer, The Demise of the Soviet Bloc, in: The Journal of Modern History, 83/4/December 2011, S. 788–854.

10 Wolfgang Mueller – Michael Gehler – Arnold Suppan (Hg.), The Revolutions of 1989: A Handbook. Wien 2015.

11 Vladimir Tismăneanu (Hg.), The Revolutions of 1989 (Rewriting Histories). New York 1999.

12 Vladimir Tismăneanu – Bogdan C. Iakob (Hg.), The End and the Beginning. The Revolutions of 1989 and the Resurgence of History. Budapest – New Yok 2012.

13 Rafael Biermann, Zwischen Kreml und Kanzleramt. Wie Moskau mit der deutschen Einheit rang. Paderborn 1997.

14 Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung. München 2010.

15 Karl-Rudolf Korte, Deutschlandpolitik in Helmut Kohls Kanzlerschaft. Regierungsstil und Entscheidungen 1982–1989. Stuttgart 1998.

16 Hanns Jürgen Küsters (Hg.), Der Zerfall des Sowjetimperiums und Deutschlands Wiedervereinigung. Köln – Weimar – Wien 2016.

17 Werner Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90. Stuttgart 1998.

18 Gareth Dale, The East German revolution of 1989. Manchester – New York 2006.

19 Artur Hajnicz, Polens Wende und Deutschlands Vereinigung. Die Öffnung zur Normalität 1989–1992. Paderborn 1995.

20 Alexander von Plato, Die Vereinigung Deutschlands – ein weltpolitisches Machtspiel. Bush, Kohl, Gorbatschow und die geheimen Moskauer Protokolle. Berlin 2002.

21 Stefan Karner – Mark Kramer – Peter Ruggenthaler – Manfred Wilke (Hg.), Der Kreml und die Wende 1989. Interne Analysen der sowjetischen Führung zum Fall der kommunistischen Regime. Dokumente. Innsbruck – Wien – Bozen 2014; Stefan Karner – Mark Kramer – Peter Ruggenthaler – Manfred Wilke (Hg.), Der Kreml und die deutsche Wiedervereinigung 1990. Interne sowjetische Analysen. Berlin 2015.

22 M. Ju. Prozumenščikov (Verantwortlicher Redakteur) – I. V. Kazarina – T. M. Kuz’mičeva – P. Ruggenthaler (Hg.), Konec ėpochi. SSSR i revolucii v stranach Vostočnoj Evropy v 1989–1991 gg. Dokumenty [Das Ende einer Epoche. Die UdSSR und die Revolution in den Ländern Osteuropas 1989–1991. Dokumente]. Moskau 2015.

23 V Politbjuro CK KPSS… Po zapisjam Anatolja Černjaeva, Vadima Medvedva, Georgija Šachnazarova (1985–1991) [Im Politbüro des ZK der KPdSU… Nach Aufzeichnungen von Anatolij Černjaev, Vadim Medvedev und Georgij Šachnazarov]. Moskau 2006; Otvečaja na vyzov vremeni. Vnešnjaja politika perestrojki. Dokumental’nye svidetel’stva. Po zapisjam M. S. Gorbačëva s zarubežnymi dejateljami i drugim materialam [Auf die Herausforderungen der Zeit antworten. Dokumentarische Zeugnisse. Nach den Aufzeichnungen von M. S. Gorbatschow (über Gespräche) mit ausländischen Politikern und andere Materialien]. Moskau 2010.

24 Svetlana Savranskaya –Thomas Blanton – Vladislav Zubok (Hg.), Masterpieces of History. The Peaceful End of the Cold War in Europe, 1989. Budapest – New York 2011.

25 Aleksandr Galkin – Anatolij Černjajew (Hg.), Michail Gorbačev i germanskij vopros. Sbornik dokumentov 1986–1991 gg. Moskau 2006; Aleksandr Galkin – Anatolij Tschernjajew (Hg.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991. München 2011.

26 Hanns Jürgen Küsters – Daniel Hofmann (Bearb.), Dokumente zur Deutschlandpolitik. Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90. München 1998.

27 Andreas Hilger (Hg.), Diplomatie für die deutsche Einheit. Dokumente des Auswärtigen Amtes zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1989/90. München 2011.

28 Horst Möller – Dorothee Pautsch – Gregor Schöllgen – Hermann Wentker – Andreas Wirsching (Hg.), Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess, bearbeitet von Heide Amos und Tim Geiger. Göttingen 2015.

29 Michail Gorbatschow, Erinnerungen. Berlin 1995; Michail Gorbatschow, Alles zu seiner Zeit. Mein Leben. München 2014.

30 A. Černjaev, Fenomen Gorbačëva v kontekste liderstva [Das Phänomen Gorbatschow in Bezug auf Führung], in: Meždunarodnaja žizn’, 7/1993, S. 50–61.

31 Georgi Schachnasarow, Preis der Freiheit. Eine Bilanz von Gorbatschows Berater, hg. von Frank Brandenburg. Bonn 1996.

32 Eduard Schewardnadse, Die Zukunft gehört der Freiheit. Reinbek 1991; Ėduard Ševardnadze, Kogda ruchnul železnyj zanaves [Als der Eiserne Vorhang zerbrach]. Moskau 2009.

33 S. F. Achromeev – G. M. Kornienko, Glazami maršala i diplomata. Kritičeskij vzgljad na vnešnjuju politiku SSSR do i posle 1985 goda [Mit den Augen eines Marschalls und eines Diplomaten. Ein kritischer Blick auf die Außenpolitik der UdSSR vor und nach 1985]. Moskau 1992.

34 Nikolai Ryschkow, Mein Chef Gorbatschow. Die wahre Geschichte seines Untergangs. Berlin 2013.

35 Iwan Kusmin, Die Verschwörung gegen Honecker, in: Deutschland Archiv, 3/1995, S. 286–288; I. N. Kuz’min, Krušenie GDR. Zametki odčevidca [Der Zusammenbruch der DDR. Bemerkungen eines Augenzeugen]. Moskau 1996; I. Kuz’min, Šest’ osennych let. Berlin 1985–1990 [Sechs Herbstjahre. Berlin 1985–1990]. Moskau 1999.

36 Valentin A. Falin, Politische Erinnerungen. München 1993.

37 Julij A. Kwizinskij, Vor dem Sturm. Erinnerungen eines Diplomaten. Berlin 1993.

38 Wjatscheslaw Kotschemassow, Meine letzte Mission. Berlin 1994.

39 Igor’ Maksimyčev, Nizloženie Ėricha Chonekkera [Die Absetzung von Erich Honecker], in: Nezavisimaja gazeta, 19.10.1994; Igor’ Maksimyčev – Chans Modrov, Vzlȅt i padenie [Aufstieg und Fall]. Moskau 1993.

40 Gerd König, Fiasko eines Bruderbundes. Erinnerungen des letzten DDR-Botschafters in Moskau. Berlin 2011.

41 Markus Wolf, In eigenem Auftrag. München 1991.

42 Helmut Kohl, Ich wollte Deutschlands Einheit. Dargestellt von Kai Diekmann und Ralf Georg Reuth. Berlin 1996.

43 George Bush – Bent Scowcroft, A World Transformed. New York 1998.

44 Philip Zelikow – Condoleezza Rice, Germany Unified and Europe Transformed. A Study in Statecraft. Cambridge/MA – London 1995.

45 Robert D. Blackwill, Deutsche Vereinigung und amerikanische Diplomatie, in: Außenpolitik, 3/1994, S. 211–225.

46 James A. Baker III., The Politics of Diplomacy. Revolution, War and Peace 1989–1992. New York 1995.

47 Vernon A. Walters, Die Vereinigung war voraussehbar. Hinter den Kulissen eines entscheidenden Jahres. München 1994.

48 Horst Teltschik, 329 Tage. Innenansichten der Einigung. Berlin 1991.

49 Joachim von Arnim, Zeitnot. Moskau, Deutschland und der weltpolitische Umbruch. Mit einem Vorwort von Horst Teltschik. Bonn 2012.

50 Rodric Braithwaite, Across the Moscow River. The World Turned Upside Down. New Haven – London 2002.

51 Vojtech Mastny, Imagining war in Europe: Soviet strategic planning, in: Vojtech Mastny – Sven G. Holtsmark – Andreas Wenger (Hg.), War Plans and Alliances in the Cold War. Threat perception in the East and the West. London 2006, S. 15–45, hier: S. 22–33; Gerhard Wettig, Sicherheitspolitische Leitvorstellungen, in: Gerhard Wettig (Hg.), Sicherheit über alles! Krieg und Frieden in sowjetischer Sicht. Köln 1986, S. 11–58; Phillip A. Petersen – John G. Hines, Die sowjetische Friedens- und Kriegsstrategie in Europa, in: ebd., S. 59–148.

52 Siehe seine Gespräche mit Amintore Fanfani am 3.8.1961 (SAPMO-BArch, DY 30/3638, Bl. 76f.), mit Cyrus Sulzberger am 5.9.1961 (RGANI, F. 52, op. 1, d. 594, Bl. 133f.), mit Vittorio Valetta am 11.6.1962 (RGANI, F. 52, op. 1, d.568, Bl. 106) und mit Raymond Scheyven am 18.9.1962 (RGANI, F. 52, op. 1, d. 548, Bl. 27f.); sowie N. S. Chruščȅv, Za novye pobedy kommunističeskogo dviženija, in: Kommunist, 1/1961, S. 9, 16–22.

53 Nach dem Abzug der Mittelstreckenraketen, die von ihren vorgeschobenen Stellungen aus Ziele in der Tiefe des sowjetischen Territoriums hatten treffen können, hatten die USA nur noch Kernwaffen mit Gefechtsfeld-Reichweite auf dem europäischen Schauplatz, die nach Anzahl und Stärken dem entsprechenden Potenzial der UdSSR unterlegen waren. Falls die beiderseitigen Nuklearsysteme eingesetzt wurden, waren zudem großflächige oder sogar totale Zerstörungen der vorgeschobenen Länder in Ost und West, vor allem der deutschen Staaten, zu erwarten. Das stellte den Sinn der Verteidigungsanstrengungen, also auch die Glaubwürdigkeit der westlichen Bereitschaft zum nuklearen Ersteinsatz, infrage.

54 Die SS 20 deckte mit 4.500 km Reichweite ganz Westeuropa und die umliegenden Meere ab sowie weite Gebiete Asiens. Wegen ihrer hohen Treffgenauigkeit vermochte sie auch „gehärtete“ Punktziele zu vernichten. Als mobiles System, das den Standort rasch wechseln konnte und sich so der westlichen Zielerfassung in Echtzeit entzog, war sie faktisch unverwundbar. Aus dem Marsch heraus konnte sie in 40–60 Minuten startklar gemacht werden; in vorbereiteter Stellung waren dazu nur 5–8 Minuten nötig. Ihre Produktion wurde bis 1983 ununterbrochen fortgesetzt. Insgesamt 333 nachladefähige Systeme mit jeweils drei unabhängig voneinander ins Ziel zu bringenden Sprengköpfen wurden aufgestellt, davon etwa zwei Drittel im europäischen Teil der Sowjetunion. Wie Verteidigungsminister Ustinov den leitenden Militärs der Warschauer-Pakt-Staaten erklärte, war dadurch im Kriegsfall die augenblickliche Vernichtung aller strategischen Objekte in den europäischen NATO-Staaten und den umgebenden Seegebieten gewährleistet. Die westliche Verteidigung ließ sich demzufolge mit einem Schlag ausschalten. Siehe hierzu Erhard Forndran – Gert Krell (Hg.), Kernwaffen im Ost-West-Vergleich. Zur Beurteilung militärischer Potentiale und Fähigkeiten. Baden-Baden 1984, insbes. S. 506–509; B. E. Tschertok, Raketen und Menschen, Bd. 3: Heiße Tage des kalten Krieges. Klitzschen 2001, S. 536f.; BArch-MA, VA-01/32241, Bl. 211, Information über die während der Manöver „Sapad-81“ vorgeführten Komplexe der strategischen Angriffskräfte der UdSSR. Geheime Kommandosache (persönlich).

55 Die DDR war das zentrale Aufmarschgebiet gegen die NATO und gewährleistete als Staat im Rücken Polens, dass dieses für die UdSSR schwierige Land den Pakt nicht verlassen konnte.

56 Im Kriegsfalle erleichterten sie den nuklearen Ersteinsatz zur Ausschaltung der gegnerischen Panzer, weil sie wesentlich geringere zivile Kollateralschäden verursachten.

57 Das Verhalten der Bundesrepublik war deswegen entscheidend, weil die Mitwirkung der für die Stationierung vorgesehenen Staaten (Benelux-Länder und Großbritannien) davon abhing und weil allein die Pershing II, die dort in vorgeschobener Lage aufgestellt werden sollte, sowjetisches Territorium auf ähnliche Weise bedrohte, wie umgekehrt Westeuropa der SS 20 ausgesetzt war.

Gorbatschow

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