Читать книгу Sieben Welten - Seven Summits - Geri Winkler - Страница 8
WIE ALLES BEGANN
ОглавлениеWirklich ernst habe ich diese Aktion nicht genommen. Dass ich damit eine kleine Lawine in meinem Leben lostreten sollte, damit hatte ich wohl am allerwenigsten gerechnet. Aber alles der Reihe nach!
Der Frühling ließ die Großstadt wieder zum Leben erwachen, die warme Jahreszeit rückte näher und es war an der Zeit, Reisepläne für die Urlaubswochen reifen zu lassen. Ein Siebentausender soll es in diesem Sommer werden, darüber sind sich Thomas und ich schnell einig. Ein leichter Siebentausender, denn wir wissen, dass wir mit der Höhe noch genug zu kämpfen haben werden. Asienkarten, denn nur dort gibt es Siebentausender, nehmen den kleinen Tisch im Kaffeezimmer in Beschlag. Eine Idee nach der anderen sprudelt aus Thomas und mir heraus, während die mit ihren Kaffeetassen an den Rand gedrängten Kollegen bald nur noch die Köpfe schütteln. Was um alles in der Welt treibt diese Verrückten in der schönsten Jahreszeit in menschenfeindliche, eisige Höhen? Pik Lenin heißt unser erwählter Berggigant – Sommerurlaub in Zentralasien, mal etwas anderes!
Seit siebzehn Jahren bin ich Diabetiker, ohne mein Insulin kann ich nicht leben. Ob dies immer ein Nachteil sein muss? Ich will es wissen! So sende ich eine E-Mail an alle Unternehmen, die Blutzuckermessgeräte in Österreich vertreiben, biete an, ihre Geräte unter extremen Outdoor-Bedingungen zu testen, führe meinen Kumpel Thomas als nicht-diabetische Kontrollperson für Parallelmessungen an und verspreche großzügig umfangreiches Datenmaterial. Nun, ganz so großzügig ist mein Angebot doch nicht, schließlich denken wir an einen ergiebigen Reisezuschuss. Zu verlieren habe ich ja nichts! Nützt die Anfrage nichts, so kann sie auch nicht schaden! Ich drücke auf „Senden“ und vergesse die ganze Sache bald wieder. Wer soll sich schon für mich interessieren? Die Diabetiker-Kundschaft dieser Unternehmen strömt nicht gerade in Scharen auf Siebentausendergipfel, das Interesse der Firmenvertreter, wie ihre Produkte in eisigen Höhen funktionieren, wird wohl eher bescheiden sein.
Doch bald traue ich meinen Augen nicht. Da haben sich doch tatsächlich einige Unternehmen gemeldet, die wissen wollen, was ihre Geräte in Sphären jenseits der Gemütlichkeit taugen. Damit ist nicht nur unser Pik Lenin finanziert, da machen wir auch noch Gewinn. Nein, Gewinn wollen wir keinen machen. Da nehmen wir doch lieber noch einen Berg dazu. Ich habe mit dem Muztagh Ata schon einen Siebentausender zu Buche stehen, darum weiß ich, was ich an solchen Touren in große Höhen gar nicht schätze. Es ist dieses ewige Auf und Ab am selben Berg. Ein Stück hinauf, Lastentransport und dann alles wieder runter. Das nächste Mal dieselbe Prozedur, nur eine Etappe weiter, und wieder alles zurück. Beim dritten oder vierten Mal kann man dann den Gipfel ins Auge fassen. Das Ganze ist notwendig, da sich der Körper nur in kleinen Schritten an die immer größere Höhe und dünnere Luft anpassen kann. Warum also nicht vorher einen anderen, etwas niedrigeren Gipfel besteigen, um dann gut akklimatisiert am Pik Lenin aufzutauchen und dieses langwierige Prozedere deutlich zu verkürzen? Ein erstrebenswerter Nachbargipfel muss her! Da scheint der Elbrus im Kaukasus recht günstig zu liegen – zumindest auf der Landkarte, in natura ist er satte 3000 Kilometer entfernt. Der Elbrus ist mit seinen 5642 Metern der höchste Berg des Kaukasus und der höchste Gipfel Russlands. Pik Lenin und Elbrus waren also unser Ziel: Zwei faszinierende Bergregionen, zwei grundverschiedene Völker, zwei Gipfel zum Träumen und dazwischen noch zwei Ruhetage in Moskau – was kann man sich Besseres wünschen!