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VORWORT

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Im vergangenen Sommer begegneten mir im Vorbeigehen immer wieder Plakate, die sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie zeigten Bilder von aufwändig geschminkten und kostümierten Menschen, die irgendwie nicht von dieser Welt zu sein schienen: ein Mann mit Pestbeulen im Gesicht, ein anderer vernarbt, mit falschem Auge und blutbespritzter Rüstung; eine Frau in eleganter Robe, mit spitzen Ohren und entrücktem Blick, und nicht zuletzt ein gänzlich fremdartiges Wesen, mit schneeweißer Haut, schwarzen Augen und langen, spitzen Fingern. Es war Werbung für den Film Wochenendkrieger, der gerade in Berlin Premiere feierte. Anders als bei herkömmlichen Kinoplakaten sah man diesen Bildern jedoch an, dass hier masken- und kostümbildnerisch nachgeholfen worden sein musste: Man konnte angeklebte Ohren und falsches Haar erkennen, künstliche Narben und aufgemalte Wunden. Was den einen irritieren mochte, sprach für die andere eine deutliche Sprache: Ach, das sind doch LARPer!

Mit Wochenendkrieger befasst sich nun ein weiterer Dokumentarfilm mit dem ausgefallenen Hobby Live-Rollenspiel, der es sogar ins Kino geschafft hat. Ist LARP damit nun endgültig im Mainstream angekommen? Ist ein Buch wie das, an dem ich gerade arbeite, überhaupt noch notwendig, weil nun alle Welt das Phänomen kennt und versteht? Tatsächlich hat sich insgesamt die mediale Aufmerksamkeit vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich verstärkt, Live-Rollenspiel scheint geradezu ein Modethema zu werden.

Als ich vor fast zehn Jahren begann, mich mit Live-Rollenspiel zu beschäftigen, konnte außerhalb der Szene kaum jemand etwas mit dem Begriff und der dahinterliegenden Idee anfangen. Auch viele „klassische“ Rollenspieler und Rollenspielerinnen kannten (und kennen) diese Variante nicht und waren erstaunt, wie weit man gehen kann, um seiner Phantasie Leben einzuhauchen. Als ich mich Jahre später dazu entschloss, meine Abschlussarbeit über LARP zu schreiben, war diese Spielform auch in theaterwissenschaftlichen Kreisen noch so gut wie unbekannt, während andere role playing games dort zunehmend berücksichtigt wurden. Obwohl mit den Arbeiten von Performance-Gruppen wie SIGNA und anderen Versuchen eines immersiven Theaters mittlerweile ganz ähnliche Konzepte Gegenstand theaterwissenschaftlicher Forschung sind, findet LARP selbst immer noch kaum Beachtung. Diejenigen, die immerhin schon davon gehört haben, haben meist nur eine vage Vorstellung von Abläufen und Ausmaßen des Spiels. Auch die steigende Zahl an Medienberichten führt bislang nicht unbedingt zu einer besseren Kenntnis des Phänomens. Ich habe eher den Eindruck, dass sich mit dem Bekanntheitsgrad auch der Erklärungsbedarf erhöht hat, was ein Buch wie dieses umso lohnenswerter macht.

Außerdem formiert sich innerhalb der LARP-Szene gerade eine Bewegung, die eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Live-Rollenspiel etablieren will, so z. B. die 2013 gegründete AG Deutsche Larp-Forschung des Deutschen Liverollenspielverbands e. V., deren Mitglied ich bin. Auch für den Beginn einer ernsthaften deutschen Live-Rollenspiel-Forschung mag dieses Buch dienstbar sein, indem es bisherige Erkenntnisse zusammenfasst und Vorschläge zur theoretischen Einordnung von LARP macht. Damit soll eine Basis für weitere, tiefergehende Untersuchungen geschaffen werden. Dabei soll die hier eingenommene theaterwissenschaftliche Perspektive nicht als allein seligmachende Sichtweise propagiert werden, sondern als ein möglicher, wenn auch besonders fruchtbarer Blickwinkel auf Live-Rollenspiel als kulturelles Phänomen.

Grundlage dieses Buches ist meine gleichnamige Magisterarbeit, die ich 2012 am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin eingereicht habe. Sie wurde in der Zwischenzeit gründlich überarbeitet, erweitert und aktualisiert, um einem breiteren Publikum Einblicke in Live-Rollenspiel bieten zu können und neuere Publikationen und Entwicklungen zu berücksichtigen. Dass aus einer zunächst etwas abseitigen Idee nicht nur eine hochgelobte Magisterarbeit, sondern schließlich auch dieses Buch werden konnte, verdanke ich in erster Linie Doris Kolesch, die mich von Anfang an unterstützt und zur Veröffentlichung ermutigt hat. Ebenso hilfreich waren die Diskussionen im von ihr betreuten Colloquium, dessen Teilnehmer*innen mein Magisterprojekt mit konstruktiver Kritik und vielfältigen Anregungen begleitet und bereichert haben. Ohne das Engagement des Zauberfeder-Verlags wäre daraus kein Buch entstanden; für den persönlichen Einsatz möchte ich mich daher insbesondere bei Tara Tobias Moritzen und Christian Schmal bedanken. Außerdem danke ich Wiebke Hensle für das gewohnt sorgfältige Lektorat und viele hilfreiche Anmerkungen sowie Gabby Feuerfünkchen, Karsten Flögel und Nicole Busch für die Hilfe bei Auswahl und Bereitstellung der Fotos.

Schließlich sollen die freundlichen Menschen, Elfen, Orks und Zwerge von Berlin-Larp nicht unerwähnt bleiben, die mir damals als Newbie den Einstieg ins LARP erleichtert und sich in der Folge nicht nur als gute Mitspieler*innen, sondern auch als Freundinnen und Freunde erwiesen haben. Euch möchte ich besonders herzlich danken und Euch dieses Buch widmen.

Gerke Schlickmann Berlin, im März 2014

Für Hanne (1954–2014): Schade, dass Du das Buch nun nicht mehr in Händen halten kannst, ich weiß, Du wärst so stolz gewesen. Danke für alles.

Some words are dead, even though we are still using them. Among such words are: show, spectacle, theatre, audience, etc. But what is alive? Adventure and meeting: not just anyone; but that what we want to happen to us would happen, and then, that it would also happen to others among us. For this, what do we need? First of all, a place and our own kind; and then that our kind, whom we do not know, should come, too. So, what matters is that, in this, first I should not be alone, then – we should not be alone. But what does our kind mean? They are those who breathe „the same air“ and – one might say – share our senses. What is possible together? Holiday.

Jerzy Grotowski1

Adventure and Meeting

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