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Die Reise und ihre Abenteuer

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Die Reise selber ging rasch und glücklich genug vorüber, Cap Horn doublirten sie, von einer herrlichen Brise begünstigt, mit Leichtigkeit, und flogen mit schwellenden Segeln wieder einem milderen, freundlicheren Klima entgegen.

Don Morelos war den ersten Theil der Reise sehr leidend; kaum aus der Mündung des La Plata heraus und in offener See, bekamen sie einen tüchtigen Pampero, der ihn todtseekrank in seine Coje bannte, und die am Cap Horn fast stets ziemlich hoch gehende See mit der kalten unfreundlichen Witterung konnte nicht dazu dienen, ihn rasch wieder herzustellen. Zu diesem Zustand gesellte sich noch ein ziemlich bösartiges Fieber, das mehrere Tage lang sogar sein Leben bedrohte, und Stierna wich in dieser Zeit nicht von seinem Lager.

Der Kranke lag indessen in den wildesten Phantasien, in denen die Namen Constancia und Gomez einem festen Ideengang anzugehören schienen, während sein oft dazwischen tönendes Lachen förmlich unheimlich klang. Der Freund allein durfte in dieser Zeit an seiner Seite sein, und er rief die Anderen, wenn sich Capitain oder Steuermann einmal nach ihm erkundigen wollten, mit dem Namen seiner früheren Wärter oder Schließer, und drohte gegen sie anzuspringen.

Seine kräftige Natur überwand aber auch diese Krisis – wenn auch langsam, erholte er sich doch allmählig und noch ehe sie die warmen Breiten der südlichen Zone wieder erreichten, war er vollkommen hergestellt, wieder im Stande an Deck zu sein und seinen Körper durch die frische, balsamische Seeluft zu kräftigen. Eigenthümlicher Weise wußte er dabei Alles, was während seiner Krankheit vorgefallen, was er phantasirt und wie er sich betragen, entschuldigte sich auch gegen die Seeleute auf das herzlichste, daß er solch tolles ungereimtes Zeug gegen sie ausgestoßen und versicherte sie, er habe in demselben Augenblick gefühlt, was er thue, und sei doch nicht im Stande gewesen, seine Zunge zurückzuhalten. Viel wurde dabei über die verschiedenen Namen gelacht, die besonders der Steuermann abwechselnd erhalten hatte, und die kleine Gesellschaft in der Cajüte des »Oporto« amüsirte sich vortrefflich.

In der Höhe von Chiloe bekamen sie plötzlich eine längere Windstille, die See lag still und regungslos, nur in ihren ewigen, nie unterbrochenen Schwellungen, und die Segel flaggten schwerfällig gegen den Mast und das stehende Takelwerk des Schiffes an. Die Seeleute sagen in solchem Fall »Reepschläger und Segelmacher (Reepschläger: der Seiler oder Taumacher) prügeln sich« und sind schrecklicher Laune, und so große Erholung ein solcher Zustand gewöhnlich den früher von der Seekrankheit schwer Heimgesuchten gewähren mag, so entsetzlich wird er auf die Länge der Zeit für den Gesunden, der mit einer förmlich verzweifelten Sehnsucht nach Ost und West, nach Nord und Süd ausschaut, nur von irgend einer Seite her, gleichviel von welcher, das Wasser dunklen und die Brise ankommen zu sehen. Selbst der schlechteste Wind wird in einer solchen Zeit einer totalen Stille vorgezogen; man will nur Bewegung im Wasser, nur Leben und gerade das Gefühl vielleicht, so ganz machtlos dem schläfrigen Element zum Spiel zu dienen, sogar Nichts thun zu können, einem derartigen Zustand zu entgehen, ist es, das den Körper zuletzt förmlich aufreibt.

Es läßt sich denken, daß in einem solchen Fall auch das geringste Außergewöhnliche, was die traurige Monotonie der See unterbricht, freudig bewillkommt wird – der ferne Strahl eines Wallfisches wird ein Moment, eine andere Art von Möve, Albatroß oder Schwalbe sind froh begrüßte Gäste. – Springer, jene große Art von Fischen, die der deutsche Matrose etwas prosaisch nach dem Schweine nennt, weil sie einen ähnlichen scharfen Rüssel haben – zeigen sich in weiter Ferne, und selbst der Streifen wird betrachtet, den sie im Wasser ziehen – kräuseln sie doch die Oberfläche des Meeres und das Auge täuschte sich sogern mit einer kommenden Brise.

Das wichtigste Ereigniß in einer solchen Zeit ist aber das Erscheinen eines Haifisches, dieses gefräßigen Piraten der Tiefe, und der Mann am Steuer, der schläfrig am Rade lehnt und das Ruder bald auf diese bald auf jene Seite legt, das Schiff demselben gehorchen zu lassen und sich dann zu ärgern, wenn es sich nur faul und langsam eben um den ganzen Kompaß herum treibt, dreht fortwährend den Kopf nach allen Richtungen hin, und beobachtet die blanke Spiegelfläche des Wassers, irgend einen dunklen Punkt zu erkennen, der der Flosse eines anschwimmenden Haies gleiche. Der Schatten irgend einer sich etwas höher hebenden Schwellung, das Aufschlagen eines kleinen Fisches, ein müder Wasservogel, der seine Schwingen auf der glatten Fläche gefaltet hat, und mit dieser steigt und sinkt, faßt und hält dabei der rasche Blick – höher richtet er sich auf, und die Augen mit dem ausgestreckten Arm gegen das blendende Licht des blitzenden Strahles schützend, den die Sonne auf die Silberhaut des Meeres wirft, schaut er lange und forschend nach dem verdächtigen Punkt hinüber. Wieder und wieder getäuscht, läßt er endlich sogar sein Ruder eine Weile im Stich – bei Windstille kommt's nicht so genau darauf an, und der Mann steht wirklich manchmal Tage lang nur zum Staat dabei – geht an den Heck und schaut, soweit er möglicher Weise sich kann hinüberbiegen, nach dem von crystallreinem Wasser umspielten Ruder, das sich nach unten zum schönsten herrlichsten Dunkelblau schattirt, und beobachtet kurze Zeit den deutlich sichtbaren Kiel des Schiffes, denn der Hai treibt sich oft tief unter dem Schiff herum, auf Beute lauernd, die vom Bord zu ihm herausfallen möchte. Das schwarzlackirte, von der Sonne gedörrte Holz der Schanzkleidung, auf die er sich gelehnt, brennt aber zu sehr – er hält es nicht lange aus und tritt wieder an sein Ruder zurück – ein frisches Priemchen seine einzige Erholung.

»Shark-oh5 ruft da eine Stimme von der Bramraae herunter; Einer der Leute hatte etwas an dem oberen Tauwerk auszubessern gehabt und sein Arm deutet, während er spricht, den zu ihm rasch Aufschauenden die Richtung an, in der sich das Unthier faul und wohlgefällig in der warmen Fluth wälzt und schaukelt.

Im Nu ist die Lethargie der ganzen Mannschaft abgeschüttelt, der Koch bringt ein Stück gesalzenen Speck als Lockspeise für den Raubfisch, der Steuermann kommt mit dem wohleingeölten und blankgehaltenen Haken, an das der Erstere rasch den Speck befestigt – der Wirbel am Haken muß sich wohl drehen, denn wie ein Quirl schleudert sich das Unthier herum, wenn es sich gefangen fühlt – und das Eisen über Bord geworfen, drängt Alles nach hinten, die Bewegungen des Fisches, wie er sich nähert oder theilnahmlos an dem für ihn ausgehangenen Gericht vorbeitreibt, zu beobachten.

Der Matrose haßt nun überhaupt einen Hai; es ist dieß sein angeborener erbarmungsloser Feind, der mit den kaltblitzenden grünen Katzenaugen fortwährend nach Beute ausschauend, faßt, was er eben erreichen kann, und mit dieser ewigen Raubgier Schnelle und furchtbare Stärke verbindet. Er beißt auch weniger, als daß er das mit den Zähnen erfaßte förmlich ausdreht, wenn der Gegenstand zu groß ist, ihn gleich ganz zu verschlingen, und wenn selbst nicht gleich getödtet, ist der unglückliche Seemann, dem der Hai erst einmal Arm oder Bein gefaßt hat, auch meist rettungslos verloren. Was Wunder also, daß der Fang eines solchen Ungethüms stets mit Jubel, begrüßt wird, und selbst sonst ganz gutmüthige Seeleute die sich wenigstens nie dazu verstehn würden, einen Hund oder ein anderes Thier muthwillig zu quälen, mißhandeln mit wahrer Wonne einen gefangenen Hai oder schneiden ihm wohl auch gar den Schwanz ab, und werfen ihn wieder über Bord, wo er dann bald im Wasser elend umkommen muß.

Die Seeleute haben Grund ihn zu hassen und thun es von ganzer Seele; wunderbar aber war die Wuth, die der junge Spanier auf diese Fische hatte; halbe Tage lang saß er im Mast, nach ihnen auszuspähen, und war der Fang endlich geglückt, die das Deck peitschende Bestie an Bord gezogen und hielten sich die Leute noch scheu zurück, von dem schlagenden Schwanz nicht getroffen zu werden, sprang er, der Erste hinzu, ihm sein Messer in die Kiemen zu stoßen, daß er dann, trotz dem wüthenden Springen und Schnappen des gepeinigten Thieres, darin hin und her wühlte, bis der Fisch, durch Blutverlust und Anstrengung erschöpft, regungslos liegen blieb. Waren es junge Thiere, so wurden sie gewöhnlich später gebraten, aber nie konnte Don Gaspar, wie wir ihn denn auch von jetzt an nennen wollen, bewogen werden, das Fleisch auch nur zu kosten – und einen solchen Widerwillen fühlte er dagegen, daß er nicht einmal in der Kajüte blieb, so lange es auf dem Tische stand.

In dieser Zeit war es, daß ein ungewöhnlich großer Hai von der Bramraae angerufen wurde und nicht lange, so kam das Ungeheuer der Tiefe, ein Bursche von fast achtzehn Fuß Länge und von ganz außergewöhnlicher Stärke heran, den Haken einzuschnappen, den der Steuermann jetzt rasch anfing einzuziehen, da gar keine Hoffnung da war, ein solch riesiges Ungethüm selbst mit drei solchen Haken nur zu halten, viel weniger an Bord zu holen. Kaum aber sah der Fisch den weißen Speck vor sich hinschießen, den er jetzt wohl in der Eile für einen flüchtigen Fisch halten mochte, als er einen Schlag in das Wasser that, mit Pfeilschnelle hinter der vermeintlichen Beute herschoß und sie verschlang.

Jetzt begann ein toller wilder Jubel am Bord, der aber auch wieder von Lachen und Verwünschungen unterbrochen wurde, denn wenn der Hai nur im mindesten seine Kraft gegen das, was ihn hielt, gewandt hätte, mußte Haken oder Tau brechen und reißen; der gefangene Fisch begnügte sich aber, sich herumzuwirbeln und dadurch dem Eisen zu entgehen, das ihm anfing, unbequem zu werden und mehr und mehr zogen sie ihn indessen dem Heck des Schiffes näher, wo der Capitain schon eine Harpune bereit hielt, ihn zu werfen und dadurch vielleicht zu sichern.

Don Gaspar war außer sich, er sprang und jubelte, kletterte an den Besahnwanten6 hinauf und wieder hinunter und flog nur manchmal mit an das Tau, das die ganze Mannschaft fest gepackt hielt, um zu fühlen, ob der Fisch noch sicher daran sei. Endlich brachten sie ihn glücklich in Wurfsnähe der Harpune, der Capitain, ein alter Wallfischfänger, schleuderte das Eisen mit Kraft und Sicherheit und die scharfen Widerhaken drangen selbst durch die horngleiche Haut des Ungethüms tief in das Fleisch des Halses ein. Die nächsten Minuten hiernach war Nichts zu sehn als Schaum, so peitschte das Ungethüm die Wogen, und der Schwanz stieg manchmal wie der Kopf einer riesigen Schlange empor, und schmetterte dann mit furchtbarer Kraft in die kochende Wassermasse zurück. Aber das Eisen hielt und nur durch die entsetzlichen Anstrengungen des zur tollsten Wuth gereizten und vom Schmerz gepeinigten Thieres, arbeitete sich die Wunde größer und größer, und als sich das Wasser etwas beruhigte, rief der alte Steuermann, sie würden ihn doch noch verlieren, denn so bald er noch einmal anfange und hätte keine Schlinge um den Schwanz, müsse er sich frei machen.

Der Koch schlug jetzt, um das Tau der Harpune selber herum, eine Schlinge, diese auf den Kopf des Haies niederfallen zu lassen, und um ihn herum zu bekommen. Der gefangene Fisch fing aber aufs Neue an zu schlagen – und wenn auch die Schlinge dabei schon über den Kiemen lag, mußte sie doch wieder abrutschen, sobald aufgeholt wurde.

Don Gaspar zitterte während der Zeit am ganzen Körper von innerer Aufregung, er schrie und lachte, wenn der Fisch ruhig blieb und der Koch mehr mit der Schlinge nach rückwärts kam, und tobte und wüthete förmlich, wenn das Unthier sich wieder zu befreien drohte. – Alle möglichen Anordnungen gab er dabei und der Koch, so vielen Respekt er sonst vor dem Quarterdeck hatte, wurde endlich so ärgerlich, daß er ausrief —

»Das Schwatzen soll der Teufel holen, geht hinunter und schiebt das Tau über, und die Satansbestie soll bald hier oben liegen – da – da geht's wieder an – na, jetzt ist die Geschichte vorbei, diesmal haut er sich frei.«

Don Gaspar war auf den Rand der Brüstung gesprungen und schaute lautlos aber mit funkelnden, glühenden Augen in die Tiefe.

»Nehmen Sie sich in Acht, Herr!« rief ihm der Steuermann zu – »wenn Sie hinabfallen, kommen Sie in einen heißen Platz!«

Der Spanier hörte ihn nicht. —

»Lockert das Tau mit dem Haken, Leute!« – schrie da der Kapitain – »verdamm es, Ihr zieht zu fest – die Bestie bricht – da – da habt Ihr's – der Haken ist ausgerissen – holla, was ist das – Don Gaspar – was in des Teufels Namen!«

Sein Ausruf erstarb in einem Schrei des Erstaunens der ganzen Mannschaft, denn ehe Leifeldt, der auf der anderen Seite des Schiffes stand, und ebenfalls mit gespannter Aufmerksamkeit die furchtbaren Kraftanstrengungen des gefangenen und zur grimmigsten Wuth getriebenen Fisches beobachtet hatte, es verhindern konnte, faßte der junge Spanier, den Hut zurück an Deck werfend, das Tau, an dem die Harpune befestigt saß, und glitt an diesem nieder in die jetzt wieder aufkochende, spritzende See, in der sich das tödtlich getroffene Unthier, nur noch von der Harpune allein gehalten, wälzte. —

»Halten Sie sich am Tau fest, – um Gottes Willen nicht tiefer! – er schlägt Ihnen ein Bein entzwei – biegen Sie sich das Tau unter den Ellbogen!« Das waren die Rufe oder Schreie vielmehr, die von allen Seiten gleichzeitig ausbrachen, und Leifeldt selber rief entsetzt den Tollkühnen bei Namen und beschwor ihn bei allem, was ihm heilig sei, zurückzukehren. Hörte es aber schon nicht mehr, in der furchtbaren Erregung des Augenblicks, was um ihn her vorging, oder wollte er den Warnungsruf nicht beachten, denn ohne auch nur abzuwarten, bis sich das Ungeheuer der Tiefe, jetzt dicht unter ihm, in etwas wieder beruhigt hätte, glitt er nieder, und verschwand im nächsten Augenblick fast unter dem aufkochenden Schaum. —

»Nieder mit dem Boot!« übertönte des Kapitains ruhige Stimme in dem Augenblick den Lärm – »nach vorn, Ihr Leute, nach vorn und hinunter mit dem Boot, so rasch Ihr könnt – halt, Koch, Ihr bleibt hier – da, macht eine andere Schlinge aus dem Bramfall dort – vielleicht können wir ihn hier wieder zu halten bekommen – wenn ihn der Hai nicht mitnimmt,« und mit einem leise gemurmelten Fluch über die kecke Tollheit eines solchen Wagnisses, bog er sich wieder hinten über, das Resultat desselben mit anzusehen.

Don Gaspar war indessen einer solchen Gefahr keineswegs unbefähigt in die Arme gesprungen; so exaltirt er sich oben an Deck gezeigt, so ruhig und umsichtig bewies er sich hier unten, und während er für einen Augenblick festen Fuß auf dem Fisch selber zu fassen suchte, ließ er mit der linken Hand das Harpunentau keineswegs los, das ihn auch, vorn am Kopf des Haies hielt und vor den furchtbaren Schlägen des Schwanzes sicherte. Trotzdem aber, daß ihm die Füße abglitten auf dem schlüpfrigen Hals, schien er nur das eine Ziel im Auge zu haben, die Schlinge zu festigen und unbekümmert um jede Folge, ließ er sich vollkommen auf den Hai hinunter, faßte das Tau und unter dem Kopf der wüthenden Bestie mit der Hand niederfahrend, hatte er die Schlinge schon erreicht, als die Harpune ausriß und diese sich, von oben natürlich gehalten, plötzlich anstraffte.

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»Hai-oh!«

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Besahnwanten, das stehende Tauwerk des hinteren Mastes, das diesen hält und zugleich zur Strickleiter dient.

Der Wahnsinnige: Eine Erzählung aus Südamerika

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