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Der Abend kam, und Mademoiselle Adele hatte die Botschaft Georginens durch einen der Holzmacher erhalten, den der Forstwart an sie abgeschickt. Sie war allein in ihrem Zimmer, aber sie las weder, noch arbeitete sie, wie sie es sonst an solchen Abenden tat, an denen sie sich ungestört wußte. Unruhig ging sie in dem kleinen Gemach auf und ab, trat ans Fenster, um hinauszusehen, und kehrte dann wieder zum Sofa zurück – nur, um im nächsten Augenblick aufzuspringen und ihre kaum unterbrochene Wanderung von neuem zu beginnen. Sie sprach kein Wort dabei; still und schweigend ging sie mit dem Lichte hinüber in Georginens Zimmer und schien dort etwas Außergewöhnliches zu suchen, so ängstlich leuchtete sie überall umher. Der Sekretär aber wie alle Schränke waren fest verschlossen, und die Schlüssel dazu trug Georgine stets selber bei sich.

Sie kehrte in ihr eigenes Zimmer zurück und begann von neuem, was sie schon am Nachmittag getan, die Kinderwäsche zu zählen und nachzusehen, und hier hatte sie sich vorher nicht geirrt. Die verschiedenen Stücke fehlten dutzendweise, und wie sie fest überzeugt war, sich darin nicht zu täuschen, überkam sie eine unsagbare Angst, der sie nur noch immer keine Form, keinen Namen geben konnte.

Einmal drängte es sie, die alte Wirtschafterin zu rufen und ihr den dunklen Verdacht mitzuteilen, der sich ihrer bemächtigt hatte; aber was konnte die ihr helfen oder raten! – Und doch noch war es möglich, daß sie sich irrte. Georgine konnte den Nachmittag, obgleich sie sich sonst nie um die Wäsche des Kindes kümmerte, doch vielleicht nachgesehen und den fehlenden Stücken einen andern Platz angewiesen haben, und war es überhaupt denkbar, daß sie so, ohne Abschied von dem Gatten…? Von einem plötzlichen Gedanken erfaßt, griff das junge Mädchen ein Licht auf und eilte in des Barons Zimmer, denn sämtliche Schlüssel hatte sie in Georginens Abwesenheit in Verwahrung. – Sie brauchte dort nicht lange zu suchen; auf dem Schreibtisch des Barons lag ein gesiegelter Brief, dessen Adresse in Georginens Handschrift an ihren Gatten, den Baron von Geyfeln, lautete, und viele Minuten lang stand sie schweigend, zitternd über den verhängnisvollen Brief gebeugt und wagte nicht einmal, ihn zu berühren. Aber bald siegte ihr eigener klarer Verstand über das Gefühl. Hier durfte sie den Brief nicht liegen lassen; der Baron fand ihn vielleicht, während fremde Menschen ihn umstanden, und verriet im ersten Augenblick der Ueberraschung das Geheimnis anderen. Noch war es auch wohl möglich, den Schritt der unglücklichen verblendeten Frau ungeschehen zu machen, solange niemand darum wußte, als sie und der Baron – kam es erst auf die Zungen der Nachbarschaft, so blieb der Friede des Hauses gestört für immer.

Rasch entschlossen nahm sie deshalb den Brief an sich, er brannte wie Feuer in ihrer Hand, schloß die Tür wieder und eilte auf ihr eigenes Zimmer zurück, um dort zu überlegen, was jetzt zu tun sei, wie sie handeln solle. Aber so viel sie hin und her dachte, Pläne aufbaute und wieder verwarf, sie konnte nichts ersinnen. Eine genaue Adresse, wo er sich in diesen Tagen aufhalten würde, hatte Baron von Geyfeln gar nicht hinterlassen, und wohin also jetzt selbst einen Boten senden, um ihn, so rasch ihn die Pferde bringen konnten, herbeizurufen? Sie mußte warten – es blieb kein anderer Ausweg für sie, und länger war ihr noch nie eine Nacht – länger noch nie ein Tag geworden als der folgende.

Unzähligemal hatte sie dabei nach dem alten Forstwart schicken wollen, von diesem vielleicht etwas Näheres zu erfahren; aber sie fürchtete auch, damit das Geheimnis, das nicht das ihre war, einem dritten zu verraten. Und konnte nicht doch vielleicht die Frau noch zurückkehren – welchen Grund hatte sie gehabt, ihrer stillen, glücklichen Häuslichkeit zu entfliehen? Unzufrieden mit ihrem Gatten? Nie war, so viel sie wußte, ein hartes, unfreundliches Wort zwischen den beiden gewechselt worden, solange sie sich in dem Hause befand, und alles andere, was ihr das Leben bei nicht zu übermäßigen Ansprüchen bieten konnte, besaß sie ja doch hier. Und das Kind – ihre liebe, liebe Josefine – war sie freiwillig mit der Mutter gegangen? Nein, nein und zehnmal nein; sie hat keinen Abschied weiter von ihr genommen, als mit einem flüchtigen Kusse; das Kind hatte keine Ahnung gehabt, daß die Fahrt mehr als ihr gesagt worden, mehr als eine einfache Spazierfahrt bezwecke, und jetzt, dem Vater entrissen, wie unglücklich, wie elend würde sich dieser fühlen!

Noch immer hoffte sie – hundertmal den Tag ging sie in die andere Stube, in den Hof hinab, zu horchen, und den Weg nach dem Walde zu, den sie von ihrem Zimmer aus übersehen konnte, ließ sie nicht aus den Augen – umsonst. Der Abend dämmerte, jener blaue, die Nacht verkündende Lichtschein legte sich auf die schneebedeckten Felder, die Umrisse des Waldes verschwammen mit dem düstern Horizont, und nichts verkündete die Rückkehr der Entflohenen.

Die Wirtschafterin war indessen wieder und wieder zu der Erzieherin gekommen, Aufschluß über das rätselhafte Ausbleiben der »Gnädigen« zu erhalten. Adele aber hütete sich wohl, sie auch nur im entferntesten den wahren Tatbestand ahnen zu lassen. Ihrer Aussage nach hatte Frau von Geyfeln gleich von vornherein die Absicht gehabt, über Nacht auszubleiben, und ihr sogar gesagt, daß sie sich nicht ängstigen solle, wenn sie den Besuch noch ausdehne, da sie überdies so lange nicht bei den alten Bekannten und Freunden vorgesprochen hätte. Josefine besonders wäre gewiß nicht gern wieder so rasch von den dortigen Spielkameraden weggegangen. Aber das verdorbene Mittagsbrot – und wie sollte sie es jetzt mit dem Abendessen halten? Kam die Gnädige noch nach Hause oder nicht, und wenn sie kam, mußte sie doch etwas Warmes zu essen finden! Mademoiselle Adele riet ihr, Tee bereit zu halten, was ohne große Umstände geschehen konnte, und das Zimmer der gnädigen Frau heizen zu lassen – bliebe sie dann noch aus, so schadete es weiter nichts. Das geschah, aber die Frau kehrte nicht zurück.

Es schlug acht Uhr drüben an der kleinen Glocke, die sich über der Verwalterstube befand. Die Gouvernante, die keine Ruhe in ihrer Stube hatte, war wieder in das dunkle Zimmer getreten, von dem aus sie den Hof übersehen konnte. – Da klingelte ein Schellengeläute in den Hof, und ihre zitternden Knie versagten ihr fast den Dienst, sie aufrecht zu halten. Wer es war, konnte sie freilich nicht mehr erkennen, aber der Schlitten hielt unten am Portal, und gleich darauf hörte sie Schritte auf der Treppe und eine Kinderstimme.

Hatte sie sich geirrt? – war Georgine zurückgekehrt? – das Herz schlug ihr, daß es die Brust zu sprengen drohte, und sie wußte kaum, wie sie hinaus auf den Vorsaal kam.

Die Haushälterin leuchtete mit dem Licht den Heraufkommenden voran.

»Na, das ist schön, Herr Baron, daß Sie heute abend gekommen sind,« sagte sie dabei, »aber Ihr Zimmer habe ich nicht heizen lassen. Wir erwarteten Sie ja erst morgen – aber das von der gnädigen Frau ist warm – und die gnädige Frau wird wohl erst morgen wiederkommen.«

»Meine Frau ist nicht zu Hause?« sagte ruhig, aber erstaunt die tiefe Stimme Georgs.

»Nein – zum Besuche nach Kleinmarkstetten, mit dem gnädigen Fräulein.«

»Mit Josefinen?«

Mademoiselle Adele trat in den Schein des Lichtes. Es war der Baron selber, der zurückgekehrt, und während sich ein tiefer Seufzer ihrer Brust entrang, trat sie auf den Baron zu. Sie hatte ihre ganze Ruhe und Festigkeit wiedererlangt.

»Ah, Mademoiselle, guten Abend!« rief Georg ihr entgegen, »meine Frau ist mit Josefinen ausgeflogen, wie ich höre, und hier bringe ich Ihnen die kleine versprochene Gespielin für Josefine – ich werde sie so lange unter Ihren Schutz stellen müssen.«

Die Kleine drückte sich schüchtern an ihren Begleiter an, Adele aber, freundlich auf sie zugehend und sie küssend, sagte: »Sei uns willkommen, mein liebes Herz, in deiner neuen Heimat. Deine kleine Spielgefährtin ist freilich nicht da, aber sie wird bald wiederkommen, und du wirst dann ein liebes, braves Schwesterchen an ihr finden und sollst dich recht bald wohl und zufrieden bei uns fühlen.«

»Komm, Marie,« ermunterte sie auch Georg, »fürchte dich nicht vor der Dame, sie wird dir eine zweite Mutter werden und dich lieb haben. – Das Kind hat im Schlitten geschlafen,« entschuldigte er es dann gegen die Erzieherin, »und eben erst erwacht, erschrecken es die fremden Gesichter.«

»Das wird sich bald geben,« erwiderte das junge Mädchen freundlich, »ich dürfte Sie auch wohl bitten, Herr Baron, es selber in mein Zimmer zu führen, daß es die Scheu erst ein ganz klein wenig ablegt. Wir wollen dann schon recht bald gute Freunde werden. Ach, Mamsell nicht wahr, Sie sorgen gleich dafür, daß der Herr Baron seinen Tee und die Kleine ein warmes Süppchen bekommt, nach der langen kalten Fahrt? – Wir brauchen kein Licht weiter – meine Tür ist offen.«

»Jawohl – ei gewiß – du meine Güte, daran hätte ich gar nicht gedacht!« rief die alte gute Mamsell geschäftig, »das soll gleich besorgt werden, und ein delikates Süppchen will ich selber gleich dem armen kleinen Würmchen kochen. Lieber Gott, das herzige Dingelchen muß ja ganz erfroren sein im Schlitten!« Und ihr Licht noch emporhaltend, daß Georg und Adele mit dem Kinde durch das dunkle Zimmer ihren Weg finden könnten, eilte sie rasch wieder über den Gang hinüber, der Küche zu, alles Nötige selber anzuordnen.

Georg überlief es dabei wie mit Fieberfrost – ein bittender Blick der Gouvernante hatte ihn getroffen – und er fühlte, es war etwas Außergewöhnliches vorgefallen. Rasch trat er in das Zimmer, und wie nur die Wirtschafterin weit genug entfernt war, sie nicht mehr hören zu können, sagte er leise und dringend in französischer Sprache. »Was ist geschehen, Mademoiselle? verhehlen Sie mir nichts.«

»Sie müssen alles wissen, aber – lassen Sie das Kind nichts merken,« bat die Gouvernante zurück. »Seit gestern ist Ihre Gattin mit Josefinen fort – diesen Brief hat sie für Sie zurückgelassen. Gehen Sie in das Zimmer Ihrer Gemahlin und lesen Sie dort die Zeilen – wenn ich Marie zu Bett gebracht habe, werde ich hinüberkommen, um mich zu erkundigen, was morgen mit ihr werden soll.«

Mit diesen Worten gab sie ihm den Brief, und Georg mußte sich gewaltsam zwingen, seiner Sinne bei der Schreckensbotschaft Meister zu bleiben. Aber die Gouvernante hatte recht. Das Kind durfte von dem Ungeheuren, was hier vorgefallen, nichts erfahren – nicht bei seinem Eintritt in dieses Haus, wo sich dem kleinen Kopfe jedes gehörte Wort nur so viel schärfer und unvergeßlicher eingeprägt hätte. Ruhig nahm er den Brief, den er, ohne ihn auch nur anzusehen, in die Brusttasche schob, sagte dann der Kleinen freundlich gute Nacht und verließ das Gemach. Wie er aber in das Zimmer seiner Frau kam, wußte er selber kaum. Dort warf er sich in einen Stuhl, erbrach den Brief, auf dem die Adresse: »An Herrn Baron von Geyfeln« stand, und las die wenigen Zeilen, die er enthielt. Sie lauteten:

An Herrn Baron von Geyfeln!

Schon diese Ueberschrift nimmt meiner Handlung jedes Bittere, das sie sonst für mich haben könnte. – An Herrn Baron von Geyfeln – der Name ist mir so fremd, wie der Mann es mir geworden, der ihn trägt. Seit du die Bahn verlassen, Georg, in der ich dich bewundern und lieben lernte, seitdem mußte ich mich zwingen, in deiner Nähe auszuharren – und tat es nur des Kindes wegen, dem ich Mutter bin und bleiben werde. Deine Gesetze begünstigen dich, daß ich nicht meinem Willen gleich von Anfang an folgen konnte. Ich habe jetzt Sorge getragen, daß sie nicht mehr imstande sein sollen, mich zu erreichen. Folge mir, wenn du kannst, als Baron von Geyfeln, und reklamiere das Kind, das mein ist im vollen Sinne des Wortes. Doch du wirst klug sein und nicht einmal den Versuch machen, von dem du von vornherein wüßtest, daß er erfolglos bleiben würde. – Kehre zu deiner früheren Kunst zurück, und ich will mit Freuden in deine Arme fliegen; verharre bei deinem tatenlosen Leben und wir sind für immer geschieden.

Suche nicht meinen jetzigen Aufenthalt zu erforschen; wenn du ihn selbst fändest, ich bin und bleibe für dich verloren. Mein Kind aber werde ich einem Glück entgegenführen, das es unter deiner Führung nimmer hätte erreichen können.

Lebe wohl!

Georgine.

Georg, der den Brief wieder und wieder durchgelesen hatte, hielt ihn noch in der Hand und starrte darauf nieder, als die Haushälterin mit der Magd ins Zimmer kam und das bestellte Abendbrot brachte. Georg faltete den Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche, und die geschwätzige Alte hätte gern ein Gespräch mit ihm angeknüpft, er wehrte sie aber unter dem Vorgeben ab, müde zu sein, verzehrte sein Abendbrot schweigend und fragte nur dann und wann die Wirtschafterin, die sich indessen im Zimmer zu schaffen machte, nach verschiedenen, höchst gleichgültigen Sachen. Die Mamsell erzählte ihm dabei natürlich, daß, gleich nachdem er fort gewesen, auch Besuch gekommen wäre: ein fremder Herr, der ihn hätte sprechen wollen.

»So? – in der Tat?« sagte Georg ruhig, »wie hieß er?«

»Ja, das weiß ich wahrhaftig nicht. Er gab mir seine Karte, aber der Name stand mit so winziger Schrift darauf, daß ihn meine alten Augen nicht mehr lesen konnten. Es war aber ein Baron.«

»So? – und wie sah er aus?«

»Ein kleiner, sehr zierlicher Herr war es, sehr hübsch und sauber angezogen, mit einem kleinen schwarzen Schnurrbärtchen und solchen schwarzen Locken. Er war am nächsten Morgen noch einmal da, hat aber dann wohl nicht länger warten können, und da wir an dem Nachmittage – ach, das wissen der gnädige Herr ja auch noch nicht, daß der alte arme Tobias ertrunken ist!«

»Tobias? – wer ist Tobias?«

»I, der alte arme Teufel unten aus dem Dorfe – er war noch am Abend vor Ihrer Abreise hier oben und hatte wohl ein Glas zu viel getrunken, denn sonst habe ich ihn nie frech oder unverschämt gesehen, und Ew. Gnaden ließen ihn dann vom Hofe jagen.«

»Der ist ertrunken?«

»Er ist von hier aus nicht wieder ins Dorf gekommen. Ob er den Weg verfehlt hat, oder was sonst die Ursache war, Gott allein weiß es, aber am nächsten Morgen fischten sie ihn aus dem Bache unten auf, und gestern nachmittag haben wir ihn begraben – und eine schöne Leiche, wie der arme alte Mensch noch gehabt hat!«

»Der – ist – tot?« sagte langsam und sinnend Georg, »wunderbar!«

»Ach, du lieber Gott!« meinte die Haushälterin, »abkommen konnte er ja schon; zu was nütze war er doch nicht mehr auf der Welt, und Hunger und Kummer hätten ihn so vielleicht bald untergebracht; aber es tut einem doch immer in der Seele weh, wenn ein Christenmensch auf solcher Art, eigentlich wie ein ander Stück Vieh auch, seinen Tod findet, wenn es auch nicht einmal ein Verwandter gewesen wäre.«

Georg hörte schon gar nicht mehr, was sie sprach. – »Sind noch Briefe oder Zeitungen für mich gekommen?«

»Briefe – ja, ich weiß es wirklich nicht. Der Postbote war da, die werden aber dann wohl bei Ew. Gnaden im Zimmer liegen.«

»Haben Sie den Schlüssel?«

»Den hat das Fräulein.«

»Dann bitten Sie das Fräulein, mir alles, was etwa für mich angekommen wäre – und auch meinen Schlüssel mit herüber zu bringen.«

»Jawohl, Herr Baron. – Ist der Tee etwa nicht heiß genug?«

»O, vortrefflich – ich bin nur abgespannt heut abend und kann nicht viel genießen – ich werde mich ein wenig auf das Sofa legen.«

Die Wirtschafterin hatte Takt genug, dies als ein Zeichen zu nehmen, daß sie sich entfernen könne, und sie verließ das Zimmer, in dem Georg allein mit seinen Gedanken, und vor Ungeduld sich bald verzehrend, zurückblieb. – Und die Gouvernante kam noch immer nicht – aber sie hatte das Kind zu besorgen und eine volle Stunde mochte vergangen sein, ehe er ihren Schritt hörte. Gleich darauf trat sie ein und legte einige Briefe und Zeitungen auf den Tisch. Georg war aufgestanden und ging ihr entgegen.

»Mademoiselle,« sagte er, die Hand nach ihr ausstreckend, »nehmen Sie vor allen Dingen meinen herzlichsten Dank für die zarte Weise, in der Sie in dieser Sache gehandelt haben, und nun, bitte, setzen Sie sich und erzählen mir mit kurzen Worten, was Sie wissen.«

Während die Gouvernante der Einladung folgte, blieb Georg erwartungsvoll am Tische stehen.

»Ich habe nur meine Schuldigkeit getan,« sagte das junge Mädchen, leicht dabei errötend, »werde Ihnen selber, Herr Baron, aber wenig Auskunft geben können – ich durfte nicht nachforschen, denn ohne etwas damit gutmachen zu können, hätte ich die Aufmerksamkeit der Leute nur unnötigerweise und vor der Zeit darauf gelenkt.«

»Sie hatten recht, vollkommen recht.«

»Der erste Verdacht stieg in mir auf, als ich eine bedeutende Lücke in der Kinderwäsche bemerkte, nachdem die gnädige Frau mit Josefinen eine angebliche Spazierfahrt unternommen hatte. Auch eine Anzahl ihrer Kleider fehlte – dann fand ich den Brief in Ihrer Stube – denn Angst und Ungewißheit ließen mich danach suchen, und ich nahm ihn an mich.«

»Ich bin Ihnen dankbar dafür – aber wer glauben Sie, der mir weitere Auskunft geben könnte – oder haben Sie selber einen Verdacht? Es war ein Fremder hier. – Wie sah er aus?«

»Ich habe ihn gar nicht gesehen; aber gleich nach Ihrer Abreise kam er, und obgleich er nur zweimal hier oben im Gute war, fürchte ich fast, daß er der Sache nicht fern steht. Unser Hausmädchen hat ihn wenigstens zu der Zeit, als Madame fortfuhr, zu Fuß, mit seinem Pelz auf dem Arm, in den Wald gehen sehen.«

»Und welchen Weg nahm er?«

»Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Der alte Forstwart aber hat die letzte Botschaft der gnädigen Frau, daß sie am vorigen Abend nicht nach Hause kommen würde, hereingeschickt. Möglich, daß er sie im Walde getroffen hat und etwas Näheres weiß.«

»Der Forstwart – Gott sei Dank, da ist ein Faden, an den ich anknüpfen kann. Georgine fuhr im Schlitten?«

»Ja, mit ihrem eigenen Pferde bespannt.«

»Es ist gut – ich danke Ihnen; gehen Sie jetzt wieder zu Ihrer kleinen Schutzbefohlenen und seien Sie ihr Mutter, stehen Sie überhaupt meinem ganzen Hause vor, bis – ich selber wieder zurückkomme.«

»Sie wollen doch nicht heut abend noch…«

»Nein,« unterbrach sie Georg ruhig, »erstlich wäre es nicht möglich, im Dunklen einer Spur zu folgen, und dann würde das auch Aufsehen erregen. Morgen früh reite ich fort – meine Frau in Kleinmarkstetten abzuholen – das genügt den Leuten. Sobald ich kann, schreibe ich Ihnen meine Adresse – wenn ich nicht selber indessen wiederkomme. Lange bleibe ich auf keinen Fall aus, es müßten mich denn ganz unvorhergesehene Hindernisse zurückhalten. Schlafen Sie wohl, Mademoiselle, und seien Sie versichert, daß ich Ihnen nie vergessen werde, wie wacker Sie mir in dieser schweren Zeit beigestanden haben.«

»Schlafen Sie wohl,« sagte das junge Mädchen schüchtern, und im nächsten Augenblick schloß sich die Tür wieder hinter ihr, während Georg noch wohl eine Stunde im Zimmer auf und ab schritt, ehe er sein eigenes Lager suchte.

Der Kunstreiter, 3. Band

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