Читать книгу Der Kunstreiter, 2. Band - Gerstäcker Friedrich, Jurgen Schulze - Страница 4

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Georg ritt langsam den Weg, den er gekommen, zurück, das Herz aber mit anderen Gedanken erfüllt als denen, die er so toll und wild auf schnaubendem Rosse in den Wald hinausgetragen. Es war die Jugendzeit, die liebe, holde Jugendzeit, die wieder vor seinem innern Blicke emportauchte, und doch auch brachte sie kein Lächeln auf die zusammengepreßten Lippen, doch drängte sie keine Freudenträne in das fest und starr auf dem Wege haftende Auge. Erst als sich der Wald lichtete, sah der Reiter wieder auf, und durch seine Umgebung zur Gegenwart zurückgekehrt, lenkte er sein Pferd hinter dem Dorfe weg, um unten am See nach seinen Arbeitern zu schauen. Er fühlte sich noch nicht ruhig genug, nach Hause zurückzukehren.

Die Straße selber, als er sie endlich erreichte, war heute außerordentlich belebt, und er erinnerte sich jetzt, gehört zu haben, daß an diesem Abend im Stern zu Schildheim eine Hochzeit gefeiert werden sollte. Die einzige Tochter des Wirtes heiratete hinüber nach Oledorf, und der Vater hatte bestimmt, die Feierlichkeit mit einem solennen Schmaus und Tanz zu beschließen, zu dem eine Menge Verwandte und Gäste aus Oledorf sowohl, wie aus Schildheim selber geladen waren.

Eine Strecke hinter dem Dorfe sah der Reiter einen Knäuel Menschen auf der Straße stehen, die um ein umgeworfenes Fuhrwerk versammelt waren. Fast unwillkürlich lenkte er sein Pferd dorthin und entdeckte bald einen vornehm aussehenden Herrn, der in Reisekleidern neben einem zerbrochenen Wagen stand. Das linke Hinterrad war in Stücken, augenscheinlich an einem der Wegsteine zerschellt und lag im Straßengraben, während ein Kutscher mit Hilfe des Bedienten und einiger gefälligen Bauern bemüht war, das Riemenzeug der Pferde wieder in Ordnung zu bringen. Der Reisende selber bekümmerte sich jedoch weder um Pferde noch Wagen, sondern schien nur damit beschäftigt, seinen etwas beschmutzten und sogar beschädigten Rock wieder zu reinigen, wie die Stöße ungeschehen zu machen, die sein Hut, wahrscheinlich beim Herausfallen aus dem Wagen, erhalten hatte.

Durch die Umstehenden, die Georg kannten, wurde er jedoch auf den Nahenden aufmerksam gemacht und wandte sich jetzt höflich gegen diesen.

»Herr von Geyfeln – wie ich höre, ist das Ihr Name – ich bedaure sehr, mich Ihnen in dieser Situation und diesem Zustande vorstellen zu müssen; mein Name ist Baron von Zühbig, und ich bin hier auf abominable Art mit meinem Geschirr erst fest und dann auseinander gefahren. Könnten Sie uns nicht helfen lassen, daß wir wenigstens mit dem Wagen das dort liegende Dorf erreichten?«

»Das kann ich allerdings, Herr Baron,« erwiderte Georg, »und es tut mir leid, daß Sie der Unfall hier betroffen hat. Ich begreife freilich nicht, wie es auf der trocknen Straße möglich war.«

»Ein Leiterwagen voll junger Bauern kam in gestreckter Karriere hinter uns drein,« erzählte der Baron. »Die jungen übermütigen Burschen, die wahrscheinlich zu irgend einem Feste zogen, jauchzten und schrieen und schwenkten die Hüte, meine Pferde scheuten dadurch etwas zur Seite, das Vorderrad vermied jenen Stein, aber das Hinterrad wurde dagegen gerissen, brach wie Glas und warf mich in diesem Zustande, wie Sie mich hier erblicken, in den Graben hinein.«

»Ich bedaure Sie innig; die Leute haben heute im Dorfe eine Hochzeit und sind dabei gern ein wenig laut; aber ich darf Sie nicht länger als nötig hier auf der Straße lassen. Dort drüben arbeiten meine Leute – die Hinterräder Ihres Wagens sind ziemlich hoch; ich denke, eins von meinen Schlammwagen kann Ihr Geschirr wenigstens bis zum Dorfe bringen, und dort werde ich Sorge tragen, daß Ihr Schade, trotz der Hochzeit heute, augenblicklich wieder verbessert wird. Entschuldigen Sie mich nur auf wenige Minuten, ich bin gleich wieder bei Ihnen.«

Und damit wandte er sein Pferd und ritt in scharfem Trabe über die Wiese hinüber der Stelle zu, wo seine Leute arbeiteten, um diese zur Hilfe des beschädigten Wagens herbeizuholen. Er kehrte auch bald mit ihnen zurück. Das Fuhrwerk wurde wieder so weit instand gesetzt, die kurze Strecke bis zum Dorfe wenigstens zusammen zu halten, und Georg, der sein Pferd jetzt am Zügel führte, schritt neben dem Fremden auf der Straße hin.

Er selber kam aber dabei nicht viel zu Wort; der Fremde, der außerordentlich wißbegierig schien, richtete hundert Fragen an ihn, ohne ihm jedoch Zeit zu lassen, auch nur eine genügend zu beantworten, und interessierte sich besonders dafür, zu erfahren, ob es hier in nächster Nähe nicht irgend eine Stadt oder ein Städtchen gäbe, das er heute abend noch erreichen könnte und in dem Theater gespielt würde.

Das war allerdings nicht der Fall, und der Fremde, der um diesen Preis wohl seinen zerbrochenen Wagen heute im Stiche gelassen hätte, sah sich jetzt genötigt, diesem wieder seine Aufmerksamkeit zu schenken. Sie hatten nämlich das Dorf erreicht, und der Schmied erklärte sich mit dem Wagen- oder Stellmacher, wenn auch im Anfange nach entschiedenem Weigern, doch endlich bereit, die nötige Reparatur sofort vorzunehmen, und daß die Leute rasch arbeiten würden, dafür bürgte die Hochzeit, zu der sie beide eingeladen waren.

Jetzt galt es, dem Fremden Unterkommen im Gasthause zu verschaffen; das war aber entschieden unmöglich und jedes Winkelchen im Hause, bis in die Ställe hinein, besetzt. Nicht einmal Kutscher und Pferde konnten dort untergebracht werden. So ungern es Georg gerade bei einem Fremden tat, sah er sich doch endlich genötigt, ihm für die Nacht – denn an ein Weiterreisen ließ sich nicht denken – seine Gastfreundschaft anzubieten, die indessen von dem Fremden, wenn auch erst nach scheinbarem Sträuben und tausend nichtssagenden, meist französischen Phrasen von »Stören« und »zur Last fallen« angenommen wurde. Den Wagen hatte man indessen den betreffenden Handwerkern übergeben, der Kutscher führte die Pferde in das Gut voran, der Bediente folgte mit dem Nötigsten, was sein Herr für die Nacht brauchte – und das war mehr, als er allein tragen konnte –, das übrige Gepäck hatte der Wirt in sein eigenes Zimmer gestellt, und die beiden Herren schritten jetzt ebenfalls plaudernd zum Gute hinauf, wo Georg die Wirtschafterin rufen ließ und ihr auftrug, augenblicklich eines der Fremdenzimmer für den Gast herzurichten.

Das war bald geschehen, und Baron von Zühbig wurde instand gesetzt, seine Toilette mit ängstlichster Sorgfalt, wie er es stets gewohnt war, zu vollenden. Bis dahin konnte auch das Abendbrot bereitet sein, und zwar heute nur für die beiden Gatten und den Fremden. Der alte Mühler hatte gebeten, auf seinem Zimmer essen zu dürfen, und die Erzieherin trank überdies jeden Abend mit Josefinen den Tee auf dem ihrigen.

Der Kunstreiter, 2. Band

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