Читать книгу Sophienlust Extra 10 – Familienroman - Gert Rothberg - Страница 3

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»Hallo, Anette, hallo, so warte doch!« Es war eine Jungenstimme, die das laut über den Hof des Gutes Dreilinden rief.

Das Mädchen am Tor blieb stehen und sah zurück. Nun blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als auf den kleinen Bruder zu warten. Er kam wie die wilde Jagd über das Kopfsteinpflaster des Hofes geprescht. Hinter ihm Rolli, der mexikanische Zwergterrier.

»Pass auf, dass du nicht stürzt, Friedo«, rief Anette.

»Ach wo!« Der sechsjährige Friedo blieb vor seiner Schwester stehen und blies die Luft aus. Seine grauen Augen sahen sie vorwurfsvoll an. »Warum wolltest du Rolli und mich nicht mitnehmen, Anette? Du hattest mir doch versprochen, dass ich heute mit dir an den See zum Baden gehen darf.«

Die zwanzigjährige Anette strich sich das braune Haar aus der Stirn. Ihre blauen Augen sahen den kleinen Bruder etwas verlegen an. »Ich gehe ja gar nicht zum Baden, Friedo. Ich will nur einen kleinen Spaziergang machen.«

»Da kannst du uns auch mitnehmen.« Friedos Stimme klang trotzig. »Du bist den ganzen Tag nicht zu Hause, und wenn du endlich aus der dummen Fabrik heimkommst, kümmerst du dich nicht um mich. Es kümmert sich überhaupt niemand mehr um mich. Mutti hat auch nie Zeit.«

Anette legte den Arm um Friedos Schultern und lachte. Doch es sah ein wenig gequält aus. »Komm schon. Und von wegen dummer Fabrik. Ich muss dort ernsthaft arbeiten. Das kannst du dir wohl nicht vorstellen?«

Friedo schürzte die Lippen. »Deine Schuld, dass du in der Fabrik arbeiten musst. Du hättest ja bei uns auf Dreilinden bleiben können. Das hat Vati auch immer gesagt. Aber du wolltest che-misch-pharma-pharma …«

Anette lachte. »Chemisch-pharmazeutische Assistentin heißt das, Friedo. Du wirst es dir wohl nie merken. Ja, das wollte ich werden, weil es mir Spaß macht, Friedo. Warum soll ich keinen Beruf haben? Dreilinden wirst doch du einmal übernehmen.«

»Aber du wirst heiraten. Das sagen alle auf dem Gut, Anette.«

»Das ist möglich, Friedo. Aber bis dahin kann noch viel Zeit vergehen.« Gedankenverloren sah Anette zum Waldrand hin, auf den sie jetzt zugingen. Friedo hatte recht. Sie hätte keinen Beruf ergreifen müssen, denn auf Dreilinden gab es Arbeit genug. Aber die Eltern waren mit ihr darin einig gewesen, dass ein Mädchen heutzutage ebenfalls etwas lernen sollte, um notfalls auch auf eigenen Beinen stehen zu können. Besonders der Vater war dieser Ansicht gewesen. Er hatte sehr nüchtern gedacht. Als der Nachkömmling Friedo zur Welt gekommen war, hatte Gero von Linden zu Anette gesagt, dass der Junge eines Tages Dreilinden übernehmen solle. Doch der Vater hatte damals nicht geahnt, dass er nur kurze Zeit haben würde, seinen Sohn darauf vorbereiten zu können, einmal der Herr von Dreilinden zu sein.

Gero von Linden war vor zwei Jahren gestorben. Seitdem bewirtschaftete seine Frau, die Mutter von Anette und Friedo, das Gut.

In Anettes Gedanken hinein sagte Friedo: »Mutti wird sicher noch vor dir heiraten, Anette.«

Das Mädchen schrak zusammen. Es blieb stehen und sah den Bruder mit großen Augen an.

Der Junge zuckte die Schultern. Auf seinem Gesicht lag ein resignierter Ausdruck, der gar nicht zu seinen sechs Jahren passen wollte. »Heute war Herr Bartholdy wieder bei uns. Mutti hat danach gesagt, dass sie ihn bald heiraten werde.«

»Ich wusste es schon, Friedo«, sagte Anette leise. Unwillkürlich legte sie ihren Arm noch fester um die Schultern des kleinen Bruders.

Er sah zu ihr auf. »Aber Herr Bartholdy passt doch gar nicht zu uns, Anette. Ich mag ihn auch nicht.«

»Aber Mutti mag ihn, Friedo. Und nur das ist wichtig. Simon Bartholdy ist zwar kein Bauer, aber er kann ja alles lernen, was er auf einem Gut können muss. Du weißt auch, wie tüchtig Mutti ist. Wir sollten es ihr nicht so schwer machen. Wir haben sie doch sehr lieb, Friedo.«

Der Junge nickte. »Ja, sehr, Anette.« Er bückte sich und streichelte Rolli. »Aber Herr Bartholdy hat Rolli getreten. Ich habe es gesehen. Er mag Tiere vielleicht nicht. Doch Hanna sagt, wer Tiere nicht mag, ist kein guter Mensch.« Anette zog den Bruder hoch. Sie strich ihm über das kurz geschnittene braune Haar.

»Unsere alte Hanna ist zwar eine gescheite Frau, Friedo, aber alles solltest du auch nicht so ernst nehmen, was sie sagt. Manchmal ist sie schon ein wenig wunderlich. Vielleicht hat Herr Bartholdy Rolli nur aus Versehen getreten.«

Jetzt zog glühende Röte über Friedos Gesicht. Seine Augen blitzten. »Ich habe es doch gesehen! Er hat ihn mit Absicht getreten. Dabei ist Rolli ein so lieber Kerl. Er tut keinem etwas.«

»Das stimmt.« Anette lockte den Hund zu sich, hob einen Stein auf und warf ihn ein Stück ins Feld. Schon raste Rolli los, um den Stein zurückzuholen. Er rollte wirklich mehr, als dass er lief. Seine rotbraunen Ohren klatschten gegen das weiße Fell, die etwas vorstehenden schwarzen Augen kullerten vor Vergnügen.

Mit diesem Spiel schaffte es Anette, den kleinen Bruder von seinen Gedanken um die Mutter und deren geplante neue Ehe abzulenken.

Erst am Abend wurde Anette wieder daran erinnert, als Friedo schon im Bett lag und sie mit der Mutter in dem großen gemütlichen Wohnzimmer saß.

Immer wieder sah Anette verstohlen zu der Mutter, die mit ihren zweiundvierzig Jahren noch eine sehr schöne Frau war. Braunes volles Haar, zu einer Krone auf dem Kopf getürmt, stand in wunderbarem Kontrast zu den tiefblauen Augen. Dorothea von Linden war klein, beinahe zierlich. Wer sie nicht kannte, hätte sie niemals für die Herrin eines so großen Gutes gehalten, wie Dreilinden es war. Brauchte sie vielleicht einen männlichen Beschützer? War sie der Rolle nicht gewachsen, in die der Tod ihres Mannes sie gezwängt hatte? Gab sie sich vielleicht nur gelassen, während die Last der Verantwortung sie zu erdrücken drohte?

Diese Fragen bestürmten Anette an diesem Tag nicht zum ersten Mal. Sie war zwanzig Jahre alt und konnte nicht mehr so kindlich denken wie der kleine Friedo. Sie hatte der Mutter auch angeboten, ihren Beruf nun aufzugeben und zusammen mit ihr auf Dreilinden zu schaffen, ihr zur Seite zu stehen. Doch noch bevor eine Entscheidung getroffen worden war, war Simon Bartholdy in das Leben der Mutter getreten. Durch einen Zufall. Gut Dreilinden lag mitten im schönsten Teil des Allgäus. In der Nähe war eine Siedlung von Ferienhäusern entstanden. In einem dieser Ferienhäuser hatte der Kaufmann Simon Bartholdy seinen Urlaub verbracht. Das war vor mehreren Monaten gewesen. Seitdem war er sehr oft zu Besuch gekommen. Er lebte in Mannheim.

Dorothea von Linden hatte nun schon mehrere Male zu ihrer Tochter gesehen und einen Anlauf zum Sprechen genommen. Jetzt wagte sie es endlich, etwas zu sagen. »Du bist so nachdenklich, Anette.« Ihre Stimme klang unsicher.

Anette sah auf. Mitten hinein in die forschenden Augen der Mutter. »Du weißt, woran ich gedacht habe, Mutti«, sagte sie leise. »Er war heute wieder hier. Während meiner Dienstzeit. Warum? Will er mir nicht begegnen?«

Das Gesicht Dorotheas von Lindens rötete sich leicht. »Das war nur ein Zufall, Anette. Mein Gott, sei doch nicht so misstrauisch. Simon Bartholdy hat keinen Grund, dir aus dem Weg zu gehen.« Dorothea neigte sich vor, bis sie die Hand auf Anettes Arm legen konnte. »Oder muss ich fürchten, dass meine Tochter mir Steine in den Weg legen will, dass sie ein Glück verhindern möchte?« Ihre Stimme vibrierte.

»Wäre es dein Glück, Mutti, wieder zu heiraten?«, fragte Anette. Ihr Gesicht war sehr ernst.

Die Mutter lehnte sich zurück. Auf diese Frage schien sie gewartet zu haben. Ihre Antwort kam blitzschnell. »Ja, es wäre mein Glück.« Jetzt starrte sie auf ihre Hände. »Das erste Glück meines Lebens.«

»Mutti!« Anette war sehr erschrocken. »Und deine Ehe mit Vati?«

»Sie war kein Glück für mich. Einmal musst du es wissen, Anette. Mit Friedo kann ich darüber nicht sprechen, ohne ihm jenes Bild zu verzerren, das er von seinem Vater behalten soll. Aber du bist erwachsen, mit dir kann ich offen reden. Du hast selbst oft darüber geklagt, dass du zu deinem Vater kein besonders inniges Verhältnis finden konntest.«

»Ja, das stimmt, Mutti. Je älter ich wurde, um so mehr spürte ich, dass irgendwo zwischen Vati und mir eine Mauer stand, an der ich mich wundstieß. Mit Vati konnte man zwar immer vernünftig sprechen, denn er war klug, aber man konnte nicht mit ihm lachen und …«

»Er war zu klug. Zu geschäftstüchtig und zu stark auf Materielles ausgerichtet. Darunter habe ich gelitten. Er hat mich nur geheiratet, weil er mit meiner Mitgift das heruntergekommene Gut sanieren konnte.«

Erschrocken sah Anette die Mutter an. »Warum hast du Vati dann geheiratet, wenn du das wusstest?«

»Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich hatte ihn lieb. Sehr lieb sogar. Aber diese Liebe starb in mir, als ich immer wieder zurückgestoßen wurde. Die Liebe zu dir und Friedo, eure Liebe, das war mein einziges Glück. Mutterglück. Aber eine Frau braucht mehr, wenn ihr Leben erfüllt sein soll. Jede Frau sehnt sich danach, von einem Mann geliebt zu werden.« Dorothea von Linden stand auf. Langsam ging sie durch das Zimmer. An einem der Fenster blieb sie stehen und starrte in den Abend hinaus. »Es fällt mir schwer, dir das alles zu sagen, aber ich muss ehrlich sein. Nur dann kannst du mich verstehen. Alt genug bist du dazu bereits. Ich muss nicht mehr fürchten, mich vor dir lächerlich zu machen, wenn ich gestehe: Ich sehne mich nach Liebe. Ich möchte das nachholen, was ich versäumt habe.« Dorothea drehte sich um. Langsam kam sie zu ihrer Tochter zurück und blieb hinter ihr stehen. »Anette, Simon Bartholdy liebt mich. Ich bin erst zweiundvierzig Jahre alt. Wir hätten noch eine gute Zeit vor uns. Aber Friedo und du, ihr sollt in mein Glück eingeschlossen sein. Simon ist ein reifer Mann von achtundvierzig Jahren. Er hat eine gescheiterte Ehe hinter sich. Auch er musste Liebe entbehren. Wir werden uns das neue Leben sehr behutsam aufbauen. Bitte, hilf mir dabei. Sei zugänglich zu Simon.« Sie neigte sich zu ihrer Tochter hinab und legte die Arme um sie.

»Ich bin nicht so vermessen, meiner Mutter Vorschriften machen zu wollen. Ich frage mich nur, ob dein Entschluss richtig ist, Mutti. Nach allem, was du eben gesagt hast, erst recht. Was willst du tun, wenn auch diese Ehe wieder eine Enttäuschung für dich wird, Mutti?«

Dorothea lächelte zuversichtlich und überzeugt. »Es wird eine gute Ehe sein, Anette. Auch zu deinem Glück, und besonders zu dem von Friedo. Er braucht mit seinen sechs Jahren ein festes Zuhause, die Geborgenheit in einer Familie und einen Vater. Simon und ich werden in zwei Wochen in aller Stille heiraten, Anette.«

Das junge Mädchen zuckte zusammen. Aber es schwieg.

*

Vierzehn Tage später fand die Trauung Dorothea von Lindens und Simon Bartholdys statt. Das Paar war dazu in einen kleinen, von Dreilinden weit entfernten Ort gefahren.

Friedo und Anette blieben zu Hause.

Anette hatte es verstanden, den kleinen Bruder zu beruhigen. Das hatte sie gegen besseres Wissen getan und gegen ihr Gefühl. Sie wusste, dass sie mit Simon Bartholdy niemals vertraut werden würde. Er war ein gut aussehender, sehr gepflegt wirkender Mann, aber sie konnte in seinen dunklen Augen nicht jene Güte entdecken, von der die Mutter immer wieder sprach. Also musste er zu der Mutter anders sein als zu ihr selbst.

Das stimmte. Simon Bartholdy verstand es, Dorothea von Linden Liebe vorzuheucheln. Sie, die nach der Geborgenheit bei einem Mann hungerte, hörte nur die Liebesschwüre und träumte von dem großen Glück.

Doch in den Wochen nach der Hochzeit sah es zunächst tatsächlich so aus, als könnte Dorothea nun doch noch ein erfülltes Leben führen.

Simon Bartholdy blieb sofort auf Dreilinden. Er hatte seine Zelte in Mannheim abgebrochen. Dorothea hatte er gesagt, er habe seine Stelle als kaufmännischer Leiter in einer größeren Firma gekündigt. Aber dort hatte es in Wirklichkeit nichts mehr zu kündigen gegeben. Simon war schon vor drei Monaten entlassen worden. Er hatte vor Schulden nicht mehr ein und aus gewusst. Nur der Hinweis auf seine baldige Heirat hatte ihm den Gerichtsvollzieher erspart.

Um seine Gläubiger nicht länger warten lassen zu müssen, arbeitete Simon fleißig auf Gut Dreilinden. Vor allem in der Gutskanzlei. Denn ihn interessierten die Abrechnungen. Dorothea überließ ihm diese Arbeit gern. Sie war noch immer mehr als ausgelastet, denn von dem übrigen Gutsbetrieb verstand ihr Mann nichts.

Friedo hatte sich nach langem Zögern und Auflehnen nun doch dazu entschlossen, »Vati« zu Simon Bartholdy zu sagen. Anette nannte ihn Simon. Es wäre ihr lächerlich vorgekommen, in ihrem Alter noch einen anderen Mann Vater nennen zu müssen.

Simon Bartholdy gab sich Mühe, das Vertrauen von Friedo und Anette zu gewinnen. Er wollte Frieden auf Dreilinden, um seine Pläne in aller Ruhe verwirklichen zu können. Diese Pläne waren von ihm längst genau ausgetüftelt worden. Schon lange vor der Heirat.

Simon Bartholdy wollte reich und unabhängig sein. Bei diesem Wunsch war ihm Dorothea nur das Mittel zum Zweck. Er liebte sie nicht, freute sich aber, ein so leichtes Spiel mit der bisher enttäuschten Frau zu haben. Er unterstützte ihre Gutgläubigkeit mit jedem Wort, mit jeder Geste. Das geschah so geschickt, dass nicht nur Dorothea glaubte, nun das wahre Glück gefunden zu haben. Auch ihre Kinder verloren etwas von ihrer Skepsis gegenüber Simon Bartholdy. Und die alten Angestellten auf dem Gut gönnten ihrer Herrin dieses neue Leben.

*

Ein halbes Jahr nach der Trauung hatte es Simon Bartholdy geschafft, dass Dorothea ein Testament zu seinen Gunsten aufsetzte. Sie war nach dem Tod ihres ersten Mannes Erbin des Gutes geworden. Mit der Verpflichtung, es eines Tages an den kleinen Friedo weiterzugeben. Zu diesem Zeitpunkt sollte auch Anette ausbezahlt werden, deren Vater zusätzlich bestimmt hatte, dass ihr auf Lebenszeit ein Wohnrecht auf Dreilinden bleiben sollte.

Diese, die Kinder betreffenden Bestimmungen, legte auch Dorothea in ihrem Testament nieder. Sosehr sie auch unter dem Einfluss ihres Mannes stand, ihre Kinder wollte sie gesichert wissen. Aber bis zu Friedos Volljährigkeit würde Simon Bartholdy das Gut verwalten und seinen Nutzen daraus ziehen können, falls Dorothea vor ihm sterben sollte.

*

Nun sprach niemand mehr davon, dass Anette ihren Beruf aufgeben und ihrer Mutter zur Seite stehen sollte. Anette arbeitete weiter als chemisch-pharmazeutische Assistentin bei der Firma Wagner. Jeden Morgen fuhr sie mit ihrem kleinen Wagen zu dem Werk, nach fünf Uhr kam sie zurück. Bei schönem Wetter ritt sie dann oft noch aus. Meistens begleitete Friedo sie auf seinem Pony. Nur selten verbrachte Anette die Abende mit der Mutter und deren Mann. Das junge Mädchen verhielt sich so, als wolle es kein störendes Element sein. Dieses Verhalten bedrückte Dorothea oft. Immer von Neuem bemühte sie sich, das gute Verhältnis zu ihren Kindern nicht zu verlieren.

Aber erst nach Weihnachten gelang es ihr, Anette am Abend in das Wohnzimmer zu locken. Dass Anette kam, hatte jedoch einen besonderen Grund. Denn es kam jetzt öfter Besuch ins Haus. Simon Bartholdy hatte sich mit Albert Schlüter, einem Angestellten des Werkes Wagner, angefreundet.

Albert Schlüter war vierzig Jahre alt, mittelgroß, untersetzt und ein etwas strenger Typ. Aber Anette verstand sich gut mit ihm. Er war erst vor zwei Monaten in das Werk gekommen, doch seit dieser Zeit arbeitete sie viel mit ihm zusammen, obwohl sie im Labor schaffte und Albert Schlüter als Werbefachmann angestellt war. Ihm war es gelungen, Anettes Vertrauen zu gewinnen. Dass er sich mit ihrem Stiefvater angefreundet hatte, war ihr zunächst unangenehm gewesen. Aber nun sah sie diese Freundschaft als Plus für Simon Bartholdy an. Allmählich glaubte sie, zu voreingenommen gegen diesen gewesen zu sein. Immerhin war die Mutter glücklich – und Albert Schlüter schätzte Simon Bartholdy. Anette konnte nicht wissen, dass die beiden Männer schon seit Jahren eng befreundet waren und dass Simon Bartholdy Albert Schlüter nur nachgezogen hatte. Er brauchte diesen Mann in seiner Nähe. Mit ihm hatte er schon mehrere krumme Dinge ausgeheckt. Warum sollte Albert Schlüter ihm nun nicht behilflich sein, den größten Plan seines Lebens zu verwirklichen? Dieser Mann war ein Typ, der kein Misstrauen erregte, und er war hellwach, wenn es darum ging, eine Chance zu nutzen.

Anette, vertrauensselig und noch ohne Erfahrung mit niederen Charakteren, schätzte Albert Schlüter. Sehr zur Freude ihres Stiefvaters.

*

Mitte Mai entschlossen sich Dorothea und Simon Bartholdy, für zwei Wochen in den Süden zu reisen. Dorothea hatte in der letzten Zeit nur mehr von dieser verspäteten Hochzeitsreise geschwärmt. Sie freute sich darauf, mit dem geliebten Mann einmal ohne die vielen Pflichten auf dem Gut leben zu können. Anette gönnte ihrer Mutter diese Abwechslung und nahm sich für deren Abwesenheit Urlaub. Friedo sollte nicht so viel allein sein, und so manche Arbeit der Mutter konnten die Angestellten auch nicht übernehmen.

Am Tor drückte Dorothea Friedo noch einmal an sich. Dann küsste sie Anette. »Bleibt mir gesund, ich werde viel an euch denken. Ihr wisst nicht, wie sehr ich mich darauf freue, einmal ein Stückchen dieser schönen Welt kennenzulernen.«

Erst in diesem Augenblick fiel Anette auf, dass die Mutter früher nie verreist war. Weder allein noch mit dem Vater. Kinder dachten wohl nicht darüber nach, ob die Mutter auch einer Erholung bedurfte. Ihnen war es wichtiger, dass sie in ihrer Nähe sein konnten.

Als Dorothea schon neben Simon Bartholdy im Wagen saß, riss sie den Schlag noch einmal auf und kam wieder an das Tor zurückgelaufen. Noch einmal umarmte sie ihre Kinder und sagte: »Ich habe euch sehr lieb.« Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. Verlegen lief sie zum Wagen zurück.

Anette war sehr erschrocken. Warum hatte die Mutter das getan? Warum war sie noch einmal zurückgekommen? Machte sie sich Vorwürfe, ihre Kinder vernachlässigt zu haben? Das tat sie doch nicht. Auch musste eine Frau doch in ihrem Herzen Platz für die Liebe zu ihrem Mann und zu ihren Kindern haben. Sehr nachdenklich ging Anette in das Gutshaus. Auf ihr lag ein Albdruck, eine Vorahnung, die sie bange stimmte. Erst Friedo und Rolli rissen sie wieder aus ihren so plötzlich aufgetauchten trüben Gedanken.

*

Dorothea und Simon Bartholdy waren bis nach La Spezia gefahren. Dort mieteten sie sich in einem sehr feudalen Hotel ein. Dorothea hätte zwar eine kleine Pension bevorzugt, aber damit war Simon nicht einverstanden gewesen.

Vier Tage lang genossen die beiden das Leben im Hotel, fuhren mit dem Motorboot aufs Meer hinaus und machten kleine Ausflüge. Zum Baden war es noch etwas zu kühl.

Am fünften Tag wollten sie ein Stück in die Berge hinauf. Gute Straßen führten von La Spezia in den etruskischen Apennin, in diese verkarstete Landschaft, die dem einen Schaudern und dem anderen Entzücken bescherte.

Dorothea, die den neuen Wagen gern fuhr, saß schon am Steuer und wartete auf ihren Mann. War ihm vielleicht entgangen, dass sie zu ihm ins Bad gerufen hatte, sie wolle schon zum Wagen gehen? Der strahlende Sonnenschein hatte sie aus dem Zimmer getrieben.

Jetzt stieg sie schuldbewusst noch einmal aus. Natürlich konnte Simon sie nicht gehört haben, das Wasser hatte ja im Bad noch gerauscht. Vielleicht wartete er jetzt im Zimmer auf sie und konnte sich nicht erklären, wo sie blieb.

Dorothea lief in das Foyer des Hotels und gleich darauf über die Treppe in den ersten Stock hinauf. Als sie die Klinke der Zimmertür herunterdrücken wollte, sah sie, dass die Tür einen Spaltbreit offen stand. Sie hörte auch Stimmen. Sprach Simon mit einem Hotelangestellten? Unwillkürlich war Dorothea stehen geblieben. Jetzt schrak sie zusammen. Das war doch Albert Schlüters Stimme? Und nun sprach Simon. Seine Stimme klang erregt. »Du hättest nicht hierherkommen sollen, Albert, das war nicht abgemacht. Traust du mir wirklich nicht zu, dass ich die Sache allein schaffe?«

»Nein, das traue ich dir nicht zu. Ich nehme an, du bist schon wieder wankelmütig geworden. Vier Tage seid ihr hier, und es ist noch nichts geschehen. Wie lange willst du noch warten? Es war wohl höchste Zeit, dass ich mir drei Tage Urlaub nahm.«

»Diese Tage hättest du für etwas anderes besser nutzen können, Albert. Heute wird es geschehen. Oben im Apennin. Genau so, wie wir es besprochen haben. Bitte, verschwinde! Ich möchte nicht, dass uns hier jemand miteinander sieht.«

»Ich werde wohl meinen Freund noch besuchen dürfen. Aber meinetwegen, ich ziehe mich zurück. Aber nur so weit, dass ich beobachten kann, ob du heute auch gewiss allein zurückkommst. Wenn du deine so über alles geliebte Dorothea wieder mitbringst, rücke ich dir am Abend von neuem aufs Fell. Das lange Warten zehrt schließlich auch an meinen Nerven.«

Dorothea meinte zu träumen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Tür. Sollte sie in das Zimmer gehen oder flüchten? In welchem Ton sprachen die beiden Männer plötzlich miteinander? Das war doch eine Ganovensprache, wie man sie sonst nur im Krimi zu hören bekam. Und wieso sprach man von ihr, Dorothea?

Schritte näherten sich jetzt der Tür.

Dorothea ergriff die Flucht. Sie konnte gerade noch hören, dass Albert Schlüter fragte: »Und mit dem Testament ist wirklich alles klar?«

Dorothea rannte wie gehetzt die Treppe hinunter und warf sich auf den Beifahrersitz des Sportwagens. Sie würde jetzt nicht chauffieren können, wie sie es vorgehabt hatte.

Überhaupt, sie hätte nicht einmal einsteigen dürfen. Dorotheas Gedanken überschlugen sich. Von was für merkwürdigen Dingen hatten die beiden Männer gesprochen? Davon, dass Simon allein zurückkommen sollte …

Dorothea strich sich immer wieder über die Stirn. War sie krank? Hatten sich ihre Gedanken verwirrt?

»Entschuldige, Liebling, dass ich dich habe warten lassen«, erklang da Simons Stimme neben ihr. Er neigte sich in den offenen Sportwagen und küsste sie. Dann sah er sie fragend an. »Wolltest du nicht fahren, Dorothea?«

»Nein.« Dorothea schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich nicht ganz wohl.«

»Das tut mir leid, Dorothea.« Simon nahm schon hinter dem Steuer Platz und startete den Wagen.

Dorothea lehnte sich fest zurück. »War noch jemand bei dir im Zimmer, Simon?«, fragte sie. »Vorhin, als ich auf dich wartete?«

Dorothea konnte es nicht entgehen, dass ihr Mann erschrak, obwohl er jetzt sehr überrascht tat. »Bei mir im Zimmer? Sag mal, bist du eifersüchtig, Dorothea? Es ist möglich, dass eines der Stubenmädchen nachschauen kam, ob es die Betten machen kann.«

In seiner Stimme lag Unruhe. Das spürte sie, so aufgeregt sie auch war. Angst schnürte ihr das Herz zusammen. Aus dieser Angst heraus wagte sie es nicht, weitere Fragen zu stellen – etwa gar nach Albert Schlüter, dessen Stimme sie noch immer im Ohr hatte.

Simon fuhr den Wagen schnell die Küstenstraße hinauf. Weder er noch Dorothea hatten jetzt einen Blick für das tief unter ihnen liegende Meer, das im Glanz der Vormittagssonne spiegelte. Schneeweißer Gischt spritzte dort hoch auf, wo sich das Wasser an den steilen Felsen brach.

»Wir werden eine Rast machen, Dorothea«, sagte Simon jetzt. Er zeigte auf ein kleines Rasthaus. »Oder nein, wir halten erst weiter oben. Aber ich hole dir hier eine Erfrischung. Du siehst so müde und abgespannt aus.« Er lenkte den Wagen auf ein schmales Plateau zwischen krüppeligen Kiefern.

Auf diesem Plateau war er während der vier Tage des Aufenthaltes in La Spezia schon mehrere Male gewesen. Heimlich, ohne dass Dorothea etwas davon hatte merken können. Er war auch nicht mit dem Wagen bis zu dieser Stelle gefahren, sondern das letzte Stück stets zu Fuß gegangen, damit der rote Sportwagen den Leuten im Rasthaus nicht aufgefallen war.

Simon meinte jeden Meter dieses Plateaus zu kennen. Besonders jene Stelle am Abhang, die er gestern gelockert hatte.

Jetzt zog er die Handbremse an und stieg schnell aus. »Ich bin gleich wieder da, Dorothea. Genieße inzwischen den schönen Ausblick.« Er verschwand hinter den Kiefern. Das sah Dorothea im Rückspiegel. Ihre Hand presste sich auf die Brust. Ihr wurde immer enger ums Herz. Die Stimme Albert Schlüters hämmerte auf sie ein: »Wie lange willst du noch warten?« Und dann hörte sie Simon sagen: »Heute wird es geschehen. Oben im Apennin.«

Was sollte geschehen? Warum war Simon weggegangen? Gewiss, sie hatten schon öfter nahe an Abgründen geparkt. Hier, auf den hochgelegenen Küstenstraßen, schwindelte einem oft, wenn man in die Tiefe sah. Aber heute war alles anders …

Plötzlich rutschte Dorothea zur Seite. Instinktiv, geboren aus ihrer großen Angst, öffnete sie vorsichtig die Tür des Wagens.

Dorothea hatte nicht darauf geachtet, wohin sie rutschte. Plötzlich verlor sie den Halt. Sie konnte ihre Füße nicht einstemmen, aber ihre Hände bekamen immer neue Kiefernbüschel zu fassen.

Das ist mein Ende. Nur dieser Gedanke beherrschte sie. Ein Ende, das ich selbst heraufbeschworen habe, weil ich den Mann plötzlich fürchtete, den ich bisher so sehr geliebt habe.

Kein Schrei kam über ihre Lippen. Sie kämpfte verbissen. Endlich fand sie in dem Gestrüpp einen Platz, auf dem sie sich halten konnte. Doch sie kam nicht zum Aufatmen. Denn neben ihr donnerte und krachte es plötzlich, Erdklumpen flogen durch die Luft und trafen sie.

Ihr Wagen war in die Tiefe gestürzt. Der Wagen, in dem sie noch gesessen hätte, wenn die Todesangst sie nicht herausgetrieben hätte.

Dorothea presste das Gesicht gegen den Boden. Sie wollte jetzt nichts sehen. Sie brauchte jene Finsternis um sich, die auch in ihrem Herzen war.

*

Simon Bartholdy war gerade bis zur Tür des Rasthauses gekommen, als der Wagen über den Felsen hinunter ins Meer stürzte.

Aus dem Haus kam ein Mann gelaufen. Es mochte der Besitzer sein. »Was war das?«, schrie er.

Simon Bartholdy lehnte an der Hauswand. Er war so bleich, als sei er zu Tode erschrocken. »Meine Frau«, stammelte er und zeigte zu dem Kieferngestrüpp. »Um Himmels willen, meine Frau. Der Wagen ist verschwunden.« Er sprach Deutsch und Italienisch durcheinander. Trotzdem hatte der Mann aus dem Rasthaus ihn verstanden. Er rannte auf das Plateau zu. Die Reifenspuren des Wagens waren noch zu sehen.

Simon war dem Mann gefolgt. Jetzt schrie er mit heiserer Stimme: »Der Wagen ist hinuntergestürzt.« Er sank auf den Boden und schlug erschauernd die Hände vor das Gesicht. »Was hat meine Frau getan? Sie saß am Steuer.«

Der Mann beugte sich zu ihm nieder. Er schüttelte den Kopf. »Hier gibt es keine Rettung mehr, Signor. Wer hier abstürzt, ist verloren. Der Sog unten ist so stark, dass in der kleinen Bucht nicht einmal jemand baden kann.«

»Ich wollte hier nicht halten, aber meine Frau bestand darauf. Sie war eine so umsichtige Fahrerin. Ich habe gesehen, dass sie die Handbremse anzog.« Simon stand auf. Er schwankte hin und her, so dass der Italiener ihn stützen musste.

»Die Böschung ist abgebröckelt, Signor«, sagte er. »Der Wagen stand zu weit vorn. Kommen Sie mit. Wir müssen die Polizei alarmieren, auch wenn keine Hoffnung auf Hilfe mehr besteht.«

»Sagen Sie das nicht. Ich flehe Sie an, sagen Sie das nicht.« Simon schlug die Hände vor das Gesicht. Er ließ sich von dem Italiener in das Rasthaus führen.

*

Als Dorothea Simons Stimme hörte, hob sie den Kopf. Sollte sie schreien, sich bemerkbar machen? Sie konnte auf ihrem Platz, seitwärts von dem Plateau, nur wenige Meter tiefer, jedes Wort verstehen, das gesprochen wurde. Sie hörte Simons Klagen. Aber sie hörte auch, dass er log, dass er sagte, sie habe am Steuer gesessen, sie habe die Handbremse angezogen und sie habe darauf bestanden, dass man gerade an diesem Platz hielt.

Nach diesen Lügen von Simon gab es für sie keinen Zweifel mehr – er hatte ihr nach dem Leben getrachtet. Jedes Wort, das sie heute im Hotel zwischen ihm und Albert Schlüter aufgefangen hatte, gewann nun seine grausame Bedeutung. Was sie nicht hatte glauben wollen, war Wahrheit. Der Mann, von dem sie geglaubt hatte, dass er sie liebe, war ein Mörder.

»Und mit dem Testament ist wirklich alles klar?«, hörte sie Albert Schlüter wieder fragen.

Und ich habe ihn in meinem Testament bis zu Friedos Volljährigkeit als Haupterben eingesetzt, ich habe Simon die Tore zum Reichtum geöffnet, dachte sie. Nur weil ich das tat, wollte er mich aus der Welt schaffen. Sie meinte, den Verstand verlieren zu müssen. Sie wusste, er hatte ihre Liebe missbraucht. Sicher hatte er im Stillen über ihre Dummheit und Vertrauensseligkeit gelacht.

»Friedo, Anette«, stammelte Dorothea. Sie bewegte sich jetzt langsam seitwärts. Sie wollte fort von dem Platz, an dem man sie noch finden konnte.

Ich will für ihn tot sein. Er soll mit der Gewissenslast leben, mich getötet zu haben. Das waren zunächst ihre Gedanken, doch dann sah sie ihre Kinder vor sich.

Meter um Meter kroch sie weiter, bis sie einen Pfad gefunden hatte. Er führte schräg an einem Hang entlang. Irgendwo würde er ein Ziel haben. Vielleicht würde er zu einem anderen Rasthaus führen, zu einer Hütte oder zu einem der nur aus wenigen Häusern bestehenden Hochdörfer. Sie wollte nur nicht zurück in die Richtung, die sie zu Simon führte, aber sie wollte nach Hause, nach Dreilinden. Zu den Kindern. Dieser Wunsch trieb sie weiter.

Doch sie kam zu keinem Haus, in kein Dorf. Der Pfad führte jetzt steil bergan. Dorothea hatte längst die Richtung verloren. Nun sank sie zusammen. Vor Erschöpfung schlief sie ein.

Als sie aufwachte, war es dunkle Nacht. Nur mühsam konnte sie sich an das erinnern, was geschehen war. Wieder wurde sie nur von Angst beherrscht.

Sie blieb auf einem Stein hocken, bis es hell wurde. Die Nacht hier oben war kalt gewesen. Dorothea konnte sich kaum bewegen. Immer wieder versuchte sie herauszufinden, wohin sie nun gehen sollte. Sie musste gestern in ihrer Verzweiflung doch weiter gekommen sein, als sie zuerst vermutet hatte. Über ihr erhoben sich die grauen, tristen Berge wie ausgeblichene Totentücher. Es gab hier oben keine Vegetation mehr. Aber unter ihr sah sie noch Gestrüpp. Sie musste hinunter. Und sie musste den Pfad wiederfinden, auf dem sie sich gestern aus der Nähe des Rasthauses gestohlen hatte. Heute fürchtete sie das Rasthaus nicht mehr. Hunger und Erschöpfung waren stärker in ihr als die Angst vor der Begegnung mit dem Mann, der sie jetzt für tot hielt.

Glühende Sonne brannte an diesem Tag vom Himmel. Vergeblich suchte Dorothea nach einem schattigen Platz. Sie taumelte nur mehr weiter, stolperte, brach zusammen, raffte sich aber immer wieder auf. Verzweifelt suchte sie herauszufinden, wo das Meer lag. Doch sie sah nur Felsen, Abhänge und die hohen Berge, die sie immer enger einzuschließen drohten.

Bergab muss ich gehen, dachte sie, immer bergab. Irgendwo muss es doch wieder ein Tal geben, Gras, Gestrüpp und Wasser.

Mehr noch als vom Hunger wurde Dorothea von brennendem Durst gequält. Er und die grauenhafte Angst, nie mehr aus dieser Felsenwüste herauszufinden, drohten ihr den Verstand zu nehmen. Immer wieder versuchte sie zu schreien, aber es waren nur mehr gurgelnde Laute, die sie herausbrachte.

*

Obwohl jeder wusste, dass die Suche nach dem abgestürzten Wagen und der Frau, die man darin vermuten musste, vergeblich war, hatten Fischerboote die Bucht abgesucht. Sie waren weit hinausgefahren, begleitet von Polizeibooten, aber niemand hatte auch nur die geringste Spur von Wagen und Frau gefunden.

Am nächsten Morgen berichteten die Zeitungen von dem Tod der deutschen Touristin Dorothea Bartholdy und davon, dass ihr Mann zunächst festgehalten worden sei. Wohl konnte ihm niemand nachweisen, dass er unmittelbar am Tod seiner Frau schuld sei, aber es war zu überprüfen, ob er fahrlässig gehandelt hatte.

Simon Bartholdy blieb bei seiner Version, dass seine Frau gefahren sei, den Wagen gegen ein Abgleiten gesichert hatte und dass sie beide die Gefahr nicht erkannt hätten. Zu Simons Entlastung sagte der Besitzer des Rasthauses aus, dass oft Wagen an dieser Stelle parkten.

Niemand konnte Simon Bartholdy nachweisen, dass er am Vorabend des Unglücks den Rand des Plateaus gelockert hatte, so dass der Wagen allein durch sein Gewicht hinuntergedrückt worden war. Wer hätte auch nur diesen Verdacht haben sollen, dass der vollkommen geschlagen wirkende, verzweifelte Mann ein so furchtbares Verbrechen auf sein Gewissen geladen hatte?

Zwei Tage später wurde Simon Bartholdy aus der Haft entlassen.

*

Friedo stürmte in die Küche, wo Anette mit der alten Hanna beriet, was zu Mittag gekocht werden sollte. Der Junge schwenkte eine Karte in der Hand. »Da ist das Meer drauf, Anette, und eine fremde Marke. Ist die Karte von Mutti?«

Anette nahm Friedo die Karte aus der Hand. »Siehst du, jetzt brauchst du mich wieder, weil du noch nicht lesen kannst«, meinte sie lachend. »Ja, die Karte ist von Mutti. Sie schreibt: Meine lieben Kinder, Vati und ich schicken euch ganz liebe Grüße nach Hause. Hier ist es wunderschön. Wir müssen unbedingt einmal gemeinsam in den Süden fahren. Ich denke viel an euch beide. Aber lacht mich nicht aus. Denn obwohl ich hier so glücklich bin, habe ich schon ein klein wenig Sehnsucht nach euch und nach Dreilinden. Vertragt euch gut. Ich grüße euch herzlich. Eure Mutti.

Die alte Hanna lachte. »Das habe ich eurer Mutter prophezeit, dass sie bald Heimweh haben wird. Schöner als auf Dreilinden kann es nirgends sein. Mich brächten keine zehn Pferde von hier fort. Nach Italien schon gar nicht. Dort würde ich ja kein Wort verstehen.«

Anette legte den Arm um die kleine, etwas füllige Hanna. »Und dich würde auch niemand verstehen, Hanna. Das wäre wohl das schlimmste für dich.«

Als Anette in die Diele kam, stand Friedo in der geöffneten Haustür. »Ein Taxi ist gekommen, Anette«, sagte er und ging hinaus.

Ein Taxi? Besuch vielleicht? Von diesem Gedanken war Anette nicht begeistert. Die Arbeit im Gutshaus machte ihr so viel Freude, dass sie Besuch nur als störend empfunden hätte.

Friedo tauchte schon wieder auf. »Das ist Vati. Aber ohne Mutti.« Er sah sehr ratlos aus.

Anette schrak zusammen. »Unsinn, Friedo, was du wieder gesehen haben magst …«

»Bestimmt. Da, schau!« Friedo zog Anette mit vor die Haustür. Nun verlor das Mädchen alle Farbe im Gesicht.

Simon Bartholdy kam über den Hof. Vornübergebeugt, mit grauem Gesicht. In diesen Minuten mochte er nicht nur den verzweifelten Mann spielen, sicher war er wirklich angegriffen. Von dem, was er auf sein Gewissen geladen hatte, von der Angst, den Kindern seiner Frau gegenübertreten zu müssen.

Friedo, der sonst immer gleich neugierige Fragen stellte, drückte sich an die große Schwester und sah Simon Bartholdy mit weit geöffneten Augen entgegen, der nun knapp vor den Geschwistern stehen blieb.

»Es ist ein Unglück passiert«, stammelte der Mann. Dann rannte er an Anette und Friedo vorbei in die Diele.

Dort warf er sich in einen Sessel und lehnte sich schwer atmend zurück.

Anette war ihm gefolgt. Sie hatte Friedo vergessen. »Mutti?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Als Simon Bartholdy nicht gleich antwortete, stieß sie hervor: »Wo ist Mutti?«

Friedo kam nun ebenfalls in die Diele. Er hatte die Fäuste tief in den Hosentaschen vergraben. Seine Lippen zitterten, doch er hielt die Tränen zurück.

Simon Bartholdy sah Anette endlich an. »Eure Mutter kann nicht mehr kommen.« Er stand auf. »Sie ist tot.«

Anette schwankte einige Schritte zurück, bis sie sich an die Wand lehnen konnte. »Tot?« Dieses furchtbare Wort war so leise über ihre Lippen gekommen, dass man es kaum verstehen konnte. Dennoch schien es von den Wänden widerzuhallen.

»Sie ist mit dem Wagen ins Meer gestürzt. Niemand konnte sie finden. Ich musste allein zurückkommen.« Allmählich klang Simon Bartholdys Stimme gefasster, weil er überzeugend sein wollte. Er beobachtete Anette sehr genau. Auf Friedos Reaktion war er weniger gespannt, aber auf die von Anette. Er wusste, vor ihr musste er sich in Acht nehmen. Sie war erwachsen, und sie hatte ihn nur der Mutter zuliebe auf Dreilinden geduldet. Jetzt konnte ihr Misstrauen wieder erwachen.

Tatsächlich fragte sie auch schon: »Und du warst nicht bei Mutti?« Anette hatte sich in einen Sessel gesetzt und Friedo auf die Lehne gezogen. Sie hielt ihn fest an sich gedrückt.

Nun erzählte Simon Bartholdy jene Version des schrecklichen Unfalls, die bei anderen Menschen Glauben gefunden hatte. Er tat es so ausführlich, dass Anette taumelnd aufsprang. »Bitte, schweig!«, bat sie. Tränen stürzten ihr über das Gesicht. Erst nach Sekunden war sie fähig, wieder an den Bruder zu denken. Sie spürte, dass er zitterte. Aber sie sah auch, dass er den Blick nicht von Simon Bartholdy ließ. Es war jedoch jetzt kein kindlicher Ausdruck mehr in Friedos Augen. Er sah den Stiefvater misstrauisch an. Dann fragte er mit stockender Stimme: »Warum hast du auf Mutti nicht aufgepasst?«

Simon Bartholdy zuckte zusammen. Hatte er Friedo unterschätzt? Musste er auch ihn fürchten?

Anette zog den Bruder mit sich. Sie ging mit ihm in den ersten Stock. Lange sprach sie auf ihn ein. Sie versuchte ihn zu trösten – über etwas hinwegzutrösten, was sie selbst noch nicht begriff: dass sie keine Mutter mehr hatten.

*

So leicht, wie Simon Bartholdy es sich vorgestellt hatte, Besitzer von Dreilinden zu werden, wurde es ihm nicht gemacht. Dorotheas Leiche war nicht gefunden worden. In diesem Fall bestimmte das Gesetz eine angemessene Zeit bis zur Todeserklärung der Gutsherrin von Dreilinden.

Niemand hatte erfahren, dass Albert Schlüter einen Abstecher nach La Spezia gemacht hatte. Als er von dem Unfall erfuhr, tat er genauso erschrocken wie die anderen. Doch zusammen mit Simon Bartholdy überlegte er bereits, wie der durch ein Verbrechen zu erwartende Reichtum noch besser gesichert werden könne. Dazu gehörte vor allen Dingen, dass Anette ausgeschaltet wurde. Albert Schlüter, zu dem Anette noch immer Vertrauen hatte, wusste, wie sehr sie ihrem Stiefvater misstraute – auch wenn sie zu anderen nicht darüber sprach. Sie ging Simon aus dem Weg. Jede freie Stunde verbrachte sie mit Friedo. Für ihn war sie nun nicht nur die geliebte große Schwester, sondern auch die Mutter.

Anette hatte vorgehabt, ihre Stelle in der Firma Wagner aufzugeben, denn sie wurde in Dreilinden dringend gebraucht. Jeder erwartete, dass sie die Pflichten der Mutter im Gutshaus übernehme. Doch Simon Bartholdy drängte darauf, dass sie weiter im Labor ihrer Firma blieb.

Anette, vollkommen verstört und oft dem Zusammenbrechen nahe, fügte sich zunächst. Vierzehn Tage nach der Rückkehr Simon Bartholdys aber kündigte sie, ohne auf Dreilinden davon zu sprechen.

Simon Bartholdy erfuhr erst von Albert Schlüter, dass Anette nur noch ihre Kündigungszeit von sechs Wochen abarbeiten würde. Danach würde sie jeden Tag im Haus sein. Allein dieser Gedanke brachte Simon schon in Wut. ­Wieder einmal war es der besonders kaltblütige Albert Schlüter, der ihn beruhigte. Er lächelte boshaft in sich hinein, als er sagte: »Hast du vergessen, wozu mir Anette nützlich war, Simon? Ich habe alle Rezepte, die ich von ihr haben wollte. Das ist in der Aufregung um die andere Sache untergegangen.« Albert Schlüter klopfte gegen die Innentasche seines Rockes. »Der Verkauf dieser Rezepte hat mir ein schönes Sümmchen eingebracht. Ich hoffe, du verlangst davon keine Prozente, denn du bist ja schon jetzt vermögender als ich. Um Brief und Siegel darauf zu bekommen, brauchst du nur die Testamentseröffnung.«

Simon Bartholdy sah seinen Komplicen verblüfft an. »Es ist dir also gelungen, Anette die Rezepte für die neuen Tabletten abzuluchsen?«

»Nicht nur diese Rezepte. Wenn ich mich schon auf Werkspionage verlege, dann mache ich Nägel mit Köpfen. Zu mir hat Anette Vertrauen. Ich habe mehr von ihr erfahren können, als ich erhofft hatte. Die Abnehmer der Rezepte werden mit ihren Erzeugnissen früher auf dem Markt sein als die Firma Wagner.«

»Und du musst nicht befürchten, dass deine Spionagetätigkeit herauskommt?« Simon Bartholdy machte ein sehr besorgtes Gesicht. Es passte ihm nicht, dass Albert Schlüter zu dieser Zeit so große Risiken einging.

Albert Schlüter lachte überheblich. »Du kennst mich wohl noch immer nicht richtig, Simon. Ich habe mich abgesichert. Nicht nur Anette hat gekündigt, sondern auch ich. Nur läuft meine Kündigungszeit bereits nächste Woche ab. Dann verschwinde ich erst einmal.« Übermütig stieß er Simon in die Seite. »So lange, bis ich von dem Speck etwas abbekommen kann, der auf Dreilinden auf dich wartet. Du weißt ja, was du mir versprochen hast.«

»Du brauchst mich nicht daran zu erinnern, natürlich bekommst du deinen Anteil. Du willst dich also nur absetzen, weil du doch fürchtest, dass herauskommt, weshalb du überhaupt im Werk Wagner gearbeitet hast?«

»Sicher ist sicher, Simon. Ich habe jetzt Geld und kann mir in nächster Zeit das Leben etwas annehmlicher machen. Ich gehe ins Ausland. Es gibt auf dieser Welt viele schöne Plätze, an denen es sich gut leben lässt.«

»Und wenn die Firma Wagner merkt, dass ihr etliche Rezepte gestohlen wurden, Albert?« Simon Bartholdy verlor seine Unruhe nicht.

»Dann kann man sich an Anette halten, an deine schöne Stieftochter. Mensch, Simon, schau mich nicht an, als würde ich dir Schwierigkeiten bereiten. Etwas Besseres kannst du dir nicht wünschen, als dass man Anette der Werkspionage bezichtigt. Wer wird ihr glauben, dass sie unschuldig ist? Wir müssten uns geradezu wünschen, dass der Fall offenkundig wird, damit Anette vor Gericht kommt. Dann haben wir sie hier auf Dreilinden ausgeschaltet. Entweder sie wird verhaftet und bekommt eine Strafe, oder man muss sie mangels Beweisen freisprechen. Beides könnte dir nur recht sein. Eine vorbestrafte Anette wird dir keine Schwierigkeiten machen können.« Albert Schlüter wurde lebhafter, als es sonst seine Art war. Er schlug Simon auf die Schulter. »Ja, das ist es, was du brauchst. Anette ausgeschaltet auf Dreilinden. Mit dem kleinen Friedo wirst du dann auch noch fertig werden. Das wäre der nächste Schachzug. Jetzt lass uns nur hoffen, dass ich die Woche gut überstehe, die ich noch in der Firma Wagner zu arbeiten habe. Ich möchte auf ganz normale Weise verschwinden, nicht etwa, weil ich mich aus dem Staub machen muss. Bis jetzt konnte ich vor Anette verheimlichen, dass ich gekündigt habe. Mir wäre es am liebsten, sie würde das bis zum letzten Tag nicht erfahren.«

*

Dieser Wunsch erfüllte sich für Albert Schlüter. An seinem letzten Arbeitstag im Werk Wagner verabschiedete er sich auch von Anette. Sie war sehr erstaunt über seine Kündigung, besonders aber darüber, dass er ihr davon nichts gesagt hatte. Bisher war sie der Meinung gewesen, ein gewisses Vertrauensverhältnis zu Albert Schlüter zu haben. Es tat ihr leid, dass er ging. Mit keiner Faser ihres Herzens ahnte sie, dass dieser Mann nicht nur der Komplice ihres Stiefvaters war, sondern dass er sie in einen furchtbaren Strudel der Aufregungen ziehen würde.

Albert Schlüter hatte das Glück des Abenteurers. Wenige Tage, nachdem er aus der Firma ausgeschieden und verschwunden war, platzte die Bombe.

Auf dem Markt erschienen Tabletten, die bei der Firma Wagner entwickelt worden waren und die in wenigen Wochen hatten in den Verkauf gehen sollen.

Für niemanden in der Firma gab es Zweifel daran, dass die Zusammensetzung dieser Tabletten, das Rezept dafür, von einem der damit vertrauten Angestellten preisgegeben worden war.

Albert Schlüter, der als Werbefachmann gearbeitet hatte, geriet zunächst nicht in Verdacht. Dagegen, dass Anette von Linden etwas verraten hatte, wehrten sich alle. Und doch wurde der Verdacht gegen sie immer stärker. Denn gerade sie hatte an der Entwicklung dieser Tabletten mitgearbeitet. Sie war mit den Versuchen im Labor betraut gewesen.

Die Lawine kam ins Rollen. Allein durch Anettes Aussagen wurde offenbar, dass Albert Schlüter von ihr auch andere Betriebsgeheimnisse erfahren hatte. Man musste darauf gefasst sein, dass die Firma Wagner noch weiter geschädigt worden war.

Albert Schlüter war nirgends zu finden. Simon Bartholdy aber verstand es, sich auf sehr geschickte Art herauszuhalten. Er gab wohl zu, Albert Schlüter schon lange zu kennen, betonte aber, dass dieser Mann nur deshalb so oft nach Dreilinden gekommen sei, weil ihn eine ganz besonders enge Freundschaft mit Anette verbunden habe.

Anette war dem Zusammenbruch nahe. Noch stand sie unter dem Eindruck, die Mutter so plötzlich und auf so mysteriöse Weise verloren zu haben – und schon bahnte sich ein neues, entsetzliches Unglück an. Sie hatte niemanden, der ihr vertraute, und der Stiefvater fiel ihr sogar in den Rücken. Das war jedoch so offensichtlich, dass Anette die Absicht erkennen musste, sie in den Augen der Leute unmöglich zu machen. Statt, dass er ihr beistand, hielt er ihr immer wieder vor, dass sie den Namen von Linden in den Schmutz gezogen habe. Simon Bartholdy war vermessen genug, Anette daran zu erinnern, was wohl ihre Mutter zu dieser furchtbaren Schande sagen würde, dass ihre Tochter schon bald vor Gericht stehen würde.

Anette wusste, dass sie in ihrer Firma und bei den Verhören einen besseren Stand gehabt hätte, wenn ihr Stiefvater nicht immer wieder gesagt hätte: »Ich bin fassungslos. Wie konnte meine Stieftochter uns das antun?«

In diesen Tagen hatte Anette nur eine Stütze – die alte Hanna. Bei ihr konnte sie sich ausweinen. Hanna vertraute ihr, aber helfen konnte sie ihr auch nicht.

Friedo hatte längst gemerkt, wie sehr seine geliebte Schwester litt. Zwar begriff er nicht ganz, was sie auf ihr Gewissen geladen haben sollte, aber er versuchte sie zu trösten.

Anette war fristlos entlassen worden. Dass sie gekündigt hatte, wurde nun ebenfalls zu ihrem Nachteil ausgelegt. Jeder glaubte, dass sich zuerst Albert Schlüter aus dem Staub gemacht habe und Anette ihm gefolgt wäre in der Hoffnung, dass man so bald nicht hinter ihren Betrug kommen würde.

Nun war Anette den ganzen Tag auf Dreilinden – so, wie es ihr Wunsch gewesen war, aber unter anderen Vorzeichen. Der Stiefvater sah sie nur vorwurfsvoll an. Er ließ sie spüren, dass er sie verachtete.

Noch bemühten sich die Leute auf Dreilinden, Anette nicht merken zu lassen, dass auch sie die Beteuerungen ihrer Unschuld kaum noch glauben konnten. Aber Anette spürte das Misstrauen. Sie hatte hier auf Dreilinden schaffen wollen, doch nun schlich sie durch das Haus, ging Simon Bartholdy aus dem Weg und machte sich selbst die bittersten Vorwürfe, Albert Schlüter vertraut zu haben. Jetzt durchschaute sie, warum er sich um ihre Freundschaft bemüht hatte. Aber nun war es zu spät.

Ab und zu kam Anette der Verdacht, dass ihr Stiefvater genau wisse, dass sie nur aus Naivität in dieses Unglück gerannt war. Aber was half ihr das? Er hatte sich auf Dreilinden festgesetzt. Niemand konnte ihn zunächst vertreiben. Zunächst hatten ihn viele skeptisch und scheel angesehen, weil sie ihm doch eine gewisse Schuld am Tod seiner Frau zugeschoben hatten. Doch inzwischen hatte sich das verwischt. Er führte das Gut, er war der Herr. Diese Stellung hatte er sich erkämpft, auch ohne dass man noch die Bestimmungen des Testamentes der Gutsherrin kannte.

Sophienlust Extra 10 – Familienroman

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