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Einleitung

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Politik hat einen schlechten Ruf. Vielen steht sie für Unredlichkeit, Undurchsichtigkeit, Mangel an Sachkenntnis, die Unfähigkeit, Lösungen zu finden, und für unaufhörlichen Streit. „Ein politisch Lied, ein garstig Lied.“1 Deutsche Bildungsbürger*innen wollten mit Politik, der es doch nur um Macht gehe, historisch lange nichts zu tun haben. Unternehmer*innen verachten sie heute vielfach, weil sie erfolgreiches Wirtschaften und schnelle Entscheidungen nur bürokratisch beeinträchtige und kein Problem löse. Die liberale Demokratie hat an Glaubwürdigkeit verloren.

Das ist beunruhigend. Denn wir leben nicht wie Robinson allein (oder mit seinem Freund Freitag) auf einer Insel, sondern zusammen mit Milliarden anderer Erdenbürger*innen auf einem endlichen Planeten. Was wäre statt Politik die Alternative für die Gestaltung unseres Zusammenlebens? Was wäre statt der Demokratie eine politische Ordnung, in der wir friedlich zusammenleben können? Ein aufgeklärter Diktator oder eine Avantgardepartei, die effizient Flughäfen baut und mit künstlicher Intelligenz für Disziplin und Ordnung sorgt? Eine „neutrale“ Technokratie, die aus eigener Sachkenntnis weiß, was für uns alle am besten ist? Die Hoffnung, dass sich alles findet, wenn man Herrschaft einfach abschafft? Die Regelung aller Angelegenheiten durch den lokalen, nationalen oder globalen Markt?

So klar würde wohl niemand für eine dieser Alternativen plädieren. Aber unter der Hand und sogar immer ausdrücklicher kommen doch zunehmend Zweifel daran auf, ob demokratische Politik noch zeitgemäß ist, ob sie in einer hochkomplexen Welt zufriedenstellende Lösungen schaffen kann, ob die Menschen, die immer stärker unter Stress stehen, überhaupt genügend Zeit für sie haben. Zuletzt wurde die Frage aufgeworfen, ob ein Stopp des Klimawandels in einer Demokratie denn zu bewerkstelligen ist. Hat demokratische Politik noch eine Zukunft? Macht sie noch Sinn?

Im Unterschied zur Politik im Allgemeinen verspricht demokratische Politik – als institutionelles System, als politische Kultur und als konkrete Umsetzung von Entscheidungen – zumindest theoretisch, dass sie global die beste Chance für alle Menschen bietet, ein Leben in Würde, d. h. in Freiheit und Verantwortung, zu führen.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – mit diesem Satz beginnt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Der Begriff ist – wie alle umfassenden und traditionsreichen Begriffe – umstritten und nicht eindeutig definierbar. Für mich ist er der notwendige Anker aller Politik. Wenn wir auf ihn verzichten, wird Politik haltlos. Die Würde des Menschen, die faktisch oft verletzt wird, kommt jedem Menschen ohne Ansehen der Person oder seiner Leistungsfähigkeit zu; sie ist das Maß aller Politik. Sie wird verletzt, wenn der Gebrauch der persönlichen oder politischen Freiheit durch die Verfassung, durch konkrete Politik, durch die Mitmenschen, durch faktische Verhältnisse, durch physische oder psychische Unterdrückung, auch durch Demütigung verwehrt oder beeinträchtigt wird. Sie wird unterstützt und gestärkt, wenn Menschen „frei von Not und Furcht“ leben können, wie die traditionelle Forderung der Sozialdemokratie lautete; wenn die politischen Institutionen, aber auch die politische Kultur im Alltag ebenso wie in Ausnahmesituationen der Selbstbestimmung aller Menschen, nicht nur einiger, nicht nur der Privilegierten dienen.

Ist das Versprechen, dass jedem Menschen eine unantastbare Würde eignet, heute obsolet? Weckt es unrealistische Erwartungen? Haben Menschen daran überhaupt noch ein Interesse? Wenn ja: Wie kann dieses Versprechen, das heute vielfach als zynische Leerformel erfahren wird, realistisch erfüllt werden?

In diesem Essay möchte ich die theoretischen und praktischen Hindernisse für die Verwirklichung demokratischer Politik vor dem Hintergrund der ökonomischen, technischen, kulturellen und nicht zuletzt politischen Globalisierung nüchtern benennen und analysieren. Daraus sollen konstruktive und zugleich realitätstüchtige Antworten hervorgehen.

Um den eigenen Politikbegriff zu schärfen, will ich zunächst unterschiedliche Verständnisse von Politik erörtern und sie mit theoretischen und praktischen Einwänden konfrontieren. Das mündet in eine genauere Bestimmung von demokratischer Politik heute. Sie muss sich in ihrer Realisierung an den wichtigsten gegenwärtigen Herausforderungen abarbeiten.

Im Ergebnis ist demokratische Politik, so behaupte ich, auch heute, in der sozialen, ökonomischen und politischen Globalisierung, möglich und realistisch. Sie muss aber durch eine deutlich umfassendere politische Teilhabe der Bürger*innen an den politischen Entscheidungen weiterentwickelt werden – nicht zuletzt, um den über die nationalen Grenzen hinweg dominierenden Kapitalismus politisch zu gestalten.

Was ich hier vorschlage, unterscheidet sich von den aktuell ins Kraut schießenden Angeboten von Kommunikationsberatungen für alle möglichen Partizipationsmodelle. Was diesen in der Regel fehlt, ist die unverzichtbare theoretische Verankerung von politischer Teilhabe in ihrem ideengeschichtlichen und demokratietheoretischen Kontext und in der jeweiligen politischen Verfassung, ohne die sie legitimations- und begründungslos bleiben.

Eine erweiterte demokratische Teilhabe sollte in der Gegenwart zum einen beachten, dass der nationalstaatliche Rahmen für wirksame demokratisch-politische Lösungen nicht mehr genügt, weil seine Regelungskompetenz in der Globalisierung nicht weit genug reicht. Zum anderen muss die Erweiterung von Partizipation zu den Verfassungsprinzipien der repräsentativen Demokratie passen. Realistische und wirksame demokratische Politik muss – zusätzlich zur nationalen Ebene – zugleich kommunal und global weiterentwickelt werden. Sie erfordert auch eine Rehabilitierung und Aktualisierung des „Gemeinwohls“ unter dem Verständigungsbegriff der „Nachhaltigkeit“.

Theoretische – politisch-philosophische, ideengeschichtliche und empirisch- wissenschaftliche – Einsichten will ich mit praktischen Erfahrungen konfrontieren und verbinden. Der Ertrag von Verfahren politischer Teilhabe wird an aktuellen und langfristigen thematischen Aufgaben verdeutlicht. Dazu gehört, unser Leben ökologisch, ökonomisch und sozial gerechter zu gestalten, eine Wirtschaft zu entwickeln, die Klima- und Ressourcenschutz in unseren planetarischen Grenzen respektiert, Migration gerecht und friedlich zu regeln, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz transparent, sicher, gerecht und kreativ zu praktizieren sowie unsere individuelle Entfaltung mit sozialer Solidarität zu vereinbaren.

Ich wende mich an Leser*innen, denen ebenso wie mir daran liegt, dass alle Menschen in Würde leben können, die das durch praktisches Engagement und politische Teilhabe verwirklichen und mit nachhaltiger, ja sogar sinnstiftender Orientierung verbinden wollen: an Handwerker und Informatikerinnen, an junge Eltern und pensionierte Lehrerinnen, an Schülerinnen und Journalisten, an Verwaltungsbeamte und Sportvereine, und besonders an zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen.

Politik trotz Globalisierung

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