Читать книгу G.F. Barner Classic 6 – Western - G.F. Barner - Страница 3

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Es knackte einmal, aber es war nicht das Holz des Feuers. Es klang scharf und trocken wie ein Revolver- oder Gewehrhammer im Rücken von Jim Copper, und der Sand zwischen Pedrigosa und El Capitan, irgendwo am Rande der Gila-Wüste, hatte nicht mal geknirscht.

Jim saß ganz still. Er fühlte sich wie ein Hund bei Gewitter, wenn die elektrische Aufladung der Luft die Haare hochstehen ließ.

Wer immer es war, der hinter Jim aus dem mageren Kakteensaum getreten war, er war keine sechs Schritt entfernt, verflucht zu nahe, um Jim eine Chance zu lassen.

Jim starrte auf die Pfanne, die Flammen und den Speck, schönen, durchwachsenen Bauchspeck, leicht angeräuchert und gut abgehangen. Die Speckstreifen schwammen im Fett, die Bohnen garten bereits. Und Jim hielt sein Messer in der Hand. Damit hatte er die Speckstreifen und die Bohnen gewendet.

»Lass fallen!«, sagte der Mann sanft. Er hatte eine verflucht freundliche Stimme – zu freundlich, um wirklich harmlos zu sein. »Aber drüben hin – wirf mal ein bisschen – nur nicht hierher, klar?«

Jim sagte nichts, er hielt das Messer am Heft. Das war schon mal schlecht. Man musste ein Messer an der Spitze fassen, wenn man werfen wollte.

»Na?«

Der sprach nun etwas schärfer, etwas näselnd, etwas lauernd.

»Ja«, sagte Jim. Er hatte einen Kloß im Hals und keinen Hunger mehr.

Dann warf er das Messer über das Feuer und die brutzelnden Speckscheiben in den Sand. Er warf es aus der hohlen Hand, sodass der Stahl kurz im Flammenschein blinkte und die Klinge dann mit der Spitze zuerst in den Sand eindrang. Das Messer blieb so stecken, dass Jim es, wenn er zum Sprung kam, am Griff packen und sich wehren konnte.

»Sitz ganz still, die Hände in den Sand! Streck sie jetzt aus, aber nicht seitlich, nur nach vorn, Junge!«

Verflucht, dachte Jim, der versteht es. Wer ist der Hundesohn? Jim beugte sich vor. Hätte er die Arme seitwärts ausstrecken können, hätte er vielleicht eine Chance bekommen, den Kerl zu packen, wenn er ihm zu nahe kam. Jetzt war es vorbei damit. Er beugte sich nach vorn und legte die Hände auf den groben Sand. Dann wartete er – der Mann musste kommen.

Jim lauschte – der Mann schwieg, er kam nicht, oder?

Er kam doch, aber es gab kein Knirschen von Sand unter Stiefelsohlen. Es gab nur ein leises Scheuergeräusch.

Der ist barfuß, dachte Jim verstört. Warum ist er barfuß? Kein Mensch geht in der Wüste zwischen Vipern, Skorpionen und Gilatieren barfuß. Teufel, er ist gleich hinter mir und wird mir eins über den Schädel knallen, wetten?

Der Feuerschein war zu hell. Der Mond stand hinter Jim, er hätte den Schatten des Mannes sonst an Jim vorbei über den Sand geworfen. So vertrieb das Flammenspiel des Lagerfeuers jenen Schatten, der Jim vor etwas gewarnt hätte.

»Ein feiner Platz«, sagte der Mann näselnd. Er musste kaum zwei Schritt entfernt sein. »Du bist von Pedrigosa gekommen, he? Das ist ein ziemlich weiter Weg bisher, schätze ich. Was hast du in Pedrigosa gemacht?«

Die Stimme, grübelte Jim, wo habe ich die Stimme schon mal gehört?

Da war ein Stück Erinnerung an irgendein Nest drüben in Mexiko, an einen Saloon, aber mehr fiel Jim jetzt nicht ein.

»Na, was hast du da gemacht, Copper?«

Also doch, der Mann kannte ihn, und er fragte, also wusste er etwas von dem, was Jim in Pedrigosa getan hatte. Was hätte es sonst für einen Grund haben sollen, dass er ihm gefolgt war? Dabei hatte Jim mit beiden Pferden einen Tagesritt hinter sich gebracht, der jeden Verfolger abschütteln sollte. Anscheinend war es ihm doch nicht gelungen.

Das Scheuern setzte wieder ein, der Mann kam näher und redete jetzt schneller. Jim hörte das seltsame Gleiten auf dem Sand, obgleich der Bursche immer schneller sprach.

»Bist du stumm, Copper? Lass mich mal raten, was du in Pedrigosa gemacht haben könntest? Dort wohnen ein paar lausige Greaser, ziemlich arme Figuren, wie? Reich ist nur Ignacio, der Pferdehändler. Und dann noch Don Caberas, dessen Hazienda für ihre Bullenzucht berühmt ist. Bist du bei dem gewesen – er soll seinen besten Bullen verloren haben, hörte ich? Wer hat noch gute Zuchtbullen, dein Vater, he? Hast ihm einen Bullen gebracht, vielleicht mit einem seiner Männer, na? Ich wette …«

Die Stimme wurde zu schnell. Und dann hörte Jim das Scheuern nackter Füße auf den Sandkörnern nicht mehr.

Jetzt, dachte Jim, er schlägt zu!

Jim warf sich hintenüber, seine Hand zuckte zum Revolver. Im Wegkippen sah er die Beine des Mannes. Jim hatte mal in Phoenix einen Flohzirkus besucht, der sich irgendwie nach Arizona verirrt hatte. Der eine Floh hatte auch so hüpfen können wie der Mann mit den langen Beinen. Der Mann war auch nicht barfuß, er hatte sich Stoffstreifen um die Füße gewickelt. Nun hüpfte er zur Seite. Er hatte auch keinen richtigen Revolver, er hatte nur einen Derringer. Und den in der linken Hand.

Das alles sah Jim, ehe er begriff, dass der Mann ihn zu dem Versuch gereizt hatte. Er sah auch den Knüppel. Es war ein solider Wagenschwengel von irgendeinem Wagen, der im Mahlsand der Gila-Wüste liegen geblieben sein mochte.

Der Mann mit den dick umwickelten Füßen hielt den Wagenschwengel in der Rechten und schlug zu. Es war verrückt von dem Kerl, dass er Jim eine Chance gelassen hatte. Er hätte Jim längst auf den Schädel schlagen können, doch er tat es jetzt erst, als Jim ihn anzuspringen versuchte.

Und dann sagte der verrückte Bursche noch etwas.

»Tut mir leid, Junge«, sagte er. Es klang richtig bedauernd.

Danach fiel Jim der alte Deichselschwengel auf den Kopf. Der schwachgelbe Mond über der Gila-Wüste platzte wie eine Rakete, die jemand bei einer Fiesta gegen den Himmel gejagt hatte. Und dann kam das Feuer. Es war ein riesenhaftes, hochloderndes Feuer.

Jim Copper fiel mitten in die Flammen …

*

Zuerst kam der Schmerz. Er meldete sich in Jims Hinterkopf und lief in kleinen Wellen bis in seinen Nacken. Dann machte Jim die Augen auf. Er sah alles verschwommen, und es dauerte eine Minute, ehe er den Mann am Feuer sitzen sah. Danach versuchte Jim die Hände zu bewegen, merkte aber, dass sie auf dem Rücken gebunden waren.

Der Mann aß mit einer Hast, die nur ein Halbverhungerter zeigen konnte. Er wendete Jim die Seite zu, und als Jim sein Profil studierte, schwieg und nur zusah, wie der Bursche Bohnen und den Schinkenspeck in sich schaufelte, kam die Erinnerung zurück.

Jim erinnerte sich an El Cantara, das Nest in der Nähe von Pedrigosa, an die Bodega, den Spieltisch.

In diesem Augenblick wusste Jim, dass er den Mann am Spieltisch gesehen hatte. Es war Wochen her, und der Bursche hatte mit einigen Amerikanern gepokert, die in El Cantara mit Schmuggelware oder sonstwelchen Dingen auf einen günstigen Zeitpunkt zur Überquerung der Grenze gewartet hatten.

Jim zog die Beine an. Dann sah er den Strick und seine Socken. Jetzt erst blickte er auf die Füße des Mannes. Der Kerl trug nun seine Stiefel, er hatte ihm auch das Halfter und den Colt abgenommen. Selbst das Gewehr Jims lag neben ihm am Boden.

Der Spieler, dachte Jim bestürzt, wie kommt der Spieler in die Wüste? Er hat sich drei Tage nicht rasiert, er ist barfuß unterwegs gewesen – ohne Pferd, oder?

Jim sah sich nach seinen Pferden um. Der Wallach stand neben dem Schecken, sonst gab es kein Pferd. Es gab nur den Mann und das Feuer, das Essen, das Jim beinahe fertig gehabt hatte und das der Bursche nun wie ein Wolf in sich schlang.

»Bist du fertig, hast du genug gesehen?«, fragte der Spieler kühl. Er wendete langsam den Kopf. Der Feuerschein traf nun voll sein Gesicht, die hellen Augen, den schmalen Mund und die etwas zu kräftige Nase. Er saß so am Feuer, dass er Jim keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte.

»Ja«, sagte Jim. Er hatte das Gefühl, dass ihm ein Gummiband die Kiefer zusammenhielt, und er hatte Mühe, die Worte zu formen, weil der Schmerz ihm die Muskeln lähmte. »Kartenhai, weißt du, was es kosten kann, wenn man jemand in der Wüste überfällt, ihm die Stiefel auszieht und ihm vielleicht auch noch die Pferde nimmt? Das hast du doch vor, eh?«

»Vielleicht?«, erwiderte der Spieler träge. Er nahm Jims Wasserflasche, trank durstig und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Ich leihe mir alles nur aus, du bekommst es wieder zurück, Copper, klar?«

Er sprach so ruhig wie jemand, der keine Furcht kannte und sich seiner Sache sicher war. Er hatte Jim erwischt, und er stand jetzt auf, nahm die Pfanne mit und setzte sich neben Jim hin.

»Du hast meine Stiefel. Hattest du keine mehr?«, fragte Jim, als der Kartenhai den Löffel voll Bohnen auf seinen Mund zuführte. »Sieht aus, als hättest du El Cantara verdammt eilig verlassen müssen – ohne Pferd?«

»Ich habe eins gehabt«, sagte der Kartenhai. Er stopfte Jim den Löffel zwischen die Lippen und zwang ihn zu essen. »Du kannst kauen, Copper, du musst hungrig sein. War El Toro hinter dir her?«

Jim sperrte verwundert die Augen auf. Erst in diesem Moment begriff er, dass der Spieler alles über ihn wusste. Jim hatte Quinton, einen der rauesten Burschen El Toros, des mexikanischen Banditen, unterwegs getroffen. Quinton hatte ihn und Valdez, den Zureiter, mit dem Bullen gesehen, war ihnen ein Stück gefolgt und hatte dann den Weg nach Südosten eingeschlagen. Er musste also nach El Cantara geritten sein.

»Ja«, gab Jim zurück, nachdem er die Bohnen herabgewürgt hatte. »So ist das, Quinton hat El Toro in El Cantara getroffen, wie? Ja, sie sind hinter mir her gewesen, aber ich habe sie abgehängt, nachdem sie mir in die Wüste gefolgt waren. Du bist in El Cantara gewesen?«

»Kann sein«, brummte der Kartenhai mürrisch. »El Toro hat dein Geld haben wollen – den Preis für den Bullen, was? Du hast ihn abgehängt, als der Sandsturm losgebrochen ist, denke ich. Ich dachte mir gleich, dass du den kürzesten Weg zu eurer Ranch nehmen würdest. El Toro ist kein Narr, er ist dir nicht gefolgt. So nahe an der Ranch wagt er nichts mehr. Er hat Angst vor Buster Tom, deinem Vater, was?«

Er lachte leise, schob Jim die nächste Ladung Bohnen in den Mund und sah, wie Jim sich bemühte, seine Jacke herumzuzerren, um an die Brusttasche zu kommen.

»Gib dir keine Mühe, du hast das Geld nicht mehr.«

»Waas?«, keuchte Jim. »Mensch, du hast die siebenhundert Dollar gestohlen? Das kostet dich den Hals, du Lump! Was El Toro nicht gewagt hat, hast du gestohlen. Denkst du, mein Vater schluckt das?«

»Ich habe es mir nur geliehen«, kicherte der Spieler. »Keine Aufregung, Copper! Dein Vater wird dich morgen suchen, wahrscheinlich findet er dich gegen Abend, weil er sich ausrechnen kann, dass du diesen Weg genommen hast. Neben dem Feuer liegt dein Messer. Du wirst so gebunden, dass du es nach einigen Stunden erreichen kannst. Dann schneide dich los.«

Der Spieler lachte spöttisch, als er Jims verstörtes Gesicht sah. Er stand auf, brachte die Pfanne zum Feuer zurück, hob das Messer auf und schleuderte es geschickt in den dicken Stamm einer Organpipe-Kaktee, in den er bis zum Heftsteg eindrang. Der Kartenhai war etwa so groß wie Jim, schlank und sehnig, aber einige Jahre älter. Er wirkte trotz seines Lachens eiskalt und hart, wenngleich er Jim nicht unsympathisch war, aber er war ein Dieb.

»Du verdammter Schurke!«, schrie Jim wütend, als der Spieler sich an seinem Packen zu schaffen machte und sich ein Hemd nahm. »Weißt du, was mit jemandem passiert, der einen anderen hilflos zurücklässt und mit seinen Pferden verschwindet? Du hängst, wenn wir dich erwischen. Und das werden wir, ich schwöre dir, wir finden dich.«

»Glaubst du?«, fragte der Kartenhai spöttisch. »Ich habe dir gesagt, dass du alles zurückbekommen wirst. Ich gehe kein Risiko ein, Copper-Junge, ich habe etwas zu viel von dir und deiner Wildheit gehört, verstehst du? Du würdest mir folgen, was?«

»Darauf kannst du Gift nehmen«, erwiderte Jim bissig. »Du verdammter Hundesohn, niemand schlägt mich nieder und nimmt mir meine Sachen weg! Ich glaube dir kein Wort, du hast das Geld und die Pferde, und du müsstest verrückt sein, wenn du es zurückgeben würdest.«

»Vielleicht bin ich verrückt?« Der Kartenhai lachte. »Junge, vielleicht bist du mir noch dankbar, dass ich dir alles weggenommen habe, wer weiß.«

»Dankbar?«, brüllte Jim voller Wut. »In die Hölle werde ich dich blasen, du Halunke! Ich wette, du hast mich schon am Nachmittag ausgemacht. Du musst auf den Bergen drüben gesessen haben, was?«

»Stimmt«, sagte der Spieler trocken, »genauso ist es gewesen, Copper. Ich kann dir die Sache nicht erklären, es ist besser, wenn du nichts weißt.«

»Ich weiß verdammt genug«, antwortete Jim giftig. »Wetten, dass du höllisch schnell aus El Cantara verschwunden bist? Wahrscheinlich hast du jemand im Spiel betrogen, und dein Aufbruch muss so schnell erfolgt sein, dass du nicht mal deine Stiefel angezogen hast. Burschen wie du kommen garantiert eines Tages an den falschen Mann, ich kenne das! Na, wer ist hinter dir her, he?«

Der Spieler grinste nicht mehr. Er sah Jim finster an, kam dann auf ihn zu und stieß ihn mit dem Stiefel an.

»Ich habe schon gehört, dass ihr Coppers nicht gerade dumm sein sollt«, sagte er mürrisch. »Nun gut, vielleicht ist jemand hinter mir her. Vielleicht habe ich auch ohne Stiefel und ohne Sattel aus El Cantara verschwinden müssen. Kann schon sein, Copper, aber es ist besser, du rätst nicht weiter herum. Auf den Bauch mit dir!«

Er stieß Jim die Stiefel unter die Rippen, wollte ihn anheben und schrie in der nächsten Sekunde auf. Jim hatte die Hände in den Sand gekrallt gehabt. Als der Spieler ihn herumstoßen wollte, fuhren Jims gebundene Hände jäh in die Höhe. Der Sand prasselte dem Spieler ins Gesicht, und er schrie erschrocken los.

Im selben Moment warf sich Jim nach links herum. Er hatte nach rechts auf den Bauch fallen sollen, stieß sich durch geschicktes Anziehen der Beine ab und warf sich sofort nach links.

Der Kartenhai hatte beide Hände vor das Gesicht gerissen. Er sah nichts mehr, taumelte aber zur Seite, sodass Jim ins Leere kollerte und ihn nicht mehr erreichen konnte. Ehe Jim noch einmal herumkommen konnte, sprang der Spieler mit zwei Sätzen fort, blieb stehen, orientierte sich nach dem Knacken des Feuerholzes und rannte blindlings auf die Flammen zu.

Verzweifelt stemmte sich Jim ab. Er kam seitwärts herum, versuchte dem Spieler zu folgen und sah dann, dass er es mit einem verdammt geschickten Burschen zu tun hatte.

Der Spieler ließ sich neben dem Feuer auf die Knie nieder, er tastete den Boden ab, bis er die Wasserflasche fand, schraubte sie auf und goss sich das Wasser in die Augen.

Jim blieb drei Schritt vor dem Feuer liegen. Der Spieler sah jetzt genug, er fluchte laut, zog Jims Revolver und knirschte: »Noch einmal legst du mich nicht herein, Copper! Das war kein guter Trick, Mister. Die Pest, beinahe hättest du mich überrascht.«

»Nur beinahe, hol’s der Teufel!«, schnaubte Jim wütend. »Na, was willst du jetzt tun, schießen?«

Der Spieler sprang auf ihn zu, kam diesmal von der Kopfseite heran und setzte Jim den Coltlauf an den Hals.

»Auf den Bauch!«, befahl er grimmig. »Und versuche es nicht wieder. Diesmal halte ich dir mein Gesicht nicht so blödsinnig hin, Freundchen.«

Er packte Jims linken Oberarm, riss Jim herum und trat dann zurück.

»Bleib so liegen!«, fauchte er. »Schade um dein Lasso, aber ich brauche es nicht, und dich bindet es fest genug. Jetzt wirst du noch mehr Zeit brauchen, um an das Messer zu kommen.«

Nach wenigen Schritten hatte er das Lasso geholt, kniete sich auf Jims Rücken und band ihm die Beine angewinkelt an die Handgelenke, sodass Jim krumm wie ein Indianerbogen am Feuer liegen blieb.

»Bist du jetzt zufrieden?«, erkundigte er sich danach finster. »Deine Schuld, Copper. Sieh zu, dass du bald frei bist, sonst kommt die Sonne zu früh für dich. Deinen Packen brauche ich nicht, nur etwas Vorrat und Wasser. Du hast mein Versprechen, dass du alles zurückbekommst.«

»Scheißversprechen – von einem Kartenhai, was?«, stieß Jim verbissen hervor. »Wohin du auch reitest, du siehst mich bald wieder. Der Wallach und der Schecke sind noch mal siebenhundert Dollar wert, und du wirst sie in dieser Gegend nirgendwo los, weil hier jeder unser Brandzeichen kennt, also wirst du ziemlich weit reiten müssen, Hundesohn, doch nicht weit genug für mich.«

»Das habe ich mir gedacht«, sagte der Spieler düster. »Für dich gilt das Versprechen eines Spielers nichts, was? Copper, ich sagte dir, es geht um meinen Kopf, ich habe keine Wahl. Das muss dir genügen, Mister.«

Er wendete sich ab, ging zu den Pferden und saß auf. Als er anritt, blickte er sich noch einmal um. Dann verschwand er hinter dem ersten Kakteensaum über den nächsten Hügel, und der Hufschlag verlor sich gleich darauf.

»Verdammter Hundesohn!«, stieß Jim durch die Zähne. »Irgendwer muss dir auf den Fersen sein. Wahrscheinlich hast du ihn im Sandsturm genauso abgehängt wie ich El Toro, den elenden Bravadochief. Ich hoffe, der Bursche holt dich nicht ein, ehe ich dich habe. Hölle und Pest, wie soll ich an das Messer kommen?«

Er sah zu der Kaktee, schaukelte auf dem Bauch, bis er auf die Seite kippte und versuchte dann seinen Körper mit den Händen seitlich herumzuschieben. Es gelang nur zollweise, er kam kaum voran. Für die zwölf Schritt bis zur Kaktee und dem Messer würde er einige Stunden brauchen.

»Kartenhai, das bezahlst du!«, sagte Jim nach zehn Minuten. Er hatte kaum einen halben Schritt geschafft und schwitzte heftig von der Anstrengung. »Hol’s der Satan, ich werde mit den Fetzen der Unterhose, die sich der Schurke um die Füße gewickelt hatte, marschieren müssen. Großer Geist, Geld und Pferde weg, und Unterhosenfetzen an den Füßen. Wenn mich Buster Tom so sieht, lacht er zuerst, aber dann bricht die Hölle los. Spieler, so wahr ich Jim Copper heiße, ich werde dich erwischen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue!«

Jim kochte vor Grimm. In Gedanken verfolgte er den Spieler bereits. Dabei war er noch nicht mal frei, geschweige denn im Besitz eines Pferdes. Dass es noch schlimmer kommen sollte, ahnte Jim in dieser Minute nicht.

*

Jim spürte, wie der Sand nachgab. Sein rechtes Knie war beim Herumwuchten zu weit nach außen gerutscht. Jim hatte sich nur durch das Zusammenziehen aller Muskeln aus der Seitenlage auf die Knie werfen können, doch es war ihm nicht gelungen, den herumstürzenden Körper rechtzeitig abzufangen, da er sich nicht mit den Händen aufstützen konnte.

Mit einem heiseren Schrei fiel Jim auf die rechte Seite. Er streifte im Fallen einige der handlangen Kakteenstacheln. Sie drangen durch seine Jacke und das Hemd in seine Schulterkugel ein, und er brach sie beim Aufschlagen ab. Der brennende Schmerz ließ ihn fluchen. Einige Minuten lag er schnaufend still. Dann schob er sich erneut herum. Er hatte es dreimal versucht und wusste nun, dass er nicht zu wenig und auch nicht zu viel Schwung haben durfte, wenn er genau auf den Knien liegen bleiben sollte.

»Dieser Menschenfresser, wenn ich den erwische, mache ich ihn um ein Pfund Blei schwerer«, fluchte Jim, indem er sich auf die Seite wälzte und leicht schräg zum Hang und den Kakteen liegen blieb. »In drei Stunden wird es hell, der Hund kann schon zwanzig Meilen geritten sein, was? Die Pest, nicht zu viel Schwung und die Knie nicht zu weit auseinandernehmen, was?«

Der Mond stand am westlichen Hang zwischen den Kakteen und kargen Dornbüschen. Er beschien das längst erloschene Feuer, die Spuren im Sand und Jim, der sich zusammenkrümmte. In der nächsten Sekunde warf sich Jim herum. Sein Körper – zusammengehalten durch die Fesselung – schnellte von der rechten Seite in die Höhe, und es gelang. Der vierte Versuch glückte. Jim kam auf die Knie zu liegen. Einen Moment schwankte sein Oberkörper hin und her, dann kauerte Jim sicher auf den Knien. Er konnte sie nur wenig bewegen, schob sich aber herum und rutschte nun rückwärts den schrägen Hang hinauf. Er hatte vorher einige Male versucht, den Hang emporzukriechen, doch er war jedes Mal zurückgeglitten, da der Sand wie eine Rutschbahn wirkte.

Erst in dieser Höhe war die Steigung geringer. Jim glitt zollweise an die Kaktee heran. Das Messer steckte etwa einen halben Schritt über dem Boden im Stamm fest. Jim konnte das Messer erfassen, zog es heraus und ließ sich dann zur Seite fallen.

Nachdem er lag, drehte er die Klinge um, sodass das Heft zwischen seine Füße geriet. So gut er konnte, klemmte er das Heft fest. Er stemmte dabei die Zehen gegen den Sand, und dann führte er den Strick, der ihm die Hände band, über die Schneide. Jim lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Er verfluchte den Spieler und dessen verdammte Geschicklichkeit. Schließlich erlahmten Jims Oberarmmuskeln. Das Zittern überfiel seine Arme, und er musste den Versuch, schon beim ersten Schneiden die Fesseln zu durchtrennen, erschöpft aufgeben. Als er danach die Schnittstelle ertastete, merkte er, dass er gar nicht die Handfessel, sondern den Strick, der Hände und Füße miteinander verband, angeschnitten hatte.

»Dieser Höllenhund, der Satan soll ihn fressen!«, sagte Jim enttäuscht. »Schlingt der Bursche den Strick um die Handfesseln. Weiter, weiter, sonst komme ich nicht mehr weit. Ich muss versuchen, vor Sonnenaufgang einige Meilen zu laufen. Wenn der Sand erst heiß wird, kommt man doch nur langsam voran. Dieser Dreckskerl.«

Er schob die Arme über die Schneide, begann zu säbeln und zuckte im nächsten Augenblick zusammen.

Sein lautes Schnaufen und sein Gefluche hatte ihn einige Dinge überhören lassen. Rechts von Jim schnaubte ein Pferd, und als er den Kopf herumwarf, sagte der Mann links von ihm mit näselnder, spöttischer Stimme: »Wen haben wir denn da, he? Luke, unser Freund Conrads war schon hier, fürchte ich, und er ist längst wieder weg.«

Jim erstarrte. Er ließ das Messer los, spürte, dass der Strick etwas nachgab und wendete den Kopf zur linken Seite. Im selben Moment sah er den Mann. Und dann wusste er, warum der Spieler Conrads geflohen war. Links von Jim tauchte Jake Ballard zwischen den Kakteen auf. Ballard war Skalpjäger gewesen, ehe er eine Stagecoach ausgeraubt und dabei einen Mann niedergeschossen hatte.

Das Mondlicht ließ Ballards Gewehrlauf blinken. Der hagere, dürre Mann, dem die Hosen wie bei einer Vogelscheuche um die mageren Beine schlotterten, hatte Jim noch nicht erkannt. Jim lag im Schatten der Kaktee, und er betrachtete Ballard wie ein wildes, bösartiges Tier, denn genau das war Ballard.

In diesem Moment erinnerte sich Jim an die Steckbriefe, die sein Bruder Cliff im Office von Tucson hatte. Ballard wurde in drei Staaten gesucht. Er hatte erst vor wenigen Wochen den Geldtransport für die Gloria Mine überfallen, war von Cliff Copper gejagt worden und mit seinen Partnern über die Grenze entwischt. Doch er hatte ein Andenken mitgenommen – eine Kugel in seinem Oberschenkel, die Cliff hinter ihm hergejagt hatte.

Ballard war ein eiskalter Killer, dem ein Menschenleben weniger bedeutete als ein gutes Pferd oder zwei Flaschen Brandy. Er war rachsüchtig und nachtragend, er vergaß nie etwas. Und er hatte die Kugel Cliffs auch nicht vergessen, denn er hatte Cliff etwas ausrichten lassen. Er wollte ihm die Kugel zurückgeben, eine tödliche Kugel.

Für einen Mann, der noch vor wenigen Wochen im Bett gelegen hatte, bewegte sich Ballard nun schnell wie ein Schlange. Er glitt zwischen den Kakteen durch, senkte das Gewehr und stieß es Jim in die Seite. Dann wuchtete er Jim mit einem einzigen Ruck hoch und warf ihn aus dem Schatten der Kaktee.

Jim blieb nach einem Überschlag am Hang liegen. Der Mond beschien ihn jetzt. Er sah, wie Ballards hageres, ausgemergeltes Totenschädelgesicht sich verzerrte. Die schweren Lider über Ballards kalten Knopfaugen weiteten sich jäh. Der Bandit stieß einen zischenden Laut aus.

»Sieh mal an«, sagte er danach voller Hass. »Luke, unser Freund Conrads hat uns jemand zurückgelassen, einen Copper. Na, mein Freund?«

Und dann trat er mit voller Wucht zu.

*

Der Tritt schleuderte Jim noch ein Stück den Hang herunter. Schmerz raste durch seine Rippen, er bekam keine Luft mehr, blieb zusammengekrümmt liegen und glaubte ersticken zu müssen. Sein Magen krampfte sich zusammen, er streckte sich und begriff dann erst, dass er die Beine lang machen konnte. Der Strick, der seine Hände und Beine zusammengehalten hatte, musste gerissen sein, als Ballard ihn den Hang hinabgestoßen hatte.

Während Jim noch nach Luft rang, näherte sich das dumpfe Klopfen über den Sand wandernder Hufe. Jemand kicherte, aber das Kichern kam aus einer anderen Richtung. Das Pferd tauchte jetzt neben Jim auf, und dann sah Jim den Mann im Sattel des Pferdes.

Jim schloss die Lider, ihm wurde langsam schlecht. Er hatte nicht geahnt, dass Luke Cardona und Ballard gemeinsame Sache machten. Cardona war Mischling. Er hatte zwar eine mexikanische Mutter, mochte jedoch keine Mexikaner. Seine Grausamkeit war berüchtigt.

Das Kichern gehörte zu Patingly, und Jim hörte nun die schlurfenden Schritte des kleinen und o-beinigen Burschen näher kommen. Der Sand knirschte, als der kleine, aber stämmige Mann von der Hügelseite herabkam. Patingly kicherte immer, wenn er bis unter die Haare voll Wut steckte. Diese verrückte Art, sich spaßhaft zu geben, hatte schon manchen Mann getrickst. Wenngleich Patingly auch klein war, er besaß ungeheure Kräfte und konnte einem Mann die Rippen eindrücken, wenn er ihn in die Armzange nahm.

»Ein Freund«, kicherte Patingly fröhlich, »ein lieber Freund, sehe ich, was, Luke? Wo war es doch, dass er so freundlich zu uns war, erinnerst du dich?«

»In Fort Mason«, sagte Cardona finster. »Ich erinnere mich, Al, dass die Leute lachten, als er und dieser rothaarige Hundesohn Waller uns davonjagten. Ich mag es nicht, wenn jemand über mich lacht – du vielleicht, Al?«

»Ich?«, fragte Al Patingly. Er kicherte noch heftiger.

Er war ein hundsgemeiner Satan, nicht weniger brutal als Cardona, vielleicht aber einige Grade verschlagener. Der kleine, stämmige Mann stieß den Gewehrkolben blitzschnell herunter, mitten in Jims Bauch. Jims Oberkörper zuckte von selbst in die Höhe. Er sperrte den Mund auf, lief rot an und bekam schon wieder keine Luft mehr. Dann fiel er schlaff in den Sand zurück.

Al Patingly blieb neben ihm stehen, er kicherte jetzt wie ein Satan, der auf eine arme Seele wartete und sich frohlockend die Hände rieb.

»Siehst du, Luke, gleich lacht er«, gluckste Patingly. »Er wird schon rot, und das Maul sperrt er schön weit auf. He, lach doch endlich, Copper!«

Der Schmerz hatte Jim die Tränen in die Augen getrieben. Jake Ballard beugte sich über ihn, lachte hohl und sagte dann, während er sich an Luke Cardona wendete: »Er lacht Tränen, ich schwöre es. Sieh es dir an, Luke, er hat mächtigen Spaß!«

»Und siebenhundert Dollar für den Zuchtbullen bei sich«, erwiderte Cardona, »wenn der Hundesohn Conrads sie ihm nicht abgenommen hat, aber so was macht Conrads sicher nicht. Sieh nach, Al!«

»Verflucht, ja, die siebenhundert Böcke!«, stieß Patingly hervor. »Wo hat dieser Copper-Ableger die schönen Scheine denn gelassen?«

Er hatte es plötzlich verdammt eilig. Die Macheta, die er immer trug, schlug gegen sein krummes Bein, als er sich blitzschnell bückte.

Jim wollte etwas sagen, bekam jedoch keinen Ton hervor und wurde auf die linke Seite geworfen. Patingly hatte sein Gewehr niedergelegt, riss Jim die Jacke auf und griff mit flinken, teuflisch geschickten Fingern in sämtliche Rocktaschen. Als er auch in den Hosentaschen nichts fand, schleuderte er Jim auf den Bauch und tastete seinen Hosenbund ab.

»Na?«, fragte Luke Cardona ungeduldig. Er suckelte an seinem Zigarrenstummel wie ein Kind an seinem Schnuller, spie dann aus dem anderen Mundwinkel einige zerriebene, durchfeuchtete Zigarrenblattreste aus und kam näher.

»Nichts, verflucht!«, knurrte Patingly.

»Vielleicht hat er die Greenbacks in einem Beutel zwischen seinen Beinen, was?«

Ballard meldete sich mit einem nur zu ihm passenden hämischen Grinsen. Patingly packte Jim, warf ihn auf den Rücken und griff dann tastend zu.

»Da hat er ihn auch nicht«, stellte er bissig fest. Er hatte Jim hin und her geworfen, und Jim bekam wieder Luft. Es ging ihm so weit gut, dass er fühlte, wie ihn die Wut bei Patinglys rauer Behandlung packte. »He, du Missgeburt, wo ist das Geld?«

Jim schwieg. Er hätte reden können, aber er sah etwas. Luke Cardona war näher gekommen. Er stand nun etwas unterhalb von Patingly, der sich breitbeinig über Jim gestellt hatte.

»Willst du nicht quaken, Frosch?«, fragte Patingly giftig, als Jim nicht antwortete. »Hör zu, Mister, ich mag einige Dinge nicht. Zuerst Marshals, Sheriffs und alle sonstigen dummen Hunde, die es im Leben zu nichts weiter gebracht haben, als zu einem billigen Blechorden. Dann mag ich großkotzige Rancher nicht. Ferner habe ich nichts für deren Ableger übrig, weil sie immer ein gemachtes Bett vorfinden, wenn der Alte mal die Löffel abgibt. Bei dir kommt alles zusammen, verstehst du? Du redest jetzt, sonst zeige ich dir, wie man singt. Also, wo ist das Geld?«

Jetzt, dachte Jim und spannte sich unmerklich, macht der Halunke seinen Fehler. Dir werde ich helfen, mich wie ein Bund schmutziger Lumpen hin und her zu werfen und mich in den Bauch zu stoßen!

Patingly packte Jim am Hemdlatz, drehte ihn zusammen und holte mit der Rechten aus.

»Wie du willst, Copper-Bastard!«, fauchte er. »Da hast du die erste Lektion und …«

Und dann schwieg er.

Jim riss blitzschnell die Beine an, zog die Knie bis an die Brust und stieß die Beine dann steil nach oben. Seine Füße trafen Al Patingly in der Leistengegend. Der kleine Mann wurde hochgestoßen, flog dann mit weit aufgerissenem Mund hintenüber und verdrehte die Augen, dass nur noch das Weiße zu sehen war, ehe er Cardona vor die Brust krachte. Patinglys Hinterkopf knallte Luke Cardona mitten ins Gesicht.

Cardona stieß einen dumpfen, gurgelnden Laut aus. Sein Zigarrenstummel schoss ihm zwischen den Zähnen durch und steckte plötzlich in seiner Kehle. Danach kippte Cardona um. Patingly flog mit ihm den Hang ganz herunter. Sie landeten beide in der tiefsten Stelle der Senke.

Patingly blieb zusammengekrümmt und schrill wimmernd liegen, hielt sich mit beiden Händen den Unterleib, und sein Gesicht sah im Mondlicht grünlich verfärbt aus.

Luke Cardona rollte sich gurgelnd herum. Er blieb auf den Knien liegen, steckte sich, während er tiefrot anlief, zwei Finger in den Hals und spie dann den Rest seines noch nicht ganz verdauten Abendessens samt dem Zigarrenstummel aus, an dem er um ein Haar erstickt wäre. Danach hob Cardona langsam den Kopf.

Ballard war mit zwei Sprüngen seiner langen Storchenbeine neben Jim gelandet, hielt ihm das Gewehr an den Kopf und hatte den Finger am Abzug. Der Mann mit dem Totenkopfgesicht und den kalten Knopfaugen sagte kein Wort. Er sah Jim nur an, und Jim las in seinen kalten Augen nun doch etwas. Ballard schien sich zu freuen. Es war wirklich etwas wie Schadenfreude in seinen Augen.

»Ver…, verflucht!«, gurgelte Cardona. Er fuhr sich mit dem schon fleckigen, Fettspuren zeigenden Rockärmel über den dicklippigen Mund und stand schwankend auf. Dann starrte er angewidert auf die stinkende Brühe herunter, die er gerade ausgespien hatte. Sein nächster Blick traf Al Patingly. »Al, was ist mit dir? Konntest du elender Narr nicht aufpassen?«

Patingly stöhnte nur noch, er wimmerte nicht mehr wie ein Weib mit eingebildeter Migräne. Sein Gesicht war kreideweiß. Er hielt sich die Leisten, würgte und sagte dann mit einem pfeifenden Nebengeräusch in der Stimme: »Der – der hinterlistige Schweinehirte, er hat mich da getreten, wo es besonders schmerzt, Luke. He, warte, lass ihn mir!«

Er brachte die Worte nur mühsam heraus, und Cardona, der losgegangen war, blieb jäh stehen.

Selbst Ballard – roh bis ins Mark und eiskalt, wenn es galt, jemand umzubringen – selbst Ballard erstarrte nun und blickte auf den kleinen, aber breitbrüstigen Al Patingly, dessen lange Arme sich gegen den Sand stemmten.

Danach stand er auf. Dann griff Patingly mit der linken Hand die Lederscheide, packte mit der rechten den gekrümmten Griff der Macheta und riss die Klinge heraus. Es gab ein hohes und singendes Geräusch, als sie durch die Luft pfiff.

Jim sah in Patinglys Augen und wusste, dass der kleine Mann keinen Spaß machte.

Das Mondlicht traf die flirrende, blitzende Klinge. Patingly schwang sie hin und her in Streichen, als wenn er sich einen Weg durch eine Menschenmenge bahnen musste. Einen Schritt neben Jim blieb er stehen und hielt die Klinge still.

»Bring ihn hoch, er soll sitzen!«, befahl er Ballard. Seine kräftigen Hände hielten die Macheta wie ein Schwert, während er Jim wie ein blutgieriges Raubtier anstarrte. »Copper, du kannst dich gleich von unten betrachten, wenn dir dein Kopf zwischen den Beinen liegt.«

Ballard schluckte, und sein Adamsapfel verursachte beim heftigen Würgen ein knackendes Geräusch.

»Drück die Hände in den Sand!«, ächzte Ballard dann. »Setz dich auf, Copper!«

Jim biss die Zähne zusammen. Er hatte einmal gehört, dass jemand, dem der Kopf abgeschlagen wurde, gar nichts merken sollte – keinen Schmerz, nichts.

Vielleicht, dachte Jim, während er einsah, dass er keine Chance mehr hatte, stimmt es. Vielleicht erfahre ich es jetzt, wenn mein Gehirn noch eine Sekunde weiterlebt, wie?

Ihm war, als hörte er die Klinge hell singen und das Knirschen von sich spannendem Stoff über den Oberarmkugeln Patinglys.

Und dann sagte der Mann klar, knapp und eisig: »Wie schnell willst du tot sein, Al?«

*

Das scharfe Klicken eines Gewehrschlosses war das nächste Geräusch.

Al Patingly zuckte zusammen, als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen. Jim riss die Augen wieder auf, er sah Patingly mit hoch erhobener Macheta neben sich stehen. Patinglys Kopf war herumgefahren. Der kleine, stämmige Mann mit den langen Armen und dem Brustkasten eines Gorillas starrte zum Hang empor. Ballard hielt sein Gewehr gesenkt, und Cardona sperrte den Mund vor Schreck auf.

Jim wandte langsam den Kopf, er blickte zum Hang und sah den Mann zwischen den Kakteen mit angeschlagenem Gewehr stehen. Der Mann war groß, breitschultrig und trug einen Texanerhut. Es war der Hut, an dem Jim ihn erkannte, und es war die kühle und beherrschte Sprechweise, die Jim an den Tag erinnerte, der den Mann auf die Red Rock Ranch gebracht hatte. Damals war Clay Robin am Ende gewesen, doch er hatte klare und kühle Antworten auf die Fragen Buster Toms gegeben.

Robin hielt sein Gewehr auf Patingly gerichtet. Der kleine Mann mit der Macheta schien vor Schreck stumm zu sein, er sagte nichts, aber er senkte auch die Macheta nicht.

»Na, was ist?«, fragte Robin. Seine Stimme fiel wie das Wasser eines eiskalten Wasserfalls in die Senke herab. »Al, schlag zu, dann drücke ich ab! Weg mit dem Haumesser!«

Patingly schnappte jetzt nach Luft. Dann stieß er einen wütenden Laut aus.

»Verflucht noch mal, Clay, misch dich nicht ein!«

»Du siehst, dass ich es tue«, erwiderte Robin kalt. »Wer bestimmt hier?«

»Nicht du!«, zischte Patingly. »Das hier ist unsere Sache, Clay.«

»Nicht mehr, denke ich!«, gab Robin zurück. »Die Macheta weg, Al, das ist ein Befehl!«

Jim sah wie Patinglys Gesicht sich mit Schweißperlen bedeckte. Der kleine Mann fluchte wild, aber er gehorchte jetzt. Die Macheta senkte sich.

»Das ist eine verdammte Narrheit!«, giftete er dann. Sein Widerstand brach zusammen. »Wer weiß, wohin Conrads geritten ist, Clay. Weißt du es? Wenn dieser Copperbursche seinem Bruder eine Nachricht bringen kann und wir dann immer noch nach Conrads suchen, findet uns der Marshal vielleicht. Hast du dir das genau überlegt?«

»Ja«, sagte Clay Robin scharf. »Kein Mord, solange ich dabei bin. Ich habe euch gewarnt gehabt, mit Conrads zu spielen. Was immer passiert ist, es ist eure Schuld gewesen.«

Jim beobachtete Robin und bemerkte, dass Robin einen Bart trug. Damals war er bartlos gewesen, ein hilfloser Mann, verwundet und ohne Pferd beinahe in der Wüste verreckt. Robin hatte behauptet, dass ihn ein paar Mexikaner überfallen hätten und er sich dann weitergeschleppt hätte, bis er zusammenbrach und Buster Tom ihn fand, weil die Geier Robin bereits Gesellschaft geleistet hatten.

Sie hatten erst später erfahren, dass Robin vom Sheriff aus Apache Wells gesucht worden war. Er hatte mit zwei Partnern einen Viehhändler überfallen, war jedoch angeschossen und von seinen Freunden hilflos zurückgelassen worden, nachdem sie in der Wüste kein Wasser mehr gehabt hatten und er ihnen eine Last geworden war.

Clay Robin war ein seltsamer Mann. Er war damals verschwunden und hatte für Buster Tom einen selbst geflochtenen Wasserflaschenriemen zurückgelassen, eine kunstvolle Arbeit, die wohl eine Art Dankeschön gewesen war. Einige Tage darauf war dann Cliff mit einem Aufgebot erschienen, und sie hatten die Wahrheit über den »verrückten Texaner« erfahren.

»Du musst wirklich verrückt sein, Tex«, sagte Cardona mürrisch. Er steckte sich eine Zigarre zwischen die Lippen und schüttelte den Kopf. »Wir sind verdammt nahe an der Weidegrenze der Coppers, Mann. Kommt der Bursche frei, rennt er zu Fuß nach Hause. Den Rest, denke ich, kannst du dir ausrechnen, was?«

»Keinen Mord«, wiederholte Robin grimmig. Jim erinnerte sich, dass der Sheriff aus Apache Wells damals erzählt hatte, dass Robin ein ausgezeichneter Gewehrschütze sein sollte. Vielleicht gehorchten ihm die Burschen darum. Robin blieb oben stehen, und er war weit genug entfernt, um gegen ihre Revolver im Vorteil zu sein. Wie er zu diesen drei Halunken gekommen war, konnte Jim sich kaum vorstellen.

»Wir können ihn ja festbinden«, schlug Ballard vor. Er schielte zu Robin empor und schien froh zu sein, dass es nicht zu der »Hinrichtung« gekommen war. »Clay, er darf nicht zu früh die Ranch erreichen.«

»Das weiß ich selbst«, meinte Robin. »Mit euch Narren hat man nichts als Ärger. Es wird John nicht gefallen, fürchte ich.«

Jim hatte den Eindruck, dass die Erwähnung des Namens die drei Halunken noch unsicherer werden ließ. Wer immer dieser John war, sie schienen ihn zu fürchten.

»John muss es nicht unbedingt erfahren, was?«, sagte Patingly nervös. »Clay, sei vernünftig, wir bringen die Sache auf unsere Art in Ordnung.«

»Das habe ich gesehen, eine verdammte Art«, fuhr ihn Robin schroff an. »Nun gut, bindet ihn an. Tut mir leid, Copper, jetzt sind wir quitt.«

»Quitt?«, fragte Cardona, ehe Jim antworten konnte. »Was heißt das, Clay?«

»Buster Tom Copper hat mich mal aufgelesen, ehe die Geier mir die Knochen blankschnäbeln konnten«, brummte Robin. »Es ist einige Zeit her, aber ich vergesse nie etwas, nichts Gutes oder Böses. Niemand soll sagen, Clay Robin wäre undankbar. Nun macht schon, sonst holt ihr Conrads nie mehr ein. Diese verdammte Narrheit, fremdes Geld zu verspielen. Wenn man sich schon mal auf euch verlässt, dann ist man verlassen.«

Patingly fluchte leise vor sich hin. Er trat neben Jim, starrte ihn finster an und knurrte: »Da hast du Glück gehabt, du Bastard. Wenn du noch mal austrittst, hält mich auch Clay nicht zurück. Helft mir mal!«

Er riss Jims Beine steil nach oben und warf Jim dann auf den Bauch. Cardona und Ballard packten Jims Oberarme, und sie schleiften ihn zu den Kakteen.

»He, was habt ihr vor?«, fragte Robin misstrauisch. »Al, keine Quälerei, verstanden?«

»Er wird ganz bequem liegen, niemand quält ihn«, antwortete der kleine Giftpilz Patingly. »Mach dir keine Sorgen, ich will sicher sein, dass er nicht loskommen kann.«

Patingly ließ Ballard und Cardona neben Jim zurück. Dann schlug er in rasender Eile einige kleinere Kakteenschösslinge ab und schuf einen freien Platz zwischen den großen Orgelpfeifenkakteen. Robin kam näher, er sah finster zu und schwieg, während Cardona, Patinglys Busenfreund, breit und höhnisch grinste.

Es dauerte keine zwei Minuten, dann holte Patingly einen Strick, band ihn um Jims Beinfesseln und legte den Strick dann sehr hoch um eine Orgelpfeifenkaktee. Das zweite Strickende führte er unter Jims Armen durch, knotete es an der Handfessel fest und legte es um die nächststehende Kaktee hinter Jims Kopf. Er tat es auf die gleiche Weise, hoch und straff gespannt.

»Was wird das, wenn es fertig ist?«, fragte Robin düster. Er sah, dass Jim keinen Spielraum hatte, sich vor- und zurückzuschieben.

»Das siehst du gleich«, erwiderte Patingly. Er stieß wieder sein übliches Höllenfürstgekicher aus, zog die Macheta und hieb eine tiefe Kerbe in die eine Kaktee unterhalb des Stricks. »Was meinst du, was passiert, wenn er die Beine anzieht, he? Noch ein bisschen mehr Fleisch herausschlagen, was, Luke?«

»Ja«, stimmte Luke Cardona zu. »Schade, dass es keine giftigen Ochochillas oder Mescalinkakteen sind. Kennst du sie, Clay?«

»Sicher«, antwortete Robin. »Teufel, jetzt begreife ich. Copper, du wirst nicht loskommen. Verdammt, wie lange soll er so liegen?«

»Bis sie ihn finden«, sagte Cardona, während Patingly kicherte und eine Kerbe in die andere Kaktee schlug. »So, Mister, nun zieh mal die Beine an oder versuch dich zur Seite zu werfen, aber sieh dir vorher die langen Stacheln genau an.«

Jim biss die Zähne zusammen. Er sah, wie Patingly, der kleine Satan, mit der flachen Machetaklinge gegen die Kakteen drückte. Augenblicklich begann die Orgelpfeife zu schwanken, obgleich Patingly nur leicht drückte. Beide Kakteen waren so angehauen worden, dass sie nur nach einer Seite, also gegeneinander umstürzen konnten.

Jeder Versuch Jims die Kakteen umzureißen, musste dazu führen, dass die über ihn stürzten. Ihre langen Stacheln würden sich dann in seinen Körper bohren, die Widerhaken festsitzen und ihn nicht loslassen. Je mehr er sich dann bewegte, umso schlimmer würden die Haken festhalten.

Es war eine teuflische Falle.

»Verdammte Teufelei!«, fauchte Robin. »Hast du das auch von den Guerilleros in Mexiko gelernt, Patingly?«

»Das und einige andere Dinge«, erwiderte der kleine Mann kichernd. »Ich sage dir, die kennen Sachen, die gibt es gar nicht. Na, Copper, wie findest du das?«

»Genauso beschissen wie dich«, sagte Jim zähneknirschend. »Unsere Leute werden mich suchen, aber erst morgen. Wie soll ich es einen Tag, eine Nacht und vielleicht noch einen Tag aushalten?«

»Indem du still liegst und nicht an Wasser denkst«, lachte Cardona höhnisch. »He, Clay, was soll das?«

Robin war einige Schritte gegangen, hatte die von Conrads zurückgelassene Decke Jims aufgehoben und griff schweigend nach den Resten der herumliegenden Stricke.

»Der verrückte Texaner spinnt!«, fluchte Patingly. »Die Pest, du willst ihm doch wohl kein Sonnendach machen?«

»Genau das«, sagte Robin eisig. »Und nenn mich besser nicht noch mal verrückt!«

G.F. Barner Classic 6 – Western

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