Читать книгу Waco 6 – Western - G.F. Waco - Страница 3

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Vor Brian Madock ist der breite Rücken des Herdenwächters. Und dann hechtet Brian vorwärts, springt mit einem Riesensatz vom Felsblock herab. Der Colt in seiner Faust zuckte nach hinten. Madocks will zuschlagen und den Herdenwächter aus dem Sattel bringen, aber Madocks Hieb trifft nicht den Kopf des Herdenpostens. Die Waffe streift den Hut des Mannes und schrammt ihm dann nur über die Schläfe und das Ohr.

In der nächsten Sekunde stößt der Posten einen heiseren, dumpfen Schrei aus. Dennoch kann Brian Madock den Mann mit der linken Hand erwischen. Einen Moment später rutschen sie beide nach links vom Pferd.

Im Herabstürzen dreht sich der Herdenwächter zu Madocks Pech auch noch quer. Dann prallt der Mann auf, Madock stürzt über ihn. Er will sich noch zur Seite rollen, als ihm die Knie des Cowboys in den Leib schießen.

Brian Madock fliegt mitten in einen Busch. Und dann spürt er den Ruck, mit dem ihm der Colt durch einen Zweig aus der Hand geschlagen wird. Einen fürchterlichen Augenblick lang ist Madock nach dem wilden Tritt in den Leib wie gelähmt. Er kann keine Luft mehr bekommen, liegt zusammengekrümmt in den Zweigen und sieht den Cowboy hochschnellen.

Der Mann greift sofort an die Hüfte. Sein Colt zuckt aus dem Halfter.

Aus, denkt Brian Madock mit jäher, fürchterlicher Angst, der schießt mich über den Haufen. Dimp, Dimp, wo bist du denn? Dimp, schnell!

Und dann sieht er den geduckten Schatten hinter dem Cowboy auftauchen.

Dimp Madock, der alte, ewig trinkende Vater Brians, kommt wie ein Geist aus den Büschen. Er ist im Rücken des Herdenwächters, dessen vierzig Kopf starke Herden die Madocks haben wollen.

*

Der Alte hat damit gerechnet, daß Brian seinen Mann voll erwischen würde. Aber dann ändert sich in weniger als zwei Sekunden der gerissene Plan des Alten.

Kaum sieht Dimp Madock, was vor ihm geschieht, als er seinen Colt herausreißt. Wut schießt in Dimp Madock hoch. Er muß schießen, und er wird damit seinen ganzen Plan zerstören. Noch viel schlimmer aber ist es, daß die anderen drei Mann von Madock nur mit viel Glück bereits in unmittelbarer Nähe des Campfeuers in der Talsenke sein können.

Es geht schief, denkt der Alte voller Grimm. Hölle und Pest, mein schöner Plan!

Aus seinem Revolver schlägt eine blendendhelle Feuerlanze. Der dröhnende Knall des Schusses fegt über das Tal in den Vorbergen der Sierra de las Uvas hinweg. Er zerreißt die sanfte Luft und muß meilenweit zu hören sein.

Der alte Dimp Madock, den manche Leute einen Teufel und andere eine menschliche Bestie nennen, wartet die Wirkung seines Schusses nicht ab. Er weiß, daß er den Mann tödlich getroffen hat. Darum stürzt er blindlings vorwärts. Der ahnungslose Cowboy, der nur einen Gegner gesehen hat, kommt nicht mehr dazu abzudrücken. Er bricht lautlos zusammen.

»Los, hoch!« keucht der Alte heiser. »Brian, schnell, runter in die Senke. Das geht schief, verdammt! Die beiden Dalton-Brüder und Molton können noch gar nicht durch die Büsche an den Rand der Lichtung gekrochen sein, auf der die Rinder stehen und die beiden anderen Narren hocken. Auf die Beine, Brian.«

»Oaach – mein Bauch«, stöhnt

Brian unter Schmerzen. »Dad, lauf vor, ich komme nach!«

»Du verdammter Narr – alles verpatzt!«

Das schleudert ihm der Alte noch ins Gesicht, ehe er losrennt. Doch der Alte macht keine vier Sätze mehr, als es in der Senke aufbrüllt. Ein Revolver jagt zwei, drei Kugeln heraus.

Vom Hang aus sieht Dimp Madock die Lichtung ein. Gerade noch hat das Feuer gelodert – nun erlischt es.

Und dann liegt Dunkelheit über dem Nachtlager der vierzig Kopf starken Herde der O’Leary Ranch.

Durch die Dunkelheit zuckt das Mündungsfeuer der Schüsse.

*

Charles Dalton, der ältere der beiden Daltons, fährt zusammen. Über dem Tal steht der brüllende Knall des Schusses. Aber Dalton ist noch sechs Schritt vom Rand der Lichtung entfernt. Er kriecht durch die Büsche.

Im nächsten Moment hört Dalton den schrillen Schrei vom Feuer:

»Kipp den Kessel um, schnell! Verdammt, da ist was passiert!«

Das Zischen einen Augenblick später sagt Charles Dalton genug. Er springt auf, stürmt blindlings vorwärts. Ehe noch das Feuer erlischt, ertönt der Schrei des zweiten Herdentreibers:

»Dort ist jemand, weg hier!«

In derselben Sekunde kracht ein Colt zwei-, dreimal. Einer der Burschen am Feuer schießt. Wie ein Geier, der sich auf seine Beute stürzt, hetzt Charles Dalton vorwärts. Das Gewehr in der Faust, wirft er sich am Rand der Büsche zu Boden. Er hat nicht in die hellen Flammen eines Feuers gestarrt wie jene beiden Männer der O’Leary Ranch. Darum sieht er aus der Bodenlage genau den einen Schatten quer über die Lichtung zu den rechts stehenden Pferden rennen.

Ohne zu zaudern, feuert Charles Dalton wie er es bei der Armee einmal gelernt hat. Er schießt zweimal auf den Mann.

Über die Lichtung schallt nun nicht nur das Wiehern der erschreckten Pferde und das Muhen der hochkommenden Rinder. Der gellende Aufschrei des Mannes ist da, und Dalton rollt sich blitzschnell zur Seite. Er macht es keine Sekunde zu früh.

Den zweiten Mann hat Dalton nicht wegrennen sehen. Der Bursche meldet sich jetzt mit zwei Kugeln, die links neben Dalton in die Büsche fegen.

Dalton sieht die Feuerlanzen an jenem zweirädrigen Karren, den man bei einer kleinen Herde und auf einem kurzen Trail mitführt. Dann rasen hinter den beiden Feuerlanzen drei andere auf. Eine der Kugeln hämmert in den leichten Karren. Und dann fällt kein Schuß mehr. Nur das Muhen der Rinder entfernt sich. Die Rinder sind durchgegangen. Doch sie werden in dem sich verengenden Tal nicht weit laufen können. In einer halben Stunde haben sie die Rinder sicher wieder zusammen.

Totenstille über der Lichtung, als auch die Pferde ruhig werden. Aber dann – eine Stimme:

»Archer?«

Molton, der ehemalige Revolvermann, der eine kleine Ranch besitzt und angeblich als Pferdejäger sein Brot verdient, meldet sich gedämpft.

»Ja«, kommt Aschers Stimme von drüben. »Verdammt, ich war nicht nahe genug. Was ist los?«

»Alle erwischt«, sagt Charles Dalton eiskalt. Er hat über den Boden geblickt und die beiden flachen Schatten ausgemacht. »Clyde – bleib am Karren. Ich hole meinen Mann, er liegt nahe der Pferde!«

Der Mann lebt noch, und Dalton schleift ihn zum Feuer, das Archer schnell wieder entfacht.

Der andere Mann ist tot.

»Ob das jemand gehört hat?« fragt Archer besorgt. »Verdammt, wir hätten nicht zu schießen brauchen, wenn der alte Säufer Dimp den Posten richtig erwischt hätte. Dimp wird langsam alt und närrisch. Ich sage euch...«

Wie der Alte herangekommen ist, bleibt ihnen ein Rätsel. Er taucht so plötzlich und lautlos hinter Archer auf, daß der herumfährt vor Schreck. In der folgenden Sekunde schlägt die große Faust des untersetzten, schweren Dimp Madock ohne jede Vorwarnung zu. Mit einem dumpfen Laut kippt Dalton voll getroffen um.

»Wie war das?« erkundigt sich Dimp eiskalt. »Alt und närrisch, hat er das gesagt? Noch denke ich für euch alle, verstanden? Ohne mich könntet ihr in diesem Land nichts werden.«

Sie ducken sich unwillkürlich vor dem Ausbruch seiner Wildheit und Brutalität. Man braucht ihn nur zu sehen, um seine bösartigen Leidenschaften zu erkennen.

»Ihr lernt es noch«, grollt er finster, als sie wie erstarrt dastehen. »Los, macht euch fertig. Den Verwundeten da lassen wir liegen. Wir sind hier so tief im einsamen Bergland, daß uns niemand gehört haben kann. O’Learys Herde erwartet man erst in drei Tagen in Fort Selden, früher wird sie kein Mensch vermissen. Holt die Pferde zusammen und nehmt die der drei Narren mit. In einer halben Stunde haben wir die Herde wieder zusammen. Dann treiben wir nach Süden in die Lavafelder. Morgen schon ist die Spur für jedes Auge tot.«

Sie nicken und wissen, daß er recht behalten wird. Der alte Teufel Madock war in seinen jungen Jahren Scout der Armee. Er kann Spuren wie ein Indianer lesen und sie auch so geschickt auslöschen. Wenn nur seine Trunksucht nicht wäre. Er führt ständig einen Wasserschlauch mit sich. Aber in diesem Schlauch ist Brandy, billigster Fusel. Sie haben es erlebt, daß er so lange trank, bis er schrie und Fledermäuse zu sehen glaubte. Dann wird er zu einer unberechenbaren Bestie, die selbst auf die eigene Familie losgeht.

Als er losstampft, winkt er Brian. Sie steigen auf und reiten davon. Zurück bleibt das Tal mit zwei Toten und einem Verwundeten, der vielleicht auch noch sterben wird.

Wie immer setzt sich der Alte an die Spitze und angelt nach seiner Blechflasche. Er trinkt wieder, sieht zu seinem ältesten Sohn und knurrt:

»Die Rinder haben wir, Junge. Jetzt kommt es darauf an, daß diese beiden Galgenstricke, deine Stiefbrüder Hardison und Lemuel, genug Bäume im Wald geschlagen haben. Ich breche ihnen alle Knochen, wenn sie nicht so geschuftet haben, daß es aussieht, als hätten wir mit vier Mann Bauholz geschlagen.«

Bereits seit zwei Wochen sind Hardison und Lemuel Madock in den Animas Bergen. Dorthin hat man auch den Alten und Brian Madock mit dem schweren Wagen und dem Werkzeug fahren sehen. Daß Brian und Dimp Madock aber nur einen Tag in der Waldgegend geblieben sind, weiß niemand außer ihnen. Selbst Claire Madock, Dimps zweite Frau, hat keine blasse Ahnung von Dimps Plan. Was der Alte auch immer unternimmt – es bleibt das Geheimnis seines Sohnes Brian und der beiden Stiefbrüder

Brians.

»Die wissen, worum es geht«, erwiderte Brian mürrisch. »Mir macht nur O’Leary Sorge. Das ist ein sturer Kerl, Dad, der wird wochenlang nach seinen Rindern suchen.«

Der Alte trinkt, fährt sich über den bärtigen Mund und lacht krächzend.

»Hähä, der kann lange suchen, der Narr. Die Hälfte der Rinder kommt gleich nach Arizona hinüber, das besorgen die Daltons schon. Die anderen brennen wir erst um. Ich habe seit Wochen schon die Rinderverkaufsorder unseres Freundes aus Texas in der Tasche. Wir brennen über das L-Brandzeichen O’Learys einfach ein H. Dann ist das verdammte L verschwunden, Junge. Wenn wir den neuen Brand richtig behandeln, sieht er drei Monate alt aus.«

Brian nickt, er weiß, daß Archer Dalton unten in Nordtexas einen Viehhandel hat. Dort sitzt Daltons Partner, und er hat die echte Verkaufsbescheinigung über zwanzig Rinder mit einem H-Brandzeichen beschafft. Sind die gestohlenen Rinder umgebrannt, wird niemand mehr nachprüfen können, woher die Rinder stammen. Nach Dimp Madocks Bescheinigung hat er sie bereits vor Monaten verkauft.

Dalton hält sich nur zwei-, dreimal im Jahr in Texas auf. Die andere Zeit verbringt er in New Mexico und Arizona. Hier stehlen er, sein Bruder Charles und Clyde Molton laufend Rinder und Pferde. Dimp Madock, der das Land genau kennt, sorgt dafür, daß sie nie erwischt werden. In der Nähe von Moltons kleiner Ranch hat die Bande ein raffiniertes Versteck. Dort brennen sie Rinder und Pferde um.

*

Polternd kracht der schwere Baumstamm vom Transporter herunter. Im Hof der in den Hatchetbergen liegenden Madock Ranch stapeln sich die Stämme. Der eine Baumstamm kommt jäh ins Rollen.

»Hardison, Vorsicht!« schreit der schlanke dunkelhaarige Lemuel gellend auf.

Hardison, groß und hager wie seine Mutter, macht einen wilden Satz zur Seite und brüllt vor Schmerz, als ihn der Stamm mit dem oberen Ende doch noch erwischt. Keine vier Zoll neben seinem Bein knallt der Stamm in die Erde, und Hardison bleibt, sich das Kreuz haltend, liegen.

»Oh, verflucht«, knurrt Brian finster. »Der hätte dich beinahe erwischt.«

Claire Madock, die Mutter von Hardison und Lemuel, taucht in der Haustür auf. Als sie sieht, daß nichts passiert ist, humpelt sie wieder ins Haus zurück. Ihr linkes Bein ist seit Jahren steif. Sie hat nur einmal versucht, Dimp Madock aufzuhalten, als er Hardison mit seiner Treiberpeitsche verprügelte. Diese fürchterliche Peitsche hat der Alte ständig bei sich. Damals hatte Hardison versucht auszureißen, aber der Alte fing ihn ein, schleifte ihn am Lasso nach Hause und schlug, im Sattel sitzend, vor den Augen von

Claire, Brian und Lemuel wie ein Rasender auf Hardison ein. Als Claire ihm in den Arm fallen wollte, riß er sein Pferd hoch und ließ es anspringen. Claire Madock stürzte hin, und die Pferdehufe trafen ihr Bein. Seitdem humpelt sie, und Hardison hat den Rücken voller schwerer Narben.

Blaß, verhärmt und mit glanzlosen Augen geht Claire Madock in die Küche zurück. Drei Kinder hat sie in die Ehe mit Dimp Madock gebracht, während er seinen Sohn, Brian, hatte. Clarissa Madock arbeitet in einem

Store in der Stadt. Und da der Alte sein Geld meist versäuft, ist es Clarissa, die ihre Familie versorgt.

Wie die Mutter, so hat auch Clarissa keine Ahnung von Dimp Madocks krummen Geschäften. Angeblich ist Dimp »fromm« geworden, seitdem ihn William Mallings, der größte Rancher der Gegend, vor Jahren beim Pferdediebstahl erwischte. Er war ausgesprochenes Pech für den wilden Dimp Madock, und er verbrachte acht Monate im Jail. Bei der Verhandlung gebärdete er sich wie ein wildes Tier und schwor, er würde Mallings umbringen.

Einige Jahre später fand man William Mallings tot neben seinem Pferd in der Playa. Obgleich der Doc sagte, Mallings hätte einen Herzschlag bekommen und sei friedlich gestorben, geht seitdem das Gerücht um, daß der Teufel Dimp ihn umgebracht hat.

Stöhnend richtet sich Hardison wieder auf und hält sich den Rücken. Er hockt sich auf den Querbalken des Sägegestelles und ächzt:

»Hölle, ich bekomme kaum Luft. Verdammt, war das knapp.«

Lemuel zuckt die Achseln, steigt auf den Wagen und setzt die Wuchtstange an. Hardison aber bleibt drüben sitzen, sieht zu und merkt nicht, daß sich hinter ihm Schritte nähern. Erst Brians starrer Blick warnt hn, aber es ist bereits zu spät.

Durch die Luft pfeift die geflochtene Schnur der schweren Treiberpeitsche heran.

Der Hieb klatscht Hardison über beide Schultern. Mit einem heiseren Schrei saust Hardison in die Höhe. Er macht sofort einen Satz zur Seite, bekommt aber noch einen Hieb über das Gesäß und hört den Alten wild brüllen:

»Das nennst du fauler Galgenstrick arbeiten? Sitzt herum und läßt deine Brüder die Arbeit für dich miterledigen. Komm her, du Hundesohn!«

»Komm du doch«, knirscht Hardison aufsässig und saust hinter das Gestell. »Verdammt, mir ist ein Baum ins Kreuz gedonnert. Ich habe mich nur einen Moment hingesetzt.«

»He, Dad, er hat recht, es ist wahr«, mischt sich Brian brummig ein. »Laß ihn in Ruhe.«

Das Gesicht des Alten verzerrt sich vor Wut. Er flucht vor sich hin, rollt aber seine Peitsche zusammen. Vor Brian hat er etwas wie heimliche Angst. Seitdem seine Söhne groß geworden sind, fürchtet sich der Alte davor, daß sie eines Tages gemeinsam auf ihn losgehen könnten.

»Faules Volk«, flucht er bissig. »Euch zeige ich es noch, Brian – hast du Geld?«

»Geld?« echot Brian zynisch. »Faß mal einem nackten Mann in die Tasche. Ich habe nichts. Woher sollte ich denn auch?«

»Und du Lemuel?« forscht der Alte wild. »Hardison..., eh, ich habe Durst.«

»Den habe ich auch«, erwidert Hardison mürrisch. »Nur würde ich Wasser trinken und mir was zu essen kaufen, hätte ich einen Dollar. Bin abgebrannt.«

»Verfluchtes Hundeleben«, giftet der Alte. »Soll ich trocken liegen, bis wir die Rinder verkauft haben?«

Er schielt zum Haus, aber seine Frau klappert in der Küche mit den Töpfen. Sie ist des festen Glaubens, daß Dimp mit seinen Söhnen in den Bergen wirklich Holz geschlagen hat. Aus den Stämmen müssen Bretter geschnitten werden, denn der Scheunenanbau fällt ohne Flickarbeit in sich zusammen. Es ist ein Wunder, daß Dimp Madock überhaupt etwas an der Ranch tut. Die Ranch gehört im Grunde Hardison, Lemuel und Clarissa Madock. Ihr Vater hat sie einmal aufgebaut. Dennoch bestimmt der Teufel Dimp hier, als sei sie sein Eigentum.

Fluchend wendet sich Dimp um und geht zum Haus.

»Er hat nichts zu saufen«, knurrt Brian finster, als er in der Küche verschwindet, »Hoffentlich spielt er nicht wieder verrückt. Ohne seinen verdammten Fusel spuckt er Gift und Galle. Na los, machen wir weiter. Er wird schon friedlich sein.«

*

Lemuel rennt in langen Sätzen zum Haus hinüber. Aus der Küchentür dringt das wüste Brüllen des Alten, der nach dem Mittagessen noch friedlich geschlafen hat. Irgend etwas kracht schwer, und dann meldet sich durch das gellende Hohngelächter Claire Madocks entsetzte Stimme weinerlich:

»Dimp, Dimp, das darfst du nicht tun. Es ist Clarissas Geld. Das Kind hat es sich zusammengespart. Dimp, laß es liegen. Dimp, ich bitte dich...«

»Du verdammte Hexe!« brüllt Dimp, der Teufel, in höchster Wut. »Kein Geld im Haus, was? Verdammte Lügnerin, fort mit dir!«

Einem Klirren folgt Claire Madocks Aufschrei. In diesem Moment erreicht Lemuel die Küche. Auf den ersten Blick sieht der dreiundzwanzigjährige Lemuel Madock seine Mutter neben dem Wohnzimmertisch am Boden liegen. Das Zimmer macht den Eindruck, als hätte eine Granate eingeschlagen. Der Schrank steht weit offen.

»Hexe, Lügnerin!« tobt der Alte in Clarissas kleiner Kammer. Die Kammer liebt neben dem Wohnraum, und die Tür steht offen. »Kein Geld im Haus – der Teufel soll dich holen, du vertrocknete Wüstendistel!«

In Lemuel schießt die wilde Wut hoch.

Mit zwei Sätzen springt Lemuel in den Wohnraum, dann an seiner Mutter vorbei und auf die Kammertür zu.

Ich packe ihn mir, denkt Lemuel grimmig. Einmal ist es genug. Ich werde ihm...

Und mehr denkt er nicht. Er hat sich durch das Fluchen des Alten bluffen lassen. Als er durch die Tür springt, sieht er den alten mit eiskalten Augen schon bereitstehen. Dimp Madock hat einen Schemel in beiden Fäusten. Im nächsten Augenblick schlägt der Alte den Schemel Lemuel über den Kopf.

»Willst du was?« knirscht der Alte heiser. »Dir helfe ich, du Taugenichts. Da hast du dein Teil!«

Lemuel sieht ein Feuerwerk und bricht in die Knie. Er ist halb benommen, bekommt einen Tritt unter die Rippen und fliegt rücklings in den Wohnraum. Wie aus weiter Ferne hört er noch den gellenden Aufschrei seiner Mutter, dann wird ihm schwarz vor Augen.

Als Brian in die Tür stürmt, bleibt er wie gelähmt stehen. Aus Augen, in denen irre Lichter funkeln, stiert ihm Dimp entgegen. Der Alte hat Lemuel hochgerissen und sein Messer gezogen. Er hält es an Lemuels Hals und starrt Brian und Hardison wie der leibhaftige Satan an.

»Wollt ihr auch was?« brüllt er ihnen entgegen. »Das denkt ihr euch so, was? Na, kommt doch, los, versucht mal, mich anzufassen. Was meint ihr, passiert dann, he? Lügengesindel, verkommenes Packzeug, euch bringe ich die Furcht noch bei. Los, weg da, ich will euch nicht mehr sehen.«

»Du... du verdammter Schurke!« schreit Brian zornbebend. »Was hast du da wieder angestellt, he? Laß ihn los!«

»Könnte dir so passen«, giftet der Alte. »Schert euch weg, sattelt meinen Gaul. Sie hat mich belogen wie immer, alle belügen mich hier, alle! Hatte doch Geld, wußte ich doch. Verschwindet, holt meinen Gaul, ich reite weg!«

»Oh, mein Gott, Brian, er hat dreißig Dollar genommen. Sie gehören Clarissa«, sagt Claire schluchzend am Boden. »Brian...«

Wenn der Alte vor jemandem Respekt hat, dann vor seinem eigenen Sohn.

»Schon gut, Ma«, brummt Brian finster. »In drei Wochen habe ich Geld, wir erwarten Rinder. Dann bekommt Clarissa es zurück. Du kannst gehen, Alter – hau ab!«

»Werde ich auch, werde ich. Bin froh, wenn ich euch nicht mehr zu sehen brauche«, brüllt Dimp und wartet, bis sie verschwunden sind und sein Pferd gesattelt haben. »Mich seht ihr vorläufig nicht wieder – Packzeug, verlogenes!«

Er schleudert Lemuel zu Boden und geht fluchend hinaus. Dann sitzt er auf und reitet davon.

»Ma, jetzt sehen wir ihn zwei Wochen nicht mehr wieder«, versucht

Brian seine Stiefmutter zu beruhigen. »Keine Sorge, er muß nun mal seinen Fusel haben.«

»O Gott, Brian, sieh dir Lemuels Kopf an«, stöhnt Claire Madock entsetzt. »Eines Tages bringt er uns noch um. Werde bloß nie so wie er, Brian, Junge.«

Nie so wie er, denkt Brian, ich... ich bin schon so, nur saufe ich nicht so viel. Ich bin ein Dieb und Mörder geworden. Weiß Gott, was passiert, wenn sie es einmal erfährt? Wenigstens haben Lemuel und Hardison kaum mal mitgemacht, die müssen immer dafür sorgen, daß wir ein Alibi haben. Der Alte mag sie nicht, sie sind nicht von seinem Blut. Dieser Teufel, er ist mein Vater, aber...

Vorläufig haben sie Ruhe vor Dimp. Weiß der Teufel, wie lange er sich jenseits der Grenze herumtreiben und saufen wird.

*

Lemuel Madock bleibt vor Schreck fast der Verstand stehen, als er den Alten um den bereits geflickten Schuppenanbau kommen sieht.

Dimp Madock sitzt schief im Sattel, er schwankt leicht, hält am Corral und stiert auf die Rinder. Dann lacht er meckernd vor sich hin und kommt grinsend auf Lemuel und Hardison zu.

»Na, ihr Strolche?« begrüßt er sie. »Hähä, gut gearbeitet, was? Euch ist doch die Zeit ohne mich nicht etwa lang geworden, was? Hähä, und die Rinder sind auch da.«

»Ja«, antwortet Hardison kurz. »Vorgestern hat Dalton sie gebracht. Wir sollten etwas vorsichtig sein, sagt er.«

Er sieht sich zum Haus um, aber seine Mutter ist im Waschhaus und kann nichts hören.

»Dimp, angeblich treibt sich Brennan, O’Learys Vormann, in dieser Gegend herum. Er soll alle Händler aufsuchen. Vielleicht kommt er her, was? Wir haben seit gestern nacht Wache gehalten und passen auch am Tag auf.«

»Aha – na, ist gut, also paßt auch weiterhin schön auf«, bestimmt Dimp grinsend. »Sieht man noch was vom Brandzeichen?«

»Pah, nichts«, antwortet Hardison. »Man könnte meinen, der Brand wäre ein paar Monate alt.«

»Wußte ich es doch«, der Alte lacht breit. »Wo ist Brian?«

»Zu den Nachbarn, er bleibt sicher über Nacht dort. Dimp, wann treiben wir sie weg?«

»Übermorgen«, brummt Dimp Madock. »Paßt mir ja auf, hier hat keiner was verloren, das ist unser Land. Und wer ungebeten heraufkommt, der fliegt im Bogen herunter. Auch O’Learys verrückte Burschen. Ah, die werden sich hüten, hier ihre Nasen blicken zu lassen, sonst schießen wir sie ihnen ab. Die Rinder sind schon verkauft, ich war drüben in Arizona.«

»Hardison«, sagt Lemuel leise und bitter, als der Alte fort ist, »was würdest du an O’Learys Stelle tun, wenn dir zwei Leute erschossen werden?«

»Suchen, ob ich die Mörder finde«, brummt Hardison mürrisch. »Verdammt, es paßt mir so wenig wie dir, aber wir können nie reden. Wir würden Mutter damit umbringen, Lemuel. Dieser Teufel bringt uns noch alle an den Galgen. Na, hierher wird schon niemand kommen.«

Und wenn sie doch herkommen, denkt Lemuel Madock beklommen. Das geht nicht gut auf die Dauer mit Dimp. Eines Tages packen sie uns.

*

Lemuel Madock lehnt sich gegen das noch warme Holz und starrt müde in die Nacht hinaus. Im Haus ist jetzt alles ruhig. Dimp, der alte Teufel, schläft seinen Rausch aus. Hardison ist in sein Bett gekrochen, und Claire hat vor einer halben Stunde das Licht gelöscht. Stille um Lemuel Madock, in der er mit dem Gewehr zwischen den Knien am Holzstapel kauert.

Weggehen, denkt Lemuel Madock bitter, einfach die Sachen nehmen und weggehen. Und dann? Das läßt einen doch nie los. Man wird sich erinnern, daß Mutter hier ist – hier, bei dem Teufel da hinten im Haus.

Er seufzt leise. Geht er fort, läßt er seine Mutter im Stich. Dann wird hier alles verfallend, denn Hardison ist faul, bequem, träge. Er arbeitet nicht gern. Und der Alte wird vielleicht die Ranch verkaufen.

Er lehnt sich zurück, kauert sich bequem hin und döst. Das Mädchen fällt ihm ein, ein schlankes schwarzhaariges Mädchen mit seltsam hellgrauen Augen. Patricia Mallings. Tochter eines reichen Mannes, schön, sanft... Wenn Lemuel sie sieht, bleibt er stehen und blickt ihr nach. Bemerkt sie ihn, nickt sie ihm zu und lächelt. Er hat ihr einmal geholfen, als ihr Sattelgurt gerissen war. Seitdem träumt Lemuel, der kleinste Madock, von ihr. Ein hoffnungsloser Traum. Sie ist reich, stinkreich, würde der alte Dimp sagen. Und er... ein Madock.

Träume, denkt der arme Lemuel Madock, der gern anständig leben möchte und doch einen Teufel zum Stiefvater hat.

Er schließt die Augen und träumt. Und darüber schläft er ein, statt Wache zu halten.

Jemand kommt – und der Wachposten schläft.

*

Sie stiegen durch die Corralstangen und sehen sich an, als sie hinter den Schuppen huschen. Drei Männer nun im Schattenfall des Schuppendaches.

»Brennan, kein Irrtum«, sagt der eine kleine Mann so leise, als wolle er gleich ersticken. »Da steht eins unserer Rinder. Das Horn, Brennan, du warst doch dabei...«

»Ja«, erwidert Luke Brennan, der Vormann der O’Leary Ranch, mit vor Grimm rauher Stimme. »Natürlich ist es unser Rind. Ich weiß genau, daß ihm das eine Horn so krumm wuchs, daß wir es abscheiden mußten, ehe es ihm ins Auge stach. Unser Rind, aber der Brand... Verdammt, der ist alt!«

»Künstlich alt gemacht, was?« zischt Edison, ein bulliger Mann mit schweren Fäusten, dessen bester Freund bei dem Überfall an den Las Uvasbergen starb.

»Die haben ein H übergebrannt und danach das Fell behandelt. Man kann es nicht mehr sehen, aber...«

Es schabt an der Schuppenecke, dann taucht der vierte Mann auf. Mitchell schiebt sich herab und blickt in die grimmigen Gesichter seiner Partner.

»Na?«

»Unser Rind, kein Zweifel«, knirscht Brennan, der Vormann. »Das sind unsere Rinder, Mitchell. Ein Glück, daß wir erst nach Einbruch der Nacht hergeritten sind. Sheriff Bothwell hat recht gehabt – die Madocks scheinen gefährlich zu sein und wirklich jeden Mann, der sich auf ihrem Land herumtreibt, zum Zielschießen zu nehmen. Was macht der Kerl da oben am Holz?«

»Der schläft«, berichtet Mitchell finster.

»Los, Trevor, machst du das da vorn?«

Der kleine Zureiter Trevor nickt flüchtig. Dann huscht er los und kriecht an der Fenz entlang auf das Holz zu. Dort kauert Lemuel Madock – und schläft!

*

Das Holz, denkt Lemuel und schrickt jäh zusammen, das Holz knackt. Der Alte, alle Teufel, habe ich geschlafen? Der Alte kommt...

Er nimmt jäh den Kopf herum. Und dann sieht er gerade noch den Schatten eines Mannes. Es ist nicht der Alte, der Mann ist viel kleiner.

Das ist alles, was Lemuel Madock noch denkt, ehe ihn der Kolbenhieb erwischt und der kleine Zureiter Trevor zurückspringt, um ihn aufzufangen. Für Lemuel wird es nach diesem knallharten Hieb wieder tiefste Nacht. Schlaff rutscht er zusammen. Hände recken sich hoch, heben ihn an und von den Stämmen herunter. Dann binden sie ihn und sehen sich an.

»Das Haus umstellt – langsam, nur kriechen«, flüsterte Luke Brennan heiser. »Mitchell, Edison, ihr bleibt draußen. Du rechts, Edison links. Zieht die Stiefel jetzt aus, ich will sie lebend haben.«

Lebend, denkt Edison finster, wozu lebend? Es genügt, wenn wir einen erwischt haben. Der Kerl wird schon reden, warum der Brand so alt aussieht und weshalb ausgerechnet das Rind mit dem abgesägten Horn hier steht. Mörder, Viehdiebe, verfluchtes Gesindel.

*

Die Haustür steht auf, kühlere Nachtluft streicht in die Küche.

Narren, denkt Brennan, verdammte Narren, gleich haben wir euch. Da rechts schnarcht einer, hin zu ihm. Nur langsam, die dürfen nicht zur Gegenwehr kommen.

Er winkt Trevor. Der kleine, geschickte Zureiter steht schon an der Tür zu dem Zimmer drüben. Links ist ein Gang, liegen noch weitere Räume in der Dunkelheit des Hauses der Madocks.

Es knackt nicht einmal, als Trevor die Zimmertür öffnet. Lautlos gleitet der kleine Mann in den Raum und starrt auf das Bett.

Da liegt er, der bärtige Teufel Dimp Madock. Er schnarcht laut, und das Mondlicht fällt durch das Fenster auf sein wildes Gesicht.

Als Trevor ausholt, bricht das Schnarchen jäh ab. Es ist, als hätte der Schläfer im Unterbewußtsein die Gefahr gespürt. Dimp Madock macht jäh die Augen weit auf und sieht nur die Schatten im Raum. Augenblicklich wirft er sich herum. Und dann fegt sein langer Arm von unten nach oben. Trevor, der zuschlägt, trifft nur den Arm, hört den brüllenden Schrei des Alten und sieht noch den Fuß aus dem Bett auftauchen. Dann tritt ihn der Alte auch schon in den Leib und schleudert den kleinen Trevor hintenüber.

Ein wildes Tier, denkt Brennan entsetzt, mein Gott, das ist ja ein Tier. Hund, verdammter...

Brennan ist groß und breit, Brennan ist eisenhart. Und doch hat er noch nie einen Mann gesehen, der von einer Sekunde zur anderen hellwach werden kann.

»Lemuel... Hardy – Fremde... Fremde im Hau... aaah!«

Brennan wirft sich nach vorn und schlägt zweimal zu. Der Fußtritt fährt Brennan in die Seite, der Alte hat sich noch herumgewälzt. Der lange Arm mit der schweren Faust knallt Brennan auf die Nase. Aber Brennan schlägt rücksichtslos zu. Drei-, viermal saust seine schwielige Faust mit dem Colt hinunter.

»Trevor, in den Gang, in den Gang, schnell!«

Brennan hört, während er sich auf den zuckenden Alten wirft, Trevor fluchend hochkommen.

Die anderen, denkt Brennan und hat den Alten endlich voll getroffen, die anderen werden wach. Es sind noch immer zwei Madocks. Verdammt, wenn sie schießen...

*

Hardison Madock fährt mit einem Ruck in die Höhe und greift sofort zum Stuhl. Dort hängt sein Waffengurt, und seine Hand schnappt nach dem Colt.

Gepolter im Haus, der Schrei des Alten. Dann Schritte im Gang.

Raus, denkt Hardison voller Furcht, raus hier. Verdammt, da kommt einer, jemand ist im Gang, der kommt her und...

Hardison springt aus dem Bett, hetzt mit einem Satz zur Tür und dreht den Schlüssel um. Dann macht er kehrt und hört den Mann schreien:

»Vorsicht, es müssen noch zwei sein. Schießt sie nieder!«

Wie ein gehetztes Tier blickt sich Hardison Madock um. Irgendwo hört er das Krachen, mit dem sich ein Körper gegen eine Tür wirft. Es ist im Gang, und der schrille, angstvolle Schrei Claire Madocks gellt durch das Haus.

Raus, denkt Hardison und hechtet zum Fenster, blickt blitzschnell auf den Garten und sieht niemanden, raus hier. Großer Gott, was ist das? Wer ist im Haus?

Er öffnet das Fenster, streckt den Kopf ins Freie und ist sicher, daß hier niemand ist. Danach springt er in Unterhosen und verschwitztem Hemd in das Gemüsebeet. Augenblicklich biegt er links ab, rennt auf die Hausecke zu, sieht sich voller Furcht um. Hinter der Ecke liegt das Waschhaus, dort beginnen die Büsche. Ist er hinter ihnen...

Mit dem Gedanken fliegt Hardison Madock um die Ecke und sieht den Mann zu spät. Der Mann wirkt wie ein Klotz und holt bereits aus.

»Nein, nein!«

Hardy Madock kann gar nichts mehr tun, denn der Gewehrkolben erwischt seinen Arm und jagt ihm den Colt aus den Fingern. Aufschreiend stolpert Hardy Madock nach vorn, sieht den Kolben wieder hochfliegen und wirft sich schreiend hin.

»Hund!« hört er den Mann grimmig sagen. »Da hast du was!«

Im nächsten Moment verwandelt sich die Welt in eine einzige Feuersäule für den langen Schlagetot Hardy. Er rollt sich noch einmal herum, getroffen von der Wucht des Schlages. Danach liegt er still, und Edison, der Bulle, macht einen Satz um die Hausecke. Sein Gewehr deutet auf die Fenster, doch es kommt niemand mehr. Nur der gellende Aufschrei der Frau schallt durch die Nacht.

»Was wollt ihr? Wer seid ihr? Nein, nein, Brian ist nicht da, er ist fortgeritten und kommt erst in der Frühe wieder. Was habt ihr mit meinen Söhnen gemacht?«

»Seien Sie ruhig, Madam«, hört Edison Brennan scharf sagen. »Sie bleiben hier drin. Ziehen Sie sich etwas an, dann in die Küche. He, Edison, hast du den anderen?«

»Yeah, ich habe den langen Kerl, Brennan.«

»Schleif ihn nach vorn unter den Baumwollbaum an der Scheune«, bestimmt Brennan finster. »Wir bringen auch die anderen beiden hin. Und Sie sind endlich ruhig, Mrs. Madock!«

»Aber was wollt ihr denn?«

»Das wissen Sie verdammt genau«, knurrt Brennan barsch. »Der Alte hat unser Vieh im Corral stehen. Es wurde vor drei Wochen gestohlen. Dabei starben zwei meiner besten Leute. Man erschoß sie aus dem Hinterhalt. Nun, ist das genug, Madam?«

Einen Moment ist es still im Haus.

»Nein«, sagt die Frau dann mit einer hohen, dünnen Stimme entsetzt. »Nein, Mister, das ist nicht wahr..., das ist nicht wahr! Vor drei Wochen? Nein, nein, da waren sie alle in der Waldgegend drüben. Sie haben Holz geschlagen. Die Rinder draußen..., man hat sie erst vorgestern gebracht. Dimp hat sie auf Kredit gekauft... Es muß eine Bescheinigung darüber geben. Mein Mann stiehlt nicht, er mordet nicht, Mister. Das muß wirklich ein Irrtum sein...«

»Das werden wir gleich haben, wenn wir diese Halunken fragen!« knurrt Brennan. »Mitchell, paß auf, daß die Frau keine Narrheiten macht. Die reden, diese Mörder, die reden schon. Es gibt genug Mittel, um sie dazu zu bringen.«

Man hat sie an Händen und Füßen gebunden, aber die Hände weisen in die Höhe, denn an ihnen ist ein Strick. Und der Strick läuft über den unteren Ast des Baumwollbaumes. Links steht Hardison, in der Mitte der Alte. Ganz rechts hält das Seil Lemuel aufrecht. Eine höllische Fesselung auf die Dauer. Die drei Madock stehen in Wahrheit nicht auf den Füßen, sondern nur auf den Zehen. Ihre Körper finden keinen richtigen Stand, und jeder Stoß bringt sie zum Schwingen wie Lasten am Ausleger eines Kranes.

»Du weißt nichts, wie?« erkundigt sich Brennan mit dem Grimm eines Mannes, der sein Ziel erreichen wird. »Gekauft willst du die Rinder haben, sieh mal an, du Halunke. Wer hat meine Freunde abgeknallt? Wer von euch? Willst du nicht mehr reden?«

Dem Alten läuft das Blut aus dem Mundwinkel über das Kinn. Nicht nur seine Lippen sind aufgeschlagen, auch seine Nase blutet. Er stiert erst Brennan und dann den bulligen Edison an.

Seine Augen sprühen Haß.

»Vor zwei Monaten...«, gurgelt der Alte, während das Blut ihm in einem Schwall aus dem Mund läuft, »habe ich... sie in Texas gekauft. Hatte... einen Zwischenhändler... Bescheinigung muß im Haus sein.«

»Alles gelogen«, erwidert Brennan eiskalt. »Du hast sie gestohlen und zwei meiner Freunde erschossen. Da hinten steht unser Rind. Wir haben ihm das Horn abkneifen müssen. Vor zwei Monaten..., das ist glatt gelogen! Edison, mach weiter!«

»Ich... bring... euch um«, lallt der Alte und sieht den bulligen Edison die Faust nach hinten ziehen. »Ich bring euch... alle um!«

Diesmal schlägt Edison nicht nach seinem Gesicht. Es ist ein Hieb unter die Rippen, der dem Alten die Luft aus den Lungen preßt und Feuerringe vor seinen Augen aufspringen läßt.

»Du redest«, hört Dimp Madock Brennan sagen. Brennans Stimme dringt wie durch einen Berg Watte zu ihm. »Und wenn ich dich langsam in Stücke schlagen lasse – du redest, du Mörder!«

Lemuel Madock hält die Augen geschlossen. In dieser Minute hat er nichts als Furcht und doch einen festen Willen in sich. Er wird nicht reden, denn er hat etwas erkannt: Bringt man die Wahrheit aus ihm, Hardison oder dem Alten heraus, werden diese Männer hier die Stricke von ihren Handgelenken lösen. Danach wird man die Stricke um ihre Hälse werfen. Und im Anschluß daran werden sie hängen, an diesem Ast, unter diesem Baum.

Diese Männer kennen keine Gnade und kein Erbarmen.

Drei Stricke – für jeden Madock einen!

*

»Bitte«, sagt sie dünn und zittert vor Schwäche. »Bitte, Mister... Sie haben doch auch eine Mutter. Sie haben eine, nicht wahr? Bitte – dort sind meine Söhne – und sie sind unschuldig, Mr. Mitchel, bitte..., da drüben..., in seinem Zimmer..., in der Schublade... Bitte, Mister.«

Mitchell beißt die Zähne zusammen und sieht weg.

Nein, denkt Mitchel, nein, kein Mitleid, nicht nachgeben. Sie lügen alle. Das ist unser Rind, ich will tot umfallen, wenn es anders ist.

»Mister..., es ist ein Irrtum, bitte, glauben Sie doch.«

Die dünne Stimme zerrt an Mitchells Nerven. Und die sind fast am Ende nach drei Wochen Suche überall in diesem Land.

»Zum Teufel – gut!« sagt er heiser und winkt der Frau. Dann geht er los, kommt in den Raum des Alten und zieht die Schublade auf. Augenblicke später erstarrt er und stiert auf den Schein. Es ist einer jener echten Scheine, die Viehhändler haben müssen.

Ich werd’ verrückt, denkt Mitchell und liest noch mal, das kann nicht wahr sein!

»Dalton, wer ist Dalton?«

»Ein Händler, er macht Geschäfte mit meinem Mann«, kommt es leise über die zitternden Lippen der Frau. »Einer seiner Freunde hat einen Viehhandel in Nordtexas. Mein Mann handelt mit diesen Leuten seit Jahren. Immer einwandfreie Geschäfte, Mister – niemals Ärger gehabt, niemals.«

»Verdammt, aber es ist unser Rind, Madam, ich schwöre es.«

»Ja..., ja, vielleicht... Ich weiß es nicht«, stammelt die Frau leise. »Sie waren um diese Zeit beim Holzfällen, es ist wahr. Dalton ist ein Händler, der überall ist, mal im Norden, sogar in Wyoming, sagt mein Mann. Dalton stellt manchmal Rinder bei einem Rancher irgendwo unter. Manchmal Monate. Ich weiß nicht... Es muß ein Irrtum sein.«

»Die Pest!«

Mitchell geht fluchend hinaus und sieht die drei Madocks an ihren Seilen hängen. Keiner steht mehr, alle sind eingeknickt und schweigen, weil sie im Augenblick keine Luft mehr haben zum Reden.

»He, Luke, sieh dir das mal an!«

Luke Brennan liest und erstarrt.

»Was..., Mensch, das kann nicht sein, da ist ein Trick bei! Es ist unser Rind, und es ist vor drei Wochen, nicht vor Monaten gestohlen worden. Dalton – wer ist Dalton? Es gibt einen Händler da unten, ich habe schon mal von ihm gehört. Das will ich genau wissen. Holt mal Wasser!«

Das Wasser ist nach einer Minute da und klatscht dem Alten über Kopf und Brust. Der braucht weitere drei Minuten, um reden zu können. Er stiert Brennan an und spuckt Blut.

»Ich bestelle bei Dalton, er kommt manchmal vorbei«, keucht er abgerissen. »Bin selber viel unterwegs, treffe ihn mal hier, mal da. Hatte Rinder bestellt, zwanzig Stück. Da hinten sind sie!«

»Ja, unsere!« knurrt Brennan. »Dann hat dieser Dalton dir gestohlene Rinder geliefert, Mann. Wo ist Dalton jetzt?«

»Weiß ich nicht«, schnauft der Schurke Dimp. »Will ich was von ihm, schreibe ich nach El Paso. Er holt die Briefe im Postoffice ab, sagt er. Brennan, das wirst du mir bezahlen, ich schwöre dir, du bezahlst es! Die Rinder – ich habe doch Augen im Kopf – sind vor Monaten umgebrannt worden. Der Brand ist nicht nur drei Wochen alt. Eure Rinder..., ihr Narren!«

»Es sind unsere!« brüllt Brennan wütend. »Dieser Dalton ist ein Viehdieb, das steht für mich fest.«

»Kann sein – geht mich nichts an«, knirscht Madock heiser. »Ich bestelle Rinder – und die da sind vor mindestens zwei bis drei Monaten gebrannt worden. Es gibt tausend Kühe mit abgekniffenen Hörnern. Das soll ein Beweis sein? Ihr werdet diesen Abend noch verfluchen, das schwöre ich euch. Unschuldige überfallen... Unschuldige..., daran denkt ihr noch!«

Brennan sagt nichts, Brennan flucht nur, dann gibt er Trevor einen Wink, die Seile loszumachen. Als die Seile fallen, sinken auch die Madocks zu Boden und bleiben liegen.

»Und es sind unsere Rinder«, knirscht Brennan finster. »Ich will tot sein, wenn es anders ist.«

Ich bringe sie um, denkt der Alte, die bringe ich um. Mich zu schlagen..., mich! Die sollen mich kennenlernen. Schlagen mich wie einen Hund. Brian muß her, dann reiten wir los. Ich werde meine Beulen mit Brandy einreiben, dann kann ich auch reiten. Und dann kaufe ich mir Brennan und diesen Edison. Niemand schlägt einen Madock – niemand!

Da ist er wieder, jener Haß, den er ein Leben lang mit sich herumgetragen hat. Als er kaum dreizehn Jahre alt war, kam er zu einem Händler und bekam jeden Tag Prügel. Als er sechzehn Jahre alt war, schlug er den Händler halbtot. Da hatte er endlich die Kraft, es zu tun. Der Haß aber blieb in ihm, der Haß geschlagen zu werden, arm zu sein, sich ducken und ewig einstecken zu müssen. Blutgeschmack in Dimp Madocks Mund, sein Blut!

Niemand schlägt einen Madock, denkt er, eher stirbt der Halunke. Die werden es büßen – und das schneller, als sie glauben.

*

Brian Madock starrt seinen Vater an und schüttelte den Kopf. Er versteht den Alten, aber unsinnig ist es doch, was der alte Dimp plant.

»Hör mal«, sagte Brian düster, »so einfach ist das nicht. Vor Mitternacht schaffen wir es doch niht mehr, nach Hachita zu kommen. Ich würde mich bedanken wollen, sicher, aber...«

»Was – aber?« fauchte ihn der Alte an. »Das spricht sich doch herum, du Narr. Tun wir nichts, werden die Leute sagen, wir wären es doch gewesen. Du weißt doch, wie die Leute reden, wenn man die Ohren an den Kopf legt und sich duckt. No, wir reiten jetzt hin. Wochenende haben wir, also ist in der Stadt noch was los. Wir müssen es tun, sonst kommt der Sheriff in Zukunft bei jedem kleinen Diebstahl sofort zu uns. Dann sind wir fertig, du Schlaukopf. Sieh mich an, sieh deinen Vater an, du Narr – sie haben mich geschlagen...«

»Ja«, brummt er unwirsch. »Sieht schlimm aus, ich sehe es. Nun gut..., und wie willst du es anfangen, he? Geh auf sie los, dann bekommst du nichts als Ärger mit Sheriff Bothwell. Willst du sie einfach angreifen?«

»Idiot«, keucht der Alte, als er endlich schweigt. »Bin ich jemals ein Idiot gewesen, he? Sie haben uns nie etwas beweisen können, Brian, was? Die sollten sich wundern – die ganze Stadt soll sich vor Furcht verkriechen, sobald sie nur unseren Namen hören. Meinst du, ich bin hergeritten und habe im Sattel vor mich hingedöst, Brian? Mein Plan ist längst fertig. Da – sieh dir deinen Bruder Lemuel an – na los, sieh ihn dir an. Sage mir, was du siehst.«

Brian wendet den Kopf und blickt hinüber zum rechten Pferd. Dort sitzt Lemuel zusammengekauert und bleich im Sattel.

»Er ist blaß«, stellt er fest.

»Blaß?« giftet der Alte. »Der macht sich vor Angst in die Hosen, dein prächtiger Bruder

Lemuel. Pah, feige ist er, Angst hat er, dieser Schlotterkönig. Am liebsten wäre er zu Hause geblieben und hätte sich unter der Schürze seiner sanftmütigen Mutter verkrochen. Den können sie zehnmal verprügeln. Der kann unschuldig sein, und er wird sich noch bedanken, daß man ihm die Nase blutig geschlagen hat. Das ist ein feiges Stinktier.«

Lemuel Madock schluckt, dann sagt er heiser:

»Ich bin nicht feige, aber sie hatten recht. Ich habe gelogen, als sie mich fragten, ich hatte Angst, sie würden uns aufhängen. Und dann – Mutter konnte alles hören. Wenn ich es zugegeben hätte, wäre sie daran gestorben.«

»Hast du gehört, Brian? Darum hat er sein Maul gehalten. Und schuldbewußt fühlte er sich, was? Die hatten ja recht, verstehst du, Brian?« Spottet der Alte wütend.

Brian starrt den Stiefbruder an.

»Warum bist du denn mitgeritten, he?« will er wissen.

»Weil es nicht anders ging«, erwidert Lemuel finster. »Mutter hätte sich Gedanken gemacht, wenn ich mich geweigert hätte mitzureiten. Sie ist ohnehin mißtrauisch. Und wenn ich geblieben wäre, hätte sie vielleicht gedacht, daß Brennan doch recht haben könnte. Darum bin ich mitgekommen, Brian, nur darum. Ich werde auch mit zur Stadt reiten, aber ich sage es euch: Es geht nicht gut.«

Brian blickt weg. Hardison hockt teilnahmslos im Sattel. Der Alte aber sagt giftig:

»Also darum, so ist das! Sie soll glauben, daß du kein schlechter Kerl bist, was? Der Satan soll dich holen, du Lümmel, du kannst ja direkt denken. Der ist gefährlich, Brian, hörst du? Der kann denken, der Halunke, sieh mal einer an! Dafür bekommst du auch eine Belohnung von mir, Lemuel, Schlaukopf! Du wirst den Lockvogel machen. Du bist der jämmerlichste Madock! Und darum habe ich eine feine Rolle für dich geplant. Brauchst niemandem was zu tun, siehst du, so großzügig bin ich zu dir. Aber wir bekommen sie, und ich schwöre dir, wir werden nicht anfangen, wir nicht!«

*

Der Mann lehnt mit verschränkten Armen an der Wand.

Das Mädchen nimmt die Schlüssel, und als es zur Tür geht, hat es wieder das Gefühl, daß die Augen des Mannes jede seiner Bewegungen verfolgen.

Es ist Mitternacht vorbei. Aus Dailes Inn dringt das Lachen von Männern über die Straße. Auch im Deventer-Saloon sind noch ein Dutzend Leute. Frühjahrswind weht lau über die Stadt und das Land hinweg.

»Ich schließe jetzt ab, Mr. Mallings«, sagt das Mädchen und nähert sich der Storetür. »Jetzt kommt wohl niemand mehr. Morgen ist Richmond-Day...«

Ray Mallings stößt sich mit einem leichten Schwung von der Wand ab, ein großer, breitschultriger Mann mit pechschwarzen Haaren und scharfen hellgrauen Augen in einem harten Gesicht.

Am Deventer-Saloon drüben hängen ein paar Girlanden. Deventer ist ein Mann aus dem Norden, der auch nach mehr als zwanzig Jahren den Tag der Übergabe von Richmond im Bürgerkrieg auf seine Art feiert. Man macht das immer hier, seitdem Deventer den Brauch eingeführt hat. Die Leute backen Kuchen, die Arbeit ruht an diesem Tag, und Deventer spendiert regelmäßig zwei Faß Bier. Danach, wenn der späte Nachmittag kommt...

»Richmond-Day, sicher«, murmelt Mallings. »Am Nachmittag wird der Tanz beginnen, Clarissa. Sie haben frei morgen, wie? Werden Sie nach Hause fahren?«

Warum fragt er, grübelt Clarissa Madock. Hat er es auch schon gehört? Diese vier Männer aus der San-Juan-Gegend, die Leute O’Learys, waren bei uns. Sie haben drüben bei Deventer erzählt, daß sie Dimp und meine Brüder verprügelt haben. In der ganzen Stadt weiß man schon, daß dieser Brennan meine Leute beschuldigt, Viehdiebe zu sein. Er will eins seiner Rinder bei uns gefunden haben, aber mit einem anderen Brandzeichen.

»Ja, ich glaube, ich muß nach Hause.«

»So, und ich hoffte schon, Sie würden bleiben«, murmelt er leise. »Irgendwelche Sorgen, Clarissa?«

»Vielleicht, Mr. Mallings.«

»Sie sollten sich keine machen«, sagt er beruhigend. »Angeblich ist der Brand etwa drei Monate alt. Es gibt viele Rinder mit einem abgekniffenen Horn, denke ich. Ich dachte, Sie würden morgen zum Tanz hier sein, damit ich..., eh, damit ich eine Partnerin habe.«

Sie – eine Partnerin für Ray Mallings, ausgerechnet sie, eine Madock? Was denkt dieser Mann, dem die halbe Stadt gehört, der nach dem Tod seines Vaters die Ranch noch vergrößerte, dessen Angestellte sie ist?

»Das sollten Sie nicht sagen, Mr. Mallings«, murmelt sie gepreßt. »Damit macht man keine Späße. Ich bin eine Madock.«

»Nein«, sagt er kühl und wendet sich um. »Nein, Clarissa. Manche Leute denken vielleicht so, sie mögen alles in einen Topf werfen, aber vielleicht denke ich ein wenig anders, wie? Ich mache niemals derartige Späße, Clarissa. Im vergangenen Jahr war Ihre Mutter krank, erinnern Sie sich? Ich hatte gehofft, Sie würden am Richmond-Day hier sein. Vor zwei Jahren starb mein Vater, da konnte ich nicht in die Stadt kommen. Nun hoffte ich auf dieses Jahr, und Sie sagen...«

Waco 6 – Western

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