Читать книгу Waco 10 – Western - G.F. Waco - Страница 3

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Vic Roggers, der wilde Bursche aus dem Laredostreifen, umklammert seinen Revolver. Sein Seitenblick trifft Ive Torpin.

»Ssst!« zischelt Torpin. »Du links, ich rechts, klar?«

»Klar«, sagt Roggers und kriecht wie eine Schlange los. »Der arme Narr.«

Er meint den dritten Mann bei diesem Spiel des Todes. Dieser Mann hat keine Ahnung, daß sich zwei andere ihm nähern. Er hat ein Gewehr unter dem Arm und den Hut ins Genick geschoben. Der Mann raucht, kommt nun die Corralgasse hoch und blickt zum Himmel.

Gras raschelt leicht im Nachtwind am Alva Creek in Südwesttexas. Es steht kniehoch am Corralzaun und bewegt sich nur wenig.

Der Pferdewächter der Fieldsranch schlendert heran. Dann ist er auf ­Roggers’ Höhe, und dem klopft das Herz nun doch ein paar Sekunden etwas schneller. Dennoch spürt Roggers keine Furcht. Für ihn ist dieses Beschleichen ein Spaß, ein kleines Abenteuer. Was sie danach tun werden, ist glatter Pferdediebstahl, aber das bereitet Roggers keine Kopfschmerzen.

Einen Moment muß Roggers an seine wartenden Partner denken. Er stellt wieder einmal fest, daß John Marlons Berechnungen auf die Sekunde stimmen.

An der anderen Seite der Corralgasse ist der Tränktrog für die Pferde. Dort preßt sich in diesem Augenblick der hagere Ive Torpin an das rauhe Holz und die beiden Balken unter dem Trog.

Der Posten hält an, und Torpin steigen in diesem Moment die Haare vor Furcht hoch.

Der Pferdeposten dieser Ranch, auf der die US-Army, das dritte Kavalleriekorps, seine Pferde hält, lehnt sich an den Zaun. Der Mann kann den Tränktrog in der Dunkelheit als länglichen Schatten mit leicht blinkendem Wasser sehen.

Wenn er mich sieht, schießt es ­Torpin durch den Kopf, heiliger Strohsack, wenn der Kerl, der verdammte…

Dann geht der Posten weiter. Er hätte 120 Yards bis zum Bunkhaus zu rennen, in dem neun Ranchhelps schlafen. Im Haupthaus liegen ein Corporal der Armee und drei Mann. Die Ranch gehörte einem Fields, doch der kam im Krieg um. Nach dem Krieg übernahm die Armee die Ranch und schuf sich hier ein Zureitgelände, auf dem Armeepferde gedrillt werden.

Als der Posten die nächsten beiden Schritte macht, dreht sich Torpin wie ein Regenwurm um den Trog und schiebt sich unter der untersten Corrallatte durch in die Gasse.

Im gleichen Moment taucht von drüben lautlos wie eine heransegelnde Fledermaus auch schon Vic Roggers auf.

Er hat nur seine Hose und ein Hemd in dieser warmen Nacht an und über dem Kopf eine Kapuze, damit sein Gesicht in der Dunkelheit nicht als weißer Fleck zu erkennen ist.

Roggers kommt blitzartig auf die Beine. Dann nickt er unmerklich dem etwas langsamer aufstehenden Torpin zu. Und danach springt der schlanke, wilde Bursche aus dem Laredostreifen vorwärts. Einen Moment sieht Roggers die Kopfbewegung des Wachpostens. Der Mann erschrickt zu Tode, als urplötzlich in seinem Rücken etwas schnurrt und knirscht. Seine Augen weiten sich, seine rechte Hand macht eine fahrige Bewegung zum Abzug des Gewehrs.

Ohne sich zu besinnen, saust Roggers auf den Wächter zu und schlägt den Colt herunter.

Im gleichen Moment stürzt Torpin wie ein Hühnerhabicht von rechts heran. Wie fast immer ist Roggers schneller an seinem Mann. Torpin hat eine Wette mit dem anderen verloren, daß er diesmal eher an dem Posten sein würde. Torpin bleibt nur die Aufräumarbeit. Der hagere Mann aus Washington streckt die Arme wie Ausleger eines Kranes vorwärts. Zielsicher schnappen Torpins Hände zu und packen das Gewehr. Dann rammt Torpin mit der linken Schulter das Kreuz des Postens und umschlingt den Mann mit dem linken Arm. Im selben Augenblick packt auch Roggers zu.

»Na?« fragt Roggers spöttelnd, als der Posten wie ein schlaffer Mehlsack auf Torpins Schultern liegt. »Was sagst du jetzt, Schlaukopf?«

»Hol dich Ratte der Teufel«, knirscht Torpin beleidigt. »Du hast nicht lange genug gewartet. Du bist eher losgesprungen.«

»Irrtum, du Bohnenstange«, erwidert Roggers grinsend. »Ich bin nun mal schneller als du, Torpin. Irgendwann mußt du das begreifen.«

»Ärgere mich noch lange, dann passiert was«, brummt Torpin. »Los, weg mit ihm, mach schon!«

Roggers greift unter das Hemd. Sie haben wie immer an alles gedacht, und Roggers stopft dem besinnungslosen Posten einen Knebel zwischen die Zähne. Dann packt er ihn bei den Beinen. Gemeinsam ziehen sie den Mann nun ein Stück weiter um die Corralecke. Sie legen ihn hin, binden ihn an die Stangen und sehen sich dann um.

Auf die Corrals fällt wieder das Licht des Mondes. John Marlons Berechnungen stimmen schon genau, wie?

Eine Minute, sagt er, hätten sie Zeit für den Posten. Die Minute ist um, der Mond taucht erneut alles in Helligkeit.

»Nun?« fragt Marlon, als die Reihe der anderen Männer erscheint und sie sich sorglos, als gingen sie hier spazieren, zwischen den Corrals bewegen. »Keine Eile, sie lösen erst in anderthalb Stunden ab. Von Westen ziehen Wolkenfelder heran, sie werden in etwa einer Stunde für Dunkelheit sorgen. Bis dahin sind wir weit genug weg. Wird nicht ganz leicht sein, die Spuren zu verfolgen.«

Sie werden uns nie erwischen, denkt Roggers zufrieden. Dazu sind sie alle zu dumm. Was John macht, das ist immer gründlich vorbereitet. Er hat im kleinen Finger mehr Verstand als wir alle zusammen.

»Captain, das war leicht«, sagt er heiser und kichert leise. »Der Narr hat nichts gemerkt. Die werden fluchen, wenn sie keine Pferde finden.«

»Vielleicht, Vic«, antwortet Marlon kurz. »Los, vorwärts, die Pferde heraus, immer nur zwei für jeden. Bringt sie hinter den Hang.«

Vic Roggers kichert, als er davonhastet. Er erinnert sich an die Steckbriefe überall. Manchmal machen sie sich einen Spaß daraus, den Steckbrief Maxwells und Marlons oder den von Torpin irgendwo abzureißen. Man sucht sie seit Monaten und jenem Tag, an dem sie eine Nachschubkolonne der Armee überfielen und den Fahrern die neuen Henrygewehre abnahmen, sich mit Proviant und Munition versorgten und spurlos verschwanden.

Roggers sieht sich noch einmal um. Er betrachtet den großen schwarzhaarigen und kaltblütigen John Marlon mit offener Bewunderung. Marlon war im Krieg Captain der Südstaatenarmee. Als er nach Hause kam, fand er die Handelsagentur von einem Yankee besetzt. Der verdammte Kerl hatte sich die Agentur und Marlons Ranch an Land gezogen. Kriegsbeute nennt man das. Marlon ging hin, stellte den Burschen zur Rede und erschoß ihn, als der Mann seine Leute zur Hilfe rief und nach dem Revolver greifen wollte.

Seit jenem Tag ist John Marlon vogelfrei. Auf seiner Flucht fand Marlon bald gleichgesinnte Leute, Männer, die irgendwie eine Rechnung mit den Besatzungstruppen hatten, Männer, die wegen irgendwelcher Dinge gesucht wurden. Nach Wochen hatte Marlon eine Horde Männer um sich, die wie er weder Tod noch Teufel fürchteten.

Sie alle verbindet der Haß auf die Yankees, die Leute aus dem Norden. Für Roggers sind Torpin, Chapman und dessen Partner Belmont zwar ehemalige Yankees, aber sie haben der Armee den Rücken gekehrt. Deserteure nimmt Marlon auch auf. So ist es zu der seltsamen Tatsache gekommen, daß acht Südstaatler gemeinsame Sache mit drei Yankeedeserteuren machen.

Sie sind alle gleich wild, gleich freiheitsliebend und gleich rauh.

Elf Männer, elf gesuchte Banditen. Jetzt stehlen sie der US-Army 49 Pferde.

Es ist John Marlons achter Schlag gegen die Yankees.

Und es wird nicht sein letzter sein.

*

Hufe klappern laut auf den Steinen. Staub rollt durch das enge Tal, als Maxwells lauter Ruf John Marlon im Sattel zusammenfahren läßt.

Von hinten jagt Torpin im höllischen Galopp, als gäbe es hier keine Scharten und Risse, heran. Torpin kann reiten wie kaum einer unter den elf Mann. Geschickt treibt der hagere Mann sein Pferd über zwei Bodenrisse hinweg, läßt es an einer Klippe scharf nach links gehen und prescht dann auf Marlon zu.

»Captain«, berichtet er keuchend, während ihm der Schweiß in kleinen Bächen über das Gesicht rinnt. »Verfolger – vier Mann. Sie haben unsere Fährte entdeckt.«

»So, haben sie?« fragt Marlon trocken. Sein hartes Gesicht mit den hellen Augen zuckt einmal kurz. »Wie weit?«

»Zwei Meilen haben sie noch, Captain«, gibt Torpin heiser zurück. »Sie kommen schnell. Roggers fragt, was werden soll.«

Marlon winkt den anderen, weiter zu reiten, während er zur Seite lenkt und mit Maxwell hält.

»Es ist doch immer gut, eine Nachhut als Sicherungsstreife zu haben«, sagt Marlon dann kühl. »Charles, reite mit Torpin zurück. Ihr blockiert den Weg durch das Tal hier.«

»In Ordnung, John«, antwortet Charles Maxwell knapp. »Ive, haben sie euch gesehen?«

»Sind wir Narren, uns blicken zu lassen?« erwidert Ive Torpin beleidigt. »Keine Sorge, Graukopf, sie haben nichts von uns erblickt. Captain, sollen wir danach noch sichern? Es ist nicht mehr weit zur Grenze.«

»Sichern – rechts und links«, brummt Marlon scharf. »Keine Minute schlafen, verstanden?«

Für Marlon ist die Sache bereits erledigt. Er war geschickt genug, ihre Fährte kurz vor dem Morgengrauen über das Gebiet der kahlen Felsen am Maravillas Canyon führen zu lassen. Dabei ritt er einige Meilen nach Süden, um wieder nach Osten abzubiegen. Dieser Trick hat sich bezahlt gemacht. Von all den ausgeschickten Suchtrupps scheint nur einer die wahre Fluchtrichtung Marlons erkannt zu haben. Der Suchtrupp ist zu klein, um Marlons Bande gefährlich zu werden. Keiner der beiden Vorreiter hat bis jetzt irgendwo Staubwolken gemeldet. Marlons Taktik, im steinigen Gelände zu bleiben, zahlt sich wieder einmal aus. Dennoch macht sich Marlon einige Sorgen wegen der nun notwendigen Schießerei. Das Echo von Schüssen ist meilenweit zu hören. Es könnte andere Suchtrupps, die vielleicht an der Grenze herumstreifen, anlocken.

»Patty!«

Marlons scharfer Zuruf gilt einem der Reiter. Der Mann, ein rothaariger, finster blickender Bursche aus Houston, dreht sofort den Gaul.

»Captain?«

»Nach vorn, den anderen Bescheid geben. Richtung vom Tal aus steil nach Süden!«

»Was? Captain, so kurz vor der Grenze…«

»Die Dämmerung kommt bald. Wenn jemand an der Grenze lauert, wird er bei dem Gekrache von Schüssen herkommen. Wir weichen nach Süden aus und benutzten die Höhen am Reegan Canyon, verstanden? Ich kümmere mich selbst nachher darum. Laß sofort die Richtung ändern, Patty!«

»In Ordnung, Captain.«

Er schafft es, sagt sich Patty, als er davonjagt. Wenn nur kein anderer Suchtrupp in der Nähe ist und bei der Knallerei gleich heranjagt. Na, es wird schon gutgehen. Bis jetzt haben wir nie Pech gehabt.

Hinter ihnen verschwinden Maxwell und Torpin. Sie erreichen hinter dem Hang am Eingang des Tales Vic Roggers. Maxwell steigt hastig ab, wirft einen Blick nach Norden und kraust die Stirn.

Dort unten im vorletzten Tal zeigt sich eine Staubfahne. Sie ist nur dünn und läßt die vier Verfolger gut sichtbar werden.

»Sie reiten rechts der Fährte«, stellt Maxwell fest. »Das werden sie auch im Tal hier tun. Lassen wir den Eingang frei und suchen wir uns die breiteste Stelle aus. Sie sollen glauben, daß hier niemand ist und sie ungefährdet einreiten können. Sollte mich wundern, wenn sie nicht den Talausgang umgehen und den Hang drüben hochkommen. Wir müssen sie eher packen. Vic, keinen umbringen, nur die Pferde, verstanden?«

»Tote reden und beißen nicht mehr!« grimmt der wilde Roggers. »Ich möchte wissen, wozu du bei uns bist. Ach, ja, ich vergesse immer, daß du schon ewig bei Marlon bist.«

Maxwell antwortet nicht. Er steigt wieder auf sein Pferd und treibt es wortlos an.

Roggers ist das reinste Gift, denkt der grauhaarige Mann bitter, so jung und so wild, schnell mit dem Colt wie eine Viper beim zubeißen.

Der alte Charles Maxwell schließt sekundenlang die Augen. In diesem Moment schwört er sich, John Marlon zu erschießen, ehe sie ihn hängen könnten. Nicht die Sucht nach Abenteuern hat Marlon zum Banditen werden lassen. Es waren die Umstände. Ein John Marlon soll nicht hängen.

*

Roggers pfeift schon wieder mal den Texas Song – und Torpin flucht bissig: »Hör auf, Mensch! Sollen sie uns hören, wenn sie uns schon nicht sehen können?«

Vic Roggers schließt die Lippen einen Moment, dann sagt er spottend: »Hast du Nerven, Torpin? Oder hast du was gegen den Song, he?«

»Gegen den und deine verdammte, künstliche Kaltblütigkeit«, zischt Torpin zurück. »Pfeifen, wenn diese Burschen kommen – und dann dieses verdammte Lied. Ich weiß langsam, daß du Texaner bist, Mister.«

»Sicher, und du ein Yankee«, stichelt Roggers. »Da hinten kommen deine Brüder, Mann.«

Torpin will sich wütend aufstemmen, aber in diesem Moment tauchen die vier Reiter am Eingang des Tales auf.

»Ruhig, ihr Narren«, faucht Maxwell finster. »Streitet euch sonstwann, aber nicht grade jetzt. Da sind sie. Verdammt, sie halten an!«

Die vier Verfolger reiten plötzlich auseinander. Jeweils zwei Mann nehmen eine Hangseite. Die Verfolger haben ihre Gewehre hoch und reiten vorsichtig zwischen die Felsen.

»Alle Teufel, die sehen sich ja um«, stottert Roggers überrascht. »Charlie, wenn sie auf unsere Spur stoßen, dann…«

»Sagte ich dir nicht, sie würden vorsichtig sein?« knurrt Maxwell. »Da haben wir es, sie wittern etwas. Mann, da ist ein Sheriff.«

»Ein Sheriff«, knirscht Roggers beim Anblick des Sternfunkelns zwischen den Zähnen. »Noch so ein verdammter, schmutziger Yankeesheriff.«

Für Sekunden vergißt er sogar, daß man sie entdecken könnte. Roggers beobachtet nur, unter einem Felsblock im Schatten liegend und zwischen zwei anderen wie durch eine Schießscharte sehend, daß der Sheriff den anderen Hang entlangreitet. Die beiden anderen Männer nähern sich dem Versteck der drei Banditen schnell.

»Runter«, sagt Maxwell leise. »Deckung, vorbei lassen, verstanden? Nicht rühren!«

»Sie sehen die Pferde.«

»Nein, sie sind zu weit oben«, antwortet Maxwell. »Unsere Pferde stehen unten hinter Felsen, sie sehen sie nicht.«

Von drüben kommt der scharfe Ruf des Sheriffs. Dann verstummt das Hufgeklapper keine sechzig Yard seitlich der drei Männer. Auch die beiden anderen Burschen des Suchtrupps halten nun an. »He, was gefunden, Carpenter?«

»Nichts, Sheriff, sie sind glatt durchgeritten mit den Pferden, keine Sicherungen!«

Die Stimme des einen Reiters auf dem nur sechzig Yard entfernten Hang klingt so deutlich durch die Abendluft, daß Maxwell jedes Wort genau versteht.

»Also, runter, und sehen wir zu, daß wir sie bald überholen und ihnen den Weg verlegen«, sagt der zweite Mann heiser. »Carpenter, ob noch andere Suchtrupps hier unterwegs sind?«

»Rechts von uns am Boquillas Canyon müßten welche sein«, erwidert Carpenter laut. »Möchte wissen, wo die anderen stecken. Sieben Suchtrupps in allen Canyons…«

Das andere verliert sich im donnernden Hufschlag. Die vier Männer reiten wieder aufeinander zu und treffen sich in der Mitte des Tales.

Die Canyons, denkt Charles Max­well bitter, das also war es, darum haben sie uns gefunden. Sie kontrollieren alle Canyons, weil dort nur jemand sein kann, der schnell verschwinden muß. John hat die richtige Nase gehabt. Wir müssen nachher über Felsen und die Canyonsenke vermeiden. Gut daß ich es weiß.

»Laßt sie vorbei«, zischt er den beiden anderen zu. »Erst schießen, wenn sie sich wieder sicher fühlen und die Sonne sie anscheint.«

Einen schnellen Seitenblick wirft Maxwell noch auf Roggers. Der junge Bursche bewegt sich wie eine Raubkatze. Er schiebt sich an den einen Felsen, nimmt das Gewehr hoch und hat ein seltsam dünnes, gefroren wirkendes Lächeln auf den Lippen.

»Roggers, nur die Pferde«, sagt ­Maxwell leise. »Nur auf die Pferde feuern, verstanden?«

In diesem Augenblick sind die vier Verfolger an ihnen vorbei. Sie nähern sich nun der Teppichstelle des Tales und wenden den drei Banditen bereits den Rücken zu. In der nächsten Sekunde erfaßt die vier Mann die Sonne mit ihrem rotgoldenen Abendschein.

»Achtung«, sagt Maxwell halblaut und hat das Gewehr an der Schulter und den einen Gaul bereits vor dem Lauf. »Paßt auf – jetzt!«

In derselben Sekunde zieht der ehemalige Transportbegleiter der Südstaatenarmee und altgediente Sergeant Charles Maxwell den Abzug durch.

Über die Rauchflamme seines Gewehrs sieht Charles Maxwell, wie das Pferd zusammenbricht. Charles repetiert blitzartig durch. Der Lauf der Waffe schwenkt zum nächsten Pferd, das einen Satz nach vorn macht.

Ohne zu zaudern feuert Maxwell noch einmal. Er trifft das anspringende Pferd in die Flanke. Der Gaul steigt, macht zwei verrückte Sätze und rennt in Maxwells dritte Kugel, ehe er sich überschlägt. Der Reiter fliegt im weiten Bogen aus dem Sattel.

Im gleichen Moment zieht der Vorgang ganz links außen Maxwells Aufmerksamkeit an sich. Dort hat sich der Sheriff geduckt. Während das dritte Pferd in dieser Sekunde zu Boden kracht und sein Reiter hinschlägt, um unter dem Gaul eingeklemmt zu werden, feuert Roggers wie ein rasender Teufel.

Überdeutlich sieht Maxwell, daß Vic Roggers nicht auf das Pferd, sondern auf den Sheriff feuert. Die Kugeln aus dem Gewehr des Kid schlagen in Hüfthöhe drüben gegen den linken Steilhang. Sie reißen kleine schmutzige Einschlagwölkchen hoch.

»Vic, du verdammter Halunke.«

Maxwell wird vor Zorn und Schreck bleich, denn Roggers mißachtet wieder mal jeden Befehl. Mit der vierten oder fünften Kugel endlich erwischt Roggers den flach auf dem Pferd liegenden Sheriff.

Es kracht ohrenbetäubend neben Roggers. Der Teufelsbraten Vic Roggers hat das Gefühl, als platze ihm sein Trommelfell. Dann sieht er, wie der Gaul des Sheriffs steigt, sich halb dreht und auf die Seite kracht. Dabei fällt der Sheriff auf den Bauch des Pferdes und rutscht sanft auf den Boden.

Maxwell hat geschossen.

»Idiot!« knirscht Maxwell, als das Bellen hinter dem einen Pferd herausfaucht und die Kugel singend an die Felsen knallt, um heulend abzuirren. »Du solltest auf das Pferd schießen, du Satan! Der Gaul wäre entwischt – und mit einem Pferd hätte uns einer der Kerle weiter verfolgen können. Was bist du doch für ein Hundesohn, Vic. Zurück, schnell!«

»Du – du alter, grauköpfiger Schurke!« keucht Roggers wild. »Ein Sheriff, der hätte nicht mehr lange gelebt. Jetzt ist der Kerl davongekommen, er ist… Mensch, das vergesse ich dir nicht!«

Die heranpfeifenden Kugeln zwingen ihn, zu schweigen und zurückzukriechen.

Sie laufen geduckt den jenseitigen Hang hinunter und hinter die Felsen. Dort sitzen sie auf, reiten an und sehen sich nicht mehr um.

Kaum sind die Männer an der gestohlenen Herde, als Marlon zu ihnen stößt.

»Was, zum Teufel, war los?« erkundigt sich Marlon finster.

Maxwell meldet, was er gehört hat, als sich der Sheriff und Carpenter verständigten, und Marlon nickt zufrieden.

»Wir sind in zwei Stunden drüben und in sechs bei Don Pablo. Dann rasten wir vier Stunden. Mit dem Geld kehren wir zurück. Morgen um diese Zeit sind wir in unserem Versteck. Kid, du hast auf den Sheriff gefeuert?«

»Nun ja – ich – ich…«

»Du hast einem Befehl nicht gehorcht«, sagt Marlon finster. »Der Mann ist nicht tot, wie mir Maxwell sagte, das ist dein Glück. Noch mal lasse ich dir das nicht durchgehen, verstanden?«

»Ja, Captain, ich werde es mir merken.«

Marlon nickt. Für ihn ist die Sache damit erledigt.

*

Pattys dunkles Gesicht rötet sich jäh. Der Zorn schießt in Pattys Augen. Dann streckt er jäh die Hand aus und umklammert den Unterarm des Mädchens.

»Ich sagte, du sollst mit mir trinken«, knurrt er wütend. »Rollins, ich denke, deine Nichte ist dazu da, he? Was, zum Teufel, bildet sie sich ein?«

Rollins blickt auf das blasse Gesicht seiner neunzehnjährigen Nichte. Das Mädchen ist Vollwaise. Sam Rollins hat es hier aufgenommen. Allerdings nicht etwa aus christlicher Nächstenliebe, sondern nur, um eine billige Arbeitskraft zu haben. Man sagt von Rollins, er würde seine eigene Mutter für genügend Geld verkaufen. Daß er ohne jede Scham bereit wäre, seine junge Nichte zu verkaufen, ist darum keine Frage.

»Na, was ist, Sue?« redet er sie brummig an. »Er will doch nur mit dir trinken. Was soll das, he? Meine Gäste werden anständig bedient, verstanden? Du trinkst mit Patty!«

»Onkel Sam, ich will nicht, ich mag keinen Brandy und…«

In diesem Moment zieht Patty sie an sich. Vergeblich stemmt sich das blonde Mädchen gegen die Bärenkräfte Pattys an. Der Mann hält ihr das Glas entgegen.

»Nun los, trink schon. Wenn Patty dir was spendiert, Baby, dann machst du mit. Zier dich nicht so. Ihr seid doch alle gleich. Zuerst sich sträuben und dann…«

»Patty!«

Das Gelächter der rauhen Burschen verstummt mit einem Schlag. Sie sind alle angetrunken. Mit sechs Mann sind sie bei Rollins aufgekreuzt und haben ihn aus dem Bett getrommelt. Es ist weit nach Mitternacht. Die sechs Mann haben zusammen acht Flaschen Brandy getrunken. Die Angst des Girls macht ihnen Spaß. Jeder verdreht die Augen, wenn das Mädchen in seinem bescheidenen, verwaschenen Kleid durch die Kneipe geht.

Patty läßt das Glas langsam sinken. Es wird totenstill in Rollins’ Saloon, als der Mann sich an der Tür meldet. Im nächsten Augenblick macht John Marlon einen langen Schritt in den Raum. Wie ein Schatten taucht Charles Max­well mit seinem kurzgeschnittenen Bart hinter ihm auf.

»Seit wann habe ich dir erlaubt, ein Mädchen zu belästigen?« fragt Marlon kühl, daß Patty bleich wird und hastig, als hätte er sich die Hand verbrannt, Sue Farrows Arm freigibt. »Wenn dir ein Girl sagt, es wolle keinen Drink, dann zwingst du es?«

Die Männer haben nur einmal erlebt, daß Marlon wild wurde und explodierte. Das ist Monate her und geschah, als Jake Belmont, einer der verwegensten und jähzornigsten Männer, in betrunkenem Zustand im Camp herumschoß. Schießereien waren im Camp verboten, weil die Schüsse jemanden anlocken konnten. Damals packte Marlon Belmont, riß ihn herum und schleuderte ihn in den Tränktrog. Danach schlug er zweimal zu, und Belmont lag da wie tot.

In diesem Moment explodiert Marlon erneut. Das Mädchen ist zurückgewichen. Der erste Hieb landet an Pattys Kopf und schleudert den schweren Mann gegen den Tresen. Der zweite Schlag läßt Patty einknicken, der dritte fährt unter das Kinn. Patty saust rücklings auf den Tresen und stürzt dicht neben dem zur Seite springenden Sam Rollins hinter dem Tresen zu Boden.

»So«, sagt Marlon eisig. »Das gilt für alle. Niemand faßt das Mädchen an. Rollins, ich hätte nicht übel Lust, dir beizubringen, daß ein halbes Kind nichts für deine Kneipe ist.«

»Ich bin ihr Vormund und sie soll ja nur etwas freundlich sein, John«, stottert Rollins erbleichend. »Was ist denn dabei, wenn sie den Männern einen Gefallen tut? An Brandy stirbt man nicht.«

»An deinem Fusel verreckt ein Pferd!« knirscht Marlon finster. »Schlimm genug, daß meine Leute das Zeug trinken, aber was soll ein Girl damit? Meinst du, es verträgt deinen erbärmlichen Fusel? Rollins, das Mädchen gehört nicht hierher, schick es an einen anständigen Ort.«

»Ist dieser Platz etwa nicht anständig?« brummelt Rollins und schielt tückisch. »Sie hat niemanden, und ich brauche sie nun mal. Sie hat es gut bei mir. Meine selige Schwester…«

»Würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüßte, wo ihre Tochter gelandet ist«, unterbricht ihn Marlon eisig. »Rollins, solange ich hier bin, behandelst du sie anständig, sonst erlebst du was. Und ihr solltet euch schämen, euren Spaß daran zu haben, wenn Patty sich widerlich benimmt. Die Feier ist vorbei, Chapman und Belmont sind überfällig. Etwas scheint passiert zu sein.«

Es könnte nicht schlimmer sein, wäre eine Granate zwischen den eben noch lachenden Männern eingeschlagen. Mit erschrockenen Blicken sehen sie sich an. Maxwell geht nun um den Tresen herum, zerrt Patty hoch und taucht seinen Kopf in das Spülwasser damit der Bursche zu sich kommt. Die Nachricht, daß Belmont und Chapman verschwunden sind, läßt in wenigen Sekunden die Stimmung der Männer umschlagen. Belmont und Chapman hatten einen bestimmten Auftrag.

Torpin, nach Maxwell der dritte Mann in Marlons Rudel, erhebt sich mit einem jähen Ruck. Der hagere Mann drängt sich zu Marlon durch und fragt leise: »Was ist passiert, sie müßten doch längst im Camp sein? Captain, man wird sie doch nicht erwischt haben?«

»Wir werden es herausfinden«, erwidert Marlon gelassen. »Raus mit euch, bezahlt und auf die Pferde. Tragt Patty zu seinem Gaul, wir müssen weg hier.«

Rollins steht dabei. Er schielt noch stärker als sonst und schiebt sich an Marlon heran.

»Mr. Marlon, die beiden werden doch nicht über mich reden? Ich meine, wenn man sie erwischt hat und…«

»Jeder von uns weiß, daß er schweigen muß, wenn er wieder befreit werden will«, antwortet Marlon kühl. »Keine Sorge, Rollins, sie reden schon nicht. Wir müssen mit jeder Möglichkeit rechnen. Ich bin nur vorsichtig. Es gibt keinen Hinweis, daß man sie erwischt haben könnte. Raus mit euch, schnell!«

In weniger als einer Minute ist der Saloon leer. Von draußen kommt ein Stöhnen Pattys. Marlon verläßt den Saloon durch die Hintertür. Er hat sein Pferd und das Maxwells im Hof abgestellt. Als er die Zügel von einem Haken am Stall löst, tritt Sue Farrow um die Stallecke.

»Mr. Marlon?«

»Hallo, Miss«, sagt Marlon leise. »Nun, dies ist kein Platz für ein Mädchen wie Sie. Ich wollte, ich könnte Ihnen helfen.«

»Das haben Sie schon getan«, antwortet Sue stockend. »Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sam Rollins ist mein Vormund, ich kann hier nicht weg, ich wüßte auch nicht wohin. Danke Mr. Marlon, Sie sind ein guter Mensch.«

Jetzt zeigt sich Rollins, und das Mädchen flüchtet um die Ecke zurück in die Dunkelheit. Rollins sieht seine Nichte nicht. Marlon steigt auf und nimmt das Pferd herum.

»Keine Panik, Rollins«, brummt er scharf. »Wir werden bald wissen, was passiert ist.«

»Mir ist etwas eingefallen«, sagt Rollins. »Jake Belmont hat ein Girl in San Carlos. Da gibt es eine Bodega, das Mädchen arbeitet dort. Vielleicht ist er bei ihr?«

»Woher weißt du von dem Girl, Rollins?«

»Ich höre viel. Man erfährt immer einige Dinge, Mr. Marlon. Ich wollte es nur gesagt haben.«

Marlon nickt kurz, reitet aus dem Tor und bemerkt Maxwells Seitenblick.

»Er ist eine Ratte«, stellt Maxwell finster fest. »Ich möchte ganz gern mal erfahren, was der Kerl alles weiß. John, das Mädchen mag dich, glaube ich.«

John Marlon sieht weg und spuckt aus.

»Sie sind ein guter Mensch?« sagt er zweifelnd. »Ich war das nie, Charles, und ich werde es niemals sein können, jetzt nicht mehr. Die Würfel sind gefallen.«

»Bestimmt?« fragt Maxwell zweifelnd. »John, du hast immer noch eine Chance, aufzuhören. Denke an deinen Bruder Lee, er sucht dich seit Monaten. Lee verdient ein Lebenszeichen von dir, statt nur Steckbriefe lesen zu müssen.«

»Ich will nicht mehr zurück, ich kann auch nicht mehr«, gibt ihm Marlon zu verstehen. »Kein Versuch, mich umzustimmen, Max. Hallo, Ive, komm her.«

»Captain?«

»Ive, wie heißt das Girl in San Carlos?«

Ive Torpin zuckt zusammen. Zwischen den Männern besteht eine Abmachung, alle privaten Dinge Marlon zu melden. Sein Zusammenzucken beweist Marlon etwas.

»Nun, ich warte, Ive.«

»Eh, Serata Morleno, Captain. Ich glaube, Jake kennt sie erst ein paar Wochen. Er wollte nicht, daß du es weißt, weil du ihn damals geschlagen hast. Er dachte, du würdest ihm den Ritt nach San Carlos verbieten, weil es nicht unsere Route ist. Captain, Jake ist manchmal seltsam.«

»Manchmal?« fragt Marlon scharf. »Wir reden noch darüber, wie es mir gefällt, wenn man Abmachungen bricht, Ive. Mag sein, daß wir ein ziemlich freier Verein sind, aber Disziplin muß auch bei uns sein, sonst bricht alles auseinander. Hast du begriffen, Ive, und du auch, Patty?«

»Ich war betrunken, ich dachte – ich wollte einen Spaß mit dem Mädchen…«, stottert Patty verlegen. »Captain, es war nur ein Spaß.«

»Ein verdammt trauriger!« faucht Marlon. »Ive, du führst vorläufig kein Kommando mehr. Vic, du hast das Kommando bis zum Versteck oben.«

Er wendet sich im Sattel um, mustert seine Männer und Ive Torpins bleiches Gesicht. Entscheidungen wie diese müssen sein, um jedem klarzumachen, daß es kein Ausbrechen gibt.

»Ich reite mit Max nach San Carlos«, sagt Marlon dann. »Ist Jake dort, kommt er ins Fegefeuer. Ich erwarte für den Abend seinen Bericht. Jetzt ist es gleich Morgen. Verstärkte Sicherungen im Camp, verstanden?«

Danach zieht er sein Pferd herum und winkt Maxwell. Jeder Mann weiß, was er im Fall einer Entdeckung zu tun hat. Das Versteck der Bande liegt mitten in den Bergen und ist so unzugänglich, daß man es kaum finden kann. Droht den Banditen eine Gefahr, ziehen sie sich sofort über drei Fluchtwege zurück, von denen jeder in eine andere Himmelsrichtung führt.

Schweigend reitet Marlon auf die Grenze zu. Es ist nicht weit bis dorthin. Und da noch Suchtrupps wegen der gestohlenen Pferde unterwegs sein könnten, beeilt sich Marlon. Erst eine halbe Meile von Black Hill entfernt hüstelt Maxwell heiser.

»John, was machst du, wenn du ­Belmont dort findest?«

»Ich jage ihn zum Teufel!«

»John, er taugte nie etwas. Wenn der Kerl auf hundert Meilen Brandy riecht, ist er nicht mehr zu halten. Aber du müßtest ihn umbringen. Jake Belmont ist gefährlich, er könnte sich rächen.«

»Nun, vielleicht bringe ich ihn um.«

Das ist alles, was Marlon noch sagt.

*

Belmont steht auf, torkelt zur Luke und blickt hinaus.

»Oh, verdammt, mein Schädel«, keucht er und hält sich den Kopf. »Was war denn bloß los? Wir kamen her, wir tranken ein paar Gläser, dann hat sie getanzt. Richtig, Serata hat für mich getanzt. Dann haben wir getrunken und ich war doch bei ihr auf dem Zimmer? Verdammt will ich sein, wenn ich nicht bei ihr war.«

»Ja, du warst nicht hier, als ich schlafen ging, du wolltest gleich kommen, ich erinnere mich dunkel«, antwortet Chapman stockheiser. »Mann, wir wollten gestern um diese Zeit im Camp sein.«

Belmont nimmt die Hände vom Kopf, wankt zu seinem Lager und läßt sich fallen. Plötzlich erinnert er sich an seine prächtige Idee, einen Abstecher nach San Carlos zu machen. Es sollte nur ein kurzer Besuch werden, er wollte nur einen Drink mit Serata nehmen und gleich wieder aufbrechen. Statt dessen müssen sie sich derart betrunken haben, daß sie wie die Toten geschlafen haben.

»Hol’s der Satan, passiert ist passiert. Ich kann auch mal meinen Spaß haben, was? Wir reiten jetzt los. Komm, lüfte dich an, Mister.«

Belmont wankt hoch, klettert dann ächzend und stöhnend die Leiter hinab. Der Schuppen ist ein Hausanbau, und als sie in die Abendsonne treten haben sie das Gefühl, einen Schlag auf den Kopf zu bekommen. Der billige Tequila hat ungeahnte Nebenwirkungen.

»Hölle und Pest«, gurgelt Belmont finster und hält sich an der Schuppentür fest. »Bin ich denn immer noch besoffen, Mann? Komm mit, wir müssen was essen. Und dann verschwinden wir.«

Sie taumeln über den Hof, blicken in die Bodegaküche, finden sie aber leer.

Belmont sieht sich kurz um, dann schneidet er sich ein Stück der knochenharten Eselswurst ab und stopft es zwischen die Zähne. Kauend schiebt er sich durch den Gang hört aus dem Bodegaraum Gelächter und bleibt stehen. Er kann deutlich Seratas Stimme unterscheiden. Nach einem Knurren tappt Belmont vor Chapman her bis an die Tür der Bodega weiter durch den Gang. Dann stößt er die Tür mit einem Ruck auf.

Auf einer der einfachen Bänke hinter einem Tisch sitzt die schwarzhaarige Serata bei einem aufgeputzten Greaser auf den Knien. Daneben hockt noch ein Girl, das Belmont nicht kennt.

Im ersten Augenblick bringt Belmont keinen Ton heraus. Er bemerkt nur, daß der kugelrunde, feiste Miguel, der Bodegabesitzer, Glotzaugen bekommt.

Langsam beginnt Serata, indem sie bleich wird, vom Schoß des aufgeputzten Burschen zu rutschen. Ihre Augen zeigen plötzlich Angst, ihr Mund bleibt leicht geöffnet.

»Dios, Jake«, bringt die schwarzhaarige Serata mühsam heraus, ihre Stimme wird immer schriller und ängstlicher. »Jake, das ist – ist mein Cousin.«

Belmont geht mit gesenkten Fäusten los. Der Greaser auf der Bank muß Pfeffer eingeblasen bekommen haben, denn er beginnt hin und her zu rutschen, als peinige ihn etwas. Dabei zuckt sein Gesicht nervös.

»Der Cousin, der liebe Cousin, was?« knirscht Belmont voller ausbrechendem Jähzorn. »So siehst du gerade aus, du schwarzhaariger Satansbraten. Wenn das dein Cousin ist, bin ich General Grant persönlich. Zu dir komme ich gleich, mein Täubchen, aber zuerst werde ich dem geschniegelten Hundesohn hier die Nase nach hinten drehen!«

Der geschniegelte Hundesohn hat seine Hand unter dem Tisch, hebt sie jetzt hoch und hat sein Messer gezogen. Abwehrend hält er, indem er von der Bank rutscht, die Klinge dem ­heranstampfenden Belmont entgegen.

»Nicht näher«, stottert der Greaser erbleichend, während er sich an der Wand entlangschiebt. »Señor, ich habe mein Messer, ich werfe und…«

»Wirf doch, Hundesohn!« schnappt Belmont, tritt in derselben Sekunde unter einen der rechts stehenden Stühle. »Jetzt schmeiß mal, du Affe!«

Tatsächlich versucht es der Greaser noch, doch sein Messer fliegt nur in den hochsausenden Stuhl. Belmont schnellt aus dem Stand vorwärts. Aufschreiend weicht Serata an den Tresen zurück, hinter dem der fette Miguel die Hände ringt und stöhnt.

Chapman reagiert blitzschnell, als sich der zweite Mexikaner bewegt und das Mädchen wegstößt. Der zweite Greaser faßt unter die bestickte Jacke, hat die Hand aber noch darin, als Chapman hüstelt.

»Eh, Amigo?« fragt Chapman träge, und sein langläufiger Revolver ist schon auf den Greaser gerichtet. »Willst du spazierengehen, Amigo? Vielleicht – in die Hölle, eh?«

Der Greaser zieht seine Hand heraus.

Währenddessen versucht jener geschniegelte Bursche aus der Tür zu entwischen.

»Greaser, hol dich der Teufel!« stößt Belmont heraus. »Dir werde ich helfen, mein Girl abzutasten. Da hast du was!«

Der Greaser saust rücklings durch die halbe Bodega. Er rudert wie ein ­Ertrinkender mit den Armen, prallt auf einen Tisch, überschlägt sich, knallt hin. Genau vor Seratas zierlich-schmutzigen Füßen bleibt er japsend wie ein Fisch an Land liegen.

Belmont hebt sein Opfer wieder auf. Er stellt es gerade hin, stößt es zum Tresen und greift dann nach dem Spüleimer Miguels. Den gießt er, nachdem er den Greaser an den Tresen gelehnt hat, bedächtig über dem Burschen aus.

»Er kann nichts ab«, sagt er grämlich und immer noch wütend zu Chapman.

»Hol’s der Teufel, der hat keine Puste in den Oberarmen, was? Ah, er wird doch noch munter. Na, wackrer Cousin?«

Er wartet, bis der Greaser einigermaßen stehen kann. Dann fegt er ihn mit zwei Schwingern durch die Tür ins Freie.

»Du jetzt!« fordert Belmont den zweiten Mann auf, der zitternd auf seiner Bank hockt. »Los, aufstehen – raus mit dir. Na, willst du nicht?«

Der Mann erhebt sich zaudernd. Im Bogen versucht er Belmont auszuweichen, aber der stiernackige Belmont bleibt ihm auf den Fersen. Vor der Tür angekommen, holt Belmont mit dem Stiefel aus. Schreiend springt der Greaser hinaus.

»Vaya con dios!« höhnt Belmont, um sich nun Serata zuzuwenden. »Ah, da bist du auch noch, schwarzhaarige Schlange.«

»Jake, oh, Jake, es war wirklich nichts. Du bist so stark und groß, Jake. Niemand ist so stark wie du.«

Ihre Worte und ihre Hand, die über seinen Arm streicht, besänftigen Jake Belmont etwas.

»Ach, geh zur Hölle!« knurrt er nur noch. »Miguel, einen Drink, aber keinen billigen Fusel.«

»Si, subito – momento«, dienert Miguel hastig. »Sie brauchen nichts zu bezahlen, Señor Jake. Hier, und hier einen für Ihren Freund, alles umsonst.«

»Du Gauner hast auch genug an uns verdient«, blökt ihn Belmont an. »Was ist, was stehst du noch hier, Serata? Ich will ein Essen, ein gutes Essen, verstanden?«

»Si, aber ja, Jake, ich werde kochen, sofort.«

Serata lächelt. »Vier Minuten.«

»Also vierzig«, brummelt Chapman der die mexikanischen Zeitbegriffe schon ganz genau kennt. »Mann, Jake, wir müssen los. Wir haben keine Zeit mehr.«

»Blödsinn, wir haben noch viel Zeit, Krach gibt es ohnehin«, antwortet Jake Belmont. »Komm her und nimm deinen Drink, der ist wirklich nicht nur Rattengift. Dieser Panscher hier hat auch anständige Sachen.«

»Jake, du kommst in Teufels Küche«, warnt ihn Chapman. »Wir müssen zurück, Mensch.«

Belmont grinst nur. Er hat immer noch Zeit und Durst. Dabei sollte er wissen, daß er, wenn er einmal angefangen hat zu trinken, nicht so schnell aufhören kann. In zwei Stunden ist er immer noch hier.

Und danach kommt er in Teufels Küche.

*

Serata lächelt, ihr Rock weht, und in ihren Händen klappern die Kastagnetten.

Chapman hebt die Hände und kichert blöde, dann beginnt er zu klatschen.

Vergessen der Auftrag, vergessen die Zeit, der Tequila zeigt seine Wirkung. Dann endet jäh der Wirbel! Das schwarzhaarige Mädchen aus San Carlos steht still.

Der Mann kommt in die Bodega von San Carlos. Der Mann ist plötzlich wie ein Geist hinter Chapman. Gleichzeitig öffnet sich die Hintertür.

Maxwell steht in der Tür und hat die Arme auf der Brust verschränkt.

Pablitos Gitarre schluchzt noch einmal mißtönig, ehe sie verstummt. Die drei Mexikaner drüben in der Ecke reden nicht mehr. Für sie ist die »La Cumba« ein alltägliches Vergnügen, der Tanz Gewöhnung geworden. Sie regt keine Serata mehr auf. Sie blicken auf den großen, finster wirkenden Mann hinter Chapman und sehen, wie der Mann die Hand ausstreckt und den kleinen Chapman am Genick packt.

»Oöööhhh, was – Hölle…«

Zu mehr kommt Chapman nicht, dann schreit er nur noch und fliegt.

John Marlon hat draußen gestanden und zehn Minuten mit seinem Grimm einen aussichtslosen Kampf ausgefochten. Dann hat er Max nach hinten geschickt und ist hereingekommen. Der Grimm geht mit ihm durch: Hier sitzen seine beiden Spitzel und feiern. Und neun andere Männer werden vor Unruhe, ob man diese beiden Halunken nicht etwa erwischt hat, halb verrückt.

»Du verdammter Schurke!«

Das ist alles, was John Marlon sagt, als er Chapman anhebt und ihn wegschleudert. Es geht zu schnell für die Mexikaner und das Mädchen, auch zu schnell für Fatty Miguel hinter dem Tresen. Chapman saust durch die Luft und schießt auf Belmont zu. Der wird bei Chapmans Anprall vom Stuhl gerissen und saust ein Stück weiter, bis er genau vor dem reglos an der Wand stehenden Max landet.

Einen Blick nur hat Belmont in Marlons Gesicht werfen können. Jetzt handelt er, und er macht es teuflisch listig und geschickt.

Belmont ist jäh nüchtern. Schlagartig hat er begriffen, daß der Spaß zu Ende ist und Marlon nichts hindern wird, zu töten. Vor Wochen hat Belmont schon einmal Prügel bezogen. Das war die erste und letzte Warnung Marlons gewesen.

Aus diesem Gedanken heraus schnappt Belmont jäh zu. Er liegt vor Maxwells Beinen und umklammert sie im Stürzen. Dann reißt er den Graukopf Maxwell glatt mit. Maxwell kippt mit einem heiseren Schrei auf den Tresen zu. Als er sich an der Kante halten will, kommt Belmonts Zug an seinen Stiefeln und dreht Max seitlich.

Das ist alles, was Max noch merkt. Danach knallt er mit dem Hinterkopf gegen die eckige Tresenkante. Max sieht ein Feuerwerk, als flöge ein Munitionsdepot in die Luft. Dann ist es dunkel um ihn, und er fällt zu Boden. Belmont ist herum, hat Maxwells Beine losgelassen und zieht mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Colt.

Zu spät für Marlon, viel zu spät. Zwar zucken Marlons Hände hoch nach den beiden Revolvern, aber Belmont ist zu schnell.

»Belmont!« brüllt Marlon scharf. »Belmont, weg mit dem…«

Dann bleibt ihm nur noch die Möglichkeit, sich zu ducken und noch hinter die Tischplatte zu kommen.

Marlon sieht den Colt auf sich deuten und dahinter Belmonts vor Wut und auch Haß verzerrtes Gesicht. Belmont wird schießen.

Das ist der letzte Gedanke Marlons, als es schräg hinter ihm einen tosenden Knall gibt, dem gleich danach noch einer folgt. Die beiden Schüsse fallen so blitzschnell hintereinander, daß Marlon glaubt, sie hatten ihm gegolten. Er hört das grelle Fauchen der Geschosse und sieht, wie Belmont, der am Boden kniet, die Hand mit dem Colt sinken läßt.

In der nächsten Sekunde brüllt auch Belmonts Revolver auf und jagt seine Kugel in den Boden. Auf Belmonts ­grauer Jacke zeigen sich zwei Löcher, aus denen im pulsenden Strom das Blut schießt. Noch kniet Belmont. Er sieht an seinem Boß vorbei zur Vordertür der Bodega. Seine Augen zucken plötzlich, und sein Mund stößt einen leisen, erstaunten Ruf aus. Danach neigt sich Belmont, als wolle er sich hinlegen, nach vorn.

So kippt er um. Seine Brust berührt den Boden, und aus seiner Hand fällt der Revolver klappernd hin.

Das Brüllen der Schüsse verebbt. Durch die plötzliche, absolute Stille kommt Seratas leise, schrille Stimme, sie flüstert beinahe: »No – no, no muerto – nicht tot – nicht tot.«

In der Tür schurren Stiefel. Der Mann steht dort, den Hut nach hinten geschoben, das blonde wilde Haar in der Stirn und den rauchenden Colt in der Hand. Es ist ein seltsames Geräusch, als er in den rauchenden Colt bläst.

Der wilde Bursche Vic Roggers beginnt zu pfeifen. Es ist wieder seine Melodie des Todes, des Rittes in das Abendrot, der Texassong.

Marlon, halbgeduckt hinter den Tisch gesunken, wendet langsam den Kopf. Er sieht ihn in der Tür stehen und nun losgehen. Die Silbersporen an den Stiefeln des Jungen singen. In den grauen Augen von Roggers ist gar nichts, nicht mal Kälte. Es sieht aus, als habe der zwanzigjährige Victor Roggers ein kleines Geschäft erledigt.

»So eine Ratte«, sagt er gleichmütig und klappt seinen Revolver auf, um die beiden Patronen zu ersetzen. »Ich wußte doch, daß es Ärger geben würde. Tut mir leid, Captain, ich dachte, du würdest wild werden, wenn ich mich sehen ließ. Ive Torpin stritt sich mit mir auf dem Weg zum Camp herum, weil ich ihm zu jung erschien, das Kommando zu haben. Ich ritt weg, ehe es zu einer Schießerei zwischen Torpin und mir kommen konnte. Du hattest gesagt, ich sollte keinen Streit anfangen, wie?«

»Bist du – bist du – des Teufels?« kann Marlon nur herausbringen. »Kid, eh – ich hatte keine Chance mehr.«

»Ist wohl so«, antwortet Roggers achselzuckend. »Ich hätte Torpin auf die Nase gelegt, wenn er weiter gestichelt hätte. Du sagtest einmal, man müßte manchmal Dingen aus dem Weg gehen. So waren deine Worte doch, oder? Ich bin weggeritten und euch gefolgt. Schlimm, Boß?«

»Nun, nach dieser Sache nicht mehr«, brummt Marlon. »Der Kerl wollte mich abknallen. Kid, warum hast du geschossen?«

»Manchmal mag man jemand«, murrt der eiskalte Kid. »Du erinnerst mich an meinen älteren, gefallenen Bruder, Captain. Das war es vielleicht.«

Er geht zum Tresen und blickt das Mädchen an. Sie mustert ihn wie einen aus der Hölle erschienenen Teufel und schluckt verzweifelt.

»Was ist?« fragt Vic und zieht die Brauen hoch. »Ist was, eh?«

»No – no, Señor.«

Vic Roggers gießt sich einen Tequila ein und trinkt. Er denkt schon nicht mehr an Belmont. Tot ist tot, danach ist immer alles zu Ende, wie? Das hat er gelernt. Etwas anderes hat er nie gelernt und noch nie getan. Es gibt nur eine Furcht in Kid Roggers’ Leben: Mädchen!

Er hat noch nie eins besessen, aber er denkt häufig daran, jetzt auch.

Sie sieht gut aus, denkt der Kid. Ich habe Geld, sie ist bestimmt so eine. Aber vielleicht wird sie mich auslachen, wie damals Mary. Mary sagte, ich könne nicht mal küssen, und dann lachte sie und rannte weg. Damals fand ich das albern, und ich haßte Mary eine Weile.

Er hört kaum, daß sich Maxwell stöhnend aufrichtet und Chapman greinend sagt: »Captain, ich habe ihn umstimmen wollen, ich konnte nichts tun, ich wollte, aber ich konnte nicht. Und da…«

»Max, raus mit ihm zu den Pferden. Komm, Kid, wir gehen.«

Kid geht los und sieht Serata an.

Als er aus der Tür geht, haben sie das Gefühl, daß der Tod selbst sie endlich verläßt.

Zwanzig Jahre, denkt Maxwell draußen, und ein eiskalter Mörder. Was hat diese Zeit aus unseren Burschen gemacht? Das ist doch unmöglich, er ist ja noch ein halbes Kind.

Der Kid steigt auf und sieht Maxwell und Marlon noch einmal zurück in die Bodega gehen. Sie holen Belmont heraus und binden ihn wenig später auf dessen Pferd fest.

»Los, Chappy, dann reite mal voraus«, sagt der Kid träge und gähnend, aber er hat die Hand am Colt. »Versuche besser nicht auszureißen, es wäre ungesund für dich.«

Chapmans Gesicht ist nichts als eine graue Maske der Furcht. So verlassen sie San Carlos. Drei Männer und ein Toter.

*

Waco 10 – Western

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