Читать книгу Vergiftungen bei Hund und Katze - Gisa Löwe - Страница 10

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1.3 Therapeutische Prinzipien unter tiermedizinischer Kontrolle

Bei allen Vergiftungen sind immer die gleichen Maßnahmen notwendig.

Das betrifft die Entfernung des Giftes aus dem Körper oder von der Körperoberfläche (Dekontamination) und die Sicherung der lebenswichtigen Funktionen (Sicherung der Vitalfunktionen) des Körpers.

Beide immer notwendigen Maßnahmen erfolgen auf verschiedene Art und Weise, abhängig von der Art des Giftes und dessen prinzipieller Wirkung, dem Grad der Vergiftung und dem Zeitpunkt, wann die Behandlung nach einer Vergiftung einsetzt.

Teilweise steht zur Therapie einer Vergiftung ein spezielles Gegenmittel (Antidot) zur Verfügung.

Neben der Dekontamination, der Sicherung der Vitalfunktionen und dem möglichen Einsatz eines Antidots sind meist zusätzliche, spezielle Maßnahmen zur Therapie und Linderung der Beschwerden notwendig.

1.3.1 Dekontamination

Reinigen (Scheren) des Felles

Sofern notwendig, werden die als Erste Hilfe begonnenen Maßnahmen zur Dekontamination fortgesetzt.

Auslösen von Erbrechen

Liegt die orale Aufnahme (Aufnahme über das Maul) nicht länger als zwei bis drei Stunden zurück, der Patient ist ansprechbar und die Schutzreflexe funktionieren, kann Erbrechen durch die Injektion eines entsprechenden Mittels ausgelöst bzw. kann am narkotisierten Tier eine Magenspülung vorgenommen werden.

Bei einer Vergiftung mit organischem Lösungsmittel oder stark ätzenden Stoffen (Säuren, Laugen) sollten Erbrechen oder Magenspülungen jedoch unterbleiben, sondern lediglich eine möglichst starke Verdünnung mit Wasser angestrebt werden.

Adsorbieren der Giftstoffe mittels Aktivkohle

Zur Verringerung der Aufnahme von Giftstoffen im Magen-Darm-Trakt kann bei wachen Patienten eine Suspension einer medizinischen Aktivkohle (1 – 2 g/kg Körpermasse) gegeben werden.

Für die Suspension mit Wasser sollten ca. 10 ml/g Aktivkohle verwendet werden. Die Gabe kann nach einigen Stunden wiederholt werden.

Aktivkohle ist ein medizinisches Produkt, das spezielle Anforderungen erfüllen muss. Sie ist in Apotheken erhältlich. Es gibt auch gebrauchsfertige Zubereitungen.

Keinesfalls sollten Milch oder sonstige Stoffe eingegeben werden!


Aktivkohle bindet eine große Zahl von Giftstoffen.

 Aktivkohle ist das Mittel der Wahl.

 Adsorptionsfläche beträgt 1000 – 2000 m2 pro Gramm

 bindet große Zahl von Giftstoffen (unwirksam bei Ethanol/Methanol/Ethylenglykol, Schwermetallen, organischen Lösungsmitteln, starken Säuren/Laugen)

 zusätzlich Laxantien (Abführmittel Darm) 20 – 30 g = 2 Esslöffel Glaubersalz = Natriumsulfat

Vorteile:

 nahezu von jedem einsetzbar

 gute Wirksamkeit

 risikoarm

 wiederholbar

 wirksam wie Magenspülung oder induziertes Erbrechen

In der Regel sollte die Eingabe jedoch durch einen Tierarzt erfolgen, da spezielle Kenntnisse notwendig sind, um bei Hunden und Katzen sicher auszuschließen, dass die Eingabe der Suspension nicht versehentlich teilweise in die Atemwege erfolgt.

Abführmittel

Die Darmpassage kann durch abführende Mittel beschleunigt werden.

Glaubersalz (Natriumsulfatdecahydrat) kann sowohl beim Hund als auch bei der Katze Anwendung finden.

Die Dosierung bei Hund und Katze beträgt 0,5 bis 1 g / kg KM in einer 3- maximal 4%igen Lösung.

Die Eingabe sollte durch einen Tierarzt erfolgen. Teilweise ist eine Magensonde notwendig. Der Wasserhaushalt ist zu überwachen und gegebenenfalls einem zu starken Flüssigkeitsverlust vorzubeugen.

Förderung der Harnausscheidung

Der Tierarzt wird bei Stoffen, die über die Nieren ausgeschieden werden, eine sogenannte forcierte Diurese einleiten, das heißt spezielle Medikamente injizieren, die die Harnbildung fördern und eine Dauertropfinfusion anlegen.

Gegebenenfalls wird der pH-Wert des Harnes durch die intravenöse Gabe spezieller Medikamente entweder erhöht bzw. erniedrigt, um bestimmte Ionen zu binden.

1.3.2 Spezielle therapeutische Maßnahmen

Zu den speziellen therapeutischen Maßnahmen zählen in erster Linie die Gabe von Gegenmitteln (Antidote), die die toxische Wirkung aufheben oder unterbinden.

Antidottherapie

Dekorporierungsantidote*:

 gehen mit Giftstoff oder Metaboliten eine chemische Bindung ein

 Entstehung eines Komplexes mit stark verminderter Toxizität

 Chelatbildner

 MetHb-Bildner (4-Dimethylaminophenol)

Funktionelle Antidote:

 Substanzen, die die Wirkung des Giftstoffes hemmen (Rezeptorblockade, Verhinderung der Bioaktivierung

 Vitamin K

 Ethanol bei Methanolvergiftung

 Naloxon bei Opiaten

 Atropin bei Organophosphaten

Leider gibt es für die wenigsten Gifte spezielle Antidote, sodass der symptomatischen Therapie die größte Bedeutung zukommt.

Quelle 1

 Heß C. Klinische Toxikologie – Symptomatik und Therapie von Intoxikationen. Universitätsklinikum Bonn, Institut für Rechtsmedizin. https://www.rechtsmedizin.uni-bonn.de/studium/archiv/lebensmittelchemie_chemie_pharmazie/dateien_ws/Klinische_Toxikologie.pdf aufgerufen am 08.07.2021.

* Dekorporierung = Entfernung von in den Organismus aufgenommenen schädlichen Stoffen

1.3.3 Symptomatische Therapie – Sicherung der Vitalfunktionen

Zu den Vitalfunktionen zählen

 die Herz-Kreislauf-Funktion

 die Lungenfunktion

 die Hirnfunktion (Bewusstsein)

 die Nierenfunktionen

 der Wasser-Elektrolythaushalt und der Säure-Basenhaushalt

Weitere wichtige Funktionen, die bei kritisch Kranken überwacht und stabilisiert werden müssen, sind

 der Wärmehaushalt

 der Stoffwechsel

 das Hormonsystem

 das Immunsystem

Kreislauf

Die Stabilisierung des Kreislaufes gehört zu den wichtigsten initialen Maßnahmen.

Bei Intoxikationen wird immer ein venöser Zugang gelegt, über den eine bedarfsgerechte Flüssigkeitsgabe erfolgen kann. Insbesondere bei Erbrechen oder Durchfällen ist die Flüssigkeitssubstitution dringend erforderlich, um stabile Kreislaufverhältnisse zu erzielen.

Über diesen Weg werden auch die meisten notwendigen Medikamente, Bluttransfusionen bei einem Mangel an roten Blutkörperchen oder Blutplasma bei bestimmten Gerinnungsstörungen gegeben.

Die Bekämpfung eines allergischen Schocks sowie initial gefährlicher Herzrhythmusstörungen sind zur Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems zwingend notwendig.

Atmung

Das Freihalten der Atemwege ist oberstes Gebot und gehört schon zu den Erste-Hilfe-Maßnahmen. Hinzu kommen bei Bedarf eine zusätzliche Sauerstoffgabe bis hin zur Intubation und Beatmung sowie die Bekämpfung eines Lungenödems.

Nervensystem

Zur Beruhigung und zum Lösen von Krämpfen stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die je nach Ausgangssituation und Wirkung beim Patienten eingesetzt werden.

Die medikamentöse Bekämpfung eines Hirnödems ist insbesondere in einem frühen Stadium erfolgversprechend.

Nierenfunktion

Eine Störung der Nierenfunktion oder ein Nierenversagen infolge von Vergiftungen ist eine schwerwiegende, oft tödlich verlaufende Komplikation, da in der Tiermedizin Blutwäschen durch eine Dialyse nur sehr eingeschränkt möglich sind.

Dennoch ist eine Therapie nicht aussichtslos.

Weitere Maßnahmen

Die Stabilisierung der Körpertemperatur, die Bekämpfung von Stoffwechselstörungen, die antibiotische Abschirmung, der Schutz der Magenschleimhaut, Schmerzmedikation, die Gabe von Antiemetika (gegen Erbrechen wirkend) und eine Leberschutztherapie sind weitere Maßnahmen der komplexen symptomatischen Therapie von Intoxikationen.

Bei fettlöslichen Toxinen wie z. B. Permethrin, Ivermectin, Moxidectin und bei bestimmten Mykotoxinen (Schimmelpilzgifte) werden als Allgemeinmaßnahmen die intravenöse Gabe von Lipid-(Fett) Emulsionen empfohlen.

Man nimmt an, dass diese Emulsionen die Toxine teilweise binden und deren schädigende Wirkung durch einen Transport der Toxine von den üblichen Angriffspunkten weg mindern.

Quelle 2

 Schmidt MJ. Relevanz der Antidotgabe für das notärztliche präklinische Management von Vergiftungen unter Berücksichtigung der Bremer Liste – eine Analyse von 633 Fällen. Dissertation, Georg-August-Universität Göttingen 2016.

Vergiftungen bei Hund und Katze

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