Читать книгу Die Leuchtturm-HAIE (4). Käpt’n Matjes und der verschollene Schatz - Gisa Pauly - Страница 4

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Ria Schluck treten die Tränen in die Augen, als sie hört, wie unfreundlich Jan Paulsen mit dem Papagei umgeht. »Aber ich bin ja froh, dass er Käpten regelmäßig füttert.«


Sie ist eine kleine Frau mit vielen grauen Löckchen auf dem Kopf und einer riesengroßen Brille auf der Nase. Sie sitzt in einem tiefen Sessel und erklärt den Kindern, wie erleichtert sie ist, nicht mehr allein für sich und den Papagei sorgen zu müssen. »Meine Beine wollen nicht mehr so recht. Das Einkaufen klappt nicht mehr, das Fensterputzen und Unkrautjäten erst recht nicht.« Deswegen ist sie ins Haus am Leuchtturm gezogen, wo es Pfleger gibt, die sich um alte Menschen kümmern, wenn sie ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen können. Aber Haustiere dürfen hier nicht einziehen, das hat der Leiter Enno Wunderfass klipp und klar erklärt, als Oma Rosella ihm von Käpten erzählt hat. Die Altenpfleger können sich nur um die alten Leute kümmern, nicht auch noch um einen Papagei.


Oma Rosella hat zu bedenken gegeben, dass es in der Halle schließlich auch ein Aquarium mit bunten Fischen gibt. »Sind das etwa keine Tiere?«

Aber Enno Wunderfass hat gesagt, das wäre etwas anderes. »Fische machen keinen Lärm und keinen Dreck. Sie sind zufrieden, wenn sie pünktlich ihr Futter bekommen, mehr wollen sie nicht. Und sie lassen sich gerne dabei zusehen, wie sie im Wasser herumschwimmen. So hat jeder was davon. Die alten Leute schauen sich gern die Fische im Aquarium an.«

Oma Rosella hat ihm erklärt, dass sich alte Leute auch sehr gern einen Papagei ansehen. Erst recht, wenn er sogar sprechen und Witze erzählen kann. »Das ist doch lustig.«

Aber Enno Wunderfass wollte es nicht einsehen. »Papageien machen Dreck.« Nur darauf kam es ihm an.


Ria Schluck ist ganz unglücklich, wenn sie an ihren Papagei denkt. »Ich hätte das Haus längst verkauft, wenn ich wüsste, wohin mit Käpten. Meine Kinder haben schon alles herausgeholt, was sie gebrauchen können, aber den Papagei will niemand haben.« Ihre Augen werden feucht. »Dabei ist Käpten doch daran gewöhnt, dass man sich mit ihm unterhält. Er kann nur deswegen so gut reden, weil er ständig Gesellschaft hatte. Mein Mann hat ihm viel beigebracht.« Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. »Allerdings auch viel Blödsinn. Ich glaube, es gibt keinen Papagei, der so gut fluchen kann wie Käpten.« Nun kichert sie sogar leise. »Nur den Spitznamen meines Mannes hat er nie rausgekriegt. Mein Mann hat immer wieder mit ihm geübt.«

Inga wird neugierig. »Was hatte Ihr Mann denn für einen Spitznamen?«

»Von seinen Matrosen wurde er Kapitän Matjes genannt. Weil er so schrecklich gerne Matjes aß. Wenn sie in einen Hafen einliefen, wurde immer sofort ein Matrose losgeschickt, damit er für meinen Mann Matjes besorgte.« Sie tupft sich die Augen, die Erinnerungen haben sie überwältigt.

Ria Schluck tut den drei Kindern leid. »Wir könnten uns ja um Käpten kümmern«, schlägt Emil vor.

Nun wird aus dem Lächeln der alten Frau ein Strahlen. »Würdet ihr das tun?«

Hannes zieht ein Gesicht, als wäre ihm nichts zu schwer. »Wir sind drei Detektive«, teilt er der überraschten Ria Schluck mit. »Die Leuchtturm-Haie! Wir haben schon ganz andere Dinge erledigt! Haben Sie etwa noch nie von uns gehört?«

Es ist Ria Schluck sichtlich peinlich, dass sie nichts von den Leuchtturm-Haien weiß. »Oh, tut mir leid …«

»Wir haben schon Heuler in der Seehundstation gerettet, haben einen Perlendieb gefangen und kürzlich einen Mann überführt, der Strandgut gestohlen hat.« Hannes findet es nur recht und billig, wenn ihre Erfolge mal beim Namen genannt werden, während Emil verlegen auf seine Füße guckt und Inga wieder anfängt zu hüpfen. »Da war sogar ein Klabautermann im Spiel.«

»Uns um einen Papagei zu kümmern«, fällt Inga nun ein, »das ist für uns eine Kleinigkeit.«

Ria Schluck meint, dass sie dafür sicherlich eine Bezahlung wollen, wenn sie richtige Detektive sind, aber die drei lehnen entrüstet ab. »Nein, dafür nicht.«

Aber Ria Schluck hat eine Idee. »Wenn ihr Lust habt, könnt ihr euch auf dem Dachboden umsehen. Da liegt noch viel herum, was mein Mann früher von seinen Fahrten um die Welt nach Hause gebracht hat. Meine Kinder haben sich schon alles geholt, was sie zur Erinnerung behalten wollen, aber es liegt noch einiges dort. Was euch gefällt, könnt ihr mitnehmen.«

Diese Aussicht begeistert die Leuchtturm-Haie. Schon am nächsten Nachmittag treffen sie sich vor Ria Schlucks verlassenem Häuschen. Es sieht nach Regen aus, die beiden Jungen tragen Wetterjacken, aber Inga hat nur einen Pulli an. Sie sagt, der Wind kann ihr nichts anhaben und der Regen auch nicht. »Ich bin ja nicht aus Watte, sodass der Wind mich wegpusten kann. Und aus Zucker bin ich auch nicht, also kann ich bei Regen nicht schmelzen.«

Die Tür von Ria Schlucks Haus ist offen und der Papagei krächzt vergnügt, als er die Kinder sieht. »Nur Dummköpfe suchen nach Geld.«

Hannes lacht. »Wer Geld findet, ist alles andere als dumm.«

»Der wahre Reichtum liegt woanders.«

»Wer ihm diesen Spruch wohl beigebracht hat?«, fragt Emil kopfschüttelnd. »Auch Kapitän Schluck? Und was bedeutet das überhaupt?«

Inga kann es sich denken. »Darüber haben wir kürzlich auch in der Schule gesprochen. Geld macht nämlich gar nicht glücklich. Viel wichtiger ist, dass man eine Familie und gute Freunde hat und dass man gesund ist.«

Hannes und Emil pflichten ihr bei. Ja, das ist wirklich viel wichtiger als Geld.

Sie reden eine Weile mit dem Papagei, lassen sich von ihm vorführen, welche Sätze er beherrscht, wie er schimpfen und fluchen und sogar Witze erzählen kann. Es macht großen Spaß, Käpten immer neue Antworten zu entlocken. Dann geben sie ihm etwas von dem Futter, das der Nachbar in einer Dose auf der Fensterbank aufbewahrt, und füllen seinen Napf mit frischem Wasser. Anschließend steigen sie auf den Dachboden. Dort ist es dämmrig, warm und stickig.

»Puh!«, macht Hannes. »Hier ist schon lange nicht mehr gelüftet worden.«

Er geht zu einer Dachluke und öffnet sie. Kalter Wind pfeift herein. Hannes schaut hinaus, während Inga und Emil sich auf dem Dachboden umsehen. Zerfledderte Bücher stapeln sich in einer Ecke, hässliche Holzfiguren starren sie an, verrostete Messer und Schwerter liegen auf dem Boden. Verrückte Sachen hat der Kapitän gesammelt! Eine alte Truhe hat es den Kindern besonders angetan. Doch noch ehe sie den Deckel öffnen können, hören sie plötzlich Hannes leise rufen: »Psst. Schaut mal!« Er ruft es mit zischender Stimme, so, als hätte er etwas Gefährliches gesehen, als wäre er gerade einem Geheimnis auf die Spur gekommen. »Schnell!«, sagt er nun so eindringlich, dass Emil und Inga den Deckel der Truhe fallen lassen und zu ihm kommen.

Hannes kann vor lauter Aufregung gar nicht sprechen, während er nach draußen zeigt. Und Inga und Emil geht es prompt genauso. Wortlos starren sie durch die Dachluke hinunter in den Garten des Häuschens, in dem das Unkraut bereits so hoch steht wie der Gartenzaun. Zwei Männer huschen gerade hindurch und gehen geduckt auf den Hintereingang des Hauses zu. Ein langer, schlanker und ein kurzer, dicker Mann, beide mit großen roten Nasen und stacheligen dunklen Haaren. Sie tragen abgerissene Kleidung und Gummistiefel.


»Die sehen ja aus wie Ernie und Bert aus der Sesamstraße«, flüstert Inga.

Dass sie nichts Gutes im Schilde führen, bemerken die Kinder sofort. Sie schleichen durchs Gras, um nicht gehört zu werden, und schauen sich immer wieder um, weil sie offenbar nicht gesehen werden wollen.

Käpten schreit so laut, dass es bis auf den Speicher zu hören ist. »Alarm!«

Die Kinder sehen von ihrem Beobachtungsposten, dass die beiden Männer erschrocken zusammenfahren und stehen bleiben. Als der Papagei seinen Hilferuf wiederholt, gehen sie ein paar Schritte rückwärts, und als er »Polizei!« schreit, machen sie kehrt und rennen so schnell wie möglich davon. »Ihr Döspaddel!«, ruft Käpten ihnen hinterher.

Die Kinder lachen, doch dann werden sie wieder ernst. Käpten hat die Männer zwar in die Flucht geschlagen, aber was wollten sie überhaupt hier? »Die dachten wohl, hier ist was zu holen.«

Sie schauen den beiden Gestalten nach, bis sie hinter den Dünen verschwunden sind. Dass jemand sich in das Haus von Frau Schluck schleichen will, ist sehr beunruhigend. Das wollen die drei heute Abend auf jeden Fall mit Oma Rosella und Frau Schluck besprechen. Doch für den Moment sind die unbekannten Männer verschwunden und darum wollen sich die Freunde jetzt endlich mit den Schätzen auf dem Dachboden beschäftigen, die der alte Käpt’n Matjes zurückgelassen hat. Sie wollen sich gerade vom Fenster wegdrehen, als Emil etwas auffällt. Er hält Hannes und Inga zurück und zeigt nach draußen. »Da ist noch jemand.«

Ein Junge, etwa in ihrem Alter, hat sich hinter dem Gartenzaun versteckt und kommt nun hervor. Er sieht den beiden Männern lange hinterher, dann betrachtet er das Haus von Kapitän Matjes.

»Kennt ihr den?«, fragt Emil flüsternd.

Hannes und Inga schütteln den Kopf. Sie sind sich sicher: »Der geht nicht bei uns zur Schule.«

»Vielleicht ist er schon auf dem Gymnasium?«

Heringsbüttel hat keine höhere Schule. Wer das Gymnasium besuchen will, muss mit dem Schulbus in den Nachbarort fahren.

Aber Inga ist sich dennoch sicher. »Der wohnt nicht hier. Den habe ich noch nie gesehen. Wahrscheinlich der Sohn von Feriengästen.«

»Die Herbstferien sind schon beinahe vorbei«, meint Hannes. »Es sind fast nur noch Feriengäste in Heringsbüttel, die keine Kinder haben oder ganz kleine, die noch nicht zur Schule gehen.«

»Und im Schullandheim ist auch nichts mehr los«, ergänzt Emil.

Alle drei denken an die Gruppe, die sich Strandpiraten nannte. Kinder aus dem Schullandheim, mit denen die Leuchtturm-Haie eine Menge Ärger hatten. Am Ende haben sie sich zwar vertragen, aber gern denken die drei trotzdem nicht an die Strandpiraten zurück.

Der fremde Junge ist nun verschwunden. »Wahrscheinlich ist er zum Strand gegangen«, meint Inga.

Klar, alle Feriengäste wollen immerzu am Strand sein, weil sie dort, wo sie zu Hause sind, keinen Strand und kein Meer haben. Auch im Herbst, wenn das Wetter nicht gut ist, wenn es kalt und stürmisch ist, laufen die Feriengäste am Strand herum.


Gemeinsam öffnen die drei Freunde endlich den Deckel der Truhe. Eine Schatztruhe! So kommt es ihnen jedenfalls vor. Käpt’n Matjes hat scheinbar alle Meere der Welt bereist, denn was er mitgebracht hat, stammt aus sämtlichen Erdteilen.

»Das sieht alles aus, als läge es schon hundert Jahre hier«, meint Hannes.

Düster aussehende Masken, getrocknete Schlangenhaut, Krokodilzähne, eine mottenzerfressene Pelzmütze, vergilbte Spitzendeckchen, ein Stück Fell, das von einem Eisbär stammen könnte, dicke goldene Ringe und Ketten, bunte Steine, kleine Bastmatten und viele, viele Bücher. Für die interessiert sich Emil ganz besonders, während Inga gern die bunten Steine mitnehmen möchte und Hannes sich überlegt, welchen seiner Lehrer er mit den Krokodilzähnen erschrecken könnte.

Aber dann vergisst jeder von ihnen diese Pläne, als Emil einen Briefumschlag hervorzieht. Er steckte zwischen zwei dicken Büchern, wo er vielleicht von Ria Schlucks Kindern übersehen worden war. Auf dem Umschlag klebt eine große bunte Briefmarke, wie sie noch nie eine gesehen haben.

Emil beugt sich darüber und hat Mühe, den Aufdruck zu entziffern. Aber schließlich gelingt es ihm. »Der Brief ist in Madagaskar eingeworfen worden.«

»Mada…?« Inga hat diesen Namen noch nicht gehört. Hannes auch nicht, aber das will er nicht zugeben.

Emil kennt sich gut in Erdkunde aus und wie zu erwarten, weiß er, dass Madagaskar eine große Insel vor Afrika ist. Das ist aber auch schon fast alles. Von Regenwäldern in Madagaskar hat er schon mal was gehört und von einer Straße, die mit uralten Affenbrotbäumen gesäumt ist.

»Das Brot für die Affen wächst auf Bäumen?« Hannes macht keinen Hehl daraus, dass er Emil nicht glaubt.

»Quatsch!«, gibt dieser zurück. »Die heißen nur so. Auf denen wächst kein Brot für Affen. Ich weiß nicht mal, ob Affen überhaupt Brot mögen.«

»Also ganz schön weit weg«, meint Inga und verhindert damit eine hitzige Debatte zwischen den beiden Jungs, von denen jeder recht haben will. Sie zeigt zu dem Briefumschlag. »Mach auf, Emil.«

Der Umschlag ist schon einmal geöffnet worden, vielleicht vor langer Zeit. Emil zieht ein Blatt heraus und faltet es auseinander. Inga und Hannes sehen, dass seine Hände mit einem Mal zittern. Und als sie sich ebenfalls darüberbeugen, begreifen sie, warum. Was Emil in Händen hält, ist eindeutig eine Schatzkarte. Eine Landschaft ist dort eingezeichnet, ein Strand, ein Teil des Meeres, Hügelketten, ein Hafen, hin und wieder ein Haus. Und dann – in der Mitte der Zeichnung – ein Kreuz, in leuchtend roter Farbe gemalt. Eine Schatzkarte, kein Zweifel.

Inga zeigt auf das Kreuz. »Da liegt der Schatz.«

Die drei Leuchtturm-Haie sehen sich an. »Wirklich?« Hannes fragt es ganz, ganz leise.

»Was sonst?« Emil dreht die Schatzkarte um und zeigt auf das, was Käpt’n Matjes auf die Rückseite geschrieben hat: »Ob der Schatz wertvoll ist, entscheidet jeder selbst.«

»Also wirklich ein Schatz!« Emils Stimme klingt sehr zufrieden.

Hannes runzelt die Stirn. »Was soll der Spruch bedeuten?«

»Das ist es, was wir herausfinden müssen«, antwortet Emil und wirkt dabei so, als wäre das ganz leicht.


Die Leuchtturm-HAIE (4). Käpt’n Matjes und der verschollene Schatz

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