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Im Haus meiner Tochter

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Es ist ein schöner Sommertag. Ich sitze im Garten und sehe wie die Schmetterlinge fröhlich von Blüte zu Blüte flattern. Schmetterlinge sind schön. Sie sind zart und anmutig. Es ist entspannend, an so einem Tag im Garten zu sitzen. Die Natur hat ihren sommerlichen Höhepunkt erreicht. Die Vögel flattern emsig durch die Zweige. Diese Emsigkeit liebe ich so. Immer in Bewegung zu sein, bringt das Leben weiter. Früher war ich auch sehr umtriebig. Heute geht alles viel langsamer. Meistens ist heute Bewegung mit Schmerzen verbunden. Pausen sind nun wichtig. Aber dieses Innehalten gibt mir Zeit, die Dinge besser zu sehen, ja auch besser zu verstehen.

Ich bin heute wieder im Haus meiner Tochter Anne. Das mache ich einmal in der Woche, um bei meiner Enkeltochter Vedra zu sein und die Wäsche zu bügeln. Das ist bestimmt für meine Tochter etwas Hilfe, denn Anne arbeitet sehr viel.

Ich bin mit dem Bügeln fertig, jetzt sitze ich im Garten. Vedra ist noch in ihrem Zimmer und erledigt ihre Hausaufgaben.

Ich ruhe mich gerne etwas aus, denn meine Füße wollen nicht mehr solange stehen. Ja, man merkt halt doch, dass ich schon 75 Jahre bin. Plötzlich kommt Vedra angesprungen und rennt zur Schaukel. "Bist du mit der Hausaufgabe fertig?", wollte ich von ihr wissen. "Ja", erwiderte Vedra. "Oma, magst du mit mir etwas Ballspielen", fragte Vedra. "Ja, gerne", antwortete ich. Jeder von uns beiden gibt sein Bestes, doch ich erwischte den Ball von Vedras Wurf nicht immer. Ich musste mich sehr oft bücken. Das ist für mich sehr anstrengend. Ich sagte zu meinem Enkelkind: "Ich kann nicht mehr, wenn ich mich so oft bücken muss, schmerzt der Rücken. Das geht leider nicht mehr solange, wenn man alt wird". "Na gut", meinte Vedra, "dann hüpfe ich im Trampolin und du schaust zu". Das tat sie dann auch mit einer Begeisterung. Das Zuschauen bereitete mir Freude, wenn ich feststellen durfte, mit welcher Leichtigkeit meine 9-jährige Enkeltochter ihre Sprünge ausführte. Ich setzte mich wieder in den Gartenstuhl und beobachtete Vedra mit einem Lächeln. Immer wieder sagte ich zu ihr, wie gut sie das kann.

Plötzlich beendete Vedra das Hüpfen und krabbelte aus dem Trampolinnetz kam zu mir runter und sagte:

"Oma, wie ist es, wenn man alt wird?"

Diese Frage überraschte mich. Das wird eine lange Antwort werden, dachte ich. Mit einem Satz ist das nicht getan. Altwerden ist auch ein langer Prozess. Behutsam begann ich zu sprechen: "Ja, mein Schätzchen, da gibt es eigentlich sehr viel zu erzählen und ich muss in meiner Jugend anfangen, da begann ja mein Leben. Jeder Mensch wird anders alt, vielleicht besteht eine Verbindung zwischen Jugend und Alter. Ich denke, da spielen auch so viele Faktoren mit. Welche Kindheit man hatte. Wie war die Ernährung. Ich bin in einer anderen Zeit aufgewachsen. Da war der 2. Weltkrieg. Wir haben unsere Heimat verlassen müssen und ich spielte so gerne auf dem Bauernhof meiner Großmutter". Vedra fragte schnell dazwischen: "Aber ihr ward doch arm, warst du da nicht traurig?". "Nein, ich hatte ja keine anderen Vergleiche. In diesem Dorf, gab es wohl Bauern, die etwas mehr Land und Tiere hatten als meine Großmutter, aber das war mir doch egal. Ich konnte im Hof herumrennen und jederzeit zu den Kühen, Pferden, Hasen, Hühnern und Schafen gehen, denn sie waren ja immer da. Natürlich gab es auch Verbote, ich sollte nicht allein zu den großen Tieren gehen. Das befolgte ich erst, als mich eine Kuh einmal mit ihrem Schwanz umwarf. Vedra, auf dem Bauernhof war ein Gefühl von Freiheit, kennst du auch so ein Gefühl?". "Ja, Oma, das empfinde ich, wenn ich allein im Garten bin und hinten auf dem Tisch meine Duftversuche mache. Ich suche in unserem Garten nach den duftenden Pflanzen, pflücke die Blätter und Blüten für meine Experimente. Da merke ich auch wie vielfältig die Natur doch ist und immer wieder Interessantes in unserem Garten entdecke, was ich für meine Versuche brauche. "Ja, so ging es mir damals auf dem Bauernhof. Anschließend war das große Kornfeld mit den Lerchen, die trillernd in die Lüfte stiegen. Das hat sich bei mir so tief eingeprägt. Alle Menschen, die zu mir gehörten, waren um mich herum. Meine Mutti, meine Oma, meine Tanten, ich war nie allein. Ist es denn nicht sehr schön, wenn immer jemand da ist? Das war damals die Zuneigung, die Erwachsene ihren Kindern geben konnten, aber man wurde nie in den Arm genommen, gedrückt oder geküsst. Das kannten die Frauen auch früher von ihren Eltern nicht.So konnten sie es auch nicht weitergeben. Damals, als ich ein kleines Kind war, habe ich es nicht vermisst, weil es auf dem Hof auch keiner tat. Mein Vater hatte meine Mutti schon geliebt, aber sie hatten sich nie vor mir geküsst, weil man es nicht tat, das war früher unanständig. Also habe ich Zärtlichkeiten unter Menschen nicht gesehen und nicht gespürt. Man kann doch nur vermissen, was man kennt und schon mal erlebt hat. Dieser Verlust ist mir erst viel später bewusst geworden, als ich es bei anderen Menschen gesehen habe. Da war ich dann oft traurig und hatte Sehnsucht nach Zärtlichkeiten. Ich hatte mir damals vorgenommen, ich mache es bei meinen Kindern anders. Aber was man nicht bei seinen Vorbildern, der eigenen Familie sieht, kann man nicht nachmachen. Es muss von Grund auf selbst erarbeitet werden. Das kannst du bestimmt nicht verstehen, denn deine Mami kann dich umarmen und küssen. Sie ist mein Kind. Damals als sie klein war dachte ich, dass ich vieles anders mache als meine Eltern und meinen Kindern mehr Zärtlichkeiten vermitteln konnte. Damals habe ich alles gegeben, was ich empfand. Es steckte sehr tief in mir, nur es war mir damals nicht möglich, meine ganzen Gefühle nach außen zu zeigen. Vedra, dich kann ich schon viel inniger umarmen, weil ich jetzt dazu gelernt habe und die Nähe zu den Menschen, die ich liebe, ertragen kann. Ja, ich sage ertragen, denn zu anderen bekannten Menschen ist es immer noch etwas Überwindung. Im Sportverein mache ich nicht gerne bei Spielen mit, wo man Rücken an Rücken stehen muss oder sich an den Händen halten. Aber ich habe beobachtet, dass es einigen Frauen aus meiner Generation genau so geht. Darum ist es auch schön, alt zu werden, um Erfahrungen zu sammeln, die man in der Mitte des Lebens noch nicht gemacht hatte. Diese Erfahrung ist sehr schön, aber auch ein bisschen wehmütig, weil man dann auch etwas versäumt hat, was man nicht mehr nachholen kann.

Es muss sich in unserer Seele ein großes Buch befinden, da schreibt unsere Gegenwart wichtige Dinge hinein, die wir in unserem Leben erfahren, die dann irgendwie und irgendwann wieder nachzulesen sind. Oder blättert unsere Seele selbst in diesem Buch und sucht uns das passende Bild für die jetzige Situation?". "Wie meinst du das Oma?", fragte Vedra neugierig. "Schau, wenn ich heute mit dem Rad unterwegs bin, erfreue ich mich an den Kornfeldern und ich bin glücklich, wenn ich eine Lerche zwitschern höre, so wie ich diese damals als kleines Kind bei meiner Oma im Kornfeld hörte, steht das in meinem "Seelenbuch". Das ist dann ein Moment, in dem ich sehr glücklich bin. Das Glücksgefühl für bestimmte Dinge ist mir geblieben, obwohl ich heute etwas schwer höre, vernehme ich das Zwitschern der Lerchen ganz klar. Es gibt aber leider nicht mehr so viele dieser wunderbaren Vögel.

Eigentlich müsste ich ja mein Hörgerät tragen. Weil ich es aber selten in mein Ohr steckte, bringe ich deine Mami manchmal auf die Palme, wenn ich sie nicht verstehen kann und sie deshalb so laut reden muss." "Hm, ja aber warum steckst du denn dein Hörgerät nicht in deine Ohren, dann würdest du noch besser hören?", fragte mich meine Enkeltochter. "Das ist schon richtig, was du sagst, aber die Stöpsel im Ohr erzeugen so einen Juckreiz, der den ganzen Tag nicht auszuhalten ist, erwiderte ich, "das müsstest du mal ausprobieren, dann würdest du es verstehen", fügte ich noch ergänzend hinzu. Vedra schaute mich etwas mitleidig an. "Ja, aber was ich dir jetzt eigentlich sagen wollte, mit dem Buch in der Seele: Ich meine, was in der vergangenen Zeit in dein Seelenbuch eingetragen wurde, bestimmt in Zukunft dein Wesen. Die Liebe zur Natur, zu bestimmten Tieren und zu bestimmten Orten".

Erinnerungen an die Vertreibung aus Schlesien

„Oma, erzähl, warum wohnst du jetzt in Franken. du bist doch eigentlich in Schlesien geboren ?“, wollte Vedra wissen. Ich fuhr mit meiner Erzählung fort: „Es war Krieg und wir Schlesier, wie auch viele andere Menschen aus dem Osten von Deutschland, wurden aus ihrer Heimat vertrieben, weil diese von Russen eingenommen wurde.


Da meine Oma einen Bauernhof mit Pferden hatte, packten wir unsere wichtigsten Dinge auf einen Wagen und die Pferde mussten diesen Wagen ziehen. Ich saß mit noch einem Mädchen vom Dorf ganz oben auf den gepackten Sachen und wir zogen gegen Westen. Als der Krieg zu Ende war, hatten uns die Besatzungsmächte mit ihren Lastautos in die verschiedenen Orte in Westdeutschland verteilt. In der Tschechoslowakei mussten wir alles zurücklassen, was wir bei der Flucht in den Westen mitgenommen hatten, unsere Pferde, unseren Wagen und unsere Kisten.

Wir hatten nur uns, meine Mutti, meine Oma und meine Tanten. Die männlichen Mitglieder der Familie waren alle im Krieg. Mein Vater, meine Onkels, die zu dieser Zeit gerade erst 16, 17 und 19 Jahre alt waren. Jetzt befanden wir uns in der amerikanischen Zone. Deshalb verteilten uns die amerikanischen Soldaten in Franken und Bayern. Wir wurden in Buckenhof bei Erlangen in einem Gasthaus abgeladen. Erst musste ich mit meiner Mutti in einem Saal schlafen. Wir waren bei den Menschen nicht sehr willkommen. Wir wurden wie Eindringlinge behandelt, obwohl wir ja Deutsche waren“.

„Oma, im Krieg wurde doch geschossen, so sieht man es jetzt im Fernsehen, wenn Krieg in den anderen Ländern ist. Hattest du da keine Angst“, wollte Vedra zaghaft wissen. Ich schwieg einen Augenblick, ich holte das Geschehene in mein Gedächtnis zurück. Ich sah viele Bilder, die ich als Kind erlebte. Ich sah, wie am 13. Februar Dresden brannte und aus dieser brennenden Stadt ein Zug herausrollte. Ich sah einen Wald, aus dem weinende junge Mädchen herausrannten und sich uns anschlossen, weil sie von den russischen Soldaten vergewaltigt wurden. Ich sah ein Gewehr, das auf mich und meine Mutter gerichtet wurde, weil wir nicht schnell genug fertig waren, um dem Russen in eine Gemeinschaftsunterkunft zu folgen. Ich sah, wie unsere Pferde geschlachtet wurden und wir uns dann zum Essen holen anstellen mussten, um von dem Pferdefleisch etwas abzubekommen. Plötzlich befand ich mich wieder ganz im Krieg; ich war doch damals gerade 5 Jahre geworden. Diesen Geburtstag hatte ich auf der Flucht erlebt ohne Geburtstagskuchen, ohne Geschenke und ohne Geburtstagsparty.

Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich nicht antworten konnte.

Vedra holte mich wieder mit ihrem lang gezogenen Wort: „O m a“, zurück in das Jetzt. Sie stellte erneut die Frage: „Hattest du Angst?“. Ich sah Vedra an und antwortete: „Heute kann ich sagen, Angst hatte ich nicht, man vertraut als Kind den Erwachsenen, der Mutter, der Oma und der Tante. Sie waren ja immer da. Aber im Unterbewusstsein ist doch Angst in der Seele geblieben. Es gibt eben heute noch bestimmte Dinge oder Ereignisse, die in mein Leben kommen, vor denen ich Angst habe, die aber mit dem Erlebten verbunden sind“.

Jetzt wurde Franken meine neue Heimat. Hier bin ich zur Schule gegangen. Es war ein sehr langer Weg für ein kleines 6-jähriges Mädchen, das vor 7 Uhr von zu Hause losmarschieren musste, um den 4 km langen Schulweg zu schaffen. Schulbusse gab es noch nicht, ein Dampfzug fuhr, aber nicht zu dieser Zeit. Meine Eltern hatten kein Auto. Ein Auto in der Familie war etwas Besonderes“.

Nach einer kleinen Pause sagte ich zu Vedra: „Schätzchen, wenn deine Mami rechtzeitig kommt, werde ich heute noch zu mir nach Hause fahren, denn morgen früh habe ich einen Arzttermin“. „Magst du bis dahin noch Stadt-Land mit mir spielen?“, fragte Vedra. „Ja hol schnell zwei Blatt Papier und 2 Stifte, dann können wir gleich beginnen“. Sie war schnell wieder zurück und wir machten unsere Vorlagen für das Spiel. Dabei fragte Vedra: „Oma, warum gehst du morgen zum Arzt, was tut dir denn weh?“. „Es ist nur eine Routineuntersuchung. Die sollte man immer wahrnehmen. So kann man vielleicht sehr früh erkennen, wenn etwas im Körper nicht mehr in Ordnung ist. Außerdem brauche ich ein Rezept für meine Blutdrucktabletten“, erklärte ich ihr. „Blutdrucktabletten, warum muss man die einnehmen, muss man damit das Blut drücken?“, wollte Vedra wissen. Ich musste lachen. „Nein, Vedra, die Tabletten bewirken, dass das Blut besser in den Adern fließen kann. Im Alter sind die Adern nicht mehr so durchlässig und da braucht das Blut mehr Kraft, um gut durchfließen zu können. Die Tabletten helfen dem Blut, dass es besser fließt“. Diese Erklärung musste Vedra gereicht haben. Sie forderte mich auf: „Komm Oma, jetzt fangen wir an, ich habe schon für die Spalten die Striche gezogen, ist wohl ein bisschen krumm geworden“. „Aber das macht doch nichts“, beruhigte ich sie. Vedra fing an: „Ich sag A und du sagst halt“. Ich: „A, b , c, d“. „Halt,“schrie Vedra, „ D alles mit D“, antwortete ich. Also alles mit D.

Ich erinnerte mich an meine Jugend, denn ich war bei diesem Spiel sehr gut. Damals konnte ich mich total auf dieses Spiel konzentrieren. Vedra ist erst 9 Jahre, da kann ich noch gewinnen, aber ich denke, wenn sie 14 Jahre ist, habe ich keine Chance mehr, da wird sie mich übertreffen. Dann wird mein Gedächtnis die Dinge nicht mehr so schnell abrufen können. Heute werde ich noch Sieger sein. Aber ich will sie noch gewinnen lassen. Es macht so viel Spaß mit ihr zu spielen, denn sie bemüht sich, schnell zu sein.

Ich hörte das Auto meiner Tochter und beschloss, später nach Hause zu fahren.

Auf der Heimfahrt gingen mir alle schönen Dinge, die ich mit ihr erleben darf, nochmal durch den Kopf. Zuhause angekommen, wollte ich noch einiges erledigen, aber ich hatte keine Lust mehr. Ich dachte: Gisela, bist du faul geworden! Früher hätte es dich gestört, wenn du was aufgeschoben hättest. Nein, das kann ich ja morgen machen. Ich bin Rentnerin mit so viel Zeit. Ja, die Zeit ist da, aber sie ist so schnell vertan, weil man für alles viel länger braucht.

Ich setzte mich auf meinen Balkon, dachte über den heutigen Tag nach und überlegte, was ich in den nächsten Tagen noch zu erledigen hatte. Ich genieße die schöne Abendsonne. Genießen, das kann ich jetzt im Alter viel intensiver.

Nach einem gemütlichen Fernsehabend gehe ich ins Bett. Ich bleibe gern lange wach, dafür fällt mir das Aufstehen am nächsten Morgen sehr schwer. Das hat nichts mit dem Alter zu tun, das war schon immer so, das steckt in unseren Genen.

Am nächsten Tag hatte ich beschlossen, mit dem Rad zum Arzt zu fahren. Das ist der Sport, den ich jetzt noch betreiben kann und der mir sehr viel Freude macht. Mit dem Rad unterwegs zu sein, heißt: Bewegung in der frischen Luft und in der Natur. Optimal für unsere Sinne, der Seele und dem Körper.

Da ich jetzt einen Hilfsmotor an meinem Rad habe, machen mir kleine Steigungen auch nicht mehr so viel aus und zusätzlich schont es die Gelenke. Heute gibt es eben Dinge, die das Älterwerden etwas leichter machen und diese Dinge sollte man auch annehmen.

Zum Einkaufen muss ich 1,5 km fahren. Es ist ein guter Radweg. Wenn ich mich fit fühle, fahre ich den anderen Weg zurück. Dieser Weg führt ein Stück durch den Wald. Ich liebe den lichten „Steckerlas-Wald“, wie man in Franken zu einem Kiefernwald sagt. Ich bin froh, in dieser Gemeinde zu wohnen. Hier gibt es viele Geschäfte. Man kann nicht erwarten, dass alle Ärzte in unmittelbarer Nähe sind. Das gibt es auch in einer Großstadt nicht. Aber solange man noch Autofahren kann, ist der Weg kein Hindernis. Im Vergleich zur Stadt erwischt man viel schneller einen Parkplatz.

Am Wochenende kommt meine Enkeltochter für 2 Nächte zu mir. Anne hatte sie per SMS angekündigt. Darauf freue ich mich sehr. Was koche ich für sie?. Natürlich, was ihr schmeckt und was gesund ist. Da muss ich noch zum Einkaufen fahren. Ich werde zu Mittag Fisch braten, ja Fisch und Kartoffelsalat, das wird ihr schmecken. Unser EDEKA-Markt hat eine Frischfischtheke. Natürlich brauche ich Obst, Käse und Weintrauben und eine geräucherte Forelle. Die schmeckt gut zum Bauernbrot. Zum Frühstück, Joghurt und Kakao, frische Eier. Die hole ich aber dann beim Bauern, ja, zum Bäcker muss ich auch noch, sie mag die Quarkbällchen so gerne. Das stille Mineralwasser, bevorzugt Vedra. Ja, aber dann noch etwas abends zum Naschen. Ich gehe in die Süßwaren-Abteilung. Das ist eine schwere Aufgabe. Ich lese auf der Verpackung, welche Inhaltsstoffe vorhanden sind. Es darf nicht zu viel Zucker beinhalten. Aber Naschsachen haben eben mal Zucker. Ich nehme Haselnüsse mit Schokoüberzug. Da ist wohl die süße Glasur, aber drinnen sind die gesunden Nüsse! Ich denke: Oma, da betrügst du dich ja selbst, das ist ja nur eine Ausrede. Aber so oft übernachtet Vedra nicht bei mir, da darf man schon mal sündigen. Plötzlich fiel mein Blick in meinen Einkaufswagen, der ist ja fast voll. Ich denke: Was hast du denn wieder alles eingekauft? Vedra ist doch nur 2 Nächte da, dann kannst du alles wieder allein essen. Aber es soll ihr bei mir gut gefallen und schmecken. So denken halt Omas.

Zuhause angekommen, musste ich den ganzen Einkauf in den 1. Stock tragen mit schweren Taschen bis in den ersten Stock, ist schon sehr anstrengend für mich.

Als ich die Wohnung damals gekauft hatte war für mich der 1. Stock überhaupt kein Problem. Ich hätte mir auch die Wohnung im Parterre kaufen können, aber ich dachte, es ist schöner und sicherer im 1. Stock zu wohnen. Dass mir einmal der 1. Stock Probleme machen würde, war mir zu dieser Zeit überhaupt nicht bewusst.

Ich bereite das Abendessen vor. Es gibt geräucherte Forelle, Käse, Tomaten und Weintrauben und Fleischsalat.

Es klingelt und Vedra wird von ihrer Mami gebracht, die aber gleich wieder geht, weil sie verabredet ist.

Wir essen beide zusammen. Sie erzählt mir von ihrer Schule. Wir tauschen so einige Erfahrungen aus. Vedra ist von einer Freundin sehr enttäuscht und diese Enttäuschung macht sie traurig. Wir überlegen, wie sie mit diesem Mädchen umgehen sollte. Es wird etwas schwierig werden mit dieser Freundschaft, denn wie ich aus diesem Gespräch heraushörte, kann dieses Mädchen nicht leiden, wenn Vedra etwas hat, was sie selbst nicht besitzt. Also, ist sie ein neidisches Mädchen. Ich denke, das ist ein Charakterzug, der sie ein ganzes Leben begleiten wird. Ich kenne das auch bei erwachsenen Frauen. Solche Freundschaften können sehr anstrengend sein. Weil man dann über ein neues Kleid, über eine gute Note die Freude mit seiner Freundin nicht teilen kann. Vielleicht ist die Freundin ein kluges Mädchen und sie erkennt selbst einmal, dass sie ihren Charakterzug bekämpfen muss, um gute Freundschaften aufzubauen und diese auch halten kann. Aber dafür sind beide noch zu jung. Ich konnte Vedra nur diesen Rat geben. Zu ihrer Freude zu stehen, aber die Freude nicht als Prahlerei vorzubringen. „Weißt du Vedra, es gibt Freundschaften, die werden schon im Kindergarten gebildet und da gibt es auch einige, die halten dann ein ganzes Leben lang. Gut, das sind wenige, weil wir Menschen uns weiterentwickeln. Weiterentwicklung entsteht durch viele Faktoren. Das Elternhaus, welche Schule man nach der Grundschule besucht. Selbst wo die weiterführende Schule liegt, ob in einer großen Stadt oder in einer kleinen Gemeinde, das ist alles wichtig. So kann es sein, dass sich eine Freundin durch all diese Faktoren, in eine andere Richtung entwickelt, weil sie ein anderes Umfeld hat. Vedra, du lernst wieder neue Menschen kennen und bekommst neue Freundinnen. Da musst du dir keine große Gedanken machen“, versuchte ich Vedra zu beruhigen. „Ja Oma, das kann sein, aber traurig bin ich schon über Eva, dass sie zur Zeit nicht gut mit mir ist“. „Natürlich, darfst Du traurig sein, bestimmt wird es wieder besser mit ihr, musst halt abwarten. Freundschaft bedeutet auch, dem Anderen etwas zu gönnen und sich mit ihm zu freuen, Freundschaft ist auch eine Aufgabe“.

„Hast du genug gegessen und hat es dir geschmeckt?, wollte ich nun von Vedra wissen, um das Thema zu wechseln. „Ja, danke Oma, ich bin jetzt satt, erwiderte sie höflich. Wir räumten beide den Tisch ab. „Musst du noch Hausaufgabe machen?“, erkundigte ich mich. „Ja, aber die fange ich morgen an,“ erwiderte Vedra. So machten wir uns nun einen gemütlichen Fernsehabend. Ich brachte einen großen Teller mit Obst und ein wenig Süßigkeiten.

Ich hatte ihr in meinem Arbeitszimmer, die Liege als Bett zurecht gemacht. Ich dachte, irgendwann möchte sie vielleicht nicht mehr mit mir zusammen in einem Bett schlafen. Diese Entscheidung wollte ich ihr aber überlassen. Ich glaube, die Idee fand Vedra ganz gut, doch als ich dann in meinem Bett lag und es schon dunkel war, hörte ich leise Schritte vor meiner Schlafzimmertür. „Vedra, was ist mir dir?“, fragte ich das kleine Bündel, das mit ihrer Kuschelflocke im Arm im Türrahmen stand. „Oma, ich kann nicht schlafen, ich habe Heimweh“, gestand sie mir leise. „Ja, willst du zu mir ins Bett, würde das Heimweh dann vergehen?“, bot ich ihr an. Ich bekam ein schüchternes: „Ja“ und schon war sie in meinem Bett und sie rückte nah zur Wand, damit wir beide Platz hatten. „Vedra, sollte ich schnarchen, kannst du mich gerne anstoßen“. Ich gab ihr noch einen liebevollen Kuss und genoss ihre Nähe. Es macht mich glücklich, wenn ich weiß, dass sie sich bei mir geborgen fühlt. Schön, ein Enkelkind zu haben, wenn sie da ist, kann man die ganzen Zipperlein, die man so hat, vergessen.

Schade, dass ich nicht schon früher Oma geworden bin, da hätte ich noch viel mehr mit ihr unternehmen können.

Wir waren mit Vedra schon 3-mal im Urlaub, immer in einem Hotel im Bayerischen Wald, wo viele Tiere waren. Die Hasen hatte sie besonders geliebt. Stundenlang konnte sie die Häschen füttern. Ich saß mit Werner auf einer Bank und wir sahen ihr zu. Werner ist mein Lebenspartner, wir kennen uns schon seit Vedra geboren wurde. Er ist ein „Ersatzopa“ und diese Aufgabe macht er sehr gut. Er zeigt Vedra, wie man kaputte Sachen repariert wie man Drachen baut, er macht mit uns Spiele. Ich glaube sie genießt seine Gegenwart. Er gehört einfach dazu. Für Kinder ist Vieles so selbstverständlich und einfach.

Mit dem Gefühl der Zufriedenheit schlief ich dann auch ein. Am nächsten Morgen schlich ich mich in die Küche, um das Frühstück herzurichten. Als ich damit fertig war, schaute ich ins Schlafzimmer und merkte, dass Vedra sich schon bewegte. Das nahm ich zum Anlass, mit ihr eine kleine Kissenschlacht zu unternehmen. Mit Freude war sie dabei. Als wir dann die Lampe trafen, beendeten wir unser Vergnügen. Beim Frühstück gab es wieder schöne Gespräche, von ihrer Schule, von ihren Freunden und für was sie sich gerade interessierte. Zum Mittagessen hatten wir Werner eingeladen. Es gab Kartoffelsalat und gebratenen Fisch. Als ich sie anschließend wieder fragte, ob es ihr geschmeckt hatte, antwortete Vedra: „Ja, aber jetzt habe ich wieder mal genug Fisch gegessen“. Ich musste grinsen.

Für den Nachmittag hatte ich eine Radtour vorgesehen. Werner besaß zu Hause noch ein Klapprad; ich dachte, das würde gut für Vedra passen. Ich nahm mein Rad. Werner hatte sein Rad und das Klapprad für Vedra aus dem Keller geholt. Es wurde frisch aufgepumpt. Vedra bekam eine kurze Erklärung für das Bedienen des Rades. Wir fragten sie, ob es für sie passen würde. Werner hatte auch den Sitz auf ihre Höhe eingestellt.

Nun kann es losgehen. Wir nahmen einen Weg, der nicht sehr befahren war, hier gab es nur Spaziergänger und Radfahrer. Der Weg, war mitten in der Natur und führte durch einen kleinen Wald. Dort war eine Bank. Wir hielten an. Werner setzte sich, Vedra und ich suchten im Wald, nach Tannenzapfen, Moos und schönen Zweigen. Da findet man immer etwas, was Kinder interessiert. Als wir nach einiger Zeit unseren Ausflug fortsetzten, mussten wir ein kleines Stück einen schlechten Ackerweg nehmen, der etwas anstieg und steinig war. Vedra musste sich schon etwas anstrengen. Werner und ich, wir hatten an unseren Rädern einen Hilfsmotor, der uns jetzt das Treten erleichterte. Für uns zwei war diese leichte Steigung ohne Anstrengung zu befahren. Doch Vedra musste fest in die Pedale treten, aber sie sagte nichts. Ich wusste, noch ein kleines Stück, dann kommt der asphaltierte Radweg, der ist gerade und da wird sie es schaffen.

Werner und ich hatten uns schon vor Jahren diese Räder mit dem „Hilfsmotor“ gekauft. Man muss treten, aber bei Steigungen wird uns das Treten erleichtert. Einmal sind wir an einem anderen Ort einen Berg hochgefahren. Vor uns trampelten zwei junge Leute. Es war eine lange Steigung. Der junge Mann feuerte seine Freundin an und sagte: „Streng dich doch an und fahr schneller“. Aber wir, mit unserem „Hilfsmotor“ hatten die jungen Leute überholt. Als wir ein Stück von den Beiden entfernt waren, hörten wir den jungen Mann zu seiner Freundin sagen: „Schau mal, Du stellst dich so an und die Alten überholen uns“. Er hatte bei seinem Kraftakt unsere Hilfen nicht bemerkt.

Jetzt sind wir auf dem Rundradweg, den ich oft alleine fahre und ihn sehr schön finde. Der Radweg wurde auch jetzt besser, aber irgend etwas musste bei Vedra's Rad nicht gepasst haben. Am Ende der Straße, wo es dann leicht bergab ging, blieb sie stehen und sagte: „Ich möchte da nicht fahren“. Auf meine Frage: Warum, konnte oder wollte sie mir keine Antwort geben. Ich denke einen bestimmten Grund hatte sie schon, den sie aber nicht benennen wollte. Ich drang nicht länger auf sie ein und sagte dann zu Werner: „Komm, wir drehen wieder um und fahren den gleichen Weg zurück“.

Später, als ich sie nochmal nach dem Grund fragte, gab sie mir zu verstehen, dass sie sich mit dem Klapprad nicht sicher fühlte. Ich finde es gut, wenn sie sich selbst einschätzen kann und kein Risiko eingeht.

Nach unserer Radtour saßen wir noch bei Werner im Garten. Vedra dachte sich eine Geschichte aus und ich habe sie aufgeschrieben. Sie sah auf meine Hände und sagte: „Oma, deine zwei Finger sind so krumm, hast du dir mal mit dem Hammer auf die Finger geschlagen?“. Ich hielt mit dem Schreiben inne und sah meine Finger an. Der linke Mittelfinger beugt sich immer weiter nach links und der linke kleine Finger zeigt nach rechts, außerdem sind die Knöchel dick. Schön ist das nicht, „Ja, Vedra, ich habe auch in den Fingern Arthrose bekommen. Das ist eine Gelenkerkrankung, sie macht sich immer dort bemerkbar, wo die Gelenke sind, die werden krumm und dick, so etwas taucht meistens im Alter auf. Nicht bei allen Menschen. „Hast du da Schmerzen Oma?“, wollte Vedra wissen. „Ja, manchmal sind die Schmerzen mehr, manchmal sind sie weniger. Ich meine, wie stark die Schmerzen sind hängt mit dem Wetter zusammen und wie viel ich meine Gelenke beansprucht habe. Wenn ich etwas fest ausdrücken möchte, z.B. einen Lappen, schmerzen die Finger und ich habe wenig Kraft in den Händen Vedra sah mich etwas traurig an. Ich habe ihren Blick sofort verstanden und sagte ganz schnell: „Aber schau, wie schnell ich schreiben kann, du musst dich beeilen, denn ich habe schon alles geschrieben, was du erzählt hast“. Wir beide lächelten uns an.

Das Wochenende war wieder so schnell vorbei. Sonntagnachmittag wurde Vedra wieder von ihrer Mami abgeholt.

Ich saß mit Werner noch eine Zeit zusammen und wir beschlossen, dieses Jahr wieder 8 Tage mit Vedra in Urlaub zu fahren. An den gleichen Ort, in das gleiche Hotel und vielleicht bekommen wir wieder das gleiche Zimmer. Zweimal waren wir schon mit ihr in diesem Hotel. Dort hatte für uns immer alles gepasst. Eigentlich bin ich nicht der Mensch, der immer an den gleichen Ort fahren möchte, denn ich will immer neue Umgebungen, neue Städte und neue Hotels kennenlernen. Aber mit Vedra ist das anders. Sie mag das großzügige Hotel mit den vielen Tieren.

Die kleine Wohnung mit 2 Zimmern, Bad und großem Balkon ist so passend für uns drei. Sehr glücklich waren wir alle mit dem Naturschwimmbad im Haus. Jeden Abend vor dem Essen gingen wir in dieses Bad. Vedra war meistens unter Wasser, sie konnte die Augen öffnen, weil fast kein Chlor im Wasser war. Es wurde auf natürliche Weise gereinigt.

Diesen Urlaub werden wir uns mit ihr nochmal vornehmen. Es kann sein, dass es das letzte Mal sein wird, denn ihre Interessen verändern sich. Dann gibt es andere wichtige Dinge in ihrem Leben, das ist dann auch in Ordnung.

Als ich ihr den Urlaub vorschlug, war sie voller Freude. So buchten wir für die großen Sommerferien 8 Tage Aufenthalt in dem schönen Hotel im Bayerischen Wald. Wir fahren von Sonntag bis Sonntag, denn da sind keine Lastwagen auf der Autobahn und das wollen wir nutzen. Ich werde mit meinem Auto fahren, denn Werner ist die Verantwortung zu groß, wenn wir Vedra im Auto haben. Er ist 82 Jahre. Ich finde, dass er noch gut fährt. Natürlich langsam, aber trotzdem sicher, sonst würde ich nicht mit ihm fahren. Für mich ist das kein Problem, mein Auto ist auch mein „Freund“, es hat mich noch nicht im Stich gelassen, obwohl es auch schon19 Jahre alt ist. Ich habe sehr viel Fahrpraxis, seit meinem 21. Lebensjahr hatte ich immer ein Auto. Was im Alter sehr wichtig ist, dabei bleiben. Immer wieder mit dem Auto selbst fahren.

Trotzdem sollte man mit sich sehr ehrlich sein und erkennen, was nicht mehr so gut funktioniert. Ich vermeide nachts zu fahren oder wenn es regnet. Durch eine leichte Linsentrübung in beiden Augen blenden mich nachts die Lichter besonders.

Wir haben doch Zeit, wir können unsere Reise so planen, dass wir nicht nachts fahren müssen. Es werden schöne Urlaubstage mit Vedra werden, darauf freue ich mich schon sehr, aber bis dahin ist noch etwas Zeit.

Am Donnerstag fahre ich wieder wie jede Woche zu dem Haus meiner Tochter und hole Vedra mit dem Auto von der Schule ab. Das ist für mich so selbstverständlich. Ich musste 1946 allein von der Schule nach Hause gehen. Es waren 4 km. Es gab keine Schulbusse auf dem Land. Auch wenn meine Mutti mich hätte abholen wollen, ging es nicht. Sie hatte keinen Führerschein und es gab kein Auto in unserer Familie.

Ich warte in der Aula der Schule auf Vedra. Es klingelt. Da kommt sie mir schon freudig entgehen gesprungen, wirft die Büchertasche auf den Boden und umarmt mich. Was kann denn einer Oma Schöneres passieren als diese Begrüßung. „Wie war es heute in der Schule?“, wollte ich von Vedra wissen. „Ach, gut, wir haben eine Deutsch-Arbeit geschrieben“, antwortete sie mir. „Was hast du für ein Gefühl“, fragte ich sie. „Ein gutes Gefühl“, war ihre Antwort. Zuhause aßen wir beide zusammen, was ich für uns gekocht hatte. Lasagne und zum Nachtisch Apfelküchle, die liebt sie so sehr. Manchmal sprudelt es aus ihr heraus und sie erzählt mir von den Ereignissen in der Schule, wenn sie sich über ein Mädchen ärgern musste oder wenn sie Freude erlebte. Es ist schön mir ihr zu reden und zu erfahren, was sie bedrückt oder glücklich macht. „Jetzt muss ich Hausi machen“, teilte mir Vedra mit und sie wollte in ihr Zimmer gehen. „Machst du die nicht, wie immer hier im Esszimmer“, fragte ich erstaunt. „Nein“, war ihre klare Aussage, ich mache die alleine“. Das war neu, aber ich denke, das gehört zu ihrer Entwicklung, schließlich soll sie ja ein selbstständiges Mädchen werden.

Ich räumte die Küche auf. Nach einiger Zeit kam Vedra zu mir und fragte: „Oma, kannst du mit beim Rechnen helfen, ich weiß nicht genau, wie das geht?“. Ich schaute mir ihre Aufgabe an, musste überlegen wie der Rechenweg ist. Das war mir im Moment nicht klar, das Ergebnis wusste ich, aber den Weg dorthin, wie sie das jetzt ausrechnen, war mir neu. Da ich ja nur einmal in der Woche hier bin, kann ich das Lernsystem nicht verfolgen. Würde ich das täglich sehen, wäre es kein Problem. Ich kam mir ziemlich dumm vor. Was habe ich einige Seiten vorher geschrieben?: Im Alter muss man immer dabeibleiben, um nichts zu verlernen oder neu zu lernen. Das bestätigt wieder diese Aussage. Auf jeden Fall, das Ergebnis stimmt.

Ich denke an meine Jugend zurück. Wie viele Jahre ist es her, als ich in der 3. Klasse war?. Ich rechne nach. 1946 wurde ich eingeschult. 1949 war ich in der 3. Klasse. Jetzt haben wir 2015, es sind 66 Jahre her, als ich in der 3. Klasse war. Schon eine lange Zeit. Natürlich hat sich da im Lernsystem etwas verändert. Ich will ihr keinen falschen Rechenweg erklären, aber Vedra sagte: „Ich habe es schon mal fertiggemacht, so wie ich denke, das muss sich Mami dann noch ansehen“, beruhigte mich Vedra. „Lass uns jetzt noch etwas in den Garten gehen“, schlug Vedra vor. Ihr Lieblingsplatz war ganz hinten an der Regentonne, daneben stand ein alter Gartentisch. Da hatte sie immer Wasser für ihre Duftzubereitungen. Ich sollte ihr Beeren und Blätter pflücken und Vedra, zerdrückte, mischte, siebte und stellte „Duftwasser“ her. Man konnte wohl nicht herausfinden, was die Mischung alles beinhaltete, aber es roch sehr gut nach verschiedenen Kräutern. Durch das viele Bücken, schmerzte mein Rücken. Das sagte ich dann zu Vedra und sie antwortete prompt: „Oma, das kenne ich auch schon und ich bin noch nicht alt“. Ich musste lächeln und schaute ihr interessiert zu. Plötzlich hüpfte sie zur Terrassentür: „Ich hole nur schnell eine Schere“, rief sie mir zu und rannte die Treppe zu ihrem Zimmer hoch. Ich hatte vergessen, dass ich das auch einmal so flott konnte. Denn jetzt merke ich schon, wenn die Treppenstufen einen Zentimeter höher auseinander sind, da muss man die Beine auch diesen Zentimeter höher anheben. Das sind die Treppen in den Einfamilienhäusern. In den Wohnblocks, zu den verschiedenen Etagen, wo ich jetzt wohne, sind sie niedriger. Werner hat sie nachgemessen, weil er es nicht glauben wollte. Außerdem laufe ich die Treppen zum 1. Stock in dem Haus, in dem ich wohne, nicht so oft. In meiner Wohnung ist alles auf einer Ebene mit Teppichboden. Das dämpft beim Laufen und schützt meine Gelenke. Harte Böden, wie Fliesen würden mir beim Laufen noch mehr Schmerzen verursachen. Im Alter muss man sich immer für das entscheiden, was einem gutt tut. Das ist kein Egoismus, sondern Selbsterhaltung.

Ein Schuljahr ist wieder zu Ende gegangen. Veda bringt ihr Zeugnis aus der 3. Klasse nach Hause. Es ist ein gutes Zeugnis. Mich freut besonders, dass sie auch, wie ich damals in meiner Schulzeit, eine eins in Malen und Zeichnen bekommen hatte. Bei mir achtete niemand darauf, in welchen Schulfächern ich gut war. Vielleicht darf ich es noch erleben, ob sie aus ihrer Begabung etwas macht. Ich denke meine Tochter wird das fördern, wofür ihr Kind besonders geeignet ist

Oma, wie ist es, wenn man alt wird?

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