Читать книгу Treffpunkt Reiterhof - Gisela Jahn - Страница 5

Zweites Kapitel - Ungemütliche Aussprache

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Die restlichen Schulstunden gingen vorüber, doch Jutta nahm sich jetzt zusammen und fiel nicht noch einmal unangenehm auf. Nach dem letzten Klingeln ging sie heim, ohne sich um Marianne und die anderen Mädchen zu kümmern, die noch ins Eiscafé neben der Schule wollten. Zu Hause warf sie ihre Schultasche in ihrem Zimmer auf das Bett und schaute in der Küche nach, was sie heute zum Mittagessen kochen sollte.

Seit sie aufs Gymnasium ging, kümmerte sie sich um das Mittagessen, weil ihre Mutter in der Mittagspause nur »auf einen Sprung« aus der Firma, in der sie arbeitete, herüberkommen konnte.

Jutta schälte die Kartoffeln und setzte einen Blumenkohl in einem Topf mit etwas Wasser auf die Herdplatte. Während sie den Tisch deckte und die hübschen bunten Sets, die sie ihrer Mutter zu Weihnachten geschenkt hatte, unter die Teller legte, kamen ihre trübsinnigen Gedanken zurück Bald, dachte sie, würden die schönen Tage vorbei sein, an denen sie mit ihrer Mutter wie mit einer guten Freundin die kleine Wohnung teilte.

Allein schon der Gedanke, dass ihre Mutter bald mit einem Mann zusammenleben Würde, den sie noch nicht einmal kennengelernt hatte, machte sie ganz unglücklich.

Als die Kartoffeln gar waren, nahm sie den Blumenkohl ebenfalls vom Herd und mühte sich ab, eine holländische Sauce zuzubereiten. Anschließend briet sie zwei Schnitzel und stellte alles zusammen auf die Warmhalteplatte.

Eine Viertelstunde später klapperten die Schlüssel ihrer Mutter im Schloss. Grit Fassbender kam herein.

»Puh, das ist heute wieder einmal ein Tag!«, sagte sie und stellte ihre Handtasche im Flur auf die kleine Kommode. Rasch verschwand sie im Badezimmer, um sich ein wenig frisch zu machen.

Stumm trug Jutta Kartoffeln, Blumenkohl und Schnitzel auf. Ihre Mutter trat in die Küche.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich.

»Mhh«, sagte Jutta.

»Du siehst so komisch aus, hast du irgend etwas?«, wollte Frau Fassbender wissen. »Hat es in der Schule Ärger gegeben?«

Jutta gab keine Antwort.

»Ich möchte gern wissen, was mit dir ist«, setzte Grit Fassbender sanft hinzu.

»Nichts!«, erwiderte Jutta. »Überhaupt nichts. Mahlzeit!«

Frau Fassbender griff nach ihrem Besteck. Schweigend begannen sie zu essen. Jutta schmeckte kaum etwas, weil ihre Gedanken weit fort waren. Sie spürte, dass ihre Mutter eine Aussprache suchte, aber irgendwie brachte sie es nicht fertig, den Anfang zu machen. Hilflos sah Jutta auf ihren Teller.

»Warum isst du denn nichts?« Frau Fassbender sah ihre Tochter beunruhigt an. »Du bist doch nicht etwa krank? Die Schnitzel sind übrigens ausgezeichnet. Der Mann, der dich einmal heiratet, bekommt eine perfekte Köchin ...«

Das brachte das Fass zum Überlaufen.

»Soll ich vielleicht auch für meinen zukünftigen Stiefvater kochen?«, fragte Jutta aggressiv.

Ihre Mutter starrte sie verständnislos an. »Ich verstehe nicht, was du meinst!«, sagte sie.

»So, du verstehst es nicht!«, sagte Jutta bitter. »Und was hast du gestern am Telefon mit diesem Gerold Kehrmann besprochen? Hast du da nicht zuckersüß zu ihm gesagt ›Wir können am Sonnabend losfahren‹ und dann ›Das wäre herrlich, wenn wir das Wochenende auf dem Reiterhof verbringen könnten.‹ Du hast gar keine Ahnung, wie ekelhaft sich das angehört hat!«

Grit Fassbender runzelte für einen Augenblick verärgert die Stirn, aber dann brach ein befreiendes Lachen aus ihr heraus.

»Ach, du hast gestern Abend gelauscht!«, stellte sie fest. »Was ist denn schon dabei, wenn wir einmal für ein Wochenende einen Freund auf seinem Reiterhof besuchen?«

»Aha, einen Freund?«, fragte Jutta spöttisch. »Das ist es ja. Gib doch zu, dass ihr beiden heiraten wollt - du und dieser Freund mit seinem Reiterhof!«

Grit Fassbender sah ihre Tochter scharf an. Doch dann wurden ihre Blicke nachdenklich. »Wir haben zwar noch nicht darüber gesprochen«, sagte sie dann. »Aber ich glaube, dass du vielleicht recht hast.« Sie wich Juttas Blick kurz aus. Doch dann sah sie ihre Tochter wieder an. »Ich habe Gerold sehr gern, das ist richtig. Und wir beide werden vielleicht auch einmal heiraten. Ich sage ›vielleicht‘, weil wir uns erst vor knapp einem Monat kennengelernt haben. Du kannst also vorerst einmal beruhigt sein, das Aufgebot ist noch nicht bestellt.«

Aber Jutta war keineswegs beruhigt. Es kam ihr vielmehr vor, als habe man ihr mit einem Ruck den Boden unter den Füßen fortgezogen. Bis jetzt hatte sie immer noch die kleine Hoffnung gehabt, dass sich alles als ein Missverständnis erweisen würde, als ein Irrtum. Dass Gerold Kehrmann vielleicht doch nur ein Kunde mit einem Auftrag für ihre Mutter gewesen sein könnte ... Aber diese Seifenblase war jetzt zerplatzt.

Grit Fassbender schob entschlossen ihren Teller beiseite und beugte sich vor.

»Kind, was hast du denn?«, fragte sie besorgt und zugleich ein wenig erschrocken über den wütenden Ausdruck in Juttas Augen. »Hat dich das so sehr überrascht?«

»Ja, überrascht, das kann man wohl sagen!« Juttas Stimme zitterte ein wenig. »Warum bin ich die letzte, die davon erfährt? Hast du überhaupt an mich gedacht, als du dich entschlossen hast, diesen ... diesen Mann zu heiraten?«

»Aber Jutta«, versuchte die Mutter sie zu beruhigen. »Von Heirat war doch bis jetzt ...«

»Ich bin kein Kind mehr!«, fiel Jutta ihr ins Wort. »Ich bin vierzehn Jahre alt. Du hättest deinen neuen Freund wenigstens einmal mit nach Hause bringen können, damit ich ihn kennenlerne. Schließlich bin ich bald erwachsen.«

»Eben deshalb glaube ich, dass es gut wäre, wenn ich wieder ein wenig meine eigenen Wege ginge«, erklärte Frau Fassbender geduldig. »Außerdem: Hast du nicht auch manchmal den Wunsch gehabt, einen Vater zu haben?«

»Ich habe nie so etwas gespürt!«, fuhr Jutta auf.

»Vielleicht weil du dir nur niemals Gedanken darüber gemacht hast?«, fragte Frau Fassbender. »Bis jetzt haben wir beide beinahe wie zwei Schwestern oder wie Freundinnen zusammengelebt. Wir haben über alles gesprochen und wir haben uns auch jedes Mal einigen können. Deshalb verstehe ich dich jetzt nicht. Außerdem bist du nicht allein auf der Welt. Denkst du nicht, dass ich auch ein Recht auf ein bisschen Liebe und Verständnis habe?«

Auf einmal war Jutta unsicher. Gönnte sie ihrer Mutter nicht, dass sie sich verliebt hatte? War sie vielleicht nur eifersüchtig, dass es außer ihr noch jemand anderen in ihrem Leben gab? Nein!, versuchte Jutta sich einzureden. Eifersucht war es bestimmt nicht. Eifersucht war kindisch.

»Dazu kommt noch«, fuhr Frau Fassbender fort, als Jutta bockig schwieg, »dass du Gerold noch nicht einmal kennengelernt hast. Ich bin beinahe sicher, dass ihr euch verstehen werdet. Er hat auch eine Tochter.«

»Eine Tochter?«, wiederholte Jutta automatisch.

»Ja. Sie heißt Sybille. Sie ist genauso alt wie du. Wenn ich Gerold heiratete, würdet ihr Schwestern werden. Was denkst du darüber?«

»Gar nichts!”, schrie Jutta auf einmal. Jetzt wurde ihr auch klar, wer jene geheimnisvolle Billie gewesen war, von der ihre Mutter am Telefon gesprochen hatte. Billie das war bestimmt der Kosename für Sybille. Sicher war das eine von diesen eingebildeten Ziegen, die den ganzen Tag mit hoch erhobener Nase herumliefen.

Jutta malte sich aus, wie ekelig diese Sybille sein musste, und spürte, wie ihre Abneigung gegen die Tochter des Reiterhofbesitzers immer stärker wurde. Und weil sie ohnehin beschlossen hatte, diese Sybille nicht zu mögen, dichtete sie ihr immer mehr unsympathische Eigenschaften an.

»Wenn du unser Telefongespräch gehört hast«, sagte Grit Fassbender jetzt, »dann weißt du ja bestimmt auch, dass Gerold uns für das nächste Wochenende auf seinen Reiterhof eingeladen hat. Ich nehme doch an, dass du gern mitkommen möchtest, um ihn endlich kennenzulernen.«

»Ich werde nicht mitkommen!«, erklärte Jutta bestimmt. »Und wenn die ganze Welt zusammenfällt - keine zehn Pferde bringen mich da hinaus!«

»Zehn Pferde?« Grit Fassbender lachte. »Er hat zwölf Pferde in seinem Stall stehen!«

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