Читать книгу John - Texas Wolf Band 52 - Glenn Stirling - Страница 6
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ОглавлениеDas friedliche Bild täuschte.
Die aufgehende Sonne schleuderte Strahlenblitze über die Kuppen der Berge hinweg. Die blaugraue Dämmerung lag noch schattengleich auf der abgekehrten Seite der Felsen. Aus der Tiefe der Täler stieg der Dunst wie Rauch empor, wehte im Wind, der die Wipfel streifte, schleierartig davon. Es versprach ein schöner Tag zu werden.
In den Tannen auf den Berghängen zwitscherten die Vögel. Es war ein Bild des Friedens.
Tom Cadburn stand oben hinter einem Felsgrat, konnte am schartigen Gestein vorbei über die Weite dieser Landschaft blicken bis in das Tal vor ihm hinab.
Er hatte sein Fernglas vor die Augen gesetzt und verfolgte mit seinem Blick den Gratweg drüben auf dem Bergsattel zwischen den beiden Wipfeln auf der anderen Seite des Tales.
Plötzlich verharrte er. In seinem Blickfeld tauchte ein Mann auf, der ein Maultier hinter sich her zerrte. Das stoische Maultier ließ sich Zeit, über den gefährlichen schmalen Gratweg zu gehen. Der Mann hatte es eilig. Offensichtlich fürchtete er, hier oben, ohne jede Deckung, von Weitem schon entdeckt zu werden.
Tom Cadburn stellte das Glas schärfer ein. Der Mann da drüben war untersetzt, korpulent und hatte pechschwarzes Haar. Sein Hut hing ihm an einem Band im Nacken. Ein Strohsombrero war es. Der Mann hatte, wohl noch gegen die Nachtkühle, einen Poncho umgehängt, dessen bunte Farben die indianische Machart bewies.
Schräg hinter Tom Cadburn hockte im Schutze des Felsens Old Joe. Der dachsbärtige, grauhaarige Alte montierte das von einem Büchsenmacher aus einem Spektiv gebaute Zielfernrohr an seine gewaltige Hawken-Büchse. Das großkalibrige Gewehr hatte schon manchen seiner Gegner das Fürchten gelehrt.
Ohne aufzublicken, fragte der Alte: „Schon was gefunden?“
Mit gedämpfter Stimme erwiderte Tom Cadburn, ohne das Fernglas von den Augen zu nehmen: „Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich Petrillo. Er ist da drüben unterwegs.“
„Allein? Da stimmt doch etwas nicht. Den schicken die doch nicht allein los.“
„Es sieht aber ganz so aus. Vielleicht bildet er die Nachhut, und sie sind schon weg.“
Der Alte war mit seiner Montage fertig, stemmte sich hoch, legte sein gewaltiges Gewehr in die Scharte des Felsens und blickte durch das Zielfernrohr in dieselbe Richtung wie Tom Cadburn. Nach einer Weile hatte er Petrillo im Fadenkreuz.
„Donnerwetter! Er ist es wirklich“, meinte der Alte mit heiserer Stimme. „Ich könnte ihn so wegblasen.“
„Das wirst du verdammt bleiben lassen! Wir brauchen ihn gesund und munter. Und überhaupt, wenn wir ihm nur ein Haar krümmen, dann wird es schlimm für die Frau von Cortez.“
„Und du hast das Kind vergessen. Diese verdammten Hundesöhne haben ja auch das Kind und nicht nur die Frau.“
„Er jedenfalls“, meinte Tom Cadburn und beobachtete den Mann dort drüben immer noch sehr aufmerksam, „hat es nicht. Er ist allein. Jetzt bleibt er stehen.“
„Ich sehe es. Ich möchte ihm am liebsten Füße machen. Soll ich ihm nicht eine vor den Bug pflanzen, dass er vor Schreck umdreht und zurückläuft?“
„So einfach kann er da oben nicht umdrehen. Der Weg ist ganz schmal. Rechts und links fällt der Felsen steil ab. Du siehst doch, wie vorsichtig das Maultier seine Hufe setzt“
„Um so besser“, meinte der Alte grinsend. „Pass auf, er läuft uns direkt in die Finger! Ich sage dir, er läuft uns in die Finger, Tom. Ich setze ihm eine vor den Bug.“
„Lass es bleiben“, widersprach Tom Cadburn. „Du verdammter alter starrköpfiger Kerl, nimm die Finger vom Abzug!“
Seufzend ließ Old Joe den Gewehrkolben der mächtigen Hawkens sinken, sah Tom vorwurfsvoll an und knurrte: „Mit dir macht es aber überhaupt keinen Spaß mehr. Aber wirklich nicht.“
„Begreifst du nicht, dass er unser größtes Kapital ist?“, meinte Tom eindringlich und blickte jetzt wieder hinüber, wo Petrillo den schmalen Weg fast hinter sich hatte.
„Wenn er drüben ist, läuft er uns auf und davon“, meinte Old Joe. „Oder willst du ihm Sam hinterherschicken?“ Er warf einen Blick hinüber zu der Stelle, wo der schwarze Halbwolf lag, das Wolfsblut Sam.
Sam tat, als schliefe er. Er hatte seinen Kopf auf die Vorderbeine gelegt, blinzelte ab und zu in Richtung auf die beiden Männer. Aber Old Joe wusste, dass diese Schläfrigkeit täuschte. Wenn es darauf ankam, war Sam hellwach.
„Bleib an deiner Hawken!“, sagte Tom Cadburn. „Ich werde ihm ein Stück entgegenreiten. Wenn er versucht, über den Gratweg zu fliehen, kannst du ihm immer noch eine vor den Bug setzen. Aber verletze ihn möglichst nicht. Wir brauchen den Burschen. Es genügt, wenn du ihn zurückscheuchst.“
„Ich hätte ihn gleich festnageln können“, maulte der Alte mürrisch. „Was macht das denn, wenn er eine Schramme hat? Du weißt, wie viel Unglück dieser Schweinehund schon ausgesät hat. Er ist im Grunde schlimmer als O'Keefe, Bridewell und Wyman zusammen. Er hat doch immer alles ausbaldowert. Die ganzen Schweinereien, die sie gemacht haben, sind doch seine Idee.“
„Nur halblang! Nur halblang! Tu, was ich sage! Bleib jetzt hier und schieß nicht zu früh!“, mahnte Tom Cadburn, dann machte er sich auf den Weg. Sam war sofort auf den Beinen. „Dann komm, mein Freund“, sagte Tom Cadburn, „und bleib bei mir! Lauf nicht so weit voraus! Komm!“
Sam trabte ein Stück, blieb stehen, sah sich ungeduldig um, ob ihm Tom auch folgte. Dann lief er weiter. Den Weg kannte er. Sie beide, Tom und er, waren den gestern Abend schon ein paarmal gegangen. Da vorn, da hatten Tom und Old Joe etwas aufgebaut, worunter sich Sam nichts erklären konnte. Er wusste nur, wie er dahin kam. Und hinter dem, was die beiden da aufgebaut hatten, begann dieser Weg über den Felsgrat hinüber zur anderen Seite des Berges. Solche Gratwege zu gehen, machten Sam nichts aus. Das einzige, was ihn daran störte, war der harte, schartige Boden, bei dem er aufpassen musste, sich nicht die Pfoten zu verletzen.
Der Morgen war das Element von Sam. Es war noch frisch und kühl. Tau lag da, wo Gras wuchs, aber auch auf dem Fels. Diese frische kühle Luft tat Sam gut. Später, wenn es heißer wurde und das Gestein zu glühen schien, da lag er am liebsten irgendwo im Schatten und schlief.
Er hatte eine Witterung. Sie war ganz stark. Ein Geruch, den er von den Indios in Mexiko kannte. Er war schon mit Tom dort gewesen. Oben in den Bergen, aber auch unten in den Tälern rochen sie so, wenn auch ein wenig anders. Aber der hier hatte noch einen zweiten starken Geruch an sich. Es war nicht das Maultier, das Sam ebenfalls riechen konnte und das einen ähnlichen Geruch ausströmte wie Rosinante, das Reittier von Old Joe.
Dieser andere fremde Geruch, der so eigenartig und doch so penetrant war, hatte für Sam ganz und gar nichts Angenehmes. Ihm sträubten sich die Nackenhaare, je näher er diesem Geruch kam und je mehr er ihm in die Nase geriet.
Tom Cadburn roch nichts. Er besaß nicht so ein feines Riechorgan wie Sam, und er verließ sich ganz und gar auf seinen vierbeinigen Freund.
„Bleib bei Fuß!“, sagte Tom leise.
Sam blieb gehorsam zurück, wartete, bis Tom heran war, dann trabte er schräg vor ihm weiter.
Das trommelartige Pochen der kleinen Maultierhufe auf dem Gestein war zu hören. Erst fern und undeutlich, dann immer klarer zu vernehmen, und Tom brauchte nur Sam anzusehen, der seine Ohren steil erhoben hatte, jetzt stand, den Kopf reckte und genau in die Richtung spähte, wo Petrillo mit seinem Maultier auftauchen musste.
Das Schnauben des Maultieres war bis hierher zu hören. Aber die Huftritte vernahm Tom nicht mehr. Das Tier stand offenbar. Stattdessen hörte er ein Ächzen, dann einen Fluch, und schließlich hörte er den Hufschlag wieder. Allerdings langsamer und auf eine Weise, die Tom erraten ließ, dass dieses Maultier eine Last trug. Petrillo war also wieder in den Sattel gestiegen.
Und plötzlich tauchte er auf. Schwer und behäbig saß er im Sattel. Ein großer Mann, fast zu schwer und zu groß für dieses Maultier, das etwas,kleiner geraten war als Old Joes Rosinante.
Tom hatte sich zur Seite gestellt und war von dem Reiter nicht auf Anhieb zu sehen. Ein Busch verbarg ihn. Aber Tom konnte durch die Zweige und Blätter hindurch auf den sich nähernden Reiter sehen.
In diesem eigenartigen Kurztrab, den Esel und Maultiere machen, wenn sie schwere Lasten tragen, kam das Tier mit seinem Reiter näher.
Tom hatte das Gewehr in den Händen. Seine Rechte umspannte den Kolbenhals, die Linke lag vorn auf dem Schaft, und so wartete er. Jeden Augenblick war er bereit, die Waffe hochzureißen und abzudrücken. Gespannt war sie schon.
Petrillo war Mexikaner, ein massiger Mann, mit dichten, buschigen Augenbrauen, einem wulstigen Mund und einer breiten, platten Nase zwischen gewaltigen Wangenknochen. Fleischig umschlossen seine Hände die Zügel. Bei diesem Kurztrab bewegte sich alles an dem Reiter. Er wurde geschüttelt, aber es schien ihm nichts auszumachen. Immer wieder drehte er sich um und blickte zurück. Auf die Idee, dass die Gefahr vor ihm sein konnte, schien er nicht zu kommen. So jedenfalls sah es aus. Aber wer das glaubte, der irrte sich.
Tom kannte diesen Trickser Petrillo. Ein Mann, der bisher immer entkommen war, und dem man den Tod von einem Sheriff und drei Deputy-Marshals nachsagte. Aber beweisen konnte ihm das keiner. Es gab überhaupt nichts, was man ihm beweisen konnte, noch nicht …
Tom riss das Gewehr hoch, bereit, sofort abzudrücken, und seine Vorsicht war keinesfalls übertrieben.
In diesem Augenblick flog dieser schwere füllige Mann wie von einer Feder getrieben herum und schoss. Er hatte in der Rechten den Revolver. Und der Trick, das er seinen Gegner glauben machte, er schaue zurück, suche nach einem Verfolger, dieser Trick, der so oft funktioniert zu haben schien … Diesmal klappte er nicht.
Tom warf sich zur Seite, schoss, das Gewehr an die Hüfte gepresst, schlug auf, rollte sich auf den Rücken, schoss von da aus ein zweites Mal.
Und dann kam Sam! Er sprang auf das Maultier los, als das entsetzt durchgehen wollte. Verzweifelt bäumte sich das Maultier auf, bockte, wollte die schwere Last loswerden und flüchten.
Der Mann fiel aus dem Sattel. In beide Oberarme getroffen, schlug er wie ein Mehlsack auf, schrie dabei, rollte sich herum und lag dann wie ein geprellter Frosch auf dem Rücken.
Das Maultier stiebte zurück, lief, aber sein Zügel hing herab, verhedderte sich an einem Strauch, riss das Tier zurück, dass es fast stürzte, und dann war Sam da, der die Zügel schnappte und sie zwischen den Zähnen hielt.
Das aufgeregte Maultier bäumte sich abermals auf, ließ die Vorderhufe wirbeln und wurde Sam richtig gefährlich. Er wich zurück, ließ die Zügel aus, griff das Maultier aber dann wieder von der Seite an und trieb es genau in Toms Richtung.
Tom stand jetzt, nachdem er sich aufgerichtet hatte, vor dem am Boden liegenden Petrillo, beugte sich über ihn und tastete ihn nach weiteren Waffen ab. Den Revolver hatte Petrillo fallen lassen.
„Wer bist du, verdammter Hund?“, keuchte Petrillo. „Das kommt dich teuer zu stehen. Wenn meine Freunde dich erwischen, bist du verloren.“
Tom, der sein Ranger-Abzeichen nicht trug, lächelte hart. „Dein Gedächtnis hat gelitten. Du müsstest mich kennen.“
José Petrillo machte schmale Augen. Jetzt fixierte er Tom zum ersten Male richtig. Diesen blonden Mann, das hagere, sehnige Gesicht, das kannte er. Jetzt fiel es ihm ein, wer sein Gegenüber war. Das bestätigte ihm noch die schwarze Kleidung, die der Mann trug; eine schwarze Weste, ein schwarzes Hemd und schwarze Hosen.
„Tom Cadburn“, keuchte er. „Ein Texas-Ranger. Was, zum Teufel, willst du von mir? Ich habe nichts getan, was du …“
„Es ist ganz einfach“, sagte Tom. „Ich habe dir jetzt die Waffen weggenommen, das Messer aus deinem Stiefelschaft, und nun kannst du gehen, wohin du willst. Natürlich zu Fuß, Petrillo.“
Petrillo sah ihn so verdattert an, dass Tom am liebsten gelacht hätte. Aber er wusste, dass dieser Mann so harmlos war wie eine gereizte Klapperschlange. Nein, dem durfte er nicht einmal den Rücken zudrehen, auch wenn Petrillo unbewaffnet war.
„Ich lasse dich frei.“
„Frei? Du lässt mich frei? Da ist ein Pferdefuß dran. Du willst mich reinlegen.“
Tom lachte. „Warum sollte ich dich reinlegen? Ich kann dir nichts nachweisen, verstehst du? Ich weiß zwar, dass du ein Strolch, ein Bandit, ein Lumpenhund bist, aber ich kann es dir nicht beweisen.“
Petrillo grinste triumphierend. Aber dann übermannte ihn wieder der Schmerz. Er machte ein weinerliches Gesicht. „Verdammt“, keuchte er, „du musst etwas für mich tun! Ich bin verletzt.“
„Ich tue sehr viel für dich. Ich lasse dir die Freiheit. Ich könnte dich unter einem fadenscheinigen Grund festnehmen. Einfach behaupten, dass irgend etwas nicht stimmt. Tu ich nicht. Ich habe dich gestoppt, weil du auf mich geschossen hast. Du bist verletzt und stellst für mich keine Gefahr mehr dar. Du kannst gehen. Allerdings muss ich dein Maultier beschlagnahmen. Erst wenn ich ganz sicher bin, dass du es nicht gestohlen hast, könntest du es dir wiederholen.“
Petrillo durchschaute den ganzen Plan.
„Hör auf, mir ein Theater vorzuspielen“, brummte er. „Hilf mir lieber!“ Er blickte auf seine Oberarme. Das eine war ein Streifschuss, der stark blutete. Das andere ein Durchschuss, der merkwürdigerweise keine starke Blutung ausgelöst hatte.
„Steh auf und geh vor mir her! Ich habe einen Freund mit.“
Wer dieser Freund war, konnte sich Petrillo sehr wohl denken. Jetzt, wo er wusste, dass er Tom Cadburn gegenüber stand, gehörte nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass der Begleiter Tom Cadburns niemand anderer als der alte Joe war.
„Du willst mich reinlegen“, stöhnte Petrillo.
„Wieso denn nur?“ Tom tat überrascht. „Ich wollte nur prüfen, ob du nicht etwa ein gestohlenes Maultier reitest. Aber da gebärdest du dich schon wie ein feuerspeiender Berg. Was sollte ich tun? Ich hatte gar keine Wahl. Ich musste mich verteidigen. Notwehr nennt man das.“
„Du verdammtes Schlitzohr! Ich sage ja, dass du mich reinlegen willst“ Er hatte sich jetzt mühsam hochgearbeitet und wankte jammernd vor Tom her.
Sam, der das Maultier in die Enge getrieben hatte und nicht mehr rauskommen ließ, wurde erlöst, denn Tom nahm die Zügel des Maultieres, beruhigte es und führte es dann an den Zügeln hinter Petrillo her.
Es dauerte nicht lange, da waren sie bei Old Joe.
Der musterte Petrillo geringschätzig. „Dich alten Lumpenkerl hätte ich wegputzen sollen. Um dich wär‘ es nicht schade gewesen.“
„Hör, was er sagt!“, rief Petrillo erregt „Er will mich einfach umbringen. Dieser alte Hundesohn will mich einfach ermorden. Und du würdest es am liebsten zulassen, was?“
„Ich frage mich manchmal, wo du dein wunderbares Englisch gelernt hast“, meinte Tom. „Du hättest so viele Chancen, sprichst diese Sprache perfekt und auch deine eigene. Warum nur musstest du solche Wege gehen? Du hast es gar nicht nötig gehabt. Aber du willst das große Geld verdienen, nicht wahr? In Wirklichkeit hat es noch nicht einmal für eine anständige Kleidung und für ein ordentliches Maultier mit einem guten Sattel gereicht. Nichts davon hast du.“
„Na und? Da kannst du sehen, wie ich vom Pech verfolgt bin“, klagte Petrillo.
„Mir kommen gleich die Tränen“, höhnte Tom. „Los, setz dich dahin! Oder noch besser, leg dich auf den Bauch, Dicker. Old Joe wird dich verbinden. Und wehe, du unternimmst was. Sam, pass auf ihn auf!“
Tom deutete auf Petrillo, und als der sich auf den Bauch legte, stellte sich Sam mit gebleckten Fängen vor den Kopf von Petrillo. Der schaute einmal auf, da traf ihn der warme Wolfsatem. Das erschreckte den dicken Mexikaner mehr als eine Gewehrmündung.
„Ich würde etwas dafür geben“, meinte Old Joe, „dass du ihn mir überlässt.“
„Wir werden es gemeinsam machen“, entschied Tom. Dann wandte er sich an Petrillo, dem Old Joe gerade den linken Oberarm verband. „Sag mal“, begann Tom, „willst du uns nun alles erzählen, oder müssen wir nachhelfen?“
„Was soll ich erzählen? Ich weiß nichts. Ich weiß von gar nichts. Ich bin hier einfach unterwegs und …“
„Klar. Was hatte ich auch erwarten sollen“, meinte Tom. „Wenn er verbunden ist, lassen wir ihn gehen. Wir können ihm nichts nachweisen, Old Joe, verstehst du?“
Old Joe kannte dieses Spiel, grinste zu Tom hin und meinte: „Wir können ihm wirklich nicht das Geringste beweisen. Ein harmloser Wanderer, der die Wildnis durchquert, arglos, zurückhaltend, ein immerzu freundlicher Mensch. Nein, Tom, den können wir nicht einfach einsperren.“
Petrillo sagte nichts. Er hatte schon zustimmen wollen, spürte aber den Hohn in Old Joes Stimme und schwieg. Mit Groll in den Augen blickte er Old Joe an. Dass er verhöhnt wurde, machte ihn wütend.
„Mach ihm noch etwas um den rechten Arm, und dann kann er gehen.“
„Gehen? Wohin denn gehen? Ihr müsst mir mein Maultier zurückgeben. Es ist mein Eigentum. Ich habe nichts verbrochen und …“
„Alles in Ordnung. Aber was das Maultier angeht, habe ich dir vorhin schon gesagt, dass ich feststellen muss, ob es dir auch gehört. Dazu muss ich es mitnehmen. In Grumman‘s Point muss das alles überprüft werden.“
„Was soll mein Maultier in Grumman‘s Point? Ich komme nicht dahin. Ich will zurück in meine geliebte Heimat“, rief er großspurig.
Old Joe nickte. „Na ja, niemand hält dich zurück, Petrillo. Du kannst zu Fuß in deine Heimat gehen. Bis zur Grenze sind es von hier fünf Meilen, und bis zum nächsten Ort in Mexiko von hier aus sind es nur noch fünfzig. Du musst ein wenig durch die Berge. Aber was macht das schon. Du bist das doch gewohnt. Es ist ja mexikanischer Boden, auf dem du gehst. Er wird dir Flügel machen. Beschwingt wirst du dahinschweben, zurück in deine geliebte Heimat. Wozu dann noch auf einem Maultier reiten? So schnell kann das doch gar nicht laufen, wie du vorankommen wirst, bei deiner Sehnsucht nach deinem Zuhause.“
Petrillo blickte Old Joe wütend an. „Du kannst mich nicht verhöhnen. Ihr wollt mich unter Druck setzen.“
„Nein“, widersprach Tom Cadburn, „wir lassen dich frei. Was können wir denn mehr tun? Sieh mal, wir verbinden dich, und dann kannst du gehen. Deine Freunde sind ja nicht weit. Vielleicht helfen sie dir.“
„Sie sind nicht hier. Verdammt nochmal, was redet ihr euch ein? Ihr wollt sie, nicht wahr? Und mich habt ihr jetzt in der Klemme. Aber ihr bekommt nichts aus mir heraus. Gar nichts.“
„Bist du sicher?“, fragte Tom Cadburn spöttisch. „Ich glaube schon, dass wir etwas aus dir herauskriegen. Wir wollen es nur nicht. Du kannst gehen, einfach gehen! Nur ohne dein Maultier. Das müssen wir erst überprüfen. Wir sind sehr genaue Leute, verstehst du? Wir können uns nicht einfach mit einer Aussage zufrieden geben. Uns sind einige Maultiere als gestohlen gemeldet. Nun werden wir uns mal die Brandzeichen genau ansehen. Und da wir die Bücher, in die die Brandzeichen eingetragen sind, nicht bei uns haben, müssen wir das Maultier mitnehmen. Du kannst ja, wenn du willst, mitkommen. Aber du musst es nicht.“
„Ihr verdammten Hundesöhne verhöhnt einen noch. Ihr wollt mich hier fertigmachen. Ihr wisst ganz genau, dass man zu Fuß den Weg bis nach Mexiko hinüber nicht schafft. Ihr wisst es haargenau. Ihr dürft das nicht! Es ist Mord. Ja, es ist Mord, mich zu Fuß wegzuschicken. Ich bin verletzt. Ich bin an beiden Armen verwundet.“
„Du läufst doch nicht mit den Händen“, meinte Old Joe.
„Ganz egal. Ich konnte den Brand in die Arme bekommen. Fünfzig Meilen zu Fuß. Seid ihr wahnsinnig? Und dann durch die Berge. Am Tage die Hitze, nachts die Kälte.“
Weder Old Joe noch Tom Cadburn gaben ihm noch eine Antwort. Sie beschäftigten sich mit dem Maultier, das Tom Cadburn jetzt am Zügel nahm und wegführte. Weiter unten im Tal standen Thunder, der Blauschimmelhengst von Tom Cadburn, und Rosinante, das struppige Maultier Old Joes.
„Ich habe etwas gesagt, verdammt noch mal!“, schrie Petrillo mit überschnappender Stimme. Dem Dicken standen schon die Schweißtropfen auf der Stirn, obgleich es noch gar nicht so heiß geworden war.
„Was willst du denn eigentlich?“, fragte Old Joe. „Du bist doch ein freier Mann. Nun spring schon zurück in deine geliebte Heimat. Da willst du doch hin. Nichts hält dich auf. Gar nichts.“
„Ihr könntet mich genauso gut erschießen. Und das wisst ihr. Mich freizulassen ist wie ein Mord.“
„Aha“, meinte Old Joe. „Sollen wir dich lieber in Ketten legen und mitschleppen?“
„Ihr müsst mir helfen! Ich bin verletzt. Ihr dürft mich nicht einfach zurücklassen.“
„Wir lassen dich nicht zurück. Wir geben dir die Freiheit“, erklärte der Alte, „und damit kannst du doch eine ganze Menge anfangen. Was willst du denn nur? Wir können doch nicht jeden verhaften. Außerdem liegt ja gegen dich gar nichts vor. Man kann dir nichts beweisen.“
Petrillo war stehengeblieben, hatte die Arme verschränkt und hielt sich mit beiden Händen die verletzten Oberarme. „Das habt ihr euch fein ausgedacht verdammt. Oh, ihr verfluchten Hundesöhne! Einen so reinzulegen.“
Tom Cadburn ging einfach weiter mit dem Maultier am Zügel. Sam trabte ihnen schon weit voraus, hatte jetzt Thunder, den Hengst erreicht der ihn freudig schnaubend begrüßte, und auch Rosinante, die ihren schrillen Maultierschrei ausstieß. Prompt antwortete das andere Maultier.
Petrillo hatte sich einfach auf einen Steinbrocken gesetzt und blickte verzweifelt Old Joe nach, bis der um die Felsbiegung verschwand. Wutschnaubend hörte der Dicke die Geräusche der tappenden Hufe seines Maultiers, auch die Schritte der Männer auf knirschendem Kies, der weiter unten den Boden bedeckte. Und er hörte auch, wie Old Joe sagte: „Ich nehme am besten das Maultier. Es passt besser zu Rosinante. Sieh mal, sie vertragen sich sogar. Reiten wir sofort los?“
„Sofort“, hörte Petrillo Tom Cadburn antworten.
„Diese Hundesöhne. Ihr verdammten Hundesöhne!“, kreischte der Dicke, stand wieder auf, lief hastig ein paar Schritte den Pfad entlang bis um die Felsbiegung herum. Da konnte er sehen, wie sie gerade aufsaßen. „Ihr Hundesöhne!“, schrie er. „Ihr lasst mich verrecken! Ihr lasst mich kaputtgehen! Das ist Mord. Ein Texas-Ranger, der ein Mörder ist. Der Teufel soll dich holen, Cadburn. Es wird die Stunde kommen, wo du dafür in der Hölle schmorst.“
„Du hast zu viel Sinn für geschwollene Redensarten. Schreib sie auf und verkauf sie einer Zeitung.“
Er lachte, und Old Joe lachte mit. Dann ritten sie los, trieben die Tiere an. Und Petrillo begriff, dass sie es ernst meinten, nicht blufften. Sie ließen ihn einfach zurück. Kein Gericht der Welt, das war ihm völlig klar, konnte sie dafür verurteilen. Er war nur leicht verletzt, und das durch eigene Schuld. Sie hatten ihm sogar die Freiheit gegeben. Aber das war es ja gerade. Mit dieser Freiheit konnte er nichts anfangen. Zu Fuß war er verloren hier. Das verstand nur jemand, der diese Gegend kannte.
Verzweifelt schrie er: „Ich sag euch, was ihr wissen wollt! Reitet nicht weg! Ich sag euch alles.“
Sie ritten weiter.
„Ich sag euch alles. Bleibt doch, zum Teufel, bleibt! Lasst mich nicht allein!“
Jetzt parierte Old Joe die beiden Maultiere, wandte sich im Sattel um, und deutlich erkannte Petrillo, wie der Alte grinste. „Und wenn wir es nicht tun?“, rief er mit heiserer Stimme nach oben.
„Haltet doch an! Ich sag euch wirklich alles.“
„Du wirst eine Lüge an die andere reihen. Warum sollen wir uns mit dir abgeben?“
Petrillo hatte die ganze Sache völlig durchschaut. Dumm war er nie gewesen. Er wusste, was sie vorhatten. Aber er sah keine Möglichkeit, dem zu entgehen. Wenn er hier weg wollte, musste er reden. Vielleicht, dachte er noch, kann ich sie mit einer geschickten Lüge täuschen. Aber Cadburn wird nicht darauf hereinfallen und der Alte auch nicht. Der Alte ist schlau wie ein Fuchs. Nein, nicht wie ein Fuchs, wie ein alter Einzelgängerwolf. Genau das ist es. Cadburn ist auch gefährlich. Der kann messerscharf denken. Bei dem muss ich aufpassen. Verdammt noch mal, dass ich denen in die Finger geraten bin!
Die Verletzungen in den Oberarmen schmerzten sehr. Er wusste, dass er keine fünf Meilen zu Fuß kommen würde, geschweige denn fünfzig. Zurück nach Mexiko zu gehen war eine Illusion. Er konnte froh sein, wenn sie ihn mitnahmen und dann in Grumman‘s Point in eine Zelle sperrten. Ja wirklich, da konnte er froh sein. Dort gab es einen Mann, der Verletzungen behandeln konnte. Der könnte ihm helfen.
„Ich sag euch alles!“, schrie er wieder.
Cadburn hatte nun auch angehalten, wandte sich ebenfalls im Sattel um und rief zweifelnd zurück: „Wenn du was zu sagen hast, dann komm her! Wir warten. Und wehe, es ist dummes Zeug, was du erzählst.“
Petrillo kam gelaufen. Die Arme schmerzten bei diesem Tempo. So ging er langsamer. Er biss die Zähne zusammen, so weh tat es. Das trieb ihn noch mehr an, sie nur ja dazu zu bewegen, ihn mitzunehmen. Ohne sie, das wurde ihm völlig klar, war er verloren. Und die beiden wussten das. Auch das hatte er längst begriffen.
Hol der Teufel die anderen! Hol der Teufel O'Keefe, Bill und Larry! Jetzt geht es um meine eigene Haut, dachte er. Ich muss meine eigene Haut retten. Ich werde nicht alles sagen, überlegte er weiter. Aber etwas muss ich ihnen schon preisgeben. Tu ich es nicht, lassen sie mich am Ende doch zurück. Diese gemeinen Hunde, einen so auszutricksen.
Keuchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht langte er bei den beiden an. Sein Maultier schien nicht besonders begeistert von ihm zu sein, denn es schnaubte erregt, als er näherkam. Old Joe bemerkte es und grinste schief. Tom Cadburn hingegen beobachtete Petrillo genau. Für ihn war auch Petrillo in angeschossenem Zustand nicht ungefährlich, auch wenn er momentan einen sehr hilflosen Eindruck machte. Wer weiß, dachte Tom Cadburn, was dem in seiner Verzweiflung einfällt.
„Nun rede!“, forderte Tom Cadburn den Dicken auf. „Was willst du hören? Verdammt, sage es doch! Ich brauche Hilfe. Ich habe solche Schmerzen. Dieser Verband, das ist doch nicht alles. Ich müsste Ruhe haben. Ich müsste in ein Bett Ich müsste …“
„Du musstest am liebsten noch ein Säugling sein und an der Mutterbrust liegen und jemand haben“, sagte Old Joe, „der dir die Haare streichelt, der dir den Schnuller gibt. Verdammt noch mal, aber du bist kein Baby, du bist ein Mann. Und einer, der kaltlächelnd dafür gesorgt hat, dass andere über den Jordan gehen. Was hast du zu erzählen? Dann fang damit an!“
Der Dicke blickte unsicher von einem zum anderen, dann sagte er: „Ich weiß, wo sie sind.“
„Wo wer ist?“, fragte Tom Cadburn, als habe er nicht die mindeste Ahnung, von wem die Rede war.
„O'Keefe natürlich und Bridewell.“
„Du hast Larry Wyman vergessen. Der ist doch sicher bei ihnen.“
Petrillo nickte heftig. „Sagt ihnen nicht, dass ihr es von mir wisst.“
„Und sie haben das Kind und die Frau?“
Petrillo schüttelte heftig den Kopf. „Nein, sie haben sie nicht. Es ist ja, verdammt noch mal, alles ganz anders gelaufen. Ihr könnt uns nichts anhaben.“
„Bist du sicher?“ Tom Cadburn lächelte geringschätzig. „Ich glaube, du unterschätzt uns.“
„Wir haben die Frau nicht mehr. John hat sie ihnen abgejagt.“
„Welcher John?“
„John Duncan, dieser verdammte Kerl. Und jetzt sind die hinter ihm her. Sie werden ihn wieder fassen. Ihr könnt sie nicht einholen.“
„Und wo stecken O'Keefe, Bridewell und Wyman?“
„Etwa zwölf Meilen von hier.“
„Denke dran, was du sagst. Du willst mit“, erklärte Tom. „Du kannst uns keine Lügen auftischen. Du wirst dabei sein.“
„Ich soll mit? Das ist Wahnsinn. Das kann ich nicht. Verdammt nochmal, ihr wollt mich umbringen!“
„Wir werden gut für dich sorgen.“
„Ich muss einen Doc haben. Ich muss zu einem Arzt. Ich bin an beiden Armen verwundet. Ich habe wahnsinnige Schmerzen.“
Tom Cadburn nickte, sah Old Joe an und deutete auf dessen Satteltasche. „Lass ihn einen Schluck nehmen“, sagte er.
Old Joe holte die Flasche heraus, die in der Satteltasche steckte, entkorkte sie, nahm selbst einen Schluck, wischte mit dem Ärmel über die Flaschenöffnung und hielt die Flasche dann Petrillo entgegen. „Na, komm her Junge, hol dir deinen Schluck!“
Petrillo kam gehorsam näher, und Old Joe hielt ihm die Flasche an den Mund und ließ ihn trinken. Zog dann aber die Flasche rasch zurück, als Petrillo einfach den Mund nicht davon lösen wollte.
„Das könnte dem so passen, was?“, meinte Tom Cadburn. „Und jetzt beschreibe uns ganz genau, wo sie sind und in welche Richtung sie reiten.“
„Woher soll ich das wissen? Sie folgen der Spur von John Duncan. Sie sind ja hinter John Duncan her. Er hat die Frau und das Kind. Aber vielleicht hat er längst eine Siedlung oder eine Stadt erreicht.“
„In welcher Richtung sind sie weg? Das weißt du genau. Und wieso bist du zurückgeblieben?“
„Wir haben gedacht, dass Duncans Freunde in der Nähe sind. Und ich wollte denen eine Falle legen. Aber sie sind nicht gekommen. Stattdessen seid ihr aufgetaucht.“
„Und du bist in unsere Falle hineingestolpert, nicht wahr?“, meinte Tom Cadburn lächelnd. „Nein, mein Freund, und fast hättest du mich noch umgelegt, nicht wahr? Das dürfte ich eigentlich nie vergessen. Deshalb habe ich auch nicht allzu viel Mitleid mit dir. Also, beschreibe uns genau die Richtung, in der sie John Duncan folgen!“
„Ich weiß es ja nicht genau. Am Anfang ist er geradewegs auf Grumman‘s Point zu geritten.“
„Wie weit ist die Stelle entfernt, wo du dich von ihnen getrennt hast?“, fragte Tom Cadburn.
„Vielleicht eine Meile von hier. Vielleicht auch zwei. Es geht durch ein Tal.“
„Und wann habt ihr euch getrennt?“
„In der Nacht. Kurz vor Mitternacht ist es gewesen.“
Tom Cadburn überlegte kurz. Allzu weit, sagte er sich, konnten sie allesamt bei Nacht nicht vorangekommen sein. Weder O'Keefe, Bridewell und Wyman, noch der dicke Petrillo.
„Also gut, dann führe uns dahin! Wenn alles stimmt, bringt dich Old Joe zurück, und zwar nach Grumman‘s Point.“
Petrillo sagte nichts. Er schielte nur misstrauisch in Old Joes Richtung. Aber der hockte mit einem Pokergesicht im Sattel, dass Petrillo nicht auf die Gedanken kam, die den alten Joe bewegten.
Die Stelle, von der Petrillo gesprochen hatte, lag ungefähr in der Richtung, in die sie ohnehin reiten mussten, wollten sie Wyman, O'Keefe und Bridewell verfolgen. Dafür gab es einen Grund, auch wenn die drei die Frau und das Kind nicht mehr in ihrer Gewalt hatten.
Während des Ritts überlegte Tom Cadburn. Und dann sagte er zu Old Joe, der sich offensichtlich auch sehr ähnliche Gedanken machte: „Er müsste doch nach Mexico reiten mit ihnen. Nur dann hätte es einen Sinn.“
„Habe ich auch gerade gedacht“, meinte Old Joe. „Sie ist die Schwester von Antonio Cortez. Sie wollte zurück. Der Fehler, den O'Keefe, Bridewell und Wyman gemacht haben, ist ganz einfach der, dass sie nicht abgewartet haben, bis sie mit dem Kind über die Grenze war. Dann hätten wir nämlich gar nichts machen können. Aber so hatten sie nicht die nötigen Nerven, die Zeit abzuwarten. Sie haben sich die Frau und das Kind geschnappt, als die noch beide auf amerikanischem Gebiet gewesen sind.“
„Aber wieso bringt John Duncan die beiden nicht nach Mexiko? Er wird doch kaum für Ferguson unterwegs sein.“
„Wer sagt dir, dass Wyman, O'Keefe und Bridewell für Ferguson unterwegs sind?“, meinte Tom Cadburn und beobachtete, während er das sagte, den dicken Petrillo.
„Für wen sonst? Es gibt niemanden außer Ferguson, der ein Interesse daran hätte, die beiden fassen zu lassen. O'Keefe, Bridewell und Wyman sind Kopfgeldjäger. Und da die Frau, und das Kind erst recht, keine Banditen sind, die gegen eine Prämie gesucht werden, muss also jemand da sein, der dafür etwas springen lässt, dass die drei Mrs. Ferguson und ihr Kind fassen und zu ihrem Mann zurückbringen. Darum wird es ja wohl letztendlich gegangen sein, nicht wahr?“
„Was ihr euch da ausdenkt, ist alles Quatsch“, rief Petrillo.
„Was du nicht sagst“, meinte Tom Cadburn. „Die Tatsache, dass du das behauptest, macht mich fast sicher, dass ich mit meinen Gedanken richtig liege.“
„Ihr habt keine Ahnung, worum es wirklich geht. Ihr träumt euch was zusammen.“
„Wach du nur nicht aus deinem Traum auf“, spottete Tom Cadburn. „Wie weit ist es noch?“
„Irgendwo da vorn muss es sein“, meinte Petrillo.
Dann hatten sie die Stelle erreicht. Es war ein weites Tal, fast ein Kessel. Und die Stelle befand sich so ziemlich in der Mitte. Hier wimmelte es von Büschen, und das Vorankommen war nur möglich, wenn sie hintereinander ritten. Weit voraus lief Sam. Offensichtlich folgte er einer Fährte. Dann blieb er stehen, wandte sich ungeduldig um. Endlich folgten die Reiter.
„Hier ist es gewesen“, erklärte Petrillo.
Tom stieg vom Pferd, sah sich die Spuren an, die noch erkennbar waren. Er kniete mehrmals am Boden, um genauer sehen zu können. Dann richtete er sich auf, wandte sich Old Joe zu und sagte: „Es stimmt, was er sagt. Hier hat es ein Handgemenge gegeben. Ich staune über Duncan, dass er es allein geschafft hat. Es ist wirklich nur die Spur von einem Mann und seinem Pferd. Dann ist er mit drei zusätzlichen Pferden davon. Auf zweien ist so gut wie keine Last.“ Er blickte Petrillo an. „Wer hat das Kind? Es reitet doch nicht allein. Oder kann es das schon?“
Petrillo schüttelte den Kopf. „Der Junge ist sieben“, sagte er. „John hatte ihn bei sich im Sattel, als sie davongeritten sind.“
„Erzähle doch, wie das passiert ist!“, erkundigte sich Old Joe. „Ein Mann überrascht vier Coyoten wie euch. Wie ist das möglich gewesen?“
„Er hat etwas ins Feuer geworfen“, gestand Petrillo ein. „Wir hatten ein Feuer. Dort drüben. Da, wo das Schwarze ist. Wir haben da gelagert. Er hat etwas ins Feuer geworfen, und auf einmal war ein gelber dichter Qualm. Uns ging die Luft weg. Wie Schwefel hat es gestunken. Gesehen haben wir auch nichts. Und dann hatte er O'Keefe niedergeschlagen, die Frau und den Jungen gepackt und ist mit ihnen los.“
„Und er hat euch die Pferde zurückgelassen?“
„Er hatte sie weggetrieben. Sieh doch an den Spuren. Er hat sie einfach durch die Büsche gejagt. Wir haben sie nachher gesucht. Mein Maultier hatten wir zuerst. Das hing mit dem Zügel an einem Busch fest und konnte nicht weiter. Aber Wymans Pferd war ziemlich weit entfernt. Es ist dann mehr oder weniger von allein zurückgekommen.“
Old Joe sah Tom grinsend an und meinte anerkennend: „Was sagst du zu diesem Burschen. Er hat sie total reingelegt.“
Tom nickte nur und sagte dann: „Bring ihn nach Grumman‘s Point und warte dort auf mich. Ich nehme Sam mit. Vielleicht schnappe ich die drei, bevor es denen gelingt, Duncan einzuholen. Wenn ich nur wüsste, was Duncan vorhat. Ob er die beiden nach Mexiko bringen will oder zu Ferguson zurück? Könnte ja sein, dass Ferguson diesen Halunken nicht getraut hat. Oder es gibt noch einen anderen Grund, auf den wir nur noch nicht gekommen sind. Duncan ist auch nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt. Also los, bring ihn weg, damit das Gejammer aufhört!“
„Mach es gut, Tom, und spring ihnen nicht geradewegs in eine schöne Falle hinein!“
„Ich habe ja Sam. Der wird schon aufpassen“, erklärte Tom Cadburn.